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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 27.04.2005
Aktenzeichen: 24 W 26/04
Rechtsgebiete: WEG, ZPO
Vorschriften:
WEG § 43 I Nr. 4 | |
ZPO § 240 |
Kammergericht Beschluss
Geschäftsnummer: 24 W 26/04
In der Wohnungseigentumssache
betreffend die Wohnungseigentumsanlage Cnnnn nnnn , 1nn Bnnn
hat der 24. Zivilsenat des Kammergerichts auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 12. August 2003 - 85 T 501/02 WEG - durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Dr. Briesemeister, die Richterin am Kammergericht Kingreen und die Richterin am Kammergericht Hinrichs am 27. April 2005
beschlossen:
Tenor:
Unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Beschlusses wird die Erstbeschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg vom 31. Oktober 2002 - 76 II 225/02 WEG - auch insoweit zurückgewiesen, als das Amtsgericht Schöneberg den Anfechtungsantrag gegen den Eigentümerbeschluss vom 25. April 2002 zu TOP 2c) zurückgewiesen hat.
Die Antragstellerin hat die Gerichtskosten aller drei Instanzen zu tragen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Der Geschäftswert dritter Instanz wird auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Wohnungseigentümer der im Rubrum bezeichneten Wohnanlage streiten, soweit in dritter Instanz noch von Bedeutung, um die Gültigkeit des Eigentümerbeschlusses vom 25. April 2002 zu TOP 2c), mit dem die Antragstellerin verpflichtet worden ist, für die in ihrem Eigentum stehenden und (was die Dachgeschosswohnungen betrifft) noch im Ausbau befindlichen Einheiten Nr. 13 - 15, 19 - 21 vom 1. Januar 2002 an in voller Höhe Wohngeld zu zahlen. Nach der notariellen Teilungserklärung vom 2. August 1995 wurden an dem Gebäude zunächst 18 Einheiten begründet, wobei den jeweiligen Eigentümern der im Dachgeschoss belegenen Teileigentumseinheiten Nr. 13, 14 und 15 das Recht zum Ausbau zu Wohnungen und dem jeweiligen Eigentümer der Teileigentumseinheit Nr. 15 die weitere Unterteilung dieser Einheit u.a. mit der Maßgabe zugestanden worden ist, dass sämtliche Herstellungsarbeiten bis spätestens 12 Monate nach Beginn der Ausbauarbeiten durchzuführen sind und die übrigen Bewohner des Hauses nicht über das unbedingt erforderliche Maß hinaus beeinträchtigt werden sollten. Für die Eigentümer der Teileigentumseinheiten Nr. 13 - 15 im Dachgeschoss ist in § 8 Nr. 3 der Gemeinschaftsordnung vorgesehen, dass diese verpflichtet sind, vom Wohngeld "ab Baubeginn 50 % und ab Bezugsfertigstellung 100 % zu zahlen." Die Antragstellerin erwarb die Einheiten Nr. 13 - 15 von der teilenden Eigentümerin und unterteilte die Einheit Nr. 15 in der Weise, dass drei weitere Einheiten, nämlich Nr. 19 - 21, geschaffen wurden. Die Antragstellerin begann im Jahre 1997 damit, die Einheiten Nr. 13 - 15 zu Wohnzwecken auszubauen.
In einem früheren Verfahren stritten die Wohnungseigentümer bereits darüber, ob das Tatbestandsmerkmal des Baubeginns erfüllt sei und damit 50 % des sonst an sich nach den Miteigentumsanteilen zu tragenden Wohngelds zu zahlen seien. Der Senat (Beschluss vom 19. September 2001 - 24 W 6354/00 - NJW-RR 2002, 374 = ZMR 2002, 147) hat entschieden, dass die Teilungserklärung eine verdeckte Öffnungsklausel enthalte und die Wohnungseigentümer durch gerichtlich nachprüfbaren Eigentümerbeschluss festlegen dürfen, dass der Umstand des Baubeginnes und damit auch die Verpflichtung zur hälftigen Wohngeldzahlung erfüllt sei. Im vorliegenden Verfahren streiten die beteiligten Wohnungseigentümer darüber, ob durch Mehrheitsbeschluss festgelegt werden darf, dass angesichts der erheblichen Bauzeitüberschreitung die Antragstellerin sich nunmehr so behandeln lassen müsse, als sei die Bezugsfertigstellung zumindestens zum 1. Januar 2002 eingetreten. Einen entsprechenden Eigentümerbeschluss fasste die Gemeinschaft unter Bezugnahme auf den Senatsbeschluss vom 19. September 2001 am 25. April 2002 zu TOP 2c). Den hiergegen gerichteten Anfechtungsantrag hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 31. Oktober 2002 zurückgewiesen. Auf die Erstbeschwerde der Antragstellerin hat das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss vom 12. August 2003 die erstinstanzliche Zurückweisung des Anfechtungantrages geändert und den Eigentümerbeschluss für ungültig erklärt, weil die erhebliche Bauzeitverzögerung der Bezugsfertigstellung nicht gleichzuachten sei. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der übrigen Wohnungseigentümer, die zur Wiederherstellung der erstinstanzlichen Zurückweisung führt. Nach Erlass des zweitinstanzlichen Beschlusses ist am 18. Februar 2004 über das Vermögen der Antragstellerin das Insolvenzverfahren eröffnet worden.
II.
Die sofortige weitere Beschwerde ist gemäß §§ 27, 29 FGG, 45 WEG zulässig und auch in der Sache gerechtfertigt. Soweit das Verfahren in die dritte Instanz gelangt ist, ist der angefochtene Beschluss nicht rechtsfehlerfrei (§ 27 Abs. 1 FGG).
1. Das Rechtsbeschwerdeverfahren ist durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragstellerin nicht unterbrochen worden. Die Vorschrift des § 240 ZPO ist in dem vorliegenden Verfahren weder direkt noch analog anwendbar. Das Wohnungseigentumsverfahren ist ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Hier ist jeweils zu prüfen, ob die Vorschriften der ZPO entsprechend anwendbar sind. Diese Prüfung ist insbesondere insoweit geboten, als es sich bei den Wohnungseigentumssachen um echte privatrechtliche Streitigkeiten handelt. Auszugehen ist allerdings von dem Grundsatz, dass ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Beteiligten regelmäßig nicht unterbrochen wird (BayObLG NJW-RR 2002, 991 = NZI 2002, 280; OLG Köln NJW-RR 2001, 1417 = NZI 2001, 470). Demgemäß schließt sich der Senat der Auffassung an, dass ein Beschlussanfechtungsverfahren in WEG-Sachen nicht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des anfechtenden Wohnungseigentümers unterbrochen wird (BayObLG WE 1991, 226; WE 1994, 252 = WoM 1993, 768; Staudinger/Wenzel WEG § 44, Rn 38; Bärmann/Pick/Merle, WEG 9. Aufl., § 44 Rn 48; Palandt/ Bassenge, BGB 64. Aufl., WEG § 43 Rn 17). Für die Wohnungseigentümergemeinschaft ist die Gültigkeit oder Ungültigkeit von Eigentümerbeschlüssen, mit denen die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums geregelt wird, von elementarer Wichtigkeit. Das ist bei Eigentümerbeschlüssen etwa über die Jahresabrechnung oder über den Wirtschaftsplan offensichtlich, weil damit im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander die Beteiligung an den gemeinsamen Bewirtschaftungskosten festgelegt wird. Das gilt aber auch für andere Eigentümerbeschlüsse, mit denen die gegenseitigen Rechte und Verpflichtungen der Wohnungseigentümer näher ausgestaltet werden. Im Interesse der Rechtssicherheit für alle Wohnungseigentümer muss deshalb über die Gültigkeit von Eigentümerbeschlüssen in angemessener Zeit gerichtlich entschieden werden. Das FGG-Verfahren mit der Amtsermittlung bietet auch die Gewähr, dass der Sachverhalt vom WEG-Gericht hinreichend geklärt wird. Offen bleibt demgegenüber, ob etwa bei Passivprozessen des Wohnungseigentümers, der wegen der fälligen Wohngeldzahlungen in Anspruch genommen wird, eine Unterbrechung des Wohngeldverfahrens analog § 240 ZPO anzunehmen ist, zumal die Zahlungen unmittelbar die Insolvenzmasse betreffen können.
Im vorliegenden Fall ist der eingesetzte Insolvenzverwalter über das anhängige Rechtsbeschwerdeverfahren informiert worden. Die Rechtsbeschwerdeschrift ist dagegen dem gesetzlichen Vertreter der Antragstellerin zugestellt worden.
2. Rechtlich einwandfrei führt das Landgericht aus, dass der Eigentümerbeschluss vom 25. April 2002 zu TOP 2c) in formeller Hinsicht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, insbesondere die abgegebenen Stimmen ordnungsgemäß ausgezählt worden sind. Dagegen vermag der Senat dem Landgericht nicht darin zu folgen, dass der angefochtene Eigentümerbeschluss in materieller Hinsicht Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht, insbesondere nicht mit den Regelungen der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung zu vereinbaren ist. Die Bestimmungen der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung hat der Senat als Rechtsbeschwerdegericht in eigener Kompetenz auszulegen.
Der Senat hält an seiner in dem Beschluss vom 19. September 2001 (NJW-RR 2002, 374) geäußerten Rechtsauffassung fest, dass die Regelung in § 8 Nr. 3 der Gemeinschaftsordnung eine verdeckte Öffnungsklausel enthält, welche die Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss ausfüllen dürfen. In der zitierten Bestimmung heißt es, dass die Eigentümer der Teileigentumseinheiten Nr. 13 - 15 im Dachgeschoss verpflichtet sind, vom Wohngeld ab Baubeginn 50 % und ab Bezugsfertigstellung 100 % zu zahlen. Die Wohnungseigentümer sind berechtigt, durch Mehrheitsbeschluss festzulegen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen, die in der Teilungserklärung hinreichend beschrieben sind, erfüllt sind und damit die Zahlungspflicht begründet ist. Wie jeder Eigentümerbeschluss ist auch dieser Mehrheitsbeschluss anfechtbar und gerichtlich überprüfbar, ob die Tatbestandsmerkmale auch tatsächlich eingetreten sind. Wenn die Eigentümergemeinschaft hier durch Mehrheitsbeschluss erklärt, dass von einer hundertprozentigen Kostenbeteiligung auszugehen ist, stützt sie sich auf nachprüfbare Tatsachen und die Teilungserklärung, die hieran selbst Rechtsfolgen knüpft. Ein solcher Eigentümerbeschluss entspricht der Rechtslage und damit auch Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung. Er darf nicht für ungültig erklärt werden, da er nur ausspricht, was ohnehin geschehen muss.
Auch wenn die Bezugsfertigstellung der Dachgeschosseinheiten noch nicht erfolgt ist, muss die Antragstellerin sich angesichts der erheblichen Bauzeitüberschreitung nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) so behandeln lassen, als habe sie den Ausbau inzwischen fertiggestellt. Die Übernahme des vollen Wohngeldes ab Bezugsfertigstellung muss im Zusammenhang der übrigen Bestimmungen der Teilungserklärung verstanden werden, insbesondere im Zusammenhang mit dem Ausbaurecht, welches mit ganz bestimmten Verpflichtungen übernommen worden ist. In § 1 Nr. 3a) der Gemeinschaftsordnung ist u.a. geregelt, dass sämtliche Herstellungsarbeiten am Sondereigentum und am Gemeinschaftseigentum einschließlich der Schönheitsreparaturen von dem jeweiligen Ausbauberechtigten bis spätestens 12 Monate nach Beginn der Bauarbeiten abschließend auf seine Kosten durchzuführen sind und der jeweilige Berechtigte dafür Sorge zu tragen hat, dass die übrigen Bewohner des Hauses nicht über das unbedingt erforderliche Maß hinaus belästigt und beeinträchtigt werden; ferner ist bestimmt, dass im Falle der Inanspruchnahme von Gemeinschaftseigentum gewährleistet sein muss, dass die baulichen Veränderungen unverzüglich nach deren Beginn vorgenommen und zügig fertiggestellt werden.
In dem früheren Verfahren ist bereits festgestellt worden, dass bereits für den 24. September 1998 davon auszugehen ist, dass der Baubeginn hinsichtlich der Ausbauarbeiten am Dachgeschoss begonnen und die Antragstellerin sich mit dem hälftigen Wohngeld an den gemeinsamen Bewirtschaftungskosten zu beteiligen hat. Der Senat legt die Teilungserklärung/ Gemeinschaftsordnung dahin aus, dass der jeweilige Eigentümer der Dachgeschosseinheiten im Zusammenhang mit dem Ausbaurecht auch die Verpflichtung übernommen hat, den Ausbau innerhalb einer Jahresfrist fertigzustellen. Jedenfalls sind die Wohnungseigentümer berechtigt, eine hundertprozentige Kostenbeteiligung der Antragstellerin seit dem 1. Januar 2002 festzulegen. Es widerspräche Treu und Glauben (§ 242 BGB), wenn die Antragstellerin sich zeitlich unbegrenzt darauf berufen könnte, dass ihr der Ausbau derzeit wirtschaftlich nicht möglich sei und sie erst den Verkauf der Dachgeschosseinheiten bewerkstelligen müsste.
Die teilende Eigentümerin hätte bei Abgabe der Teilungserklärung für die Erfüllung der Ausbauverpflichtungen geräumigere Fristen festlegen können, hat dies aber nicht getan, sondern eine Ausbaufrist von maximal einem Jahr bestimmt. Ausbaurecht und Ausbaupflicht sind auch nicht etwa nur auf die teilende Eigentümerin beschränkt, sondern dem jeweiligen Eigentümer der Einheiten Nr. 13 - 15 (und nach einseitiger Unterteilung auch der Nr. 19 - 21) zugesprochen worden. Mit dem Ausbaurecht hat die Antragstellerin auch die Ausbaupflichten übernommen und unbestritten nicht etwa eine bereits fertiggestellte Wohnung übernommen (vgl. zu diesem Fall Senat NZM 2000, 1012 = ZMR 2000, 635). Im Übrigen sind auch die Wohngeldzahlungen von der Antragstellerin zu erbringen und nicht mehr von der teilenden Eigentümerin.
Demgemäß entspricht der angefochtene Eigentümerbeschluss der Teilungserkärung/Gemeinschaftordnung und somit auch Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung. Demgemäß ist zu diesem Verfahrensgegenstand die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen.
Es entspricht billigem Ermessen, dass die Antragstellerin die gesamten Gerichtskosten aller drei Instanzen trägt (§ 47 S. 1 WEG). Dagegen besteht kein hinreichender Anlass, die Erstattung außergerichtlicher Kosten anzuordnen (§ 47 S. 2 WEG).
Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 48 Abs. 3 WEG und entspricht der des Landgerichts.
Ende der Entscheidung
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