Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 14.04.2003
Aktenzeichen: 24 W 286/02
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 47 Satz 2
1. Die Anordnung der Kostenerstattung im Falle der Rücknahme der Erstbeschwerde in Wohnungseigentumssachen ist geboten, wenn bereits das Betreiben des Verfahrens eine positive Vertragsverletzung darstellt.

2. Die Geltendmachung vermeintlicher, jedoch tatsächlich unbegründeter Ansprüche gegen den Verwalter stellt nicht an sich schon eine positive Vertragsverletzung dar, sondern erst dann, wenn weitere besondere Umstände hinzutreten. Hierzu zählt insbesondere die völlige Aussichtslosigkeit des eingelegten Rechtsmittels.

3. Eine Erstbeschwerde ist nicht bereits aussichtslos, wenn das Amtsgericht den Antrag des Antragstellers mangels Verfahrensbefugnis zurückgewiesen hat. Abgesehen davon, dass die Verfahrensbefugnis bei Individualansprüchen gegen den Verwalter auch für einen einzelnen Wohnungseigentümer bestehen kann, kann die fehlende Verfahrensbefugnis auch nachträglich durch Ermächtigung geheilt werden (§ 56 Abs. 2 ZPO analog).


KAMMERGERICHT Beschluss

Geschäftsnummer: 24 W 286/02

In der Wohnungseigentumssache

hat der 24. Zivilsenat des Kammergerichts auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 13. August 2002 - 85 T 46/02 - durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Dr. Briesemeister, die Richterin am Kammergericht Hinrichs und den Richter am Kammergericht B.-D. Kuhnke am 14. April 2003

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten dritter Instanz werden der Antragsgegnerin auferlegt.

Außergerichtliche Kosten dritter Instanz sind nicht zu erstatten.

Der Geschäftswert dritter Instanz wird auf 250,- € festgesetzt.

Gründe:

I. Der Antragsteller ist Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft der im Rubrum genannten Wohnanlage, die durch die Antragsgegnerin verwaltet wird. Die Antragsgegnerin hat einen Wohnungseigentümer mit der entgeltlichen Durchführung von Instandhaltungsarbeiten an der Wohnungseigentumsanlage beauftragt. Dieser Wohnungseigentümer nutzt zugleich den Heizungskeller für gewerbliche Zwecke. Der Antragsteller hat in erster Instanz beantragt, der Antragsgegnerin zu untersagen, den Wohnungseigentümer mit der entgeltlichen Durchführung von Instandhaltungsarbeiten zu beauftragen. Darüber hinaus hat er beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem Wohnungseigentümer die Nutzung des Heizungskellers zu verbieten. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 11. Januar 2002 diese Anträge mit der Begründung zurückgewiesen, dass ihm die Verfahrensbefugnis fehle. Hiergegen hat der Antragsteller die sofortige Beschwerde aus Gründen der Fristwahrung eingelegt und im nachfolgenden Schriftsatz die Hauptsachenerledigung erklärt. Dieser Hauptsachenerledigung hat sich die Antragsgegnerin nicht angeschlossen. Das Landgericht hat dem Antragsteller mit Schreiben vom 31. Mai 2002 mitgeteilt, dass die sofortige Beschwerde wegen Fehlen des Antragsrechts derzeit unbegründet sei, es dem Antragsteller jedoch unbenommen bleibe, seine Begehren auf einer Eigentümerversammlung als Beschlussantrag zu verfolgen. Daraufhin hat der Antragsteller die sofortige Beschwerde zurückgenommen. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 13. August 2002 dem Antragsteller die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt, eine Erstattung außergerichtlicher Kosten jedoch nicht angeordnet. Zur Begründung der Auferlegung der Gerichtskosten hat das Landgericht ausgeführt, dass sich der Antragsteller mit der Rechtsmittelrücknahme in die Position des Unterlegenen begeben habe und mit seiner sofortigen Beschwerde aller Voraussicht nach unterlegen wäre. Dagegen bestehe kein Anlass, von dem in Wohnungseigentumssachen geltenden Grundsatz abzuweichen, wonach jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen habe. Dies folge vor allem daraus, da der Antragsteller seine Beschwerde auf den gerichtlichen Hinweis vom 31. Mai 2002 aus eigener Entschließung zurückgenommen habe. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin, welche die Ablehnung der Kostenerstattung zweiter Instanz für ermessensfehlerhaft hält.

II. Die nach den §§ 20 a, 27, 29 FGG, 45 WEG zulässige sofortige weitere Beschwerde ist in der Sache nicht gerechtfertigt, weil die Ablehnung der zweitinstanzlichen Kostenerstattung durch das Landgericht aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist.

Verfahrensgegenstand in dritter Instanz ist die vom Landgericht nach § 47 Satz 2 WEG getroffene Entscheidung über die Nichterstattung der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin im Erstbeschwerdeverfahren. Auf die Entscheidung des Amtsgerichts bezieht sich die weitere sofortige Beschwerde nicht, weil durch die Rechtsmittelrücknahme der Beschluss des Amtsgerichts einschließlich der darin enthaltenen Kostenentscheidung rechtskräftig geworden ist.

Da die weitere Beschwerde in Wohnungseigentumssachen generell nur auf eine Rechtsverletzung (§ 27 Abs. 1 und 2 FGG) gestützt werden kann, gilt dies auch für die Überprüfung der zweitinstanzlichen isolierten Kostenentscheidung. Bei der Rechtskontrolle von Ermessensentscheidungen hat die nächste Instanz nicht ihre Ermessensausübung an die Stelle der Entscheidung der Vorinstanz zu setzen, sondern lediglich zu prüfen, ob die rechtlichen Grenzen des Ermessens verletzt sind, die Kostenentscheidung also unter keinem Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist. Sie kann die Kostenentscheidung nur daraufhin überprüfen, ob die Vorinstanz wesentliche Gesichtspunkte außer Acht gelassen hat, sich mit den Denkgesetzen im Widerspruch gesetzt oder sonst von ihrem Ermessen einen dem Sinn und Zweck widersprechenden Gebrauch gemacht hat (OLG Köln, ZMR 2000, 485, 486).

Nach den Vorgaben des § 47 WEG trägt grundsätzlich jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst. Nur in Ausnahmefällen ist eine Erstattung anzuordnen. Auch eine Antrags- oder Rechtsmittelrücknahme in Wohnungseigentumssachen führt nach ständiger Rechtsprechung des Kammergerichts nicht zu einer Umkehrung dieses Regel-Ausnahme-Prinzips (KG, OLGZ 1988, 317 = ZMR 1988, 314 = WuM 1988, 369 = WE 1988, 165; KG OLGZ 1989, 438 = WuM 1989, 468 = WE 1989, 171 = GE 1989, 783; zur Veröffentlichung vorgesehener Beschluss vom 29. Januar 2003 - 24 W 314/02 -).

Ausnahmsweise kann die Anordnung der Kostenerstattung im Falle der Rücknahme der Erstbeschwerde in Wohnungseigentumssachen geboten sein, wenn bereits das Betreiben des Wohnungseigentumsverfahrens eine positive Vertragsverletzung darstellt. Eine Ermessensreduzierung, die zu einer Anordnung der Kostenerstattung führt, liegt dann vor, wenn bereits die Durchführung des Verfahrens eine rechtswidrige Handlung darstellt, die materiell-rechtliche Schadensersatzansprüche auslöst. Handelt es sich also bei den Kosten der erfolgreichen Rechtsverteidigung um einen Schaden, der nach den zivilrechtlichen Vorschriften ersatzfähig ist, so ist dies im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen und kann zu einer Ermessensreduzierung auf Null führen. Sind nämlich die Rechtsverteidigungskosten nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches ersatzfähig, so ist die Nichtanordnung der Erstattung ermessensfehlerhaft.

Die Geltendmachung vermeintlicher, aber tatsächlich unbegründeter Ansprüche gegen den Vertragspartner stellt nicht an sich schon eine positive Vertragsverletzung dar (BGH NJW 1980, 189, 190 = MDR 1980, 49). Dies beruht auf dem Grundgedanken, dass die Geltendmachung vermeintlicher Ansprüche auf dem Rechtswege grundsätzlich in Wahrnehmung berechtigter Interessen erfolgt und daher kein rechtswidriges Handeln sein kann. Nichts anderes kann im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander oder im Verhältnis der Wohnungseigentümer zum Verwalter gelten. Nicht in Wahrnehmung berechtigter Interessen und damit rechtswidrig handelt, wer mutwillig einen offensichtlich erfolglosen Streit führt (vgl. auch BayObLG WuM 1993, 488). Mutwillig handelt, wer schon ohne weiteres vor Einleitung des Verfahrens die Aussichtslosigkeit des Antrages, des Verteidigungsvorbringens oder des Rechtsmittels erkennt oder aufgrund grober Fahrlässigkeit nicht erkennt (vgl. auch OLG Celle, vom 26.06.1998, NdsRPfl. 1998, 272; OLG Celle, vom 19.05.1999, NdsRPfl. 1999, 316, 317 = NZM 1999, 841).

Eine Erstbeschwerde ist in diesem Sinne nicht bereits aussichtslos, wenn das Amtsgericht den Antrag des Antragstellers mangels Verfahrensbefugnis (BGHZ 106, 222 = NJW 1989, 1091) zurückgewiesen hat. Abgesehen davon, dass die Verfahrensbefugnis bei Individualansprüchen gegen den Verwalter auch für einen einzelnen Wohnungseigentümer bestehen kann (BGHZ 115, 253 = NJW 1992, 182), kann die fehlende Verfahrensbefugnis auch nachträglich durch Ermächtigung geheilt werden (§ 56 Abs. 2 ZPO analog). Im Falle der Durchführung des Beschwerdeverfahrens bestand für den Antragsteller noch die Möglichkeit, durch einen entsprechenden Eigentümerbeschluss sich eine Ermächtigung zu beschaffen und dadurch dieses Verfahrenshindernis zu beseitigen. Daher war das von ihm eingeleitete Wohnungseigentumsverfahren nicht von vornherein völlig aussichtslos. Eine fehlende Erfolgsaussicht folgt auch nicht aus der Sache selbst. Ob der Antragsgegnerin aus Gründen der Interessenkollision zu untersagen war, einen Wohnungseigentümer mit der entgeltlichen Durchführung von Instandhaltungsarbeiten zu beauftragen und ob sie verpflichtet war, diesem Wohnungseigentümer die Nutzung des Heizungskellers für persönliche oder gewerbliche Zwecke zu verbieten, kann unterschiedlich beantwortet werden. Dieses Begehren war zumindest nicht offensichtlich aussichtslos.

Unter Berücksichtigung der vorstehend aufgeführten Rechtsgrundsätze ist die Ermessensentscheidung des Landgerichts nicht zu beanstanden. Soweit das Landgericht darauf hingewiesen hat, dass der Antragsteller seine Beschwerde auf den gerichtlichen Hinweis aus eigener Entschließung zurückgenommen hat, handelt es sich überdies um einen sachlichen Grund, der bei der Ausübung des Ermessens berücksichtigt werden kann (vgl. BayObLG WuM 1999, 483; ZWE 2002, 405). Soweit das Landgericht im Übrigen seine Überlegungen nicht im Beschluss schriftlich niedergelegt hat, ist dies unschädlich, da der Senat nach dem Akteninhalt die Kostenentscheidung des Landgerichts hinreichend nachvollziehen kann, sodass es einer Zurückverweisung nicht bedarf (vgl. auch OLG Hamm, NZM 2000, 715 = ZMR 2000, 555, 556 f.). Zwingende Gründe, eine Kostenerstattung anzuordnen, ergeben sich aus dem Akteninhalt nicht.

Die Gerichtskosten des erfolglosen Rechtsmittels sind der Antragsgegnerin aufzuerlegen (§ 47 Satz 1 WEG). Angesichts der unterschiedlichen Auffassungen zur Kostenerstattung besteht jedoch kein hinreichender Anlass, für die dritte Instanz von § 47 Satz 2 WEG Gebrauch zu machen.

Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 48 Abs. 2 WEG.

Ende der Entscheidung

Zurück