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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 28.01.2004
Aktenzeichen: 24 W 3/02
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 21 III
WEG § 29 I
1. In der Wohnungseigentümergemeinschaft widerspricht eine Beiratswahl nur dann Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn schwerwiegende Umstände gegen die Person des Gewählten sprechen. Bei Zwistigkeiten in der Gemeinschaft reicht es regelmäßig nicht aus, wenn bei der überstimmten Minderheit das Vertrauen in die persönliche Eignung des Kandidaten fehlt, wie auch die Verfolgung eigener Interessen oder die einer Mehrheitsgruppe nicht schon ausreicht, um die Qualifikation als Beiratsmitglied zu beseitigen.

2. Es widerspricht Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung, den Verwalter durch Mehrheitsbeschluss zu beauftragen, gebührenpflichtige Rechtsauskünfte über gegen ihn selbst gerichtete Schadensersatzansprüche einzuholen. Das gilt insbesondere, wenn die Schadensersatzansprüche mit dem Sondereigentum zusammenhängen, auch wenn sie zugleich das Gemeinschaftseigentum betreffen.


Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 24 W 3/02

In der Wohnungseigentumssache

betreffend die Wohnanlage

hat der 24. Zivilsenat des Kammergerichts auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner zu 1. bis 10. gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 20. November 2001 - 85 T 159/01 WEG - durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Dr. Briesemeister, die Richterin am Kammergericht Kingreen und den Richter am Kammergericht B.-D. Kuhnke am 28. Januar 2004 beschlossen:

Tenor:

Unter Zurückweisung der weiteren Beschwerde im Übrigen wird der angefochtene Beschluss des Landgerichts Berlin und des Amtsgerichts Wedding vom 17. April 2001 - 70 II 305/00 - teilweise insoweit dahin geändert, dass die Anfechtungsanträge zu den Eigentümerbeschlüssen vom 30. November 2000 zu TOP 19 und 19 a (Beiratswahl) zurückgewiesen werden.

Die Gerichtskosten erster Instanz werden dem Antragsteller einerseits und den weiteren Beteiligten zu II. andererseits je zur Hälfte auferlegt. Die Gerichtskosten zweiter Instanz haben der Antragsteller einerseits und die Beteiligten zu II. 1 bis 10 andererseits je zur Hälfte zu tragen. Von den Gerichtskosten dritter Instanz werden dem Antragsteller 5/13 und den Beteiligten zu II. 1 bis 10 8/13 auferlegt.

Außergerichtliche Kosten aller drei Instanzen sind nicht zu erstatten.

Der Geschäftswert dritter Instanz wird auf 6.646,80 Euro (= 13.000 DM) festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu I. und II. bilden die Eigentümergemeinschaft der im Rubrum genannten Wohnanlage. Die Verwalterin ist als Notverwalterin bestellt.

Auf der Eigentümerversammlung vom 30. November 2000 wählten die Eigentümer mehrheitlich zu TOP 19 die Antragsgegner zu 3., 4. und 6. in einer "Blockwahl" als Verwaltungsbeirat. Zu TOP 19 a wählten die Eigentümer mehrheitlich die genannten Antragsgegner nochmals einzeln als Mitglieder des Verwaltungsbeirates. Der Antrag, den Beteiligten zu II. 13. in den Verwaltungsbeirat zu wählen, wurde abgelehnt.

Zu TOP 20 bis 25 beschlossen die Eigentümer, die Verwalterin zu beauftragen, Herrn Rechtsanwalt J W mit der Überprüfung zu beauftragen, welche Schadensersatzansprüche der Eigentumsgemeinschaft durch bestimmte Handlungen der Verwalterin entstanden sind. Auf Antrag des Antragstellers hat das Amtsgericht Wedding u. a. die Beschlüsse zu den TOP 19 und 19 a mit der Begründung für ungültig erklärt, dass zumindest zwei der drei gewählten Mitglieder nicht persönlich geeignet seien, die Interessen aller Wohnungseigentümer mit der gebotenen Neutralität wahrzunehmen. Die Anfechtungen bezüglich der TOP 20 bis 25 hält das Amtsgericht für begründet, da keine Schadensersatzansprüche erkennbar seien. Insoweit hat das Landgericht die sofortige Beschwerde der Antragsgegner zurückgewiesen und hinsichtlich des TOP 19 und 19 a ausgeführt, dass die Wahl des Beirates nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, da ausschließlich Mitglieder der Mehrheitseigentümer in den Verwaltungsbeirat gewählt wurden. Hiergegen richtet sich die frist- und formgerecht eingelegte sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist gemäß den §§ 27, 29 FGG, 45 WEG zulässig. Das Rechtsmittel ist in der Sache zu TOP 19 und 19 a (Beiratswahl) begründet, im Übrigen nicht begründet, soweit sich die Antragsgegner gegen die Ungültigerklärung der Beschlüsse zu TOP 20 bis 25 wenden.

Zu TOP 19 und 19 a:

Es kann dahinstehen, ob die Blockwahl der drei Beiratsmitglieder zu TOP 19 entsprechend den Grundsätzen, die der BGH in seinem Urteil vom 21. Juli 2003, II ZR 109/02, NJW 2003, 3412 = NZM 2003, 997 für die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft aufgestellt hat, mit den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung zu vereinbaren ist. Denn die Wohnungseigentümer haben zu TOP 19 a vorsorglich die Beiratswahl der drei Mitglieder getrennt und mit demselben Ergebnis wiederholt. Sofern die Einzelwahlen nicht inhaltlich nach den Personen zu beanstanden sind, ist auch der identische Blockwahlbeschluss nicht für ungültig zu erklären.

Die Wahl der drei Beiratsmitglieder ist vom Landgericht mit der Begründung für ungültig erklärt worden, dass hiermit ausschließlich Mitglieder der Mehrheitseigentümergruppe gewählt worden seien, die als solche regelmäßig ihre eigenen Interessen und nicht diejenigen der Gemeinschaft vertreten; der Minderheitenschutz gebiete es, dass zumindest ein nicht der Mehrheitsgruppe angehöriges Mitglied der Eigentümergemeinschaft dem Verwaltungsbeirat angehört. Mit dieser Begründung kann die Ungültigerklärung der Beiratswahl nicht aufrechterhalten werden.

Die Aufgaben des Verwaltungsbeirats bestehen gemäß § 29 Abs. 2 und 3 WEG darin, den Verwalter zu unterstützen und bestimmte Verwaltungsmaßnahmen der Gemeinschaft vorzuprüfen. Damit sind Pflichten umschrieben, denen Rechte kaum gegenüberstehen, abgesehen von dem hilfsweisen Einberufungsrecht nach § 24 Abs. 3 WEG. Jedenfalls hat das Beiratsmitglied nicht mehr Rechte als jeder Wohnungseigentümer sonst auch. Die Unterstützung des Verwalters wird nur auf dessen Anforderung möglich sein, die auch an andere Wohnungseigentümer ergehen kann, und wird begrenzt durch die unentziehbaren Befugnisse des Verwalters nach §§ 27 Abs. 3 WEG. Die Vorprüfung der in § 29 Abs. 3 WEG genannten Verwaltungsmaßnahmen ist für den Beirat eine Verpflichtung mit der Folge, dass bei schuldhafter Pflichtverletzung Schadensersatzansprüche gegen die Beiratsmitglieder entstehen. Grundsätzlich kann sich auch jeder andere Wohnungseigentümer um diese Verwaltungsangelegenheiten kümmern. Soweit das Einberufungsrecht gemäß § 24 Abs. 3 WEG besteht, führt dieses bei positiver Ausübung lediglich dazu, dass eine Eigentümerversammlung zusammentritt, die mit Mehrheit Beschlüsse fassen kann.

Da dem Verwaltungsbeirat Entscheidungsbefugnisse fehlen und die Eigentümermehrheit Vorschläge des Beirats in Verwaltungsangelegenheiten annehmen oder ablehnen kann, beides zudem gerichtlich überprüfbar ist, können an Beiratsmitglieder nicht die persönlichen Anforderungen wie etwa an den Verwalter gestellt werden. Vielmehr widerspricht eine Beiratswahl nur dann Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn schwerwiegende Umstände gegen die Person des Gewählten sprechen (BayObLG WuM 1990, 322; OLG Köln NJW-RR 2000,88 = ZMR 2000, 563 = NZM 1999, 1155). Bei Zwistigkeiten in der Gemeinschaft reicht es regelmäßig nicht aus, wenn bei der überstimmten Minderheit das Vertrauen in die persönliche Eignung fehlt. Auch die Verfolgung eigener Interessen oder die einer Mehrheitsgruppe ist nicht ausreichend, um die Qualifikation als Beiratsmitglied auszuschließen. Andernfalls müssten die WEG-Gerichte das frühere Abstimmungsverhalten des Beiratsmitglieds überprüfen und bewerten.

Die von den Vorinstanzen angeführten Beanstandungen der gewählten Beiratsmitglieder bei früheren Gelegenheiten erscheinen dem Senat auch in der Gesamtschau nicht so gewichtig, dass ihre Wahl Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung widersprechen würde. Das gilt auch für die vom Landgericht aufgestellte Regel, dass zwei Mitgliedern der Mehrheitsgruppe ein anderer Wohnungseigentümer im gewählten Beirat gegenüberstehen müsste. Da Entscheidungen im Beirat ggf. durch Mehrheit entschieden werden, scheint auch durch diese Modifikation wenig gewonnen. Nach dem Akteninhalt ist nicht zu erwarten, dass derart gravierende Umstände festgestellt werden können, die die Beiratsmitglieder ungeeignet für die Übernahme der Pflichten nach § 29 WEG erscheinen lassen. Der Senat hat daher von einer Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz abgesehen.

Zu TOP 20 bis 25:

Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht angenommen, dass die Eigentümerbeschlüsse zu TOP 20 bis 25, mit denen die Verwalterin zur Einholung von rechtskundigem Rat verpflichtet werden sollte, nicht ordnungsmäßiger Verwaltung gemäß § 21 Abs. 3 WEG entsprechen. Zwar können die Wohnungseigentümer von dem Verwalter Auskünfte über bestimmte Verwaltungsvorgänge verlangen und den Verwalter auch beauftragen, auf Kosten der Gemeinschaft einen Rechtsanwalt mit bestimmten Aufgaben zu mandatieren, etwa Ansprüche gegen einzelne Wohnungseigentümer und auch gegen Dritte rechtlich zu bewerten und ggf. außergerichtlich und gerichtlich geltend zu machen. Im vorliegenden Fall geht es jedoch um die rechtliche Bewertung und evtl. die Verfolgung von Ansprüchen der Gemeinschaft gegen den Verwalter selbst. Bei einer Verfolgung von Ansprüchen gegen ihn könnte der Verwalter wegen der Interessenkollision aber nicht ohne Weiteres zugleich die Gemeinschaft vertreten (vgl. KG, Beschluss vom 11. Juni 2003, 24 W 77/03, NZM 2003, 604 = GE 2003, 1215). Deshalb ist es sowohl für den Verwalter wie auch für die Gesamtheit der Wohnungseigentümer unzumutbar, dass gerade der Verwalter den Rechtsrat einholt, zumal er die Gründe für das Vorgehen selbst zusammentragen müsste, andererseits aber auch das Verteidigungsvorbringen geltend machen dürfte. Auch aus der Sicht der Gesamtheit der Wohnungseigentümer kann ein solches Verfahren nicht als erfolgversprechend angesehen werden. Mit einem derartigen Anwaltsauftrag ist entweder der Beirat zu beschäftigen oder ein von der Gemeinschaft ermächtigter Wohnungseigentümer, dem dann zugleich ein Vorschussanspruch gegen die Gemeinschaftskasse zuerkannt werden kann. Die Ungeeignetheit des Verwalters besteht im Hinblick auf eine Interessenkollision auch, wenn Schadensersatzansprüche gegen den Verwalter sowohl das Gemeinschaftseigentum betreffen, aber zugleich auch das Sondereigentum einzelner Wohnungseigentümer. Die Sondereigentümer können dann ohnehin auch ohne Ermächtigung der Gemeinschaft (dann allerdings auf eigene Kosten) gegen den Verwalter vorgehen (BGHZ 115, 253 = NJW 1992, 182) und als Vorbereitung dazu auch anwaltlichen Rat einholen. Somit kommt es aus Rechtsgründen nicht auf die Einzelerwägungen des Landgerichts zu den TOP 20 bis 25 an. Zur Geltendmachung von Ansprüchen im Zusammenhang mit der Freigabe von Wohnungen durch den Konkursverwalter hat der Senat zudem zwischenzeitlich bereits entschieden, dass der Streit über den Zeitpunkt der wirksamen Freigabe der Wohnungen aus der Konkursmasse nicht in der Gemeinschaft auszutragen ist (KG, 20. August 2003, 24 W 142/02, KGRep. 2003, 380 = FGPrax 2003, 258), weshalb auch nicht die Einholung von Rechtsrat angezeigt ist.

Die Kostenentscheidungen beruhen auf § 47 S. 1 und 2 WEG.

Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 48 Abs. 3 WEG. Insoweit folgt der Senat den Ansätzen des Amts- und Landgerichts, so dass auf die Beschlüsse zu TOP 19 und 19 a ein Betrag von 2.556,46 Euro (= 5.000 DM) und auf die Beschlüsse zu TOP 20 bis 25 ein Betrag von 4.090,33 Euro (= 8.000 DM) entfallen.

Ende der Entscheidung

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