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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 19.07.2004
Aktenzeichen: 24 W 349/02
Rechtsgebiete: WEG, BGB


Vorschriften:

WEG § 21 Abs. 3
BGB § 779

Entscheidung wurde am 14.09.2004 korrigiert: die Vorschriften wurden geändert und Stichworte hinzugefügt
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 24 W 349/02

In der Wohnungseigentumssache betreffend die Wohnanlage Ann -Snnn -Wnnnnnnn /Lnnnnnnnnnn , 1nn Bnnn ,

hat der 24. Zivilsenat des Kammergerichts auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller zu I. 2. und 3. gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 18. Juni 2002 - 85 T 474/01 WEG - durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Dr. Briesemeister, die Richterin am Kammergericht Hinrichs und die Richterin am Kammergericht Kingreen am 19. Juli 2004 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller zu I. 2. und 3. wird der angefochtene Beschluss teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Auf die Erstbeschwerde der Antragsteller zu I. 2. und 3. wird unter Zurückweisung der Erstbeschwerde der Beteiligten zu II. der Beschluss des Amtsgerichts Neukölln vom 18. Oktober 2001 - 70 23/01 WEG - teilweise geändert:

Die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 16. Januar 2001 zu TOP 5 Nr. 2a, TOP 4 Nr. 3a und TOP 8 Nr. 5 werden für unwirksam erklärt.

Die Gerichtskosten aller Instanzen haben die Beteiligten zu II. zu tragen. Die Erstattung außergerichtlicher Kosten wird nicht angeordnet.

Der Geschäftswert wird für die erste und zweite Instanz auf 6.061,80 Euro und für die dritte Instanz auf 4.297,84 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten bilden die Eigentümergemeinschaft der im Rubrum genannten Wohnanlage. Diese liegt in unmittelbarer Nachbarschaft der Gropiuspassagen, einem Einkaufszentrum, dessen Erweiterung bereits seit 1994 geplant wird. Zwischen der Eigentümergemeinschaft, vertreten durch den Verwalter, und der Hnnn Innnnnnn GmbH (im folgenden GmbH) existiert ein Nachbarschaftsvertrag. Die Mitglieder der Eigentümergemeinschaft erwogen, dass jeder Miteigentümer persönlich, soweit sein Sondereigentum betroffen ist, durch nachbarrechtliche Zustimmungserklärung gegen Geldleistungen der GmbH auf eine Anfechtung einer Baugenehmigung zugunsten der Erweiterung verzichten könnte. Die Antragsteller waren gegen einen solches Verzicht.

In der Eigentümerversammlung vom 16.1.2001 beschlossen die Wohnungseigentümer u.a.:

zu TOP 5 Nr. 2a

Rechtsanwalt ... mit der Verhandlung eines außergerichtlichen Vergleichs mit der GmbH vorbehaltlich der Genehmigung durch die Wohnungseigentümerversammlung (einfache Mehrheit) zu beauftragen, sofern ein Beschluss über die Finanzierung gefasst wird,

zu TOP 4 Nr. 3a

die Kosten des Rechtsanwalts ... auf Grund der Beauftragung zur Verhandlung des Vergleichs aus der Gerichtskostenrücklage zu nehmen und

zu TOP 8 Nr. 5

den Mitgliedern des Verwaltungsbeirats im aktuellen Rechtsstreit der Antragsteller zu I. 2. und 3. gegen die Verwaltungsbeiräte die notwendigen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten zu erstatten; die Kosten trägt die Gemeinschaft mit Ausnahme der Antragsteller zu I. 2. und 3., da der Verwaltungsbeirat gemäß seiner Informationspflicht die Interessen der Eigentümergemeinschaft vertreten habe (Hausaushang vom 11.10.00...).

Der Verwaltungsbeirat hatte ein Rundschreiben vom 11.10.2000 in den Treppenhäusern der Wohnanlage ausgehängt, welches u.a. das Abstimmungsverhalten und die rechtlichen Schritte der Antragsteller zu I. 2. und 3. in der Frage der Sanierung der Grünanlage kritisierte.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 18.10.2001 den Beschluss Nr. 5 zu TOP 8 aufgehoben und im Übrigen den Antrag zurückgewiesen. Das Landgericht hat in dem angefochtenen Beschluss auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller zu I. 2. und 3. unter teilweiser Änderung des Beschlusses des Amtsgerichts den Beschluss zu TOP 5 Nr. 2a insoweit für unwirksam erklärt, als darin beschlossen worden ist, sich die Genehmigung des ausgehandelten Vergleichs durch Beschluss mit einfacher Mehrheit vorzubehalten, und den weitergehenden Antrag zurückgewiesen.

Die Antragsteller zu I. 2. und 3. rügen mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde:

Was TOP 5 Nr. 2a und TOP 4 Nr. 3a betreffe, sei ihre Beschwer durch einen etwaigen Honorarverzicht der Rechtsanwälte nicht berührt, weil es auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung ankomme. Es entspreche nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, einen Rechtsanwalt mit Vergleichsverhandlungen zu beauftragen, die sich im Wesentlichen auf die Höhe einer Ausgleichszahlung beschränkten, wenn bereits mit Sicherheit klar gewesen sei, dass diesem Vergleich weder der Antragsteller zu I. 1. noch sie zustimmen würden, weil sie auf der Durchsetzung des Abwehranspruchs gegenüber der Nachbarbebauung bestanden hätten und sich diesen nicht hätten abkaufen lassen. Deshalb sei es auch nicht sachgerecht, die verursachten Kosten umzulegen.

Von dem Beschluss zu TOP 8 Nr. 5 seien sie schon deshalb betroffen, weil er in die Waffengleichheit des Parallelverfahrens eingreife. Außerdem könnten sie verlangen, dass Maßnahmen rückgängig gemacht werden, die nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprächen. Auch ihre nichtvermögenswerte Beschwer, ihr Änderungsinteresse, sei zu bewerten. Die Voraussetzungen für einen Aufwendungsersatz nach §§ 662 ff. BGB lägen nicht vor, weil die Verwaltungsbeiräte, wie das Amtsgericht zutreffend festgestellt habe, bei Fertigung ihres Aushanges außerhalb ihrer Befugnisse nach § 29 WEG gehandelt hätten. Außerdem habe keine Notwendigkeit zur Beauftragung eines Rechtsanwalts bestanden.

Die Antragstellerin zu I. 4. nimmt im Sinne der Antragsteller zu I. 2. und 3. Stellung.

Die Antragsteller zu I. 2. und 3. beantragen sinngemäß,

was beschlossen worden ist.

Die Antragsgegner beantragen sinngemäß,

die sofortige weitere Beschwerde zurückzuweisen.

Die Antragsgegner erwidern:

Die sofortige weitere Beschwerde sei schon unzulässig. Den Antragstellern zu I. 2. und 3. fehle für die Anfechtung des Beschlusses zu TOP 8 Nr. 5 das Rechtsschutzbedürfnis, weil sie wegen der Freistellung von der Kostentragung nicht betroffen seien. Hinsichtlich der weiteren Beschlüsse sei der Beschwerdewert nicht erreicht, da mittlerweile feststehe, dass die beauftragten Rechtsanwälte wegen des rechtskräftig für ungültig erklärten Vergleichs keine Honorarforderung erheben würden. Zu TOP 5 Nr. 2a und TOP 4 Nr. 3a sei die Beauftragung des Rechtsanwalts mit dem Ziel, die Möglichkeiten einer Einigung mit den Grundstücksnachbarn auszuloten, angesichts der komplizierten Rechtslage im Bereich dessen gewesen, was die Mehrheit habe beschließen können. Bei TOP 8 Nr. 5 gehe es allein darum, ob die Beauftragung eines Rechtsanwalts und nicht der Aushang selbst dem entsprochen habe, was ein verständiger, durchschnittlicher Verwaltungsbeirat in der konkreten Situation für erforderlich habe halten dürfen. Der Aushang habe auch im Zusammenhang mit der Beiratstätigkeit gestanden. Überschreite ein Beirat seine Befugnisse derart geringfügig, dürfe er sich unter Zuhilfenahme eines Rechtsbeistandes wehren. Jedenfalls müsse den Eigentümern die Möglichkeit bleiben, den ehrenamtlich Tätigen die Kosten zu ersetzen. Sie hätten auch die pauschale Erstattung von Aufwendungen beschließen können.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist nach §§ 45 Abs. 1 WEG, §§ 27, 29 FGG zulässig und auch in der Sache begründet.

1.

Im Beschlussanfechtungsverfahren nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG ist ein Rechtsschutzbedürfnis der Wohnungseigentümer im Regelfall nicht zu prüfen. Da das Anfechtungsrecht nicht nur dem persönlichen Interesse des anfechtenden Wohnungseigentümers oder dem Minderheitenschutz dient, sondern dem Interesse der Gemeinschaft an einer ordnungsmäßigen Verwaltung, genügt für die Anfechtung grundsätzlich das Interesse eines Wohnungseigentümers, eine ordnungsmäßige Verwaltung zu erreichen. Es ist demnach nicht erforderlich, dass der anfechtende Wohnungseigentümer durch den Beschluss persönlich betroffen ist oder sonst Nachteile erleidet (vgl. BGH ZMR 2003, 750, 751). Nach diesen Grundsätzen genügt es für die Beschwerdeberechtigung, dass die Antragsteller zu I. 2. und 3. rügen, die angefochtenen Beschlüsse würden nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen.

Der Wert des Gegenstandes der weiteren Beschwerde übersteigt auch die Grenze von 750,00 Euro gemäß § 45 Abs. 1 WEG. Bei einer objektiven Antragshäufung ist die Summe der Einzelwerte der Anträge für das Erreichen des Beschwerdewertes entscheidend (vgl. BGH a.a.O., 752). Allein das für den Beschwerdewert entscheidende Änderungsinteresse (vgl. BGH a.a.O.) der Antragsteller zu I. 2. und 3. hinsichtlich des Antrages zu TOP 5 Nr. 2a übersteigt den Wert von 750,00 Euro.

Dieses Änderungsinteresse bemisst sich zunächst nach dem durch einen Vergleich drohenden Wertverlust von 10.000 DM für die Wohneinheit der Antragsteller zu I. 2. und 3., der auch Grundlage für den vereinbarten Gegenstandswert mit dem Rechtsanwalt war. Abzuziehen ist davon ein Anteil an dem zu erwartenden Ausgleichsbetrag von 500.000,00 DM : 161 Wohneinheiten = rund 3.100,00 DM, so dass sich ein Wert von 6.900,00 DM ergibt. Da das Landgericht diesen Beschluss bereits rechtskräftig insoweit für unwirksam erklärt hat, als darin beschlossen worden ist, sich die Genehmigung des ausgehandelten Vergleichs durch Beschluss mit einfacher Mehrheit vorzubehalten, rechtfertigt das, einen Beschwerdewert allein für diesen Antrag auf die Hälfte mit 3.450,00 DM = 1.763,96 Euro anzunehmen.

2.

Die Entscheidung des Landgerichts beruht, soweit sie nicht rechtskräftig geworden ist, auf einer Verletzung des Gesetzes, § 27 Abs. 1 Satz 1 FGG.

TOP 5 Nr. 2a

Der Beschluss über die Beauftragung des Rechtsanwalts mit Vergleichsverhandlungen widerspricht Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts lag es nicht im Interesse der Gemeinschaft die Verhandlungsposition wahrzunehmen und die Pflichten der Antragsteller reichen nicht so weit, dass die als Mitglieder einer Gemeinschaft dem Ausloten verschiedener Lösungswege nicht von vornherein mit absoluter Wirkung im Wege stehen durften. Nach den verfahrenfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts ging es bei dem beabsichtigten Vergleich um einen Verzicht auf die Anfechtungsrecht einer Baugenehmigung durch jeden Miteigentümer, soweit sein Sondereigentum betroffen war gegen eine Geldleistung der GmbH. Damit bedurfte der Vergleich selbst der Allstimmigkeit. Wenn nun von vornherein die Antragsteller unabhängig von der allein noch verhandelbaren Höhe der Ausgleichszahlung nicht zu einem solchen Verzicht bereit waren, dann gab es schon keine Veranlassung mit diesen Vergleichsverhandlungen noch einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Dieser Beschluss barg im Sinne eines ersten Schrittes vor allem das dann auch eingetretene Risiko, dass die Vergleichsverhandlungen zu einem Ergebnis führten, das die Rechte u.a. der Antragsteller rechtswidrig beeinträchtigte, wie das Amtsgericht Neukölln in seinem rechtskräftigen Beschluss vom 21.3.2001 - 70 II 38/01 - zutreffend ausgeführt hat. Außerdem führte ein solcher Beschluss zumindest zu der Gefahr, dass Gebührenansprüche des die Vergleichsverhandlungen führenden Rechtsanwalts begründet werden ohne eine wirtschaftliche Gegenleistung für die Gemeinschaft, weil es wegen der bereits angekündigten Ablehnung der Antragsteller nicht zu einem abschließenden Vergleich kommt.

TOP 4 Nr. 3a (Bl. 14)

Dann entsprach auch der Beschluss über die Finanzierung nicht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung. Dabei spielt es keine Rolle, dass tatsächlich keine zusätzlichen Kosten entstanden sind, weil es auf den Kenntnisstand der Gemeinschaft zum Zeitpunkt der Beschlussfassung ankommt. Damals aber ist die Gemeinschaft noch davon ausgegangen, dass ihr durch die Beauftragung Kosten entstehen.

TOP 8 Nr. 5

Die Erstbeschwerde der Beteiligten zu II. war zulässig, was das Landgericht zu Recht - ohne weitere Prüfung - angenommen hat.

Sie waren beschwerdeberechtigt, weil sie zur Verteidigung der aus ihrer Sicht ordnungsmäßigen Verwaltung der Anfechtung der Antragsteller entgegen getreten sind (vgl. BGH a.a.O., S. 751). Ihre Beschwerde überstieg auch die Wertgrenze das § 45 Abs. 1 WEG von 750,00 Euro. Ihr Interesse an der Aufrechterhaltung des Beschlusses über die Kostenerstattung gegenüber dem Verwaltungsbeirat liegt nach der möglichen Schätzung (vgl. BGH a.a.O., S. 752) deutlich über dieser Grenze, da es ihnen darum geht, in diesem konkreten Fall das Verhalten des Verwaltungsbeirats gegenüber den Antragstellern zu I. 2. und 3. zu billigen und diesem durch die finanzielle Unterstützung sein Vertrauen auszusprechen.

Begründet war die Erstbeschwerde jedoch nicht.

Mit diesem Beschluss hat die Gemeinschaft entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht ordnungsmäßig die Aufwendungen des Verwaltungsbeirats übernommen. Denn der Verwaltungsbeirat hat mit dem Aushang nicht in Wahrnehmung seiner Aufgaben gehandelt. Er hat damit nicht den Verwalter bei der Durchführung seiner Aufgaben gemäß § 29 Abs. 2 WEG unterstützt. Zu den Aufgaben des Verwalters gehört es nicht, über Aushänge in der Wohnanlage eine Stellungnahme gegen einzelne Eigentümer abzugeben und diese an den Pranger zu stellen. Er ist vielmehr vertraglich zur Neutralität gegenüber allen Wohnungseigentümern verpflichtet (vgl. KG WuM 2001, 258, zitiert nach juris). Der Verwaltungsbeirat hat damit seine Kompetenzen überschritten. Es handelt sich lediglich um eine Initiative der drei Verwaltungsbeiräte in ihrer Eigenschaft als Miteigentümer. Dann geht es bei den Kosten, die durch das gegen sie eingeleitete Verfahren entstandenen sind, nicht um Aufwendungen im Rahmen des Auftrages als Verwaltungsbeirat. Es kommt daher auch nicht darauf an, dass die Eigentümergemeinschaft eine pauschale Erstattung von Aufwendungen hätte beschließen können. Bei den streitgegenständlichen Aufwendungen handelt es sich eben nicht um solche aus der Tätigkeit als Verwaltungsbeirat. Der Beschluss über die Erstattung widerspricht Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung, was das Amtsgericht richtig gesehen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Die Beteiligten zu II. haben als Unterlegene die Gerichtskosten aller Instanzen zu tragen. Veranlassung, ausnahmsweise die Erstattung außergerichtliche Kosten anzuordnen, bestand nicht.

Der Geschäftswert war gemäß § 48 Abs. 3 WEG festzusetzen. Dabei entfallen auf den Antrag zu TOP 5 Nr. 2a in erster und zweiter Instanz (6.900,00 DM =) 3.527,92 Euro und in dritter Instanz 1.763,96 Euro, auf den Antrag zu TOP 4 Nr. 3a 1.000 Euro und zu TOP 8 Nr. 5, wie auch vom Landgericht angesetzt, 3.000,00 DM = 1.533,88 Euro.

Ende der Entscheidung

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