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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 26.11.2001
Aktenzeichen: 24 W 7/01
Rechtsgebiete: WEG, BGB


Vorschriften:

WEG § 16 II
BGB § 273
BGB § 535
BGB § 858
Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist bei erheblichen Wohngeldrückständen eines Wohnungseigentümers berechtigt, sowohl gegenüber dem säumigen Wohnungseigentümer wie auch gegenüber dessen Mieter die Versorgung der vermieteten Räume mit Kaltwasser zu sperren.
KAMMERGERICHT Beschluss

Geschäftsnummer: 24 W 7/01

In der Wohnungseigentumssache

betreffend die Wohnungseigentumsanlage

hat der 24. Zivilsenat des Kammergerichts auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 14. November 2000 - 85 T 129/00 WEG - durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Dr. Briesemeister, die Richterin am Kammergericht Kingreen und den Richter am Kammergericht B.-D. Kuhnke am 26. November 2001 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten dritter Instanz werden den Antragstellerin als Gesamtschuldnern auferlegt, die der Eigentümergemeinschaft zu Händen des Verwaltungsvermögens auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten dritter Instanz zu erstatten haben.

Der Geschäftswert dritter Instanz wird auf 20.000,00 DM festgesetzt.

Gründe:

I. Die Beteiligten mit Ausnahme der Verwalterin sind die Mitglieder der im Rubrum bezeichneten Wohnungseigentumsanlage. Die Antragstellerin zu 1) ist die K. GmbH der S.-Verwaltungs- und Vertriebsgesellschaft mbH & Co. Grundbesitz KG (im Folgenden nur GmbH & Co. KG), vertreten durch die Antragstellerin zu 2) als Nachtragsliquidatorin der GmbH wie auch der KG. Wie der Senat mit Beschluss vom 9. Mai 2001 (24 W 3082/00, ZWE 2001, 329) entschieden hat, ist die KG noch nicht erloschen, weil sie noch Eigentümerin der Wohnung Nr. 14 ist, die von der Antragstellerin zu 2) bewohnt wird. Für die Wohnung Nr. 14 belaufen sich die Wohngeldrückstände aufgrund bestandskräftiger Wirtschaftspläne, Jahresabrechnungen und Sonderumlagen auf mehr als 130.000,00 DM. In Abteilung III der Wohnungsgrundbuchakten der Einheit Nr. 14 der Wohnanlage sind Grundpfandrechte in Höhe von insgesamt mehr als 1 Mio. DM eingetragen.

Auf der Eigentümerversammlung vom 25. November 1999 wurde zu TOP I 6 folgender Beschluss gefasst:

"Aufgrund der bestehenden Wohngeldrückstände von 130.325,17 DM per 31. Oktober 1999, bezogen auf die von den Schuldnern selbst genutzte Eigentumswohnung WE-Nr. 14, wird die Verwaltung beauftragt, die Wohnung ab 1. Dezember 1999 von der Kaltwasserversorgung durch Einbau entsprechend zu verplomben und wieder entfernbarer Sperrvorrichtungen durch ein fachtechnisches Unternehmen, befristet bis zum Ausgleich der Wohnrückstände, unter Hinweis auf § 273 BGB abzutrennen, im Fall rechtsgeschäftlicher Veräußerung der Einheit bis zur Eigentumsumschreibung auf den Erwerber, im Fall der Zwangsversteigerung bis zur Erteilung des Zuschlags an den Ersteher.

Die Kosten dieser Maßnahmen tragen die Schuldner und sind notfalls gerichtlich einzufordern. Sollten die Sperrvorrichtungen nur vom Sondereigentum der Schuldner errichtet werden können, beauftragt die Gemeinschaft die Verwaltung, unverzüglich das Betretungsrecht gerichtlich mit anwaltlicher Hilfe zu erzwingen, falls die Schuldner das Betreten der Wohnung durch eine Fachfirma mit der Veraltung verweigern (OLG Celle, 9. November 1990, 4 W 211/90; LG Essen, 25. Februar 1999, 2 T 4/99)."

Die Antragsteller haben den vorgenannten Eigentümerbeschluss angefochten. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 15. März 2000 zurückgewiesen. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 14. November 2000 die Erstbeschwerde der Antragsteller zurückgewiesen. Deren sofortige weitere Beschwerde bleibt erfolglos.

II. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller ist gemäß §§ 27, 29 FGG, 45 Abs. 1 WEG zulässig. Die Rechtsmittelbefugnis der Antragsteller ergibt sich bereits daraus, dass ihre Erstbeschwerde zurückgewiesen worden ist. Ihr Rechtsmittel ist jedoch sachlich nicht gerechtfertigt. Der angefochtene Beschluss ist rechtsfehlerfrei (§ 27 Abs. 1 FGG).

1. Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht sowohl die Beschwerdebefugnis wie auch die Antragsbefugnis der Antragsteller bejaht. Auch wenn der Senat (Beschluss vom 9. Mai 2001, 24 W 3082/00, ZWE 2001, 329) den rechtlichen Ausgangspunkt des Landgerichts nicht teilt, dass die KG erloschen ist und das Wohnungseigentum auf die Komplementär-GmbH und die Antragstellerin zu 2) als einzige Kommanditistin in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts übergegangen ist, ändert sich an der Zulässigkeit des Beschwerdeverfahrens wie auch des erstinstanzlichen Beschlussanfechtungsverfahrens nichts. Es hätte nur eine Richtigstellung des Rubrums erfolgen müssen. Dessen bedarf es jedoch nicht, weil jedenfalls die Komplementär-GmbH, vertreten durch die Nachtragsliquidatorin, die Antragstellerin zu 2) zur gesetzlichen Vertretung der KG befugt ist; inzwischen ist auch die Antragstellerin zu 2) als Nachtragsliquidatorin der KG eingesetzt worden. Auch gegen die Beteiligung der Antragstellerin zu 2) ist letztlich nichts einzuwenden. Auch im WEG-Verfahren ist entsprechend den §§ 66 ff. ZPO die Streithilfe zulässig (BayObLG NJW-RR 1987, 1423). Als Besitzerin der Wohnung Nr. 14 hat die Antragstellerin zu 2) ein rechtliches Interesse an der Ungültigerklärung des Eigentümerbeschlusses, zumal die Antragstellerin zu 2) auch behauptet, für die von ihr genutzte Wohnung Miete zu zahlen.

2. Ohne Rechtsirrtum hat das Landgericht die Zurückweisung des Anfechtungsantrags bestätigt, weil der angefochtene Eigentümerbeschluss nicht gegen Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung i. S. d. § 21 Abs. 3 WEG verstößt. Auch wenn ein Entziehungsgrund nach § 18 WEG vorliegt, schließt dieser weniger belastende Maßnahmen nicht aus; dem gemäß ist die Wohnungseigentümergemeinschaft unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit berechtigt, den Betreffenden bei erheblichen Wohngeldrückständen von der Versorgung mit Wasser und Heizenergie auszuschließen (OLG Hamm OLGZ 1994, 269; Senat ZWE 2001, 329). Dies ist u. a. dadurch gerechtfertigt, dass die Gesamtheit der Wohnungseigentümer nicht verpflichtet ist, zeitlich unbegrenzt einen Teil der Bewirtschaftungskosten für einen einzelnen Wohnungseigentümer zu übernehmen. Dabei ist eine sorgfältige Abwägung der Interessen und der Mittel-Zweck-Relation insbesondere bei der Wahl der zurückzubehaltenden Leistung erforderlich; es können nur Kosten verursachende Leistungen zurückgehalten werden, die sich auf den Gebrauch des Gemeinschaftseigentums beziehen (BayObLG JurBüro 1992, 342). An dieser grundsätzlichen rechtlichen Bewertung ändert sich nichts, wenn die Belieferung von Kaltwasser in zwei Phasen zerlegt wird, nämlich den Wasserbezug im Außenverhältnis durch die Wohnungseigentümergemeinschaft im Ganzen einerseits und die Weitergabe des Kaltwassers von der Wohnungseigentümergemeinschaft an den einzelnen Wohnungseigentümer andererseits gegen Erstattung der Wasserbelieferungskosten (vgl. hierzu im Einzelnen Bub ZWE 2001, 457 ff.). Denn im Außenverhältnis haften sämtliche Wohnungseigentümer als Gesamtschuldner gegenüber den Wasserwerken für die Wasserlieferung. Die Wasserzufuhr in die einzelne Wohnung (Sondereigentum) steht auch in einem inneren natürlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang mit der anteiligen Kostentragung nach § 16 Abs. 2 WEG in der Weise, dass es gegen Treu und Glauben verstoßen würde, wenn der eine Anspruch ohne Rücksicht auf den anderen geltend gemacht und durchgesetzt werden könnte (vgl. BGH NJW 1997, 2945).

Erst wenn die Wasserbelieferung aufgrund direkter Verträge zwischen dem Wohnungseigentümer und den Wasserwerken erfolgen würde, etwa wie bei der Stromlieferung oder der Telekommunikation, wäre die Gemeinschaft nicht berechtigt, die Zuleitungen durch das gemeinschaftliche Eigentum zu unterbrechen; das ergibt sich auch daraus, dass insoweit die Kosten der Belieferung nicht über die Kosten der Bewirtschaftung des gemeinschaftlichen Eigentums abgerechnet werden, sondern direkt zwischen dem Wohnungseigentümer und dem Versorgungsunternehmen, das allerdings seinerseits regelmäßig eine Versorgungssperre bei Zahlungsverweigerung durchführen kann. Der Senat vermag dem gemäß nicht die Auffassung zu teilen, dass bezüglich der Weiterleitung des Wassers nicht die Voraussetzungen des § 273 Abs. 1 BGB gegeben seien (so aber Suilmann ZWE 2001, 476).

3. Eine andere rechtliche Beurteilung folgt auch nicht daraus, dass die Antragstellerin zu 2) das Bestehen eines Mietverhältnisses zwischen ihr und der Wohnungseigentümerin behauptet. Wie der Senat (Beschluss vom 21. Mai 2001, 24 W 94/01, ZWE 2001, 497 = NZM 2001, 761) ausgeführt hat, stehen dem Mieter gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft keine weitergehenden Rechte zu als dem vermietenden Wohnungseigentümer, weil der Mieter nämlich von diesem seine Rechtsstellung ableitet. Es mag sein, dass gegenüber dem Mieter ein besonderer Vollstreckungstitel erforderlich ist, falls die Wohnung betreten werden muss, um den Versorgungsanschluss zu sperren. Das ändert aber nichts daran, dass gegenüber dem Mieter keine verbotene Eigenmacht i. S. d. §§ 858, 862 BGB vorliegt. Denn eine verbotene Eigenmacht liegt nicht vor, wenn das Gesetz die Besitzentziehung oder -störung gestattet. Zwar besteht das Zurückbehaltungsrecht der Wohnungseigentümergemeinschaft lediglich gegenüber dem vermietenden Wohnungseigentümer, der Mieter kann aber gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft keine bessere Rechtsstellung haben als der Wohnungseigentümer selbst. Die Durchsetzung der Versorgungssperre unmittelbar gegenüber dem Mieter ist rechtlich nicht anders zu bewerten als die Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen der Eigentümergemeinschaft unmittelbar gegenüber dem Mieter, wenn dieser in den gemieteten Räumen über die Nutzungsart hinausgeht, die dem vermietenden Wohnungs- oder Teileigentümer zusteht, weil es zum Risikobereich des Vermieters gehört, dass die Vermietung von Teileigentum mit der Gemeinschaftsordnung vereinbar ist (BGH, Urteil vom 29. November 1996, NJW 1996, 714 ZMR 1996, 145 = MDR 1996, 355 = WuM 1996, 487). Der Mieter erlangt damit einen Schadensersatzanspruch gegen seinen vermietenden Wohnungs- oder Teileigentümer, nicht aber kann der Mieter Rechte gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft durchsetzen, die er gegenüber dem vermietenden Wohnungs- oder Teileigentümer nicht hat. Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob ein nachträglich in die Wohnung eingezogener Mieter gegen eine direkte Abführung der Miete in Höhe des Wohngeldes an die Eigentümergemeinschaft die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts abwenden darf. Denn die Antragstellerin zu 2) nutzt die von ihr innegehaltene Wohnung als Kommanditistin und angebliche Mieterin schon seit vielen Jahren, ohne dass sie einen Teil der von ihr zu leistenden Nutzungsentschädigung direkt der Wohnungseigentümergemeinschaft zur Abgeltung der Bewirtschaftungskosten zur Verfügung gestellt hätte.

Es entspricht billigem Ermessen, dass die Antragsteller die Gerichtskosten ihres erfolglosen Rechtsmittels tragen (§ 47 Satz 1 WEG). Angesichts der erheblichen Wohngeldrückstände, für die auch die Antragsteller verantwortlich sind, besteht hinreichender Anlass, die Erstattung außergerichtlicher Kosten anzuordnen (§ 47 Satz 2 WEG).

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 WEG.

Ende der Entscheidung

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