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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 27.02.2002
Aktenzeichen: 24 W 71/01
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 28 I
WEG § 28 III
WEG § 28 V
1. Jedenfalls bei Eigentümerbeschlüssen, die bis Ende des Jahres 2000 gefasst worden sind, gebietet der Vertrauensschutz (BGHZ 145,158 = NJW 2000, 3500), Jahresabrechnungs-, Entlastungs- und Wirtschaftsplanbeschlüsse nicht allein deshalb für ungültig zu erklären, weil sie nicht für das Kalenderjahr, sondern für davon abweichende Wirtschaftsperioden aufgestellt sind. Denn diese Eigentümerbeschlüsse liegen innerhalb der Beschlusskompetenz und wirken für alle Wohnungseigentümer gleichmäßig.

2. Ist ein von dem Kalenderjahr abweichender Wirtschaftsplan (etwa für eine Heizperiode) aus dem Jahr 2000 oder früher angefochten, kommt auch eine gerichtliche Einschränkung des beschlossenen Wirtschaftsplans nur auf das restliche Kalenderjahr nicht in Betracht, weil über den mutmaßlichen Fortgeltungswillen der Wohnungseigentümer bis zum nächsten Wirtschaftplan ohnehin die Erstreckung auf die ersten Monate des Folgejahres zu erreichen ist.


KAMMERGERICHT Beschluss

Geschäftsnummer: 24 W 71/01

In der Wohnungseigentumssache

betreffend die Wohnanlage

hat der 24. Zivilsenat des Kammergerichts auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu I. 4. und 6. gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 29. September 2000 - 85 T 120/00 WEG - durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Dr. Briesemeister, den Richter am Kammergericht Kuhnke und die Richterin am Landgericht Hinrichs am 27. Februar 2002 beschlossen:

Tenor:

Die sofortigen weiteren Beschwerden der Beteiligten zu I. 4. und 6. werden zurückgewiesen.

Die Beteiligten zu I. 4. und 6. haben als Gesamtschuldnerinnen die Gerichtskosten dritter Instanz zu tragen. Außergerichtliche Kosten dritter Instanz sind nicht zu erstatten.

Der Geschäftswert dritter Instanz wird auf 53.378,87 € festgesetzt.

Gründe:

Die Verfahrensbeteiligten bildeten bei Verfahrenseinleitung die Eigentümergemeinschaft der Wohnanlage. Der jetzige Verwalter hat das Verfahren nach seiner Wahl am 28. April 2000 in Vertretung der Eigentümergemeinschaft übernommen. Auf Einladung der Vorverwalterin vom 5. März 1999 kam es zu der Eigentümerversammlung am 17. März 1999, auf der zu den TOP 1 bis 4 und 7 folgende Beschlüsse mehrheitlich gefasst worden sind:

TOP 1 Genehmigung der Gesamt- und Einzelabrechnungen für das Wirtschaftsjahr vom 1.5.96 bis 30.4.97

TOP 2 Entlastung der Verwalterin für das Wirtschaftsjahr 1.5.96 bis 30.4.97

TOP 3 Genehmigung der Gesamt- und Einzelabrechnungen für das Wirtschaftsjahr vom 1.5.97 bis 30.4.98

TOP 4 Entlastung der Verwalterin für die Wirtschaftsjahre 1.5.96 bis 30.4.98

TOP 7 Wirtschaftsplan für den Zeitraum vom 1.5.99 bis zum 30.4.2000

Die Beteiligten zu I. 4. bis 8. haben die vorgenannten Eigentümerbeschlüsse angefochten, insbesondere wegen der Erhöhung der Instandhaltungsrücklage in dem Wirtschaftsplan 1999/2000, die Aufnahme der Vorjahressalden in den Einzelabrechnungen sowie wegen der unterschiedlichen Verwalterentgelte in den Jahresabrechnungen. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 9. März 2000 die Anfechtungsanträge zurückgewiesen. Hiergegen haben die Beteiligten zu I. 4. und 6. Erstbeschwerde eingelegt, die das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss vom 29. September 2000 zurückgewiesen hat. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu I. 4. und 6., die erfolglos bleibt.

Die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu I. 4. und 6. ist gemäß §§ 27, 29 FGG, 45 WEG zulässig. Insbesondere ist die nach § 45 Abs. 1 WEG erforderliche Beschwer erreicht. Das Rechtsmittel ist jedoch sachlich nicht gerechtfertigt. Einen Rechtsfehler, auf den die sofortige weitere Beschwerde mit Erfolg allein gestützt werden kann (§ 27 Abs. 1 FGG), weist der angefochtene Beschluss nicht auf.

Ohne Rechtsirrtum hat das Landgericht eine Ungültigerklärung der Eigentümerbeschlüsse vom 17. März 1999 zu TOP 1 bis 4 und 7 mit dem Amtsgericht abgelehnt. Bei seinen Ausführungen verkennt der angefochtene Beschluss die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung nicht. Hinsichtlich des zunächst beanstandeten unterschiedlichen Verwalterentgelts sind die Beanstandungen nicht weiterverfolgt worden, nachdem die Vorverwalterin die unterschiedlichen Beträge in den Abrechnungen erklärt hat. Soweit die Heizkosten jedenfalls hinsichtlich der verbrauchsabhängigen Kosten nicht vollständig abgerechnet worden sein sollten, würden sich allenfalls Ergänzungsansprüche hinsichtlich der Abrechnung ergeben, die jedoch nicht in dieses Verfahren eingeführt worden sind; abgesehen davon hatten sich die Beteiligten zu I. 4. und 6. bereits in erster Instanz auf die Beanstandung bestimmter anderer Positionen der Jahresabrechnungen wirksam beschränkt. Die Vorjahressalden sind in den Abrechnungen nur zur besseren Information aufgeführt. Wegen der Ordnungsgemäßheit der Jahresabrechnung 1996/97 ist auch die Verwalterentlastung nicht zu beanstanden. Soweit sich Ansprüche aus fehlerhafter Abrechnung der verbrauchsabhängigen Heizkosten ergeben sollten, wäre erst die Ergänzungsabrechnung abzuwarten. Die vorstehenden Rechtsausführungen gelten entsprechend auch für die Jahresabrechnung und Verwalterentlastung für das Geschäftsjahr 1997, 98. Rechtlich einwandfrei hat das Landgericht auch den Anfechtungsantrag zu TOP 7 (Wirtschaftsplan 1999/2000) für gültig angesehen. Nach den verfahrensfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts ist das Volumen dieses Wirtschaftsplanes keineswegs willkürlich oder ordnungswidrig bestimmt worden. Es war erkennbar aus dem Protokollinhalt Ergebnis einer vorangegangenen Ermittlung des großen Instandsetzungsbedarfs dieser Wohnanlage. Wenn die Gemeinschaft in der Versammlung die Dachsanierung, die Fassadensanierung, die Renovierung der Treppenhäuser sowie die Instandsetzung der Fenster und der Heizungsanlage ins Auge gefasst hat, entspricht es ordnungsmäßiger Verwaltung, die Instandhaltungsrücklage umfänglich aufzufüllen, um derartige. Investitionen in das Gemeinschaftseigentum realisieren zu können. Der Eigentümergemeinschaft steht insoweit ein weiter Ermessensspielraum zu (BayObLG NZM 2001, 754 = ZMR 2001, 815 = ZWE 2001, 432).

Im Wohnungseigentumsverfahren als einem echten Streitverfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit besteht unbeschadet der Amtsermittlungspflicht des Gerichts eine Mitwirkungspflicht der Beteiligten. Das Gericht kann davon ausgehen, dass jede Seite die ihr günstigen Tatsachen mitteilt und die geeigneten Beweismittel benennt oder vorlegt. Der Antragsteller hat deshalb darzulegen, inwiefern und aus welchen Gründen er den Eigentümerbeschluss und die Abrechnung - in ihrem Zustandekommen oder ihrem Inhalt nach - beanstandet (BayObLG NJW-RR 1987, 1363; BayObLGZ 1999,176 = NZM 1999, 868). Übertragen auf die dritte Instanz bedeutet das: Beschränkt der Antragsteller, der den Beschluss über die Jahresabrechnung oder den Wirtschaftsplan angefochten hat, die Rechtsbeschwerde auf einzelne Beanstandungen, braucht sich das Rechtsbeschwerdegericht nur mit diesen Punkten zu befassen (BayObLG, Beschluss vom 28. März 2001, 2 ZBR 52/00, ZWE 2001, 375). Der Senat teilt diese Auffassung und prüft demgemäß - über die obigen Rechtsausführungen hinaus - die in dritter Instanz erhobenen Einwendungen der Beteiligten zu I. 4. und 6. Sowohl nach den Anwaltsschriftsätzen vom 26. April 2001 und 14. August 2001 als auch nach dem in Bezug genommenen Schriftsatz der Beteiligten zu I. 6. vom 13. Februar 2001 konzentrieren sich die Beanstandungen in dritter Instanz darauf, dass sich die beiden Jahresabrechnungs- und Entlastungsbeschlüsse sowie der Wirtschaftsplanbeschluss ohne entsprechende Bestimmung in der Teilungserklärung oder in einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer entgegen § 28 WEG auf Wirtschaftsperioden vom 1. Mai 1996 bis zum 30. April 1997, vom 1. Mai 1997 bis zum 30. April 1998 und (Wirtschaftsplanbeschluss) vom 1. Mai 1999 bis zum 30. April 2000 erstrecken. Für eine Verschiebung der Wirtschaftsperioden müsse eine absolute Beschlussunzuständigkeit nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20. September 2000 (BGHZ 145,158 = NJW 2000, 3500 = NZM 2000, 1184 = ZMR 2000, 771 = GE 2000, 1478) angenommen werden. Das gelte auch für Eigentümerbeschlüsse, die - wie hier - vor dem 20. September 2000 gefasst worden seien. Dem vermag der Senat jedoch nicht zu folgen, jedenfalls nicht bei Eigentümerbeschlüssen, die vor Bekannt werden der BGH-Entscheidung Ende des Jahres 2000 gefasst worden sind und keine Dauerregelungen (Organisationsbeschlüsse) darstellen, sondern einzelne Verwaltungsmaßnahmen im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung. Der Bundesgerichtshof spricht in seiner Entscheidung vom 20. September 2000 selbst von einem notwendigen Vertrauensschutz für die Zeit vor dieser Entscheidung. Dabei geht es im vorliegenden Fall nicht darum, ob ein eventueller Organisationsbeschluss über die Verschiebung der Wirtschaftsperiode auch über das Jahr 2000 hinaus Geltung hat oder nunmehr als nichtig anzusehen ist. Denn hier geht es nur darum, ob Abrechnungs-, Entlastungs- und Wirtschaftsplanbeschlüsse aus der Zeit vor 2001 allein aus dem formalen Grunde für ungültig erklärt werden sollen, dass sie sich nicht an dem Kalenderjahr ausrichten. Wie die BGH-Entscheidung vom 20. September 2000 mittelbar bestätigt, war es vordem fast allgemeine Auffassung, dass durch bestandskräftig gewordenen Organisationsbeschluss die Wirtschaftsperiode sachgemäß verschoben werden kann, etwa auf die Heizperiode. Um so mehr musste es als noch ordnungsmäßig erscheinen, von Jahr zu Jahr anschlussweise mit der Heizperiode als Wirtschaftsperiode fortzufahren. Soweit ersichtlich, liegt bis in die jüngste Zeit hinaus keine veröffentlichte obergerichtliche Entscheidung vor, wonach ein Wirtschaftsplanbeschluss oder der anschließende Jahresabrechnungsbeschluss allein deshalb für ungültig erklärt wird, dass er sich nicht nach dem Kalenderjahr ausrichtet. Mit einer absoluten Beschlussunzuständigkeit der Eigentümergemeinschaft kann das auch nicht begründet werden. Angesichts der außerordentlichen Bedeutung, die ein geordnetes Finanz- und Rechnungswesen der Wohnungseigentümergemeinschaft hat, eröffnet § 28 WEG gerade eine umfassende Beschlusszuständigkeit der Eigentümergemeinschaft für die Aufbringung und Abrechnung der erforderlichen finanziellen Mittel, die der autonomen Gestaltung der Eigentümergemeinschaft verbleibt. Allerdings beschneidet die BGH-Entscheidung ausdrücklich die Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer zur Änderung des Kostenverteilungsschlüssels durch Mehrheitsbeschluss, der die absolute Beschlussunzuständigkeit entgegen steht. Der Kostenverteilungsschlüssel ist aber nicht in § 28 WEG, sondern in § 16 WEG geregelt, der die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer untereinander (§ 10 WEG) betrifft. Demgegenüber unterfällt § 28 WEG dem dritten Abschnitt des WEG, der sich mit der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums befasst. Hierauf ist nicht Leitsatz 4, sondern Leitsatz 5 der BGH-Entscheidung vom 20. September 2000 anzuwenden. Danach ist der Beschluss in einer Angelegenheit, welche die Regelung der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums betrifft, aber nicht mehr eine "ordnungsmäßige" Maßnahme zum Inhalt hat, allenfalls anfechtbar. Über den Bereich ordnungsmäßiger Verwaltungsmaßnahmen trifft die BGH-Entscheidung keine Aussage. Unter dem Gesichtspunkt, dass die Festlegung der Wirtschaftsperiode lediglich eine Ordnungsfunktion hat, die im Übrigen alle Wohnungseigentümer gleichmäßig betrifft, könnte sogar eine positive Beschlusszuständigkeit für die bloße Verschiebung angenommen werden, die sich bei gleichbleibendem Bestand der Gemeinschaft materiell überhaupt nicht auswirkt. Doch ist diese Rechtsfrage in dem vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden.

Zumindest bei Eigentümerbeschlüssen, die bis Ende des Jahres 2000 gefasst worden sind, gebietet der Vertrauensschutz, Jahresabrechnungs-, Entlastungs- und Wirtschaftsplanbeschlüsse nicht allein deshalb für ungültig zu erklären, weil sie nicht für das Kalenderjahr, sondern für davon abweichende Wirtschaftsperioden aufgestellt sind. Der für die Eigentümergemeinschaft insgesamt dadurch eintretende Schaden stände in keinem vertretbaren Verhältnis zu der Durchsetzung eines formalen Ordnungsprinzips. Vielfach werden Wohnungseigentümer im Vertrauen auf die Abrechnungs- und Wirtschaftsplanbeschlüsse laufende Zahlungen an den Verwalter geleistet haben. Teilweise werden auch Wohngeldverfahren gegen säumige Wohnungseigentümer eingeleitet worden sein. Bei nachträglicher Ungültigerklärung dieser Eigentümerbeschlüsse aus dem formalen Grund der fehlenden Konformität mit dem Kalenderjahr müssten die Abrechnungsbeschlüsse wiederholt werden, wobei die Kostenverteilung im Wesentlichen gleich bleiben würde. Mit der späteren Beschlussfassung könnten zwischenzeitlich ausgeschiedene Wohnungseigentümer nicht mehr erfasst werden. Jedenfalls für die Zeit vor 2001 erscheint die Aufrechterhaltung der Abrechnungsbeschlüsse bei Abwägung der Interessen der nur aus einem formalen Grund anfechtenden Wohnungseigentümer einerseits und der Eigentümergemeinschaft andererseits dringend geboten.

Was die Wirtschaftsplanbeschlüsse aus den Jahren vor 2001 betrifft, würde sich die Frage stellen, ob bei einer vorangegangenen Wirtschaftsperiode bis zum 30. April 2001 der sich anschließende Wirtschaftsplan bei Anfechtung vom Gericht auf das restliche Kalenderjahr beschränkt werden müsste, die Ungültigerklärung sich also nur auf die ersten vier Monate des Folgejahres erstrecken dürfte. Auch dies käme aber nur in der Weise in Betracht, dass eine Fortgeltung des vorjährigen Wirtschaftsplanes bis zur nächsten Beschlussfassung über einen Wirtschaftsplan angenommen werden müsste. Denn eine fortlaufende Fälligkeit der monatlichen Beitragsvorschüsse ist nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung geradezu geboten (vgl. den zur Veröffentlichung vorgesehenen Senatsbeschluss vom 27. Februar 2002, 24 W 16/02; ferner Gottschalg, NZM 2001, 950). Die theoretische Ungültigerklärung für die ersten vier Monate des Folgejahres müsste also zwingend ersetzt werden durch eine Fortgeltung des angefochtenen Wirtschaftsplanes bis zur nächsten Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft über einen Wirtschaftsplan. Unter diesen Umständen ist zumindest für die Vergangenheit ein Wirtschaftsplan für die Zeit 1. Mai bis zum 30. April des Folgejahres zu bestätigen. Für die Zeit ab 2001 wird - mangels abweichender Vereinbarung - die Rückkehr zum Kalenderjahr der sicherere Weg bei der Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan sein.

Es entspricht billigem Ermessen, dass die Beteiligten zu I. 4. und 6. die Gerichtskosten dritter Instanz tragen. Dagegen besteht keine hinreichende Veranlassung, die Erstattung außergerichtlicher Kosten anzuordnen.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 WEG.

Ende der Entscheidung

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