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Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 09.01.2004
Aktenzeichen: 25 U 101/03
Rechtsgebiete: DÜG, ZPO, BGB, AGBG
Vorschriften:
DÜG § 1 | |
ZPO § 540 Abs. 2 | |
ZPO § 313 a Abs. 1 Satz 1 | |
BGB § 247 | |
BGB § 284 Abs. 1 Satz 1 a.F. | |
BGB § 284 Abs. 2 Satz 1 a.F. | |
AGBG § 2 a.F. | |
AGBG § 11 Nr. 4 a.F. | |
AGBG § 24 Satz 1 a.F. |
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes
Geschäftsnummer: 25 U 101/03
Verkündet am: 9. Januar 2004
In dem Rechtsstreit
hat der 25. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 19. Dezember 2003 durch ...
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 15. Mai 2003 verkündete, als Versäumnisurteil bezeichnete Urteil der Zivilkammer 9 des Landgerichts Berlin - Geschäftsnummer 9 O 714/02 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.901,35 EUR nebst Zinsen in Höhe von drei Prozentpunkten über dem jeweils maßgeblichen Basiszinssatz nach § 1 DÜG aus 3.536,34 EUR seit 1. Januar 1999, aus weiteren 785,67 EUR seit 16. Februar 1999, aus weiteren 756,92 EUR seit dem 16. Mai 1999, aus weiteren 724,01 EUR seit 16. August 1999 bis jeweils zum 31. Mai 2000 und nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz nach § 1 DÜG aus 5.802,94 EUR für die Zeit vom 1. Juni 2000 - 31. Dezember 2001 und in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils maßgeblichen Basiszinssatz zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen hat die Beklagte zu tragen, mit Ausnahme der Kosten, die in beiden Rechtszügen durch die Nebenintervention entstanden sind. Diese hat die Streithelferin zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Von der Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird abgesehen, §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO.
II.
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 517, 519, 520 ZPO), mithin zulässig. Sie hat in der Sache weitgehend Erfolg.
Entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung stehen der Klägerin gegenüber der Beklagten Verzugszinsen nicht erst seit der Zustellung des Mahnbescheides, sondern seit Ablauf der Fälligkeitszeitpunkte, die in den jeweiligen "Leistungsbedingungen" der Klägerin benannt sind, zu.
1. Die Klägerin erließ unter dem 17. Dezember 1991 Leistungsbedingungen, die im Amtsblatt von Berlin veröffentlicht wurden (Abl Bln 1992, S. 67 ff.).
Weitere Leistungsbedingungen ergingen unter dem 1. Januar 1994 (Abl Bln 1994, S. 17 ff.), 18. Mai 2000 (Abl Bln 2000, S. 1834) und 21. März 2001 (Abl Bln 2001, 1288 ff.). Es heisst dort jeweils, dass das Entgelt für die Straßenreinigung in vier gleichen Teilbeträgen am 15. Februar, 15. Mai, 15. August und 15. November eines jeden Jahres fällig sei. Diese Regelung ist ausreichend, um im Falle der nicht rechtzeitigen Leistung den Verzugseintritt zu bewirken.
Nach § 284 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. kommt zwar ein Schuldner, der auf eine Mahnung eines Gläubigers nicht leistet, die nach dem Eintritte der Fälligkeit erfolgt, erst durch die Mahnung in Verzug. Ist hingegen für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, kommt der Schuldner ohne Mahnung in Verzug, wenn er nicht zu der "bestimmten" Zeit leistet, § 284 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F.. Letzteres liegt hier vor.
Das Landgericht hat in anderen Verfahren zwischen den Parteien, die vom erkennenden Senat geschäftsplanmäßig bearbeitet werden, explizit die Auffassung vertreten, dass die Voraussetzungen des § 284 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. nicht gegeben seien. Es sei nicht ausreichend, wenn - wie hier - eine einseitige Bestimmung durch einen Gläubiger getroffen werde. Erforderlich sei eine vertragliche Vereinbarung der Parteien. Im hiesigen Verfahren ist diese Ansicht zwar nicht ausdrücklich erwähnt, die Regelung in § 284 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. aber ebenfalls nicht angewandt worden. Deshalb sei hier Folgendes angemerkt: die Auffassung, dass eine Bestimmung nicht einseitig durch den Gläubiger vorgenommen werden könne, wird häufig vertreten (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 59. Aufl., § 284, Rdnr. 22; Soergel-Wiedemann, BGB, 1990, § 284, Rdnr. 35; RGRK-Alff, BGB, 1976, § 284, Rdnr. 22; Staudinger-Löwisch, BGB, 2001, § 284, Rdnr. 84; LG Paderborn MDR 1983, 225). Sie stützt sich - soweit ersichtlich - auf eine Entscheidung des Reichsgerichts (Warneyer 1908, 88, Nr. 130). Darin ist ausgeführt, dass auch die Zeit der Leistung vertraglich bestimmt sein müsse, wenn es sich für den Schuldner um eine vertragliche Verpflichtung handele. Nur die Zeit komme in Frage, die von den Parteien festgesetzt worden sei. Die Ausführungen des Reichsgerichts beziehen sich darauf, dass eine einseitige Änderung der Leistungszeit durch den Gläubiger ausgeschlossen ist, wenn eine vertragliche Vereinbarung vorliege. Danach erscheint es nicht zwingend, dass eine einseitige Bestimmung von vornherein ausgeschlossen sein soll. Die Problematik bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung.
2. Die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien sind, wie sich aus den Leistungsbedingungen ergibt, privatrechtlich ausgestaltet (BGH NVwZ-RR 1992, 224). Zwischen den Parteien ist ein Vertrag dadurch zustandegekommen, dass die Beklagte die von der Klägerin angebotene Leistung, die Straßenreinigung, konkludent angenommen hat (vgl. BGHZ 115, 315). Die Leistungsbedingungen stellen allgemeine Geschäftsbedingungen dar (KG, 26. Zivilsenat, Urteil vom 26. Februar 2003, - Geschäftsnummer: 26 U 82/02- unter Hinweis auf BGH MDR 1984, 558, wonach es sich bei der Festsetzung der Tarife um ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht handelt, auf das die Regelung in § 315 BGB zumindest entsprechend anzuwenden ist). Es handelt sich um für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AGBG a.F.). Die Bedingungen gestalten den Inhalt der vertraglichen Vereinbarung der Parteien. Die Regelung in § 2 AGBG a.F. zur Einbeziehung der Bedingungen in einen Vertrag gilt im Verhältnis zwischen den Parteien bereits nach § 24 Satz 1 AGBG a.F. nicht. Schon angesichts der zuletzt genannten Regelung ergibt sich keine Unwirksamkeit der Fälligkeitsbestimmungen nach § 11 Nr. 4 AGBG a.F. (s. zudem zur Unschädlichkeit einer Klausel, die - wie hier - den Gesetzeswortlaut wiederholt: BGHNJW 1992,1628, 1629; zu § 284 Abs. 2 Satz 1 BGB: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz, 9. Aufl., § 11 Nr. 4, Rdnr. 5 m. w. N.).
3. Soweit das Landgericht weiter darauf abstellt, dass hier kein Verzug vorliege, weil die Forderungen nicht fällig gewesen sein, ist dem nicht zu folgen. Zwar werden Forderungen, deren Höhe erst noch bestimmt werden müssen, erst fällig, wenn die Gestaltung erfolgt oder die Bestimmung getroffen worden ist (BGHZ 122, 32, 46). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass von einer entsprechenden Bestimmung nicht erst dann ausgegangen werden kann, wenn eine Rechnungslegung vorgenommen worden ist. Sie ist - von hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen - keine Fälligkeitsvoraussetzung (vgl. BGHZ 79, 178; NJW-R 1991, 793). Die Bestimmung war durch die Festsetzung der Tarife vom 15. November 1996 und 31. März 1999 getroffen worden. Sie wurden im Amtsblatt von Berlin (1996, S. 4288; 1999, S. 1395) veröffentlicht. Die jeweiligen Leistungsbedingungen der Klägerin enthalten den Hinweis auf die veröffentlichten Tarife (und die Reinigungsklassen). Sie waren damit für die Beklagte hinreichend erkennbar.
4. Es verfängt in diesem Zusammenhang nicht, wenn darauf abgestellt wird, dass der Leistungsumfang nicht feststehe, weil die Klägerin nach ihren Leistungsbedingungen die Möglichkeit habe, die Rechnungsbeträge zu ändern. Die Klägerin kann ihre Rechnungsbeträge nur ändern, wenn andere, ebenfalls erkennbare Tarife festgelegt werden. Solange keine Änderung erfolgt, bleibt der ursprüngliche Rechnungsbetrag maßgeblich. Dieser ist nach Vorstehendem bestimmt. Im Übrigen erweist sich die Änderungsmöglichkeit jedenfalls für den hier zu beurteilenden Sachverhalt als unbedenklich. Die neuen Rechnungen wiesen zu Gunsten der Beklagten gesenkte Beträge aus.
5. Die Beklagte befand sich danach hinsichtlich der Straßenreinigungskosten für die Jahre 1998-1999 jeweils mit Ablauf der vorgenannten Fälligkeitszeitszeitpunkte in Verzug. Dem steht nicht entgegen, dass hier für das Jahr 1999 unter dem Datum des 23. April 2003 eine Änderungsrechnung ergangen ist, in der es hieß, dass der Rechnungsbetrag am 15. Mai 2003 fällig sei. Nach Ansicht des Senats handelt es sich dabei nach Sinn und Zweck der Erklärung lediglich um eine Aufforderung zur Zahlung des geänderten Betrages. Selbst wenn man davon ausginge, dass der Rechnungsbetrag gestundet worden wäre, führte dies zwar zu einer Heilung des Verzugs (RGZ 113, 53,56). Eine Stundung enthält aber nicht ohne weiteres einen Verzicht auf die Geltendmachung der bereits eingetretenen Verzugsfolgen (vgl. RG JW 1913, 591). Ein Verzicht auf die bereits durch Nichtbegleichung der ursprünglichen Rechnung entstandenen Zinsen, kann nicht vermutet werden (RG SeuffArch 54, 274; vgl. BGH NJW-RR 1996, 237; 2000, 130); es ist eine enge Auslegung geboten. Es kann dahinstehen, ob ein einseitiger Verzicht hier möglich gewesen wäre. Grundsätzlich muss ein Verzichtswille erkennbar sein. Hinreichende Anhaltspunkte dafür liegen nicht vor. In der Änderungsrechnung werden die Verzugszinsen nicht erwähnt. Von einem Verzicht kann aber auch ausgegangen werden, wenn kein Verzichtswille besteht, der Gläubiger die mögliche Deutung seines Verhaltens als Verzicht aber hätte erkennen können (vgl. BGHZ 109, 171). Entsprechende Anhaltspunkte liegen hier mangels Erwähnung der Zinsen nicht vor.
6. Die Klägerin muss sich allerdings entgegenhalten lassen, dass sie in der Änderungsrechnung vom 23. April 2003 nur einen Gesamtbetrag von 2.266,60 EUR ausgewiesen hat. Rechnerisch ermittelt sich damit gegenüber der Beklagten nur ein Anspruch in Höhe von 5.802,94 EUR. Da im Rahmen der Berufung lediglich eine Entscheidung über die Zinsen zu treffen war, kam eine Änderung des landgerichtlichen Urteils insoweit nicht in Betracht. Zinsen sind - wie in der geänderten Rechnung ausgewiesen - im ersten Quartal 1999 nur aus einem Betrag in Höhe von 785,67 EUR angefallen.
7. Die Zinshöhe ermittelt sich aus den jeweiligen Leistungsbedingungen unter Berücksichtigung des Basiszinssatzes nach § 1 DÜG und nach § 247 BGB.
Nach Maßgabe der Erklärung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat am 19. Dezember 2003, wonach Zinsen aus den für fällig erachteten Beträgen geltend gemacht werden, war zum Zwecke der Klarstellung auszusprechen, dass Zinsen jeweils aus den weiteren, das Quartal betreffenden Beträgen zu zahlen sind.
8. Die Entscheidung zu den Kosten beruht auf §§ 92 Abs. 2, 100 Abs. 1 ZPO, diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
9. Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision beruht auf § 543 Abs. 2 ZPO. Die Rechtssache hat angesichts der auf den vorliegenden Fall bezogenen Anwendung der Leistungsbedingungen keine grundsätzliche Bedeutung, § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Desweiteren erfordert sie keine Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
Ende der Entscheidung
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