Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 15.02.2006
Aktenzeichen: 25 U 27/05
Rechtsgebiete: VZOG


Vorschriften:

VZOG § 11
VZOG § 11 Abs. 2 Satz 4
VZOG § 16 Satz 3
Zum Ausschluss von Ansprüchen auf Herausgabe von Mieteinnahmen gemäß § 11 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. § 16 Satz 3 VZOG. Die Anwendbarkeit des § 11 VZOG setzt voraus, dass es kein Restitutionsverhältnis zwischen der öffentlichen Körperschaft und einem Dritten, an den der Vermögenswert später restituiert wird, gibt.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 25 U 27/05

verkündet am: 15.02.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 25. Zivilsenat des Kammergerichts durch die Vorsitzende Richterin am Kammergericht Böhrenz, die Richterin am Kammergericht Diekmann und den Richter am Kammergericht Helmers auf die mündliche Verhandlung vom 15. Februar 2006 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 9. März 2005 verkündete Teilurteil des Landgerichts Berlin geändert:

Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in erster Stufe der Stufenklage zu Ziffer 1) in der Hauptsache erledigt ist betreffend den Zeitraum vom 1. Juli 1994 bis 31. August 1995.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin ist auf Grund des Restitutionsbescheides des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen (LAROV) vom 24.9.1999 Miteigentümerin des Hausgrundstückes ... Straße ... in Berlin-Prenzlauer Berg.

Die Beklagte war bis zur Rückübertragung Eigentümerin des im Grundbuch für das Deutsche Reich eingetragenen Miteigentumsanteils von 1/9, wie mit Vermögenszuordnungsbescheid des Oberfinanzpräsidenten der Oberfinanzdirektion Berlin festgestellt wurde. Dieser Miteigentumsanteil fiel auf Grund des Restitutionsbescheides vom 24.9.1999 der Klägerin zu. Der Beklagten wurde mit demselben Bescheid ein völlig anderer Miteigentumsanteil von 1/12 restituiert.

Die Beklagte übernahm die Verwaltung des Grundstücks ab dem 1.9.1995 von der Wnn Wohnungsbaugesellschaft mbH (im Folgenden: Wn ), welche die Verwaltung bis zu diesem Zeitpunkt ausgeübt hatte.

Mit Schreiben vom 27.10.2000 bat die Klägerin die Beklagte um Erstellung der Abrechnung nach § 7 Abs. 7 VermG. Nachdem die Beklagte auch auf ein Mahnschreiben der Klägerin vom 30.1.2004 die geforderte Abrechnung nicht erteilte, erhob die Klägerin Stufenklage auf Auskunft und Zahlung betreffend den Zeitraum vom 1.7.1994 bis zum 31.12.2002, die der Beklagten am 3.9.2004 zugestellt wurde. Mit Schreiben vom 13.9.2004 erteilte die Beklagte die begehrten Grundstücksabrechnungen, die Abrechnung der Wn für den Zeitraum vom 1.7.1994 bis zum 31.8.1995 allerdings "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht lediglich zu informatorischen Zwecken ". Hinsichtlich des Auskunftsantrages für den Zeitraum ab dem 1.9.1995 haben die Parteien daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.

Die Klägerin meint, die Beklagte sei auch für den Zeitraum vom 1.7.1994 bis zum 31.8.1995 ihr gegenüber auskunftspflichtig gewesen.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass der Rechtsstreit in 1. Stufe der Stufenklage zu Ziffer 1. in der Hauptsache erledigt ist betreffend den Zeitraum vom 1.7.1994 bis zum 31.8.1995.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist darauf, dass ihr für den streitgegenständlichen Zeitraum keine Nutzungen zustünden.

Das Landgericht hat durch das am 9.3.2005 verkündete Teilurteil den Auskunftsanspruch abgewiesen, soweit er den Zeitraum vom 1.7.1994 bis zum 31.8.1995 betrifft. Der Auskunftsanspruch sei von vornherein unbegründet gewesen, weil die Klägerin von der Beklagten für den vorgenannten Zeitraum nicht die Herausgabe gezogener Nutzungen verlangen könne. Die Beklagte habe ihrerseits im streitgegenständlichen Zeitraum keinerlei Nutzungen gezogen, da sie die Verwaltung des Grundstücks nicht selbst ausgeübt habe. Sie habe gemäß § 11 Abs. 2 S. 3 VZOG, der auf das Verhältnis zwischen der Beklagten und der Wn Anwendung finde, auch keinen Anspruch auf Nutzungsherausgabe gegen die vormalige Verwalterin.

Gegen das ihr am 20.4.2005 zugestellte Teilurteil hat die Klägerin mit dem am 20.5.2005 beim Kammergericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tage Berufung eingelegt, welche sie mit dem am 10.6.2005 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Die Klägerin begehrt mit der Berufung weiterhin die Feststellung der Hauptsachenerledigung betreffend den Zeitraum vom 1.7.1994 bis zum 31.8.1995. Sie ist der Ansicht, dass die Beklagte auch hinsichtlich des vorgenannten Zeitraums passivlegitimiert sei. Es könne in Bezug auf den Annexanspruch auf Auskunft nicht entscheidungserheblich darauf ankommen, ob der Schuldner des Herausgabeanspruches nach § 7 Abs. 7 VermG die Verwaltung des Hausgrundstückes persönlich ausgeübt habe oder nicht. Zwar sei in dem noch allein streitgegenständlichen Zeitraum die Verwaltung des Grundstücks von der Wn ausgeführt worden, diese habe aber im Rahmen einer Geschäftsführung ohne Auftrag gehandelt. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17.1.2002 - III ZR 98/01 - stünde dem nicht entgegen, weil das Vermögenszuordnungsgesetz (VZOG) auschließlich dem internen Ausgleich öffentlich-rechtlicher Körperschaften und Institutionen diene und kein Instrument bilde, dem Restitutionsberechtigten nach dem Vermögensgesetz seine Ansprüche abzuschneiden.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Teilurteils des Landgerichts Berlin vom 9.3.2005 - 23 O 385/04 - im Wege der Stufenklage festzustellen, dass der Rechtsstreit in erster Instanz der Stufenklage zu Ziffer 1 in der Hauptsache erledigt ist betreffend den Zeitraum vom 1.7.1994 bis 31.8.1995.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Sie ist der Ansicht, etwaige Ansprüche der Klägerin auf Nutzungsentgelte aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis seien gemäß § 11 Abs. 2 S. 4 VZOG i.V.m. § 16 S. 3 VZOG ausgeschlossen. Dies gelte auch im "Außenverhältnis" zur Klägerin, da sie solche Nutzungen, die sie nicht erhalten habe und die ihr auch nicht im Sinne des § 7 Abs. 7 S. 2 VermG zustünden, nicht an die Klägerin herausgeben könne und müsse.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache Erfolg.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist der Antrag der Klägerin auf Feststellung der Hauptsachenerledigung begründet. Denn der Klägerin stand gegen die Beklagte auch für den Zeitraum vom 1.7.1994 bis zum 31.8.1995 ein Auskunftsanspruch in Bezug auf die gezogenen Nutzungsentgelte zu, der sich durch die Auskunftserteilung mit Schreiben der Beklagten vom 13.9.2004 erledigt hat.

Gemäß § 7 Abs. 7 S. 2 i.V.m. S. 1 VermG hat der Berechtigte gegen den Verfügungsberechtigten einen Anspruch auf Herausgabe der Entgelte, die dem Verfügungsberechtigten ab dem 1.7.1994 aus einem Miet-, Pacht- oder sonstigen Nutzungsverhältnis zustehen. Der Auskunftsanspruch steht dem Berechtigten als Annexanspruch zu, um den Herausgabeanspruch geltend zu machen.

Berechtigter ist derjenige, der die Rückübertragung des Vermögenswertes verlangen kann. Nach dem bestandskräftigen Restitutionsbescheid des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen (LAROV) vom 24.9.1999 ist die Klägerin zu 58/72-sten Anteilen restitutionsberechtigt, so dass sie insoweit Berechtigte ist.

Die Beklagte ist auch für den hier streitgegenständlichen Zeitraum vom 1.7.1994 bis zum 31.8.1995 Verfügungsberechtigte. Verfügungsberechtigter ist grundsätzlich derjenige, in dessen Eigentum oder Verfügungsmacht der betreffende Gegenstand steht (§ 2 Abs. 3 S. 1 VermG). Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Bestandskraft des Restitutionsbescheides, hier der 5.11.1999. Die Beklagte, in deren (Mit)Eigentum das Grundstück Cnnnn Snnnn gemäß Art. 22 Abs. 1 S. 7 i.V.m. Art. 21 Abs. 3, 2. Halbsatz des Einigungsvertrages übergegangen ist, war zu diesem Zeitpunkt im Grundbuch als (Mit)Eigentümerin eingetragen, so dass sie als Verfügungsberechtigte anzusehen ist.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts stehen der Beklagten auch für den streitgegenständlichen Zeitraum die Nutzungsentgelte im Sinne des § 7 Abs. 7 S. 2 VermG zu. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (VIZ 2003, 526 ff.) können dem Verfügungsberechtigten Mieteinnahmen auch dann im Sinne des § 7 Abs. 7 S. 2 VermG zustehen, wenn er nicht selbst Vertragspartner des Mieters ist, wohl aber gegen jenen aus Geschäftsbesorgung oder Geschäftsführung ohne Auftrag einen Anspruch auf Herausgabe der Mieteinnahmen aus einem Mietverhältnis hat.

Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die Beklagte hat gegen die Wn , welche im streitgegenständlichen Zeitraum die Verwaltung des Grundstücks Cnnnn Snnnn durchführte, einen Anspruch auf Herausgabe der Mieteinnahmen gemäß den §§ 667, 681 S. 2 BGB aus Geschäftsführung ohne Auftrag. Die Vermietung lag auch im Interesse der Beklagten als Verfügungsberechtigte, die hierzu auf Grund von § 3 Abs. 3 VermG verpflichtet war (vgl. BGH, a.a.O).

Entgegen der Ansicht der Beklagten sind Herausgabeansprüche der Beklagten gegen die Wn aus Geschäftsführung ohne Auftrag auch nicht gemäß § 11 Abs. 2 S. 4 i.V.m. § 16 S. 3 VZOG ausgeschlossen. Die Anwendbarkeit des § 11 VZOG setzt nach Ansicht des Senats voraus, dass es kein Restitutionsverhältnis zwischen der öffentlichen Körperschaft und einem Dritten, an den der Vermögenswert restituiert wird, gibt. Dementsprechend besagt § 7 Abs. 1 S. 1 VZOG, dass Ansprüche nach dem Vermögensgesetz unberührt bleiben, was im Übrigen auch im Vermögenszuordnungsbescheid der Oberfinanzdirektion Berlin vom 1.4.1996 (Seite 2) ausdrücklich festgestellt wird. Vorliegend wird der Ausgleich nach dem Vermögenszuordnungsgesetz durch die Bestimmungen des Vermögensgesetzes überlagert. Dem steht auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17.1.2002 - Az. III ZR 98/01 - (abgedruckt in ZOV 2002, 90) nicht entgegen, weil sich der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt von dem hier maßgeblichen Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt unterscheidet. Dort gab es über das das frühere Reichsvermögen betreffende Zuordnungsverhältnis hinaus kein Restitutionsverhältnis zu einem Dritten, an den der Vermögensgegenstand später restituiert wurde. Es ist zu berücksichtigen, dass Regelungsgegenstand der §§ 11 ff. VZOG nur die im Restitutionswege oder nach Restitutionsregeln zu vollziehende Verteilung des ehemaligen Staatsvermögens der DDR auf öffentlich-rechtliche Körperschaften und Institutionen ist. Der BGH hat in der vorzitierten Entscheidung (Seite 9) ausdrücklich darauf abgestellt, dass anders als im Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes " daher nicht die Gefahr einer nachträglichen Schmälerung bereits entstandener Entschädigungs- oder Rückgabeansprüche Privater " besteht. Dies ist hier indes anders, weil Ansprüche aus einem überlagernden Restitutionsverhältnis geltend gemacht werden und der Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes eröffnet ist. In einem solchen Fall besteht nach Auffassung des Senats kein Anlass für den Aufbau eines fiktiven Restitutionsverhältnisses, wie es der BGH in der seiner Entscheidung vom 17.1.2002 zugrunde liegenden Konstellation angenommen hat. Zudem wäre auch aus Gründen der Rechtsklarheit nicht nachvollziehbar, dass der Restitutionsberechtigte - vorliegend die Klägerin - angehalten wäre, im Rahmen der Wahrnehmung seiner Rechte aus § 7 Abs. 7 VermG nach dem fiktiv Verfügungsberechtigten zu recherchieren, also nach derjenigen Körperschaft oder Institution, " die Eigentümer geworden wäre, wenn der Einigungsvertragsgesetzgeber nicht den vorrangigen (konstitutiven) Übergang von ehemaligem Reichsvermögen auf den Bund angeordnet hätte ".

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat hat die Revision gemäß § 543 S. 1 Nr. 1 ZPO zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

Ende der Entscheidung

Zurück