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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 08.07.2005
Aktenzeichen: 25 U 69/04
Rechtsgebiete: BBergG, BauGB, ZPO


Vorschriften:

BBergG § 85 Abs. 1
BBergG § 85 Abs. 2
BauGB § 95
BauGB § 194
ZPO § 313 a Abs. 1 Satz 1
ZPO § 513
ZPO § 540 Abs. 2
ZPO § 546
Zu den Voraussetzungen der Anpassung des Kaufpreises für ein Grundstück (hier: frühere Grundsätze des Wegfalls bzw. der Störung der Geschäftsgrundlage).
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 25 U 69/04

verkündet am: 08.07.2005

In dem Rechtsstreit

hat der 25. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 8. Juli 2005 durch die Vorsitzende Richterin am Kammergericht Böhrenz, die Richterin am Kammergericht Diekmann und den Richter am Kammergericht Helmers für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 31. August 2004 verkündete Urteil der Zivilkammer 9 des Landgerichts Berlin wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Mit notariellem Vertrag vom n . Februar 1992 erwarb die ... GmbH & Co KG, deren Rechtsnachfolgerin die Klägerin ist, das Bergwerkseigentum ... .

Mit notariellem Vertrag vom n . Dezember 1994 erwarb sie von der Rechtsvorgängerin der Be-klagten, der Bodenverwertungs- und - verwaltungs GmbH, auf dem Bergwerksfeld belegene Grundstücke, die in den Grundbüchern von ... und ... (Nr. ...und ...) verzeichnet sind.

Der Kaufpreis betrug insgesamt 289.111,-- DM. Dazu heisst es im Vertrag unter § 4 (1): "Hiervon entfallen auf Grund und Boden bei einer angenommenen Fläche von 88683 qm und einem inso-weit vereinbarten qm-Preis von DM 3,22, insgesamt 285.559,-- DM."

§ 4 (10) des Vertrages lautet: "Der Käufer erwirbt den Kaufgegenstand zum Zwecke des Kiesab-baus, dessen Veredlung und Weiterverwertung auf der Grundlage der durch das Bergamt Stral-sund erteilten Bergbauberechtigung. Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass der Kauf-gegenstand nachzubewerten ist, wenn er oder ein Teil desselben im Zeitraum bis zum 31.12.2004 anderweitig, d.h. nicht zu den in Satz 1 bezeichneten Zwecken genutzt wird (Umnutzung)." In § 4 (14) ist geregelt: "Übersteigt der zum Nachbewertungsstichtag hin ermittelte Verkehrswert den Kaufpreis, hat der Käufer den Differenzbetrag an die Verkäuferin zu zahlen."

Vor Abschluss des Vertrages hatte die BVVG ein Verkehrswertgutachten in Auftrag gegeben. Der Gutachter ... kam in seinem unter dem n . April 1994 erstellten Gutachten zu einem durchschnittlichen Bodenwert von 4,03 DM/qm. Die Verkehrswertermittlung erfolgte dabei unter Berücksichtung eines Teilmarktes "Abbauland".

Der Bundesgerichtshof führte in einem nicht die Parteien dieses Rechtsstreits betreffenden Nichtannahmebeschluss vom 19. Dezember 2002 - III ZR 41/02 - hinsichtlich einer Revision eines Urteils des Brandenburgischen OLG Folgendes aus (...): "Zutreffend hat das Berufungsgericht die der Klägerin für den Verlust ihrer Grundstücke ohne Aufwuchs zu zahlende Entschädigung ohne eine Berücksichtigung des von der Klägerin behaupteten Teilmarkts für Grundflächen über bergfreien Kiesvorkommen allein nach dem Wert land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke festgesetzt. Die Entschädigung für den durch die Grundabtretung eingetretenen Rechtsverlust bemisst sich gemäß § 85 Abs. 1 und 2 BBergG - ebenso wie für die Enteignungsentschädigung in den §§ 95, 194 BauGB - nach dem Verkehrswert des Gegenstandes; (...) Der Verkehrswert wird durch den Preis bestimmt, der im Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und Lage des Gegenstandes ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre. (...) Vergleichbar in diesem Sinne sind nach den aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts im Streitfall lediglich allgemein die land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundstücke im Umkreis des Abbaugeländes. Zugunsten der Klägerin kann unterstellt werden, dass auch dort zu dem vom Berufungsgericht angenommenen Bewertungsstichtag (...) für Bodenflächen über insofern weiterhin als bergfrei geltenden Kiesvorkommen tatsächlich wesentlich höhere Kaufpreise als für sonstige land- und forstwirtschaftliche Grundstücke erzielt worden sind. Ein die Bemessung der Entschädigung bestimmender spezieller "Teilmarkt" für derartige Grundstücke ist gleichwohl nicht anzuerkennen. Die Mitberücksichtigung eines Kiesabbaurechts würde in die Ermittlung von Grundstücksqualität und -wert ein Element einbeziehen, das außerhalb der als Eigentum geschützten Rechtsposition liegt. (...) es drängt sich (...) allgemein auf, dass ein erhöhter Kaufpreis für Kiesgrundstücke mit bestehender Bergbauberechtigung nur wegen des Interesses der jeweils Berechtigten an einem schnellen und reibungslosen Eigentumserwerb gezahlt worden ist."

Die Klägerin begehrt - im Wege der Teilklage - für das im Grundbuch von ... , Blatt ...(früher Blatt ...), Flur n eingetragene Flurstück eine anteilige Rückerstattung des darauf gezahlten Kaufpreises.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass angesichts der Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht von einem Teilmarkt für Abbauland auszugehen sei. Damit habe sich ein bei der Kaufpreisbildung als maßgeblich zugrunde gelegter Umstand, der angesichts des eingeholten Gutachtens Geschäftsgrundlage geworden sei, schwerwiegend verändert. Der Kaufpreis sei unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls bzw. der Störung der Geschäftsgrundlage anzupassen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 13.583,61 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8% über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat die Klage durch am 31. August 2004 verkündetes Urteil abgewiesen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.

Sie vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Berlin abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 13.583,61 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Von der weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II.

Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 517, 519, 520 ZPO); sie ist mithin zulässig. Sie hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Entscheidung des Landgerichts erweist sich nach Ansicht des Senats als rechtlich zutreffend, §§ 513, 546 ZPO.

Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Anpassung des Kaufpreises.

Ein Anspruch auf Anpassung im Sinne einer Reduzierung des Kaufpreises lässt sich nicht aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Kaufvertrag herleiten. Er kann nicht auf § 4 Abs. 10 des Vertrages gestützt werden. Die Anpassung wird hier nicht wegen einer fehlenden Nutzungsmöglichkeit geltend gemacht (s. zur Nachbewertungsklausel in derartigen Fällen: BGH ZIP 2002, 808).

Es kommt vorliegend auch keine ergänzende Vertragsauslegung unter dem Gesichtspunkt des hypothetischen Willens der Parteien in Betracht (s. dazu BGH NJW 2001, 2464, 2466). Denn dann müssten beide Parteien irrtümlicherweise davon ausgegangen sein, dass der Kaufpreis anhand des sog. Teilmarktes zu bestimmen ist. Dies kann schon deshalb nicht angenommen werden, weil die Beklagte dargelegt hat, dass es für die BVVG darauf angekommen sei, einen Kaufpreis zu erzielen, der auch bei anderen ähnlichen Objekten erzielt worden war. Das Fehlschlagen einseitiger Vorstellungen berücksichtigt das Gesetz aber nur bei der Irrtumsanfechtung.

Eine Anpassung nach den Grundsätzen (des auf den hiesigen Fall anzuwendenden vormals nicht kodifizierten Rechtsinstituts) des Wegfalls bzw. der Störung Geschäftsgrundlage scheidet ebenfalls aus.

Als Geschäftsgrundlage ist eine gemeinsame Vorstellung der Geschäftsbeteiligten anzusehen. Diese kann allerdings auch dann bejaht werden, wenn eine einseitige Vorstellung von der Geschäftsgrundlage dem anderen Teil erkennbar geworden und von ihm nicht beanstandet worden ist (BGHZ 128, 230, 236). Nach den Darlegungen der Klägerin war die Geschäftsgrundlage eine gemeinsame Fehlvorstellung hinsichtlich der Bewertung der Grundstücksflächen. Die Parteien hätten ihrer Vereinbarung zugrundegelegt, dass die Annahme des Sachverständigen zutreffe, dass ein eigener "Teilmarkt für Abbauland" bestehe. Geschäftsgrundlage war nach diesem Vortrag die Verkehrswerteinschätzung im Gutachten.

Der Senat hat zwar bereits Bedenken, hier das Vorliegen eines etwaigen Irrtums über das zugrunde zu legende Recht anzunehmen (vgl. Töpfer/ Butler, GuG 2003, 71). Denn es ist kein Anhalt dafür ersichtlich, dass die Parteien davon ausgegangen sind, die Kaufpreisbildung habe nach den Grundsätzen des Grundabtretungsverfahrens zu erfolgen (vgl. zur Annahme eines fehlerhaften Umstellungskurses entsprechend der höchstrichterlichen Rechtsprechung: BGHZ 25, 390 ff.; vgl. auch BGH NJW 1954, 998; NJW 1960, 91; NJW 2001, 2464: zum übereinstimmenden Irrtum der Steuerfreiheit beim Kauf von Bergwerkseigentum bei fehlender Umsatzsteuerausweisung; NJW-RR 2000, 1652; Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt OLG NL 2003, 243).

Teilt man allerdings die Auffassung der Klägerin grundsätzlich, verfängt diese vorliegend nicht. Denn es lag keine Fehlvorstellung der Parteien vor. Diese setzt einen Irrtum über die Rechtslage voraus. Schon nach dem eigenen Vortrag der Klägerin kann davon nicht ausgegangen werden.

Die Klägerin hat vorgetragen, dass die BVVG mitgeteilt habe, der Kauf günstiger Grundstücke "sei jetzt vorbei". Man habe Kenntnis von höheren Preisen. Nach diesem Vortrag ist das Gutachten eingeholt worden, um zu klären, ob es einen Teilmarkt gibt, der es ermöglicht, einen höheren Preis als bei einer "einfachen landwirtschaftlichen Fläche" zu erzielen. Das Gutachten ist also mit der Zielsetzung in Auftrag gegeben worden, den "Markt zu eruieren". Hingegen sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, aus denen zu ersehen wäre, dass es mit der Zielrichtung eingeholt worden wäre, den "rechtlich zutreffenden" Verkehrswert zu bestimmen.

Selbst wenn man letzteres zu Gunsten der Klägerin unterstellt, lag keine fehlerhafte Vorstellung über die Rechtslage vor. Eine mit einem Irrtum behaftete Vorstellung setzt voraus, dass die rechtliche Situation geklärt ist. Davon konnte hier aber nicht ausgegangen werden. Das Landgericht führt zutreffend aus, dass die Rechtsfrage, ob die Bestimmung des Verkehrswertes im Entschädigungsverfahren anhand eines speziellen Teilmarktes vorzunehmen ist, umstritten war. Dies wird aus dem in Bezug genommenen unterschiedlichen Ansichten im Beschluss des Bundesgerichtshofs im Grundabtretungsverfahren vom n . Dezember 2002 deutlich (vgl. dort S. 5 zu den vertretenen Ansichten). Dessen ungeachtet sind die Grundsätze, die in dieser Entscheidung für ein Entschädigungsverfahren aufgestellt wurden, hier nicht anwendbar. Die Entschädigungsleistung nach §§ 85 Abs. 1 und 2 BBergG dient allein dem Ausgleich für einen erlittenen Rechtsverlust (Art. 14 GG). Sie bestimmt sich damit - wie bereits der Wortlaut der Vorschrift ausweist - nach dem Verkehrswert, der im Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und Lage des Gegenstandes ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen ist. Dies entspricht den Regelungen z.B. in §§ 95, 194 BBauGB. Der Bundesgerichtshof führt in der Entscheidung ausdrücklich aus, dass ein die Bemessung der Entschädigung bestimmender Teilmarkt nicht anzuerkennen sei. Die Mitberücksichtigung eines Kiesabbaurechts bezöge ein Element ein, "das außerhalb der als Eigentum geschützten Rechtsposition liegt."

Ungewöhnliche und persönliche Verhältnisse können hingegen Vertragsverhandlungen prägen. Wenn nach dem vorgelegten Gutachten davon auszugehen war, dass für Abbauflächen durchaus höhere Preise als für landwirtschaftliche Flächen gezahlt wurden, zeigt dies, dass solche Verhältnisse - etwaige Angebote von anderen Interessenten - Einfluss auf den Kaufpreis hatten. Es verfängt insoweit nicht, wenn seitens der Klägerin darauf abgestellt wird, dass die Parteien wegen des Vorhandenseins des Gutachtens über den Kaufpreis letztlich nicht verhandelt hätten. Schon die Abweichung zwischen dem vom Gutachter angesetzten Wert und dem dann später vereinbarten Preis zeigt, dass das Gutachten lediglich als Orientierung herangezogen wurde. Aufgrund dieser Erwägungen ist eine Beweiserhebung entbehrlich.

Ergänzend ist anzumerken, dass eine Vertragsanpassung vorliegend auch dann nicht in Betracht käme, wenn man von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage ausginge. Denn weitere Voraussetzung einer entsprechenden Anpassung ist, dass es für die Klägerin unzumutbar sein muss, am Vertrag festgehalten zu werden. Dies ist zum einen aus den Gründen, die im erstinstanzlichen Urteil ausgeführt worden sind und auf die verwiesen wird, nicht der Fall. Zum anderen erschließt sich nicht, dass die Leistung und die Gegenleistung ungleichgewichtig gewesen wären, selbst wenn es zutreffend sein sollte, dass für landwirtschaftliche Flächen ein deutlich geringerer Preis gezahlt wurde.

Den Ausführungen des Landgerichts, wonach auch sonstige Ansprüche nicht ersichtlich sind, schließt sich der Senat an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision stützt sich auf § 543 Abs. 2 ZPO. Die Rechtssache hat angesichts des hier vorliegenden Einzelfalles keine grundsätzliche Bedeutung, § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Des weiteren erfordert sie keine Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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