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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 07.01.2000
Aktenzeichen: 25 W 10139/99
Rechtsgebiete: AuslG, FGG, FEVG, ZPO


Vorschriften:

AuslG § 57 Abs. 3 Satz 1
AuslG § 103 Abs. 2 Satz 1
FGG § 22 Abs. 1
FGG § 27 Abs. 1
FGG § 29 Abs. 1 u. 4
FEVG § 3 Satz 2
FEVG § 7 Abs. 1 u. 2
FEVG § 16 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 561 Abs. 2
Leitsatz:

Wird Sicherungshaft durch eine sechs Monate währende Freilassung unterbrochen, so ist für die Berechnung der Höchstdauer der Haft die zurückliegende Haftzeit auf die Gesamtdauer der dann erneut zur Durchsetzung derselben - auf einem einheitlichen Sachverhalt beruhenden - Ausreisepflicht angeordneten Sicherungshaft anzurechnen.


Kammergericht

Geschäftsnummer: 25 W 10139/99 88 T XIV 343/99 B Landgericht Berlin 70 XIV 4155/99 B Amtsgericht Schöneberg

Beschluss

des 25. Zivilsenats

vom 07.01.2000

In dem Freiheitsentziehungsverfahren

betreffend den algerischen Staatsangehörigen

hat der 25. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Haase, die Richterin am Kammergericht Steuerwald-Schlecht und den Richter am Kammergericht Dr. Pahl am 7. Januar 2000 beschlossen:

Tenor

1. Die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß der Zivilkammer 88 des Landgerichts Berlin vom 26. November 1999 wird zurückgewiesen.

2. Dem Betroffenen sind die ihm im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde erwachsenen notwendigen außergerichtlichen Kosten vom Antragsteller zu erstatten.

Gründe:

I. Das Rechtsmittel ist als sofortige weitere Beschwerde gemäß §§ 22 Abs. 1, 27 Abs. 1, 29 Abs. 1 und 4 FGG in Verbindung mit §§ 3 Satz 2, 7 Abs. 1 und 2 FEVG und § 103 Abs. 2 Satz 1 AuslG zulässig. Es ist jedoch nicht begründet. Die tragenden Erwägungen des angefochtenen Beschlusses lassen einen Rechtsfehler, auf den die weitere Beschwerde gemäß § 27 Abs. 1 FGG in Verbindung mit § 561 Abs. 2 ZPO mit Erfolg allein gestützt werden kann, nicht erkennen. Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht die Haftanordnung wegen Überschreitung der Frist des § 57 Abs. 3 Satz 1 AuslG als unzulässig angesehen.

1. Es ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, daß bei der Berechnung der Frist des § 57 Abs. 3 Satz 1 AuslG mehrere, durch eine Haftentlassung unterbrochene Haftzeiträume zusammenzurechnen sind, wenn die Haftanordnungen auf einem einheitlichen Sachverhalt beruhen (OLG SchlH, EGAR 048; Nr. 22; Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl., § 57 Rdn. 24; GK-AuslR, § 57 AuslG Rdn. 283; Hailbronner, AuslR, § 57 AuslG Rdn. 55).

Eine Beschränkung der Höchstfrist nur auf einen nicht unterbrochenen Zeitraum kann dem Wortlaut des Gesetzes nicht entnommen werden. In § 57 Abs. 3 Satz 1 AuslG ist der Haftzeitraum allgemein auf "bis zu sechs Monaten" beschränkt. Wenn in § 57 Abs. 3 Satz 2 AuslG im Fall einer Verhinderung der Abschiebung die Möglichkeit einer Verlängerung der Haft vorgesehen ist, so liegt es zwar nahe, daß damit in erster Linie eine vollzogene, andauernde Haft gemeint ist. Dies ist der Regelfall einer Haftverlängerung. Eine Beschränkung der Haftzeitgrenzen auf den Fall einer andauernden Haft folgt daraus jedoch nicht. Jede Überschreitung einer Haftzeitgrenze kann sprachlich als eine "Verlängerung" aufgefaßt werden, auch wenn sie zwischenzeitlich etwa durch eine Haftentlassung unterbrochen war.

Darüber hinaus tragen die Haftzeitgrenzen des § 57 Abs. 3 AuslG dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung. Dabei hat der Gesetzgeber das Interesse an der Sicherung der Abschiebung mit der Dauer der Freiheitsentziehung abgewogen. Insoweit ist es aber nicht von wesentlicher Bedeutung, ob die Freiheitsentziehung durchgehend in einem oder aufgeteilt in mehreren Zeiträumen vollzogen wurde. Es ist allein Aufgabe des Gesetzgebers, in dieser Frage eine anderweitige Regelung herbeizuführen, wenn etwaige Probleme bei der Vollziehung der Abschiebung eine neue Gewichtung der berührten Interessen gebieten sollten.

2. Eine Anrechnung vorangegangener Haftzeiten kann allerdings ausnahmsweise entfallen, wenn eine "relevante Zäsur" eingetreten sein sollte (OLG Schleswig-Holstein, a.a.O.). Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

a) Die Haftanordnungen beruhen weiterhin auf einem einheitlichen Sachverhalt. Es geht durchgängig um die Entfernung des Betroffenen aus dem Bundesgebiet nach seiner Einreise vom 6. bzw. 10. Oktober 1998. Anhaltspunkte dafür, daß der Betroffene nach seiner zwischenzeitlichen Entlassung aus der Abschiebehaft der Ausreiseverpflichtung nachgekommen wäre, sind nicht ersichtlich.

b) Auch der Umstand, daß der Betroffene nach seiner Haftentlassung untergetaucht ist, führt nicht zur Annahme einer Zäsur. Damit wird allenfalls die Haftzeitgrenze nach § 57 Abs. 3 Satz 2 AuslG hinausgeschoben. Der Sachverhalt einer Sicherungshaft, die gerade dem Sich-Entziehen vorbeugen soll, bleibt davon unberührt.

c) Ebensowenig ist allein die zeitliche Dauer der Haftunterbrechung geeignet, eine hinreichende Zäsur zu bewirken. Dies gilt jedenfalls für den vorliegenden ohne weiteres überschaubaren Zeitraum von 6 Monaten.

3. Ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden hat das Landgericht eine Verlängerung des Haftzeitraumes gemäß § 57 Abs. 3 Satz 2 AuslG abgelehnt, weil der Betroffene seine Abschiebung nicht aktiv verhindere. Das zwischenzeitliche Untertauchen des Betroffenen ist für die bestehenden Abschiebehindernisse nicht mehr kausal. Es blieb dem Antragsteller unbenommen, weiterhin beim Generalkonsulat des Heimatlandes des Betroffenen auf die Ausstellung von Rückkehrdokumenten zu drängen, um im Falle eines Aufgreifens des Betroffenen - wie hier für eine Abschiebung vorbereitet zu sein. Für eine zwischenzeitliche Ausreise des Betroffenen bestanden - wie erörtert - keine Anhaltspunkte. Auch ein erheblicher Verwaltungsaufwand war mit dem weiteren Beschaffen der Ausreisepapiere nicht verbunden, denn der Antragsteller hatte sich schon zuvor auf bloße Nachfragen beim Generalkonsulat beschränkt. Dabei kann hier letztlich dahingestellt bleiben, in wie weit der Antragsteller aus Gründen der Verhältnismäßigkeit einer Abschiebehaft nicht ohnehin gehalten war, auch nach dem Untertauchen des Betroffenen die Beschaffung der Rückkehrdokumente soweit als möglich weiter zu betreiben.

II. Die Anordnung der Kostenerstattung durch das Landgericht ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Schon bei der Stellung des neuen Haftantrages war die Identität des Betroffenen geklärt und damit die Anrechnung des vorangegangenen Haftzeitraumes ohne weiteres erkennbar. Mit der vorliegenden Rechtsprechung und Literatur zur Anrechnung von Haftzeiten hat sich der Antragsteller auch nicht näher auseinandergesetzt.

III. Unter diesen Umständen ist auch die Anordnung einer Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Betroffenen für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 FEVG angezeigt.



Ende der Entscheidung

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