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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 27.01.2004
Aktenzeichen: 27 U 252/03
Rechtsgebiete: BGB, EGZPO, UWG


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 932 Abs. 1
BGB § 985
BGB § 986
BGB § 986 Abs. 1
BGB § 989
BGB § 990
BGB § 1006
EGZPO § 26 Nr. 5
UWG § 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 27 U 252/03

verkündet am: 27. Januar 2004

In dem Rechtsstreit

hat der 27. Zivilsenat des Kammergerichts durch die Richterin am Kammergericht Runge als Einzelrichterin auf die mündliche Verhandlung vom 6. Januar 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 29. Oktober 2002 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 15 O 709/01 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen geändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, der Herausgabe der bis zum 7. August 2001 auf ihrem Betriebsgrundstück ..., ... B..., gelagerten ...-Bierfässer (ohne Inhalt) mit einem Fassungsvermögen von 30 l bzw. 50 l, gekennzeichnet mit der Bezeichnung "...", "..." oder "...", versehen mit einer roten umlaufenden, mittigen Bauchbanderole, die am 7. August 2001 von dem Obergerichtsvollzieher ..., ..., herausvollstreckt wurden und von diesem sequestriert sind, an die Klägerin zuzustimmen.

2. Die Beklagte wird ferner verurteilt, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen,

a) wie viele Bierfässer mit einem Fassungsvermögen von 30 l bzw. 60 l, gekennzeichnet mit der Bezeichnung "...", "..." oder "...", versehen mit einer roten umlaufenden, mittigen Bauchbanderole, auf dem Betriebsgrundstück der Beklagten in der ... B... lagern,

b) wie viele ...-Bierfässer mit einem Fassungsvermögen von 30 l bzw. 50 l, gekennzeichnet mit der Bezeichnung "...", "..." oder "...", versehen mit einer roten umlaufenden, mittigen Bauchbanderole, die Beklagte seit Aufnahme des Geschäftsbetriebes am 1. Dezember 1999 von Dritten übernommen hat und nicht wieder an die ... herausgegeben hat.

3. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, ...-Bierfässer mit einem Fassungsvermögen von 30 l bzw. 50 l, gekennzeichnet mit der Bezeichnung "...", "..." oder "...", versehen mit einer roten umlaufenden, mittigen Bauchbanderole, entgegenzunehmen.

Im Übrigen wird die Klage zu Ziff. 1, 2a) und 3. abgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern diese nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet. Der Beklagten wird ferner nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin wegen des Tenors zu 1) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 35.000 EUR, wegen des Tenors zu 2) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.500 EUR und wegen des Tenors zu 3) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.500,00 EUR abzuwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

1. Es wird Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen des angegriffenen Urteils. Mit der Berufung begehrt die Beklagte, die nunmehr wie aus dem Rubrum ersichtlich firmiert, weiterhin die Klageabweisung. Sie macht geltend:

Das Landgericht habe sich nicht damit auseinandergesetzt, ob der Partnerschaftsvertrag zwischen der ... (im Folgenden: ...) und der Klägerin ein Besitzübertragungsverbot enthalte. § 4 des Vertrages enthalte keine ausdrückliche Regelung, wonach die ... Fässer als Verpackungsmaterial nicht an Dritte weitergegeben werden dürften.

Das Besitzrecht habe sich ferner an den "Außenseiterurteilen" des BGH zu orientieren.

Hiernach verstoße die Weitergabe des Bieres von der ... an sie nicht gegen wettbewerbsrechtliche Normen. Gemäß § 1006 BGB sei ferner zu vermuten, dass sie Eigentümerin des Bieres geworden sei. Jedenfalls sei von einem gutgläubigen Erwerb auszugehen.

Die leeren Fässer seien an die ... herausgegeben worden. Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gemäß §§ 989, 990 BGB bestehe nicht.

Die Klägerin hält das angegriffene Urteil im Ergebnis für zutreffend und führt aus:

Ein Recht der Beklagten zum Besitz an dem Leergut sei nicht erkennbar.

Sie habe ein erhebliches Interesse daran, dafür zu sorgen, dass die Qualität ihres Bieres nicht beeinträchtigt werde und das Leergut zu ihr zurückgelange. Dies sei nur über ein selektives Vertriebsbindungssystem sichergestellt.

Es sei davon auszugehen, dass die Beklagte die ... planmäßig zum Vertragsbruch verleitet habe. Das Ausnutzen des Vertragsbruches eines vom Vertriebsbindungssystem erfassten Getränkefachgroßhändlers begründe das Merkmal der Unlauterkeit. Ferner sei davon auszugehen, dass die Beklagte einen erheblichen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorsprung vor den anderen gebundenen Getränkefachgroßhändlern dadurch erziele, dass sie nicht für eine kontinuierliche Leergutrückführung an die Klägerin sorgen müsse.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

2. Die Berufung ist zulässig. Es finden für sie gemäß § 26 Nr. 5 EGZPO die seit dem 1. Januar 2002 geltenden Berufungsvorschriften Anwendung, da das angefochtene Urteil auf die mündliche Verhandlung vom 9. Juli 2002 ergangen ist. Die Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen unbegründet. Der Klägerin stehen die vom Landgericht zugesprochenen Ansprüche insoweit zu, als lediglich die ...-Fässer selbst, nicht jedoch das Bier an sich, betroffen sind.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß § 985 BGB einen Anspruch auf Herausgabe der ...-Fässer, somit auch einen Anspruch auf Zustimmung zur Herausgabe durch den Gerichtsvollzieher an sich. Sie ist weiterhin Eigentümerin an den Fässern, denn diese sind mit der Übergabe an die Getränkegroßhändler nicht übereignet worden. Hiervon hatte auch die Beklagte Kenntnis, so dass ein gutgläubiger Eigentumserwerb gemäß § 932 Abs. 1 BGB ausscheidet. Der Beklagten steht auch kein Besitzrecht gemäß § 986 Abs. 1 BGB zu.

Denn hiernach muss zum einen der mittelbare Besitzer gegenüber dem Eigentümer berechtigt gewesen sein, den Besitz an den Dritten weiterzuleiten. Ein solches Recht hat die Beklagte nicht dargetan. Gemäß § 4 Nr. 3 des Partnerschaftsvertrages ist der Vertrieb oder der Tausch von Fassbier an bzw. mit Händlern, die nicht an Letztverbraucher verkaufen sowie an bzw. mit Unterverlegern oder sonstigen Dritten, die keinen gastronomischen Betrieb unterhalten, nur nach vorheriger schriftlicher Einwilligung der Klägerin gestattet. Diese Vereinbarung ist dahingehend auszulegen, dass hiervon nicht nur der Verkauf des Bieres an sich, sondern auch die Weitergabe des Fasses selbst umfasst ist. Denn auch hierauf erstreckt sich das von der Klägerin gewollte Vertriebsbindungssystem. Die ... ist insoweit mangels Zustimmung durch die Klägerin nicht berechtigt gewesen, die Fässer an die Beklagte weiterzugeben.

Zum anderen muss dem mittelbaren Besitzer, von dem der Besitzer sein Besitzrecht ableitet, zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung gegenüber dem Eigentümer ein Besitzrecht zustehen. Aufgrund des von der Klägerin beendeten Partnerschaftsvertrages hatte die ... der Klägerin gegenüber kein Recht mehr zum Besitz an den ...-Fässern. Die Beklagte ist deshalb gemäß § 986 BGB zur Herausgabe direkt an die Klägerin und nicht nur an die ... verpflichtet.

Der Klägerin steht der Auskunftsanspruch gemäß dem Tenor zu 2 a) bezüglich der Fässer gemäß § 242 BGB zu, denn sie hat - wie ausgeführt - der Beklagten gegenüber ein Herausgabeanspruch gemäß § 985 BGB an sich selbst bzw. - sofern die Beklagte ein Besitzrecht von einem mittelbaren Besitzer ableiten kann - gemäß § 986 BGB an einen berechtigten mittelbaren Besitzer. Diesen Herausgabeanspruch kann sie wegen bisher fehlender Auskunftserteilung nicht durchsetzen, so dass die Beklagte nach den Grundsätzen von Treu und Glauben zur Erteilung der erforderlichen Auskunft verpflichtet ist.

Der Klägerin steht auch der mit dem Antrag zu 2 b) geltend gemachte Auskunftsanspruch zu. Ein Interesse an der Auskunftserteilung besteht, weil der Klägerin gegenüber der Beklagten grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 989, 990 BGB zusteht. Ob dieser tatsächlich durchgesetzt werden kann oder ob der Klägerin wegen fehlender Rückgabe der Fässer kein Schaden entstanden ist, weil bereits ihre Vertragspartner den insoweit bestehenden vertraglichen Zahlungsanspruch erfüllt haben, kann sie erst nach Erteilung der Auskunft feststellen.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte ferner einen Anspruch darauf, es zu unterlassen, ...-Bierfässer entgegenzunehmen. Auch insoweit ist es ihre eigene Entscheidungsbefugnis als Eigentümerin zu entscheiden, wer an ihrem Eigentum ein Besitzrecht erwerben darf. Sie hat substantiiert dargetan, dass sie die Bierfässer lediglich an Vertragshändler weitergibt, mit denen sie einen Partnerschaftsvertrag abschließt, wonach diese die Ware nur mit ihrer Zustimmung öder nur an Kunden verkaufen dürfen, die einen vollkonzessionierten gastronomischen Betrieb mit Direktausschank unterhalten. Die Beklagte hat dagegen nicht substantiiert dargetan, dass und von wem sie den Besitz an den Fässern erlangt, die ihrerseits gegenüber der Klägerin zum Besitz und auch zur Weitergabe des Besitzes an die Beklagte berechtigt sind.

Die Klägerin hat dagegen keinen Anspruch auf Herausgabe des Bieres und somit auch keinen diesbezüglichen Auskunfts- oder Unterlassungsanspruch. Ein Herausgabeanspruch gemäß § 985 BGB besteht nicht. Gemäß § 1006 BGB besteht die Eigentumsvermutung für den Besitzer. Die ... hatte das Bier von der Klägerin zunächst unter Eigentumsvorbehalt erworben. Im Hinblick auf die Eigentumsvermutung hätte somit die Klägerin im Einzelnen darlegen müssen, dass das Eigentum an dem Bier wegen fehlender Bezahlung an diese nicht übergegangen ist. Hieran fehlt es. Wenn somit davon auszugehen ist, dass die ... Eigentümerin geworden ist, steht der Klägerin ein Herausgabeanspruch gemäß § 985 BGB nicht mehr zu. Die Beklagte kann somit von der ... und auch von anderen Vertragshändlern, die Eigentümer des Bieres selbst geworden sind, wiederum das Eigentum erwerben. Vertragliche Verpflichtungen der Vertragshändler gegenüber der Klägerin stehen dem nicht entgegen, da das Eigentum an dem Bier unbeschränkt übergegangen ist.

Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche wegen des Bieres gegenüber der Beklagten auch nicht gemäß § 1 UWG zu. Denn eine Wettbewerbswidrigkeit in diesem Sinne würde nur gegeben sein, wenn die Beklagte das Bier im Wege des Schleichbezugs oder durch ein Verleiten zum Vertragsbruch erworben hätte oder noch erwirbt (BGH NJW 2000, 2504). Hierfür sind ausreichende Anhaltspunkte nicht dargetan. Allein darin, dass der Außenseiter den Vertragsbruch eines gebundenen Händlers ausnutzt, liegen keine besonderen Umstände zur Begründung der Unlauterkeit. Eine diesbezügliche Vermutung für einen Schleichbezug besteht auch dann nicht, wenn ein lückenloses selektives Vertriebssystem dargetan wird (BGH a.a.O.). Dass die Beklagte nicht für eine kontinuierliche Leergutrückführung an die Klägerin sorgen müsse, begründet ebenfalls keinen unberechtigten Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen gebundenen Händlern. Denn dem gebundenen Händler steht es frei, ob er sich gegenüber dem Hersteller bindet (BGH a.a.O.).

Das Interesse der Klägerin an einem lückenlosen Vertriebsbindungssystem und dessen Einhaltung begründet einen direkten Anspruch gegenüber der Beklagten nicht. Sie ist insoweit auf die Vertragsbeziehungen zu ihren Abnehmern zu verweisen, denen gegenüber ihr vertragliche Erfüllungs- und gegebenenfalls Schadensersatzansprüche zustehen (BGH a.a.O.). Auf die Entscheidung des OLG Köln vom 14. November 1986 (GRUR 1987, 545) ist bereits deshalb nicht mehr abzustellen, weil sie auf der früheren Rechtsprechung des BGH beruhte, die mit der Entscheidung vom 1. Dezember 1999 aufgegeben worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war nicht gemäß § 543 ZPO zuzulassen, denn weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Der Schriftsatz der Klägerin vom 14. Januar 2004 enthält kein neues entscheidungserhebliches Vorbringen und ist bei der Entscheidung nicht berücksichtigt worden.

Ende der Entscheidung

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