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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 21.08.2003
Aktenzeichen: 27 U 338/02
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 139 a. F.
ZPO § 139 Abs. 2
ZPO § 139 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 273
ZPO § 538 Abs. 2 Ziffer 1
ZPO § 538 Abs. 1
BGB § 157
BGB § 390 Satz 2
BGB § 823
BGB § 831
BGB § 852
BGB § 909
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 27 U 338/02

Verkündet am: 21.08.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 27. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Kowalski, die Richterin am Kammergericht Runge und den Richter am Landgericht Alagün auf die mündliche Verhandlung vom 8. Juli 2003 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 7. August 2002 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin in der Fassung des Urteils und des Beschlusses vom 13. November 2002 - 23 O 409/01 - aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen an das Landgericht Berlin zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz, des Tenors des angegriffenen Urteils sowie der Entscheidungsgründe wird auf das am 7. August 2002 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin, den Beschluss vom 13. November 2002 sowie auf das im schriftlichen Verfahren am 13. November 2002 erlassene Urteil des Landgerichts Berlin Bezug genommen.

Mit der Berufung wendet die Beklagte sich gegen ihre Verurteilung und die Abweisung der Widerklage. Sie vertritt die Auffassung, die zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen seien verfahrensfehlerhaft nicht berücksichtigt worden. Bei den vom Landgericht vermissten Darlegungen und Beweisantritten zu den Aufwendungen handele es sich um offensichtlich übersehenen fehlenden Vortrag, so dass es eines richterlichen Hinweises des Landgerichts bedurft hätte. Entsprechendes gelte hinsichtlich der Widerklage. Im übrigen ergänzt die Beklagte ihren Vortrag insbesondere zur Höhe der von ihr getätigten Aufwendungen und zur Widerklage.

Der Beklagte beantragt,

Das Urteil des Landgerichts Berlin vom 7. August 2002 - 23 O 409/01 - wie folgt abzuändern:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Auf die Widerklage wird

a) festgestellt, dass die Klägerin die Beklagte wegen Mehrkosten freizustellen hat, die die Firma G... E... für B... GmbH, H..., 7... S..., aus dem Bauvorhaben "Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA), 10117 Berlin" wegen Ende der Bauzeitenverlängerung geltend macht, die auf die Behinderungen und Planungsänderungen wegen der notwendigen provisorischen Rückverankerung der Brandwand durch die Firma Ingenieurbaugesellschaft mbH (IngBau) und die auf die von der Firma E... durchgeführte Sanierung von Sicherungskonstruktionen für die Brandwand des Gebäudes "Kleisthaus" zurückzuführen sind,

b) die Klägerin verurteilt, die Beklagte freizustellen in Höhe eines Restbetrages von 15.490,18 DM gegenüber der K... + K... Gesellschaft A... mbH, H..., 1... B... sowie in Höhe eines weiteren Betrages von 9.419,20 DM gegenüber der A... B... + P... GmbH, E... 7..., 4... D...

c) festgestellt, dass die Klägerin verpflichtet ist, die Beklagte freizustellen von Forderungen der K... + K... Gesellschaft von A... mbH und der A... B... + R... GmbH für Honorarforderungen für nach dem 31. März 1999 durchgeführte baubegleitende Planungsarbeiten in Zusammenhang mit den Setzungsschäden am Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, W..., 1... B..., "K...".

Hilfsweise wird zu 2) a) und c) der Widerklage

festgestellt, dass die Klägerin verpflichtet ist, der Beklagten den weiteren Schaden zu ersetzen, der durch die von der Beklagten durchgeführten Baugrubenarbeiten auf dem Grundstück der Thüringischen Landesvertretung in Berlin in den Jahren 1998 und 1999 und die dadurch hervorgerufenen Setzungen des Gebäudes "K..." auf dem Grundstück W..., 1... Berlin, zukünftig entstehen.

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung ferner vorsorglich beantragt, den Rechtsstreit an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Klägerin und die Streithelferin der Klägerin beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin und die Streithelferin vertreten unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag vor allem die Auffassung, dass die Zurückweisung der Aufrechnung und die Abweisung der Widerklage zu Recht erfolgt seien. Sie behaupten, das Landgericht habe in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass die Bezahlung der einzelnen Beträge dargelegt und bewiesen werden müsse. Nach ihrer Auffassung können die Einwendungen bereits deshalb keine Aussicht auf Erfolg haben, weil eine Beeinträchtigung der Standsicherheit der Giebelwand des Kleisthauses nicht gegeben gewesen sei. Eine Haftung der Klägerin scheide auch deshalb aus, weil die Streithelferin nicht Verrichtungsgehilfin der Klägerin gewesen sei. Die Streithelferin sei zudem sorgfältig ausgewählt und überwacht worden.

II.

Auf die zulässige Berufung der Beklagten ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen. Das Verfahren im ersten Rechtszug beruht auf einem Verfahrensfehler im Sinne des § 538 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO. Eine Entscheidung des Senats nach § 538 Abs. 1 ZPO kommt nicht in Betracht.

1.

Das Landgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe nicht ausreichend dargelegt bzw. keinen Beweis dafür angeboten, dass die von ihr geltend gemachten Aufwendungen bezahlt worden seien. Mit dieser Begründung verstößt die Zurückweisung der zur Aufrechnung gestellten Positionen gegen § 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Denn offensichtlich hatte die Beklagte die zum Teil fehlenden Beweisantritte übersehen und im übrigen ihren Vortrag für ausreichend gehalten. Daher hätte das Landgericht der Beklagten einen rechtlichen Hinweis und eine Gelegenheit zur Äußerung nach § 139 Abs. 2 ZPO geben müssen. Zwar hatte das Landgericht mit Verfügung vom 10. Mai 2002 einen rechtlichen Hinweis erteilt und Auflagen gemacht, indem es der Beklagten u. a. aufgegeben hatte, die Netto- bzw. Bruttobeträge der Aufrechnungsforderungen darzulegen, doch musste die Beklagte gerade aufgrund dieses Hinweises nicht damit rechnen, dass die Aufrechnungsforderungen mit der o. g. Begründung nicht berücksichtigt würden, nachdem die Beklagte zu Netto- und Bruttobeträgen weiter vorgetragen hatte. In seinem Hinweis vom 10. Mai 2002 stellte das Landgericht "vorbehaltlich eines ergänzenden Vortrages der Beklagten zu den einzelnen Schadenspositionen" sogar eine Beweisaufnahme über die Ausführung und Erforderlichkeit der abgerechneten Leistungen in Aussicht, so dass die Entscheidung des Landgerichts, soweit sie sich alleine auf z. T. fehlenden Vortrag zur Bezahlung der geltend gemachten Aufwendungen und auf z. T. fehlende Beweisantritte stützt, überraschend war.

Dabei kommt es in diesem Zusammenhang auch nicht darauf an, dass die Klägerin die Aufwendungen und deren Bezahlung bestritten hatte. Die zu § 139 ZPO a. F. vertretene Auffassung, dass ein Hinweis des Gerichts dann nicht mehr erforderlich sei, wenn bereits der Prozessgegner auf Mängel des Vortrages hingewiesen hat (BGH NJW 1984, 310) ist auf § 139 Abs. 2 ZPO n. F. nicht anzuwenden. Denn § 139 Abs. 2 ZPO enthält in seiner jetzigen Fassung ein ausdrückliches Gebot (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., § 139 Rdnr. 36), das - wie sich aus einem Vergleich des Wortlauts des § 139 Abs. 2 ZPO und des § 139 ZPO a. F. ergibt - in seiner Wirkung über § 139 ZPO a. F. hinausgeht. Dies gilt in stärkerem Maße dann, wenn das Gericht einen Hinweis erteilt hat, auf dessen Vollständigkeit eine Partei vertrauen darf.

Der - streitigen - Behauptung, die Kammer habe darauf hingewiesen, dass die Zahlung der Aufwendungen der Beklagten dargelegt und bewiesen werden müssten, ist nicht nachzugehen. Ein solcher Hinweis, der ausschließlich durch den Inhalt der Akten bewiesen werden kann (§ 139 Abs. 4 Satz 2 ZPO), ergibt sich weder aus dem Sitzungsprotokoll noch aus dem Urteil. Auf die Beweisangebote der Klägerin hierzu kommt es demnach nicht an.

2.

Die Sache ist insgesamt an das Landgericht Berlin zurückzuverweisen. Zwar hat das Landgericht den Werklohnanspruch der Klägerin zu Recht bejaht. Ob und in welcher Höhe er ihr auch im Endergebnis verbleibt, kann erst dann abschließend beurteilt werden, wenn feststeht, dass er durch die erklärten Aufrechnungen nicht (teilweise) wieder erloschen ist (§§ 387, 389 BGB), und der Beklagten im übrigen wegen der mit der Widerklage geltend gemachten Ansprüche kein Zurückbehaltungsrecht zusteht (dazu unten). Beides hängt von dem Ergebnis der Beweisaufnahme zum Grund der von der Beklagten geltend gemachten Ansprüche und ggf. auch zur Höhe derselben ab, die das Landgericht durchzuführen haben wird.

Eine Selbstentscheidung durch den Senat gemäß § 538 Abs. 1 ZPO kommt nicht in Betracht. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Zurückverweisung eine Ausnahme des in § 538 Abs. 1 ZPO genannten Grundsatzes bedeutet, und dass jede Zurückverweisung eine Verzögerung und Verteuerung des Verfahrens mit sich bringt, ist der Verfahrensmangel so wesentlich, dass eine Zurückverweisung an das Landgericht geboten ist. Eine Entscheidung durch den Senat selbst ist wegen des Umfangs der erforderlichen Beweisaufnahme nicht sachdienlich (vgl. dazu: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., § 538 Rdnr. 22).

Über die zur Aufrechnung gestellten Forderungen konnte der Senat nicht selbst ohne Beweisaufnahme entscheiden. Eine Entscheidung hierüber wäre nur dann möglich gewesen, wenn der Vortrag der Beklagten zur Höhe sämtlicher Gegenforderungen bzw. zu deren Bezahlung unsubstanziiert wäre oder den erforderlichen Beweisantritt vermissen ließe. Dies ist nicht der Fall. Denn die Beklagte hat ihren Vortrag zur Höhe und zur Bezahlung dieser Gegenforderungen unter Beweisantritt ergänzt. Zwar bestehen im Hinblick auf einzelne Aufrechnungspositionen Bedenken, weil sich nicht alle Aufwendungen der Höhe nach vollständig nachvollziehen lassen, und weil die Beklagte sich zum Nachweis teilweise auf Zahlungsanweisungen bezieht, die Abschlagszahlungen zum Gegenstand haben. Diese Bedenken bestehen allerdings nicht für alle zur Aufrechnung gestellten Positionen in gleicher Weise. Beispielhaft sind die Positionen b), c) und e) (Gutachten und Stellungnahme Oestemer sowie 6. und 8. Folgemessung) zu nennen, bei denen das Landgericht einen Beweisantritt vermisst hat. Insoweit hat die Beklagte auszugsweise die Rechnung der Firma K... + K... vom 13. April 2000 eingereicht und sich zum Beweis für die Bezahlung der als Aufrechnungspositionen b), c) und e) geltend gemachten Beträge, die in dieser Rechnung genannt sind, auf das Zeugnis des Herrn K... berufen. Ferner hat die Beklagte auch hinsichtlich der Position f) "Montage der endgültigen Sicherungskonstruktion" nachvollziehbar die Bezahlung des hierfür geltend gemachten Betrages dargelegt und hierfür Beweis angeboten. Zwar enthält das F 14-Formular der Anlage BB1 keine Auszahlungsanordnung sondern vielmehr eine "Anordnung zur Annahme einer Einzahlung" doch erklärt die Beklagte dies damit, dass eine Anspruch aus Überzahlung in Höhe von 6.352.578,12 DM gegen die Firma E... bestanden habe, und sich unter Berücksichtigung der Vertragserfüllungsbürgschaft der im F14-Formular genannte Betrag von 3.470.009,-- DM ergebe. Zum Beweis bezieht sich die Beklagte auf das Zeugnis des Herrn K..., der sämtliche Anordnungen auf der Grundlage der F14-Protokolle veranlasst habe.

3.

Für das weitere Verfahren wird auf folgendes hingewiesen:

Der Klägerin steht gegen die Beklagte aus den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung ein Werklohnanspruch in Höhe von 284.503,52 EUR nebst Zinsen in Höhe von 1 % über dem Spitzenrefinanzierungssatz seit dem 29. Juni 2000 zu. Auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung wird insoweit Bezug genommen. Hiergegen richtet sich die Berufung nicht.

Die Beklagte hat mit den in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils genannten Gegenansprüchen (Seite 7 der beglaubigten Abschrift des Urteils, Pos. a) bis g.) und ferner einem Anspruch auf merkantilen Minderwert in Höhe von 144.000,- DM die Aufrechnung erklärt. Hinsichtlich der Position "f. Montage der endgültigen Sicherungskonstruktion" hat sie den ursprünglich geltend gemachten Betrag um 1.045,35 DM netto gemindert, und macht insoweit nur noch einen Betrag von 71.066,73 DM netto geltend. Die Summe der Aufrechnungspositionen a) bis g) beträgt unter Berücksichtigung dieses Minderbetrages 263.015,64 DM brutto. Zuzüglich des als merkantiler Minderwert geltend gemachten Betrages ergibt sich eine Summe von 407.015,64 DM (208.103,79 EUR), mit der die Beklagte die Aufrechnung erklärt.

Die Beklagte hat die Aufrechnung und die mit der Widerklage geltend gemachten Ansprüche auf §§ 823, 909 BGB und hilfsweise auf einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gestützt. Beide Anspruchsgrundlagen sind grundsätzlich geeignet, die Gegenansprüche der Beklagten zu begründen.

Ein Anspruch aus §§ 823, 909 BGB scheitert nicht bereits daran, dass die Klägerin mit der Durchführung der ihr übertragenen Erdaushubarbeiten die Streithelferin beauftragt hatte. Aus den von ihr übernommenen und der Streithelferin übertragenen vertraglichen Pflichten begründete sich eine eigene Verkehrssicherungspflicht der Klägerin, so dass es auf § 831 BGB nicht ankommt.

Grundsätzlich hat ein Bauherr - und dies gilt in gleichem Maße für einen Generalauftragnehmer -, der einen Werkunternehmer mit der Durchführung von Bauarbeiten beauftragt hat, sich in zumutbarem Maße selbst zu vergewissern, dass von den unmittelbar Beteiligten alles zur Gefahrenabwehr Erforderliche getan wird. An diese eigene Überwachungspflicht müssen um so strengere Anforderungen gestellt werden, je gefährlicher das in Auftrag gegebene Bauvorhaben und je größer das Schutzbedürfnis der von Gefahren Betroffener ist. Dies gilt auch dann, wenn mit der unmittelbaren Durchführung der Arbeiten ein Spezialunternehmen beauftragt wird (BGH - V ZR 100/75 - BauR 1979, 533-534; OLG Düsseldorf - 4 U 220/71 - BauR 1973, 395-396; Werner/ Pastor, Der Bauprozess, 10. Aufl., Rdnr. 2116).

Diese Pflicht hat die Klägerin schuldhaft verletzt. Die Pflichtverletzung der Klägerin ist darin zu sehen, dass sie die Fortsetzung der Bauarbeiten durch die von ihr beauftragte Streithelferin nach Feststellung der Setzungen und Risse aufgrund der 1. und 2. Folgemessung vom 4. und 14. Februar 1998 zuließ, ohne sich zuvor - notfalls mit sachverständiger Hilfe - vergewissert und ggfs. Vorkehrungen getroffen zu haben, dass es im Zuge der Arbeiten nicht zu weiteren Schäden am Nachbargrundstück kommt. Die Klägerin selbst hatte ursprünglich das Sachverständigenbüro O... damit beauftragt, am benachbarten Anwesen W... B... (K...) Setzungsmessungen durchzuführen. Spätestens nach der 2. Folgemessung wusste die Klägerin, dass es zu Vertikalverschiebungen von bis zu 16 mm gekommen war. Wie sich dem schriftlichen Bericht des von der Klägerin beauftragten Sachverständigen O... vom 25. Februar 1998 (Anlage B 5) entnehmen lässt, hatte am 11. Februar 1998 eine Besichtigung der Bauteile im Setzungsbereich stattgefunden, bei der erhebliche Rissbildungen vorgefunden worden waren. Diese Rissbildungen und die durch die Messungen dokumentierten Vertikalverschiebungen hätten die Klägerin bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt veranlassen müssen, zunächst den Grund für die Setzungserscheinungen zuverlässig zu ermitteln, und ggfs. die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, die bei zuverlässiger Prognose weitere Verletzungen des Nachbargrundstücks oder gar die Gefährdung der Standsicherheit desselben durch die Fortführung der Arbeiten ausschlossen. Denn es war durchaus nicht fernliegend, dass die Setzungserscheinungen auf die Gründungsarbeiten zurückzuführen waren, und dass weitere Setzungserscheinungen bei Fortgang der Vertiefungsarbeiten auftreten würden. Dies gilt um so mehr, als zum Zeitpunkt der 2. Folgemessung die Spundwände noch nicht einvibriert worden waren. Dass diese Arbeiten, die erst unmittelbar im Anschluss an die 2. Folgemessung durchgeführt wurden, vorhandene Setzungserscheinungen verstärken konnten, war auch für die Klägerin ohne weiteres erkennbar. Tatsächlich wurden bei der 3. Folgemessung am 30. März 1998, die nach dem Einvibrieren der Spundwände durchgeführt wurde, weitere Vertikalverschiebungen von bis zu 27 mm festgestellt, was nicht nur dafür spricht, dass die Setzungsschäden von der Klägerin zu vertreten sind, sondern auch dafür, dass die weiteren Vertikalverschiebungen hätten vermieden werden können, wenn die Klägerin bzw. die Streithelferin geeignete Vorkehrungen getroffen hätten.

Als weiterer Anspruchsgrund kommt eine Haftung aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter aus dem zwischen der Klägerin und dem Land Thüringen als Bauherrn geschlossenen Vertrag über die Vertiefungsarbeiten in Betracht.

Ein solcher Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter wird im Allgemeinen angenommen, wenn der Dritte bestimmungsgemäß mit der Hauptleistung in Berührung gekommen ist und die Ausführung der Leistung sich auch auf den Dritten auswirken kann (OLG Koblenz - 8 U 1... 10/98 - NJW-RR 2000, 544; Staudinger-Jagmann, BGB, 2001, § 328 Rdnr. 98). Dies war der Fall.

Bereits aus der räumlichen Nähe des Grundstücks, auf dem die Klägerin Arbeiten ausführen sollte, zu dem Nachbargrundstück (K...) ist offensichtlich, dass die Beklagte bestimmungsgemäß und nicht nur zufällig mit der Leistung in Berührung gekommen ist. Über diese Leistungsnähe hinaus bestanden auch für die Klägerin erkennbar Schutzpflichten ihres Vertragsgläubigers, des Bauherrn, gegenüber der Beklagten. Diese ergeben sich aus dem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis (OLG Koblenz - 8 U 1010/98 - NJW-RR 2000, 544). Unabhängig davon hatte der Bauherr an der Einbeziehung der Beklagten in den mit der Klägerin geschlossenen Vertrag auch wegen der Verbotsnorm des § 909 BGB ein besonderes Interesse, so dass der zwischen dem Land Thüringen und der Beklagten geschlossene Vertrag gemäß § 157 BGB damit dahin ausgelegt werden kann, dass der Vertragsschutz in Anerkennung dieses Interesses auf die Beklagte auszudehnen ist (vgl.: Palandt-Heinrichs, BGB, 61. Aufl., §328 Rdnr. 17 m. w. N.). Die Drittbezogenheit des Vertrages und die Gläubigernähe der Beklagten waren für die Klägerin auch erkennbar. Der Klägerin musste ohne weiteres klar sein, dass sich ihre Baumaßnahmen auch auf das Nachbargrundstück auswirken konnten. Die Beklagte ist auch schutzbedürftig. Die Schutzbedürftigkeit entfällt dann, wenn das Interesse des Dritten durch eigene direkte vertragliche Ansprüche voll abgedeckt wird, wenn der Dritte also einen denjenigen Ansprüchen gleichwertigen Anspruch hätte, die ihm über die Einbeziehung in den Schutzbereich des Vertrages zukämen (Gottwald in: Münchner Kommentar, BGB, 4. Aufl., § 328 Rdnr. 118; Staudinger-Jagmann, BGB, 2001, § 328 Rdnr. 106). Eigene vertragliche Ansprüche hat die Beklagte nicht. Auf mögliche andere deliktische Ansprüche kommt es für die Frage der Schutzbedürftigkeit der Beklagten nicht an (OLG Koblenz, a.a.O.).

Mit der Widerklage begehrt die Beklagte die Feststellung der Freistellung im Hinblick auf Ansprüche der Firma E... wegen Mehrkosten (Widerklageantrag zu 1) und auf Ansprüche der K... + K... Gesellschaft von A... mbH sowie der A... B... + P... GmbH für Honorarforderungen für nach dem 31. März 1999 durchgeführte Planungsarbeiten im Zusammenhang mit den Setzungsschäden (Widerklageantrag zu 3). Ferner beantragt die Beklagte die Verurteilung zur Freistellung in Höhe von ziffernmäßig bestimmten Honorarforderungen der K... + K... Gesellschaft von A... mbH sowie der A... B... + P... GmbH im Hinblick auf Honorarforderungen für den Zeitraum vor dem 31. März 1999. Eine isolierte Entscheidung hierüber kommt nicht in Betracht. Die Begründetheit der Widerklage hängt im Ergebnis vom Ausgang der Beweisaufnahme über die Haftung der Klägerin ab.

Die von der Klägerin erhobene Verjährungseinrede greift hinsichtlich der zur Aufrechnung gestellten Ansprüche schon gemäß § 390 Satz 2 BGB nicht durch. Soweit die mit der Widerklage geltend gemachten Ansprüche auf §§ 823, 909 BGB gestützt werden, wären diese zwar verjährt, weil für diesen Anspruch die dreijährige Verjährungsfrist des § 852 BGB gilt und die Beklagte seit April 1998 Kenntnis von den Umständen und dem Verursacher hatte (BGH - V ZR 140/79 - NJW 1981, 573; BGH - V ZR 251/80 - NJW 1982, 1809-1810). Die Widerklage wurde erst im Jahr 2002 erhoben.

Nicht verjährt sind aber die etwaigen Ansprüche aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, für die hier die allgemeine Verjährungsfrist von 30 Jahren gilt (§ 195 BGB a. F.). Es handelt sich bei den mit der Widerklage geltend gemachten Ansprüchen nicht um Gewährleistungsansprüche, sondern um solche aus positiver Vertragsverletzung.

Grundsätzlich kommt demnach eine Haftung der Klägerin sowohl nach §§ 823, 909 BGB, als auch aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in Betracht. Ob die Klägerin die Setzungsschäden verursacht hat, und ob dies der Beklagten ausreichende Veranlassung dazu geben durfte, die zur Aufrechnung gestellten Aufwendungen zu tätigen, ist durch eine Beweisaufnahme zu klären. Sofern die Setzungsschäden auf die Gründungsarbeiten der Klägerin zurückzuführen sind, sind die Aufwendungen zur Abwehr eines deswegen ggfs. konkret drohenden Schadens, die objektiv erforderlich waren, oder die die Beklagte aus der Sicht eines wirtschaftlich denkenden Dritten für erforderlich halten durfte, erstattungsfähig. Im Rahmen der Beweisaufnahme wird insbesondere zu klären sein, ob die Standsicherheit der Giebelwand des Kleisthauses konkret gefährdet war, und ob deshalb ab Anfang April 1998 Veranlassung zu Sicherungsmaßnahmen bestand. Dabei wird auch dem Einwand der Klägerin nachzugehen sein, dass die Setzungserscheinungen auf die Abrissarbeiten der Beklagten im Kleisthaus zurückzuführen seien. Sofern eine konkrete Gefährdung nicht gegeben, war ist festzustellen, ob die Beklagte subjektiv von einer Gefährdungslage, die Anlass zu den konkreten Sicherungsmaßnahmen gab, ausgehen durfte. Soweit die Beklagte berechtigt war, Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen, ist u. a. auch darüber Beweis zu erheben, ob - so die Behauptung der Klägerin - die Aussteifungsarbeiten ohnehin auf Grund der Abbrucharbeiten der Beklagten im Kleisthaus entsprechend ihrer Planung durchgeführt worden wären.

Soweit das Landgericht die als merkantiler Minderwert geltend gemachten Minderkosten abgewiesen hat, ist zu berücksichtigen, dass ein Erfahrungssatz, wonach ein merkantiler Minderwert aufgrund von Setzungserscheinungen nur bei Neubauten und ferner nicht bei vor dem 2. Weltkrieg errichteten Gebäuden bestehen könne, die im Ostteil Berlins liegen, nicht besteht. Die streitige Frage, ob ein Minderwert besteht, wird daher - wenn eine Haftung der Klägerin dem Grunde nach feststeht - ebenfalls durch eine Beweisaufnahme zu klären sein.

Die Widerklageanträge zu 1) und 3) sind entgegen der Auffassung des Landgerichts hinreichend bestimmt, da die Beklagte mit diesen Anträgen die Feststellung begehrt, dass die Klägerin sie freizustellen hat. Hinsichtlich des Widerklageantrages zu 2) hat das Landgericht Feststellungen zu Grund und Höhe der mit diesem Antrag geltend gemachten Ansprüche zu treffen.

4.

Die Voraussetzungen eines Teil- und Vorbehaltsurteils (§§ 301, 302 ZPO) liegen nicht vor. Denn der unstreitige Werklohnanspruch ist nicht zur Entscheidung reif. Der Anwalt der Beklagten hat in der mündlichen Frage auf die Frage des Vorsitzenden, weshalb die Beklagte nicht wenigstens den die Summe der Aufrechnungspositionen übersteigende Werklohnanspruch ausgezahlt habe, erklärt, dass ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht werde. Die Beklagte hat damit die Einrede des § 273 ZPO erhoben. Diese kann ausdrücklich oder konkludent geltend gemacht werden (Palandt-Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 273 Rdnr. 19), so dass die Erklärung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung ausreichte. Ob diese Einrede zu Recht erhoben wurde, ist im Ergebnis vom Ausgang der Beweisaufnahme abhängig. Denn soweit die Beweisaufnahme ergibt, dass die Klägerin der Beklagten haftet, steht der Beklagten - jedenfalls dem Grunde nach - der mit den Widerklagen geltend gemachte Anspruch zu.

Über die Kosten auch des Berufungsverfahrens hat das Landgericht zu entscheiden. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 710 Nr. 10 ZPO. Die Abwendungsbefugnis gemäß § 711 ZPO ist mangels vollstreckungsfähigen Inhalts dieser Entscheidung entbehrlich.

Die Revision war nicht gemäß § 543 ZPO zuzulassen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Ende der Entscheidung

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