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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 27.10.2005
Aktenzeichen: 27 W 65/05
Rechtsgebiete: ZPO, VV-RVG
Vorschriften:
ZPO § 278 Abs. 6 | |
VV-RVG Nr. 3104 Abs. 1 |
Kammergericht Beschluss
Geschäftsnummer: 27 W 65/05
In dem Rechtsstreit
hat der 27. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Kowalski, den Richter am Kammergericht Schneider und den Richter am Amtsgericht Bergold am 27. Oktober 2005 beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 10. März 2005 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Berlin vom 9. Februar 2005 - 2 O 563/04 - aufgehoben. Die erneute Entscheidung über die Kostenausgleichsanträge der Parteien vom 31. Januar und 3. Februar 2005 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats sowie unter Einbeziehung des "Nachfestsetzungsantrages" der Klägerin vom 4. März 2005 wird dem Landgericht Berlin übertragen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin nach einem Beschwerdewert in Höhe von 324,73 EUR.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe:
I.
Die Klägerin hat mit ihrer Klage ursprünglich Zahlung in Höhe von 35.058,91 EUR wegen erbrachter Dienstleistungen geltend gemacht.
Nach Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens haben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten dem Gericht u.a. schriftsätzlich mitgeteilt, dass die Beklagten anbieten, den Rechtsstreit vergleichsweise durch Zahlung eines Betrages in Höhe von 25.000,-- EUR zu erledigen. Die Klägerin hat durch ihre Prozessbevollmächtigten dem Gericht gegenüber die Bereitschaft zur Annahme des Vergleichsangebots bekundet. Den daraufhin seitens des Gerichts gemäß § 278 Abs. 6 ZPO unterbreiteten Vergleichsvorschlag haben beide Parteien angenommen. Das Gericht hat das Zustandekommen des Vergleichs durch Beschluss festgestellt.
Mit Kostenausgleichsantrag vom 31. Januar 2005 hatten die Beklagten u.a. die Festsetzung einer Terminsgebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV-RVG beantragt. Das Landgericht Berlin hat die Festsetzung dieser Gebühr mit Beschluss vom 9. Februar 2005 abgelehnt. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten. Sie sind der Auffassung, dass eine Terminsgebühr auch bei einem schriftlichen Vergleichsabschluss nach § 278 Abs. 6 ZPO anfalle, ohne dass es auf die Anordnung eines schriftlichen Verfahrens nach § 128 Abs. 2 ZPO ankomme. II.
Die frist- und formgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten ist begründet.
Die Frage, ob bei Abschluss eines Vergleiches nach § 278 Abs. 6 ZPO für den Rechtsanwalt eine Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 VV-RVG anfällt, ist umstritten.
Zum Teil wird die Auffassung vertreten, dass für die Mitwirkung des Rechtsanwalts am Zustandekommen eines Vergleiches nach § 278 Abs. 6 ZPO in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, immer auch eine Terminsgebühr anfalle (OLG Stuttgart, 8. Zivilsenat, Beschluss vom 16.06.05 - 8 W 180/05 - zitiert bei Juris; Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 278 Rdn 27; Gerold/Schmidt, RVG, 16. Aufl. Nr. 3104 VV/ Rdn 58/69; Schons AGS 2005, 145; Henke, AnwBl. 2004, 594).
Nach anderer Meinung löst ein schriftlicher Vergleichsabschluss nach § 278 Abs. 6 ZPO eine Terminsgebühr nicht aus (vgl. BGH NJW 2004, 2311; OLG Nürnberg AnwBl. 2005, 222 sowie NJW-RR 2005, 655; OLG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 1. 8. 2005 - 12 W 78/05 - zitiert bei Juris) bzw. nur dann, wenn er in einem Verfahren ohne vorgeschriebene mündliche Verhandlung zustande kommt (Hartmann, Kostengesetze, 35. Aufl. Nr. 3104 VV-RVG Rdn 30).
Der Senat schließt sich der erstgenannten Auffassung an. Für sie spricht bereits der Wortlaut der hier maßgeblichen Vorschrift Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV-RVG, nach der "in einem Verfahren, für das (an sich) mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist" (z.B. § 128 Abs. 1 ZPO), die Terminsgebühr ausnahmsweise auch dann entsteht, wenn eine mündliche Verhandlung tatsächlich nicht stattgefunden hat. Die hierzu zählenden Ausnahmefälle sind in der Vorschrift im einzelnen alternativ aufgeführt. Es handelt sich zum einen um drei Fälle, in denen abweichend von der Regel ohne mündliche Verhandlung entschieden wurde (§§ 128 Abs. 2, 307 Abs. 2, 495a ZPO) zum anderen um den Fall, in dem ohne mündliche Verhandlung ein schriftlicher Vergleich (z.B. nach § 278 Abs. 6 ZPO) zustandegekommen ist ("entschieden oder ... Vergleich geschlossen"). Der schriftliche Vergleich ist nach dem Wortlaut der Vorschrift die gleichwertige Alternative zur Entscheidung. Er bringt also - ebenso wie bei der Entscheidung des Gerichts - die Terminsgebühr zum Entstehen in all den Verfahren ("in einem solchen Verfahren"), in denen bei einer Entscheidung die Terminsgebühr nach Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV-RVG oder nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1., 1. bis 3. Altern. VV-RVG anfällt.
Die hier vertretene Auffassung trägt überdies der Intention des Gesetzgebers Rechnung, die vergleichsweise Einigung in einem möglichst frühen Verfahrensstadium zu fördern und zu honorieren und damit zur Beschleunigung der Gerichtsverfahren beizutragen und die Justiz zu entlasten (vgl. OLG Stuttgart a.a.O.). Der Anwalt soll nach seiner Bestellung zum Verfahrens- oder Prozessbevollmächtigten in jeder Phase des Verfahrens zu einer möglichst frühen, der Sach- und Rechtslage entsprechenden Beendigung des Verfahrens beitragen. Deshalb soll die Gebühr auch schon verdient sein, wenn der Rechtsanwalt an auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts mitwirkt, insbesondere wenn diese auf den Abschluss des Verfahrens durch eine gütliche Regelung zielen (BT-Drucksache 15/1971 vom 11. 11. 2003, Seite 209). Dementsprechend hat der Gesetzgeber in Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV-RVG das Entstehen einer Terminsgebühr bereits für die Mitwirkung an solchen Besprechungen festge-schrieben. Dies soll für die Anwälte ein Anreiz sein, jederzeit auf eine gütliche Einigung hinzuwirken (Gerold/Schmidt, a.a.O. Rdn 57). Der in der Gesetzesbegründung artikulierte Willen des Gesetzgebers kommt aber noch weit stärker zum Tragen, wenn der Rechtsanwalt nicht nur den Versuch einer möglichst frühen Beendigung des Rechtsstreits unternimmt sondern vielmehr dazu beiträgt, dass eine vergleichsweise Einigung z.B. durch einen schriftlichen Vergleichsab-schluss nach § 278 Abs. 6 ZPO tatsächlich auch zustande kommt. Deshalb erscheint es nur folgerichtig, wenn die ergänzende Regelung in Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1, 4. Altern. VV-RVG für diesen Fall ebenfalls das Entstehen einer Terminsgebühr vorsieht.
Danach ist auch kein vernünftiger Grund ersichtlich, warum bei einem schriftlichen Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO eine Terminsgebühr nur entstehen soll, wenn dieser im schriftlichen Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO oder § 495a ZPO geschlossen wird (so: Hartmann, a.a.O. Rdn 30), in denen ohnehin keine mündliche Verhandlung stattfindet, nicht aber in den Verfahren, die ohne den Vergleichsabschluss eine mündliche Verhandlung erfordert hätten.
Der hier vertretenen Auffassung kann schließlich auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, der Wortlaut der Nr. 3104 Nr. 1 Abs. 1 VV-RVG beziehe sich in der 1. Altern. auf das Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO und nicht auf das Verfahren nach § 278 Abs. 6 ZPO. Auch wenn dem so ist, wofür einiges spricht, schließt das gleichwohl nicht aus, dass auch im Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO ein Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO zustande kommt, der dann gemäß der 4. Altern. von Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV-RVG die Terminsgebühr auslöst.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Da die Klägerin mit Schriftsatz vom 4. März 2005 die Nachfestsetzung hinsichtlich der Terminsgebühr beantragt hat, erscheint eine Neufestsetzung durch die Rechtspflegerin des Landgerichts Berlin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats sowie unter Einbeziehung des Nachfestsetzungsantrages angebracht (§ 572 Abs. 3 ZPO).
Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2, 2. Altern. ZPO zuzulassen.
Ende der Entscheidung
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