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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 16.05.2001
Aktenzeichen: 29 U 7237/00
Rechtsgebiete: EGBGB, BGB, ZPO, BörsG


Vorschriften:

EGBGB § 1 Abs. 1 Satz 3
BGB § 288 Abs. 1
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
BörsG § 53
BörsG § 53 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 29 U 7237/00 1 O 32/00 Landgericht Berlin

Verkündet am: 16. Mai 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 29. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. März 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Jalowietzki und die Richter am Kammergericht Dr. Rejewski und Gröning für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 26. Juli 2000 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin geändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12.060,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 20. September 1999 zu zahlen.

Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 29 % und die Beklagte 71 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung in der Hauptsache durch Sicherheitsleistung in Höhe von 13.500,00 DM abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Wegen der Kosten dürfen beide Parteien die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu Gunsten der jeweils anderen Partei festgesetzten Betrages zuzüglich eines Aufschlags von 10 % abwenden, wenn nicht die jeweils andere Seite vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Die Beschwer der Beklagten beträgt 12.060,00 DM, die des Klägers 5.000,00 DM.

Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger macht gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einem Wertpapiergeschäft geltend.

Der 1921 geborene Zedent war langjähriger Kunde der Beklagten und unterhielt bei ihr auch ein Wertpapierdepot. Am 15. Juli 1998 erhielt er einen Anruf des Mitarbeiters der Beklagten S. der ihn auf die an diesem Tage von der B., deren Tochterunternehmen die Beklagte ist, emittierte, als "10 % Volkswagen Reverse Convertible Termsheet" bezeichnete Inhaberschuldverschreibung mit Aktienandienungsrecht aufmerksam machte. Dabei handelte es sich um als Inhabersammelschuldverschreibungen verbriefte und bei der Deutsche Börse Clearing AG hinterlegte Wertpapiere, die in Stückelungen von 10.000,00 DM oder einem ganzzahligen Vielfachen davon zu erwerben waren. Sie sollten in den geregelten Markt der Wertpapierbörse Berlin einbezogen werden. Auf sie waren am Fälligkeitstag (10. August 1999) 10 % Zinsen zu zahlen. Hinsichtlich des Kapitals stand der Emittentin ein Wahlrecht zu. Sie durfte auf Basis des 6. August 1999 entweder 100 % des Nennbetrages erstatten oder 61 Stück Stammaktien der Volkswagen AG je 10.000,00 DM Teilschuldverschreibung. Der Kassakurs der VW-Stammaktie betrug am Emissionstag 188,00 DM (Xetra-Handel, Frankfurter Wertpapierbörse). Auf der Basis von 61 Aktien hätte dem Nennwert der Teilschuldverschreibungen von 10.000,00 DM rechnerisch ein Kurs von 163,93 DM entsprochen. Der Zedent orderte im Verlaufe des Telefonats Papiere zum Nennwert von 50.000,00 DM. Zwischen den Parteien herrscht Streit darüber, inwieweit er dabei über die wesentlichen Merkmale der Anlagemöglichkeit aufgeklärt wurde.

Am Fälligkeitstag erhielt der Zedent die Zinszahlung. Hinsichtlich des Kapitals übte die Emittentin ihr Wahlrecht durch Lieferung von VW-Stammaktien aus. In das Depot des Zedenten wurden demgemäß 305 VW-Stammaktien eingebucht. Ihr Kurswert auf Basis des 6. August 1999 betrug insgesamt 32.940,00 DM.

Unter Berufung auf eine unzulängliche Aufklärung über die Modalitäten des Geschäfts und die damit verbundenen Risiken verlangte der Zedent von der Beklagten Ausgleichung des ihm entstandenen Schadens von 17.060,00 DM bis zum 30. September 1999 und bot alternativ die Rückgabe der Aktien Zug-um-Zug gegen Zahlung von 50.000,00 DM an. Die Beklagte ging darauf nicht ein, sondern stellte dem Zedenten eine gerichtliche Klärung anheim in der Folge schlossen der Zedent und der Kläger die als Bl. 15 ff. bei den Akten befindliche Abtretungsvereinbarung.

Der Kläger hat geltend gemacht, die Schuldverschreibung berge mit Blick auf mögliche Aktienkursschwankungen hohe Risiken bis hin zum Totalverlust des angelegten Kapitals und damit das gleiche Risiko wie Stillhalteroptionsgeschäfte in sich. Deshalb habe die Pflicht bestanden, den Zedenten schriftlich über das Verlustrisiko und die mögliche Verringerung der Gewinnchancen aufzuklären. Dem sei die Beklagte im Rahmen des zwischen ihr und dem Zedenten durch das telefonische Anlagegespräch zu Stande gekommenen Beratungsvertrages nicht hinreichend nachgekommen. Der Bankangestellte habe nur in einem Nebensatz erwähnt, dass die Bank statt der Rückzahlung von Geld auch Aktien einbuchen könne, dies jedoch ohne Hinweis darauf, dass es sich dabei um bestimmte Aktien, nämlich die der Volkswagen AG handeln sollte und nur in einer begrenzten Stückzahl. Auch auf die vorzeitige Veräußerbarkeit sei nicht hingewiesen und der Zedent deshalb der Möglichkeit beraubt worden, die Schuldverschreibungen bei sinkendem Aktienkurs verlustfrei zu verkaufen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 17.060,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 16. September 1999 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat darauf hingewiesen, der Zedent habe die VW-Aktien am Emissionstag weitaus günstiger erworben, als bei einem unmittelbaren Aktienkauf und des Weiteren geltend gemacht, es handle sich nicht um ein Terminsgeschäft, das mangels schriftlicher Beratung gemäß § 53 BörsenG unverbindlich sei. Im Übrigen habe ihr Mitarbeiter den Zedenten in dem Verkaufstelefonat erschöpfend über die Merkmale des Geschäfts und die mit ihm verbundenen Risiken aufgeklärt.

Das Landgericht hat die Ansicht vertreten, es handle sich bei dem Verkauf der "Reverse Convertibles" nicht um ein Börsentermingeschäft und die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen.

Gegen das ihm am 10. August 2000 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, den 11. September 2000 Berufung eingelegt und das Rechtsmittel am 27. November 2000 begründet, nachdem die Begründungsfrist infolge rechtzeitig gestellter Anträge bis zu diesem Tag verlängert worden war.

Mit der Berufung, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlich gestellten Antrag weiter. Die Parteien verfechten auch im Berufungsrechtszug ihre erstinstanzlich vertretenen Standpunkte und streiten zusätzlich darüber, ob das Landgericht einen Antrag des Klägers auf Vernehmung neu benannter Zeugen zu Recht als verspätet zurückgewiesen hat. Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist überwiegend begründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch wegen unzureichender Aufklärung über die Risiken der von ihr angebotenen Anlage in "Reverse Convertibles" zu. Dabei kann dahinstehen, ob der Anspruch aus einem neben dem Vermittlungsvertrag geschlossenen Beratungsvertrag herzuleiten ist oder ob die unzulängliche Aufklärung eine positive Verletzung dieses Vermittlungsvertrages selbst war (vgl. dazu Roth in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts § 12 Rdn. 18 mit Nachweisen in Fn. 23). Offen bleiben kann auch, in welchem Umfang der Bankangestellte den Zedenten telefonisch aufgeklärt hat. Die erforderliche Aufklärung kann bei "Reverse Convertibles" ebenso wie in den Fällen des Optionserwerbs- und des Warentermindirektgeschäfts (BGHZ 105, 108, 110 f.; BGH WM 1992, 770, 771) sowie des Stillhalteroptionsgeschäfts (BGH WM 1992, 1935, 1936) ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie schriftlich erteilt wird. Auf diese Weise ist der Zedent vor dem Abschluss des Geschäfts jedoch unstreitig nicht unterrichtet worden. Die Notwendigkeit einer schriftlichen Aufklärung ergibt sich daraus, dass die mit dem Erwerb von "Reverse Convertibles" verbundenen Risiken denen vergleichbar sind, denen der Stillhalter bei Stillhalteroptionsgeschäften ausgesetzt ist und dass der Bundesgerichtshof für letztere eine schriftliche Aufklärung als unabdingbar ansieht (BGH a.a.O.).

Bei Stillhalteroptionsgeschäften erhält der Stillhafter eine Prämie dafür, dass er eine Option ausgibt, durch die er sich verpflichtet, zu einem bestimmten Termin eine bestimmte Menge des Basiswerts zu einem bestimmten Kurs abzunehmen oder zu liefern. Bei günstigem Verlauf verbucht er die empfangene Prämie ungeschmälert als Gewinn. Bei ungünstigem Verlauf muss er mit Verlusten rechnen, die ein Vielfaches der Prämie ausmachen können (vgl. BGH a. a. O. S. 1936).

"Reverse Convertibles" sind mit einem deutlich über dem Kapitalmarktzinsniveau liegenden Nominalzins ausgestattet. Im Gegenzug räumt der Anleger der Emittentin das Recht ein, bei Fälligkeit an Stelle des angelegten Kapitals die vereinbarte Anzahl Aktien abzugeben. Das steht der Ausgabe einer Put- oder Verkaufsoption gleich. Die Emittentin lässt sich dadurch wirtschaftlich und rechtlich die gleiche Position einräumen, die der Erwerber einer solchen Option erlangt, indem sie bei Fälligkeit vom Anleger die Abnahme der vereinbarten Anzahl VW-Stammaktien zum vorher festgelegten Preis (hier: Kursam 6. August 1999) verlangen kann. Der Anleger nimmt demgemäß, genau wie der Verkäufer einer Put-Option, die Rolle des Stillhalters in Geld ein (vgl. dazu BGHZ 92, 317, 319). Die Differenz zwischen der üblicherweise erzielbaren Rendite für sein angelegtes Kapital und der von der Emittentin angebotenen Verzinsung von 10 % entspricht der Stillhalter-Optionsprämie.

Bei Ausgabe von "Reverse Convertibles" spekuliert der Emittent, wie der Erwerber einer Verkaufsoption, auf Kursverfall der nach seiner Wahl an Stelle der Rückzahlung der Valuta zu leistenden Aktie. Steigt deren Kurs wider Erwarten, wird er die Rückzahlung des angelegten Nennbetrages in Geld wählen und damit genauso handeln, wie der Erwerber einer Put-Option, der diese bei der entsprechenden Entwicklung verfallen lassen wird. Bei fallendem Kurs dagegen wird er, wie auch vorliegend geschehen, die Lieferung von Aktien wählen und damit genauso handeln, wie der Erwerber einer Verkaufsoption, der in der vergleichbaren Situation von deren Verkäufer die Abnahme der vereinbarten Menge von Wertpapieren zu dem vorher vereinbarten Kurs verlangen wird. Dabei liefert der Emittent die vereinbarten Aktien zu dem geringeren Tageskurs am Bezugstag an die Anleger und kann die Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem vom einzelnen Anleger eingezahlten Nennbetrag abzüglich des eigenen Zinsaufwands und der etwaigen Emissionskosten als Gewinn einstreichen (zur Möglichkeit der Absicherung der Bank durch ihrerseitigen Verkauf einer Put-Option an dritte Marktteilnehmer vgl. Rümker in Festschrift für Fusch, S. 739, 740 f.).

Damit sind für den Anleger in "Reverse Convertibles" Risiken verbunden, die denen des Verkäufers einer Put-Option nicht nachstehen. Es mag das Risiko eines Totalverlustes des angelegten Geldes insbesondere dann fern liegen, wenn das Wahlrecht der Emittentin auf einen so genannten Standardwert wie den der VW-Stammaktie lautet. Indes ist zu bedenken, dass selbst viele dieser in den Deutschen Aktien Index aufgenommenen Werte sich in der jüngeren Vergangenheit durch eine hohe Volatilität des Kurses ausgezeichnet haben. So ist beispielsweise die VW-Aktie im Verlauf des letzten Jahres auf einen Wert von unter 40 € gesunken und dann wieder auf über 60 € gestiegen. Stellt man sich eine vergleichbare Emission um die Zeit vor, zu der die Aktie der Deutschen Telekom AG ihr Allzeithoch hatte, hätten die Anleger nach einem Jahr den Verlust von drei Vierteln ihres Kapitals verbuchen müssen. Diese Beispiele zeigen, dass dem Angebot zur Zeichnung von "Reverse Convertibles" ganz beträchtliche Verlustrisiken innewohnen, über die die Anleger genau aufzuklären sind. Eine Beratung am Telefon, wie hier geschehen, reicht dazu nicht aus Das gilt vorliegend umso mehr, als die Beklagte schriftsätzlich und auch noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat als ein besonderes attraktives Merkmal ihres Angebots herausgestrichen hat, die Aktien seien sehr viel "günstiger" erworben worden (zu 163,00 DM), als wenn sie am Emissionstag -- zum Kurs von 188,00 DM -- an der Börse gekauft worden wären. Wenn die Beklagte die Vorzüge ihres Angebots im Prozess in dieser Weise zu belegen versucht, dann ist es naheliegend, dass die Inhaberschuldverschreibungen auch den Anlegern mit diesem Rechenexempel nahe gebracht worden sind. Es handelt sich indes um eine rechnerische Operation, die eher zur Irreführung der Interessenten und zur Täuschung über die Risiken des Geschäfts geeignet ist. Der Käufer der Schuldverschreibung hat bei Zeichnung der Anlage keine Aktien erworben, sondern er erhält sie erst am Fälligkeitstag und auch nur dann, wenn ihr Kurs so weit gefallen ist, dass es für ihn verlustbringend ist.

Soweit das LG Frankfurt/Main in seinem Urteil vom 20. April 2000 (WM 2000, 1293 ff.) die Ansicht vertreten hat, der wirtschaftliche Zweck von Aktienanleihen sei dem von Geschäften mit abgetrennten Aktienoptionsscheinen aus Wandelschuldverschreibungen mit der Maßgabe vergleichbar, dass die Beteiligten lediglich in vertauschten Rollen agierten, vermag der Senat dem nicht beizupflichten. Bei letzteren akzeptiert der Anleger eine unterdurchschnittliche Verzinsung für die Option, die Obligation bei steigenden Kursen des emittierenden Unternehmens in Aktien tauschen und die Verzinsung des eingesetzten Kapitals auf diese Weise erhöhen zu können. Das angelegte Kapital selbst wird dabei indes nicht spekulativ aufs Spiel gesetzt. Das Verlustrisiko des Anlegers beschränkt sich -- abgesehen vom Insolvenzfall -- auf die Differenz zwischen dem akzeptierten niedrigeren und dem am Markt erzielbaren höheren Zins. Die ausgebende Gesellschaft beschafft sich auf diese Weise Kapital unter dem Marktzins, ohne dabei selbst zu spekulieren. Die Anleger üben ihre Call-Optionen nur bei einer ohnehin positiven Unternehmensentwicklung aus und das Geschäft birgt auch für das emittierende Unternehmen kein zusätzliches wirtschaftliches Risiko. Es trägt auch kein typisches Stillhalterrisiko. Bei den "Reverse Convertibles" dagegen leistet die emittierende Bank einen überdurchschnittlichen Zinssatz. Von einer billigen Kapitalbeschaffung kann dementsprechend keine Rede sein. Auch der von Rümker vertretenen Ansicht (Festschrift für Fusch, S. 739 f.), das Motiv des Kreditinstituts bei Ausgabe von Anleihen mit Tilgungswahlrecht liege darin, Refinanzierungskosten durch Vereinnahmung von Optionsprämien zu verbilligen, trifft so nicht zu. Es leistet vielmehr eine "Qptionsprämie" in Gestalt eines überdurchschnittlichen Zinssatzes. Sein Gewinn ist ein spekulativer, den es dann realisiert, wenn seine Erwartung eines am Stichtag gesunkenen Kurses eintritt. Dass der Emittent zusätzlich zu einer gewöhnlichen Put-Option noch Kapital erhält, mit dem er arbeiten kann, ist in Anbetracht der hohen Verzinsung nicht der legitime wirtschaftliche Zweck des Geschäfts, sondern ist als zusätzlicher Vorteil für ihn anzusehen und ändert nichts daran, dass das Geschäft auf Kursspekulation ausgerichtet ist.

Die unzureichende Aufklärung über die Risiken der "Reverse-Convertibles"-Anlage hatte zur Folge, dass der Zedent den Vertrag schloss und einen Vermögensschaden erlitt. Es ist davon auszugehen, dass er sich bei gehöriger Unterrichtung darüber nicht auf dieses Geschäft eingelassen hätte. Dafür streitet die Vermutung "aufklärungsrichtigen Verhaltens" (BGH WM 1992, 1936 f.), die nach den gesamten Umständen nicht erschüttert ist. Dass der Zedent nicht im Nachhinein gegen das Geschäft protestiert hat, nachdem er am 4. August 1998 ein Verkaufsblatt mit den Ausstattungsmerkmalen der Schuldverschreibung nebst Zusatzinformationen und einer Grafik zum Kurs der VW-Aktie bei Fälligkeit (Bl. 18 d. A.) als Telefax übermittelt bekommen hatte, rechtfertigt nicht die Annahme, er hätte sich diese Mitteilung auch nicht zur Warnung dienen lassen, wenn er sie vor der Order bekommen hätte. Erfahrungsgemäß werden nach Vertragsschluss übermittelte Informationen über ein Geschäft häufig nicht mehr mit demselben Problembewusstsein zur Kenntnis genommen, das vor Vertragsschluss bestand, zumal die Adressaten sich zu diesem Zeitpunkt bereits an den Vertrag gebunden fühlen und von der Übermittlung per Telefax ohnehin nicht die Warnfunktion einer schriftlichen, vom Anleger zu unterzeichnenden Informationsschrift ausgeht (vgl. zur Form der Information Irmen in: Schäfer (Herausg.) Komm zum WpHG u. a., § 53 BörsG Rdn. 39 f.). Es kann daher offen bleiben, ob die in diesem Verkaufsblatt enthaltenen Mitteilungen inhaltlich zur Information eines Anlegers ausreichten.

Unerheblich ist, dass der Zedent früher auch Optionsscheine in seinem Depot gehabt hat. Die Beklagte behauptet selbst nicht, dass es sich dabei um als Börsentermingeschäfte zu qualifizierende selbstständige Optionsscheine (vgl. BGH WM 1994, 2231 f.) gehandelt hat. Außerdem lag der Erwerb jener Optionsscheine mehrere Jahre zurück. Unerheblich ist ferner, dass der Zedent am 23. November 1998 400 VW-Aktien erworben hat. Dies ist deshalb nicht ohne weiteres ein tragfähiger Beleg dafür, dass er sich auch bei gehöriger Aufklärung Mitte Juli 1998 auf das Geschäft mit den "Reverse Convertibles" eingelassen hätte, weil im Kassageschäft erworbene Aktien börsentäglich wieder veräußert werden können. Das für die "Reverse Convertibles" spezifische Terminrisiko besteht hierbei gerade nicht.

Der Höhe nach steht dem Kläger die Differenz des Verkaufserlöses für die 305 Aktien und der Anlagesumme von 50.000,00 DM, also 17.060,00 DM zu. Gegen die Vorgehensweise des Klägers, nicht Zug-um-Zug gegen Rückgabe der Aktien Schadensersatz einzuklagen, sondern die Differenz zwischen Verkaufserlös und Summe des angelegten Geldes geltend zu machen, bestehen keine Bedenken. Nach der Weigerung der Beklagten, den Vertrag rückabzuwickeln, war der Zedent schon im Interesse der Vermeidung weiterer Verluste berechtigt, die Aktien zu veräußern. Im Ergebnis hat sich das auch günstig für die Beklagte ausgewirkt. Bei einer Zug-um-Zug-Abwicklung wäre der Börsenkurs der VW-Aktie am Tage der mündlichen Verhandlung vor dem Senat maßgeblich gewesen. Er lag bei unter 53 €. Damit hätten die 305 Aktien einen niedrigeren Wert gehabt, als es dem vom Zedenten erzielten Verkaufserlös entspricht.

Der Kläger muss sich allerdings die 5.000,00 DM anrechnen lassen, die der Zedent als Zinskupon erhalten hat. Dass das Anlagegeschäft bei der gebotenen Aufklärung nicht zu Stande gekommen wäre, wirkt sich auch auf den damit verbundenen Vorteil eines überdurchschnittlichen Zinsgewinns aus. Der Kläger kann als erstattungsfähigen Schaden nur den Zinsgewinn geltend machen, den er bei einer "sichereren" Anlage des Kapitals hätte erzielen können. Ein solcher Schadensersatzanspruch ist aber mangels jeglichen Vortrags ebenso wenig Streitgegenstand des vorliegenden Prozesses, wie ein entsprechender bereicherungsrechtlicher Anspruch (§ 818 Abs. 1 BGB). Unter bereicherungsrechtlichen Gesichtspunkten mag dem Kläger der Nutzen zustehen, den die Bank gezogen hat. Dieser ist indes nicht deckungsgleich mit dem Nutzen, den der Zedent gezogen hat. Deshalb müsste die Zinszahlung auch bei einer bereicherungsrechtlichen Abwicklung zu Gunsten der Beklagten berücksichtigt werden.

Der Zinsanspruch ist gemäß § 288 Abs. 1 BGB a. F. i. V. m. Art. 229 § 1 Abs. 1 Satz 3 EGBGB begründet, jedoch erst ab dem 20. September 1999. An diesem Tag ging dem Zedenten das Schreiben der Beklagten vom 16. September 1999, in dem sie seinen Schadensersatzanspruch zurückwies, zu und auf den Zugang ist auch im Falle der so genannten ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung abzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO.

Die Revision war zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 546 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Die Frage, ob ein Bankkunde, der nicht Kaufmann i. S. v. § 53 Abs. 1 BörsG ist, bei einem Anlagegeschäfte der hier in Streit stehenden Art genauso aufgeklärt werden muss, wie beim Börsentermingeschäft, wird in Rechtsprechung (vgl. das rechtskräftige Urteil des Landgericht Frankfurt/Main WM 2000, 1293 ff.) und Literatur unterschiedlich beurteilt. Gleichzeitig handelt es sich nach dem Vorbringen der Beklagten um eine Anlageform mit beträchtlichem Verbreitungsgrad, so dass eine höchstrichterliche Klärung der o. g, Frage, die, soweit ersichtlich, noch nicht vorliegt, wünschenswert erscheint.

Ende der Entscheidung

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