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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 20.12.2006
Aktenzeichen: 3 UF 59/06
Rechtsgebiete: EGBGB, BGB


Vorschriften:

EGBGB Art. 4 Abs. 1 S. 1
EGBGB Art. 14 Abs. 1 Nr. 3
EGBGB Art. 15 Abs. 1
EGBGB Art. 220 Abs. 3 S. 5
GG Art. 116 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1. Die Berufung des Antragstellers gegen das am 16. Mai 2006 verkündete Teilurteil des Amtsgerichts Schöneberg wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsteller hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I. Gemäß § 540 Abs.1 Nr. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem Urteil des Amtsgerichts Schöneberg vom 16.05.2006 verwiesen.

Der Antragsteller macht geltend, der Wert der Beschwer des § 511 ZPO sei erreicht. Um die Auskunft, zu der er verurteilt worden ist, erteilen zu können, würden Kosten von jedenfalls 1000 EUR anfallen. Da Nigeria über kein geordnetes Postwesen verfüge, könnte Schriftverkehr nicht auf normalem Wege erledigt werden, sondern es müssten Kuriere benutzt werden, um die Post per Luftpost nach und von Deutschland zu befördern. Um die gemäß Ziff. 1. a, c geforderten Auskünfte und Belege beizubringen, müsse er die Lebensversicherungen und Banken anschreiben. Da er keine eigene Kenntnis und keine Unterlagen über die in Ziff.1. d geforderten Angaben zum Bodenwert, der angemessenen Verzinsung des Bodenwertes, der Restnutzungsdauer der in Portugal belegenen Immobilie habe, müsse er entsprechende Bewertungen in Portugal erstellen lassen. Der Antragsteller habe keine Verwandten in Deutschland, die Postangelegenheiten für ihn kostenfrei erledigen könnten. Wegen der von ihm im Einzelnen veranschlagten Kosten wird auf S.2/3 der Berufungsbegründung (Unterakte Güterrecht Bl.88f) verwiesen.

Der Antragsteller wendet sich mit der Berufung dagegen, dass das Amtsgericht die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe der Parteien nach deutschem Recht beurteilt hat. Rechtsfehlerhaft habe das Amtsgericht hier für die Bestimmung des Güterrechtsstatuts Art. 14 Abs.1 Nr. 3 EGBGB herangezogen. Diese Bestimmung greife nicht ein, da die Parteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt während der Ehe zuletzt in Nigeria gehabt hätten und der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt weiter dort habe, sei Art.14 Abs.1 Nr.2 EGBGB einschlägig. Im Übrigen könne der Auffassung des Amtsgerichts nicht gefolgt werden, die Parteien seien am engsten mit dem deutschen Recht verbunden, weil sie sich vor Beginn der Ehe auch in deutscher Sprache unterhalten hätten. Die Art der gewöhnlich geführten Unterhaltung sei - so behauptet er - in englischer Sprache gewesen, der Landeshauptsprache Nigerias. Maßgebliche Aspekte für die Annahme einer engsten Verbundenheit seien vor allem gemeinsame soziale Bindungen der Ehegatten an einen Staat durch Kultur, Sprache oder berufliche Tätigkeit, ferner durch den gemeinsamen Aufenthalt in einem Staat und gemeinsame objektiv feststellbare Zukunftspläne. Der Antragsteller sei von Beginn an der Ehe in Nigeria tätig gewesen, entsprechend der bei Eheschließung bestehenden Planung sei die Antragsgegnerin ihm dorthin gefolgt, als sie ihre Ausreisepapiere von den rumänischen Behörden erhalten hatte. Die Antragsgegnerin habe Nigeria 1998 verlassen, nachdem sie dort Primaten gepflegt habe, um in den USA ein Studium in diesem Bereich aufzunehmen und anschließend weiter in Nigeria mit Primaten zu arbeiten. Die Einbürgerung der Antragsgegnerin in Deutschland sei erst gewünscht worden, als die Parteien schon getrennt gewesen und die Antragsgegnerin in den USA gelebt habe. Die Voraussetzungen für eine Einbürgerung hätten auch gar nicht vorgelegen. Gegen eine engste Verbundenheit zur Bundesrepublik Deutschland spreche, dass die Eheleute die Ehe dort nicht hätten registrieren lassen.

Die Antragsgegnerin hält die Berufung mangels Erreichen der Beschwer für unzulässig. Sie stellt in Abrede, dass der Antragsteller seinen ständigen Wohnsitz noch in Nigeria hat, von Nigeria aus nicht selbst Schriftverkehr mit Banken führen könne und er die angeführten Kosten für einen Kurierdienst sowie Kosten für seinen Verfahrensbevollmächtigten zu verauslagen hätte.

Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, das Amtsgericht habe zu Recht § 14 Abs.1 Nr.3 EGBGB angewendet und zum Zeitpunkt der Eheschließung die engste Verbindung zum deutschen Recht angenommen. Die Parteien hätten durch die Ehe hinweg enge Bindungen zur deutschen Gemeinschaft in Nigeria aufrechterhalten. Vorliegend falle ins Gewicht, dass auch bei der Antragsgegnerin durch die Abstammung von ihrem deutschen Vater eine gelebte soziale Bindung zur deutschen Kultur, Sprache und Herkunft gegeben sei. Diese gemeinsame Bindung an den deutschen Staat werde noch unterstrichen durch das ehemalige Ziel der Parteien, die Einbürgerung der Antragsgegnerin in der Bundesrepublik Deutschland herbeizuführen.

Hilfsweise trägt sie zum geltend gemachten Anspruch nach nigerianischem Recht vor, die Ehewirkungen würden dem geltenden "englischen" Recht unterliegen. Nach den Art. 69-75 des Ehegesetzes von 1914 könne das Gericht im Scheidungsverfahren die vermögensrechtliche Auseinandersetzung der Ehegatten regeln. Da das nigerianische Recht eine Vermögensauseinandersetzung vorsehe, habe zuvor zwingend eine Auskunftserteilung zu erfolgen, damit ein Antrag zur Vermögensauseinandersetzung gestellt werden könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II. 1. Die Berufung ist zulässig.

Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO). Der nach § 511 Abs.2 Nr.1 ZPO erforderliche Wert der Beschwer ist gegeben.

Der Wert der Beschwer eines zur Auskunft verurteilten Beklagten bemisst sich nach seinem Interesse, die Auskunft nicht erteilen zu müssen; hierfür ist in der Regel der Aufwand an Zeit und Kosten maßgebend, den die Auskunftserteilung verursacht (BGH NJW 1999,3049 m.w.N.). Die Frage, ob der Antragsteller noch in Nigeria wohnhaft ist, ist insoweit nicht erheblich. Denn auch wenn keine Kurierkosten und Kosten für die Zwischenschaltung seines Rechtsanwalts anfallen, so ist nachvollziehbar dargelegt, dass der Antragsteller folgende Kosten aufwenden muss, um die Auskunft erteilen zu können:

 Gerichtskosten für Grundbuchauszug aus Portugal15,00 EUR
Übersetzungskosten (Grundbuchauszug)139,20 EUR
Bodenwertgutachten400,00 EUR
Übersetzungskosten (Gutachten) 139,20 EUR
Saldenbestätigungen20,00 EUR
 713,40 EUR

Diese Kosten sind von der Antragsgegnerin auch gar nicht in Abrede gestellt worden.

2. Die Berufung ist unbegründet.

Die wegen der Auslandsberührung in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfenden internationale Zuständigkeit der deutschen Gericht hat das Amtsgericht als sogenannte Annexzuständigkeit zutreffend bejaht.

Das Amtsgericht hat den Auskunftsanspruch im Ergebnis zu Recht nach deutschem Recht beurteilt.

Gemäß Art. 220 Abs. 3 S.5 EGBGB findet auf die 1984 geschlossene Ehe der Parteien Art. 15 EGBGB in der am 1.09.1986 in Kraft getretenen Neufassung durch das IPRG Anwendung. Da Art. 15 Abs.1 EGBGB bestimmt, dass - sofern die Parteien, wie hier, keine Rechtswahl getroffen haben - die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe dem Recht unterliegen, dass für die allgemeinen Wirkungen der Ehe zum Zeitpunkt der Eheschließung maßgeblich ist, kommt von den in Art. 14 Abs 1 Nr. 2 EGBGB vorgesehenen alternativen Anknüpfungen nur die erste Alternative in Betracht. Wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, hatten zum Zeitpunkt der Eheschließung am 7.06.1984 nicht beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Nigeria, greift also Art. 14 Abs.1 Nr.2 EGBGB nicht ein, so dass hier nur die hilfsweise Anknüpfung nach Nr. 3 der genannten Vorschrift in Betracht kommt. Nach dem deutschen Internationalen Privatrecht (IPR) ist also für die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe das Recht anwendbar, mit dem die Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung auf andere Weise am engsten verbunden waren.

Der Beurteilung des Amtsgerichts, dies sei das deutsche Recht, vermag der Senat nicht zu folgen. Das Amtsgericht hat hier allein den Aspekt der Sprache, in der die Parteien sich zum Zeitpunkt der Eheschließung verständigt haben, in Betracht gezogen. Dass dies die deutsche Sprache war, hat es zwar zutreffend ausgeführt. Dies ist aber hier nicht der ausschlaggebende Aspekt.

Nach ganz herrschender Auffassung (Palandt/Heldrich, 65. Aufl. Art. 15 EGBGB Rn 19; Münchner Kommentar/Siehr, 4. Aufl. IPR, Art. 15 EGBGB, Rn 20; Staudinger/Mankowski, 2003, EGBGB/IPR Art. 15, Rn 37; Henrich, Internationales Familienrecht,2000, S.95), die sich auf die Ausführungen des Rechtsausschusses (BT-Drucksache 10/5632 S.41) stützt, kann die engste Verbundenheit der Ehegatten zu einem Staat insbesondere in Bezug auf Art. 15 EGBGB durch objektiv feststellbare konkretisierte und verbindliche Zukunftsplanung, wie die beabsichtigte Begründung eines (ersten) gemeinsamen Wohnsitzes in einem Staat, gegeben sein. Im Bericht des Rechtsausschusses zu Art. 14 Abs.1 Nr.3 EGBGB im Anschluss an die Begründung des Regierungsentwurfs sind mögliche Anwendungsfälle für die Annahme einer engsten Verbindung zu einem Staat genannt. Es wird dort vor der Begründung, warum der Rechtsausschuss sich dazu entschlossen hat, nur den allgemeinen Grundsatz festzuschreiben und der danach folgenden Nennung möglicher Anwendungsfälle, angeführt, dass die Regelung des Art. 14 Abs 1 Nr. 3 EGBGB praktische Bedeutung besonders deshalb habe, weil Art. 15 Abs.1 EGBGB auf sie Bezug nimmt; da diese Bestimmung unwandelbar auf den Zeitpunkt der Eheschließung abstelle, könnten hier jeweils die vergangenheitsbezogenen Stufen der Anknüpfungsleiter nicht eingreifen, so dass Art. 14 Abs.1 Nr.3 EGBGB hier besonders wichtig sei. Der Antragsgegnerin ist zwar zuzugeben, dass keine bestimmte Rangfolge mit der Aufzählung der Anwendungsfälle vorgenommen wurde, jedoch spricht in Zusammenhang mit der vorzitierten Erläuterung die Formulierung

"Gemeinsame Verbundenheit durch objektiv feststellbare Zukunftsplanung beider Ehegatten, insbesondere im Hinblick auf Art. 15 Abs.1 EGBGB:

- beabsichtigte Begründung einer gemeinsamen Staatsangehörigkeit (...)

- beabsichtigte Begründung eines (ersten) gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltes in einem Staat ("erster ehelicher Wohnsitz")."

dafür, dass diesen Aspekten für die Annahme einer gemeinsamen engsten Verbundenheit der Ehegatten bezüglich der Anknüpfung für das bei Eheschließung maßgebliche Güterrecht besondere Bedeutung zukommen soll.

Unstreitig ist, dass nach der Planung beider Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung die Übersiedlung der Antragsgegnerin nach Nigeria beabsichtigt war, wo sich der Antragsteller schon mindestens 2 Jahre aufhielt und seine Arbeitsstelle hatte, und dort der erste eheliche Wohnsitz für längere Zeit begründet werden sollte.

Soweit die Antragsgegnerin anführt, die Parteien hätten die Begründung einer gemeinsamen deutschen Staatsangehörigkeit geplant gehabt, so ist von ihr nichts dafür dargelegt worden, dass dies zum Zeitpunkt der Eheschließung am 07.06.1984, auf den es für die Beurteilung der engsten Verbundenheit ankommt, beabsichtigt war. Der Antragsgegner hat unwidersprochen vorgetragen, dass die Einbürgerung erst erstrebt wurde, nachdem die Antragsgegnerin in die USA gegangen war. Die von der Antragsgegnerin für die von beiden Parteien erstrebte Einbürgerung angeführte Korrespondenz aus 1999 und 2000 ergibt nichts für eine zum Zeitpunkt der Eheschließung dazu vorhandene Planung.

Auch daraus, dass der Vater der Antragsgegnerin als Vertriebener anerkannt und Deutscher im Sinne von § 116 Abs.1 GG war, folgt keine gemeinsame soziale Bindung der Parteien an die Bundesrepublik Deutschland. Eine gelebte soziale Bindung der Antragsgegnerin an Deutschland durch Herkunft und Kultur gab es zum Zeitpunkt der Eheschließung nicht. Wie ihrem persönlich verfassten Schreiben an das Amtsgericht vom 25.01.2001 zu entnehmen ist, ist sie nicht zusammen mit ihrem Vater aufgewachsen - die Ehe ihrer Eltern war 1953, in ihrem Geburtsjahr geschieden worden - sondern bei ihrer Mutter, nicht in einem deutschen Umfeld. Dafür, dass sie nach der Aussiedlung ihres Vaters nach Deutschland Kontakt zu diesem gepflegt hat, ist nichts dargelegt. Allein das spätere Erlernen der deutschen Sprache hat nicht zu einer sozialen Bindung an die Bundesrepublik Deutschland geführt. Bei der Annahme einer sozialen Bindung kommt es auf die drei Aspekte Herkunft, Kultur, Sprache zusammen an.

Nach alledem erscheint dem Senat hier aufgrund der geplanten Begründung des gemeinsamen ersten ehelichen Wohnsitzes in Nigeria, der für längere Dauer dort sein sollte, zum Zeitpunkt der Eheschließung die engste Verbundenheit zu dem Recht dieses Staates gegeben.

Verweist das deutsche IPR auf das Recht eines anderen Staates, so ist nach Art. 4 Abs.1 S.1 EGBGB auch dessen Internationales Privatrecht anzuwenden, sofern dies nicht dem Sinn der Verweisung widerspricht.

Der Senat folgt nicht der von einem Teil der Literatur vertretenen Auffassung (Palandt/Heldrich, BGB, 65. Aufl., Art. 4 EGBGB Rn 8 mit weiteren Nachweisen von Vertretern dieser Auffassung und der Gegenauffassung), die Beachtung einer Rück- oder Weiterverweisung sei bei der Maßgeblichkeit des Rechts der gemeinsamen engsten Verbindung ausgeschlossen, sondern ist der Auffassung (s.a. Rauscher, Internationales Privatrecht, 2002, S.77; MünchnerKommentar/Sonneberger, EGBGB, 4. Aufl. 2006, Art.4, Rn 29; Staudinger/Mankowski, 2003, EGBGB Art. 14, Rn 96,97 m.w.N. ; Kropholler, IPR, 6. Aufl., § 24 II 2 a S. 170), dass bei der Anknüpfung an die engste Verbindung dem Sinn der Verweisung nicht widersprochen wird, wenn es bei der Anknüpfung an die engste Verbindung um eine subsidiäre Anknüpfung auf einer unteren Stufe geht, wie bei der hilfsweisen Anknüpfung nach Art. 14 Abs.1 Nr.3 EGBGB. Denn das deutsche IPR gibt in diesem Fall zu erkennen, dass die Suche nach der hilfsweise engsten Verbindung nur eine Notlösung ist, die nicht beanspruchen kann, einen besonders qualifizierten Sinn zu verwirklichen. Es wäre merkwürdig, ausgerechnet bei der letzten Sprosse einer Anknüpfungsleiter, von der aus andere Rechtsordnungen von vornherein die lex fori berufen, auf der Anwendbarkeit eines fremden Rechts zu beharren, das selber gar nicht angewendet werden will (Kropholler, aaO.).

Eine durch das IPR des zur Anwendung berufenen Rechts vorgenommene Rückverweisung auf das deutsche Recht ist also hier zu beachten.

In Nigeria gelten im Bereich des Familienrechts die Gesetze, die während der Kolonialzeit in Großbritannien speziell für Nigeria erlassen wurden, daneben die aus dem englischen Recht übernommenen sowie die seit der Unabhängigkeit (1.10.1960) erfolgte Gesetzgebung. Die Rezeption englischen Rechts beruht auf gesetzlichen Anordnungen, generell durch § 45 des "Law (Miscellaneous Provisions) Act" von 1964 oder speziell durch besondere Gesetze wie § 4 des "Regional Courts (Federal Jurisdiction) Act" für das Ehe- und Scheidungsrecht (abgedruckt in IPG 1972, Nr.18 (Köln), 150, 152), die zugleich einen Vorbehalt zugunsten des nigerianischen Rechts machen. 1990 ist das Recht der Bundesrepublik Nigeria überarbeitet und zusammengefasst worden in "The Revised Edition (Laws of the Federation of Nigeria 1990), dort sind die am 31.1.1990 geltenden Gesetze, bezeichnet als "Acts", fortlaufend in 471 Kapiteln (chapters) aufgeführt (abrufbar unter www.nigeria-law-org.). Chapter 218 beinhaltet den Marriage Act (von 1914 mit nachfolgenden Änderungen), in dem vorwiegend die formellen Voraussetzungen für die Eheschließung niedergelegt sind und Chapter 220 den Matrimonial Causes Act von 1970, in dem die Auflösung, Aufhebung, Nichtigerklärung der Ehe, gerichtliche Anordnung zum Getrenntleben u.ä. geregelt sind.

Der Marriage Act (abgedruckt in Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Länderteil Nigeria S. 21ff) enthält keine Bestimmungen, dass die Eheschließung sich "güterrechtlich" auswirkt. Einen Güterstand im Sinne des deutschen Rechts gibt es im englischen Recht - das, wie dargelegt, in Nigeria rezipiert wurde - nicht. Die Eheschließung lässt die vermögensrechtlichen Verhältnisse unberührt (Bergmann/Ferid, Länderteil Großbritannien, S.65).

Art. 72 des nigerianischen Matrimonial Causes Act statuiert die Befugnis des Gerichts, in Verfahren nach diesem Act, Anordnungen zur Aufteilung von Vermögen der Eheleute zu treffen. Das nigerianische Recht hat mit dem Common Law auch die Regeln des englischen internationalen Privatrechts übernommen. Kollisionsregelungen für das bei Scheidungen monogamer Ehen anwendbare Recht sind in Nigeria - soweit ersichtlich - gesetzlich nicht festgelegt (vgl. Gutachten zum Internationalen und Ausländischen Privatrecht - IPG - 1972, Nr. 18, - Köln - S. 150,154; IPG 1996, Nr.32 - Köln - S. 421,425). Da es ein eheliches Güterrecht wie im deutschen Recht nicht gibt, existieren auch diesbezüglich keine gesetzlich festgelegten Kollisionsregeln. Der Matrimonial Causes Act 1970 enthält keine solchen Normen. Es ist daher auf die Kollisionsregeln des rezipierten englischen Rechts zurückzugreifen. Dieses enthält ebenfalls keine ausdrückliche Kollisionsnorm für die Scheidung. Es hat sich dort der Grundsatz herausgebildet, dass die englischen Gerichte nur entscheiden, ob sie "jurisdiction" haben. Hat ein Gericht seine "jurisdiction" einmal bejaht, dann wendet es das eigene materielle Scheidungsecht an (IPG 1972, Nr. 18, S.155) . Der nigeranische Matrimonal Causes Act ordnet dies in Art. 8 (Law to be applied) an: "Die durch dieses Gesetz auf ein Gericht übertragene Zuständigkeit soll nach diesem Gesetz ausgeübt werden ..." (vgl. IPG 1972, Nr. 18, S. 155, Fußnote 20). Die englischen Gerichte wenden hier das eigene Recht als lex fori und nicht als lex domicilij an (IPG 1972, Nr. 18, S.155). Verweist das deutsche IPR im Wege der Gesamtverweisung auf eine Rechtsordnung, die in bestimmten Materien immer die lex fori anwendet, so wird ein solches - wenn auch nicht bewusst - kollisionsrechtliches Verhalten als Kollisionsnorm interpretiert. (Rauscher, Internationales Privatrecht, S.81). In der Annahme, wenn die fremde Rechtsordnung die Anwendung der lex fori für angemessen hält, so würde sie auch die Anwendung der lex fori durch deutsche Gerichte für angemessen halten, wenn - aus der Sicht der fremden Rechtsordnung - deren Zuständigkeit für diese Materie gegeben ist, d.h. wenn grundsätzlich die Entscheidungen in der betreffenden Materie von Gerichten dieses Staates in dem fremden Staat anerkannt werden, wird von einer versteckten Rückverweisung ausgegangen (Rauscher, aaO., S.81f; Kropholler, Internationales Privatrecht, 6. Aufl. S. 181; Johannsen/Henrich, Eherecht, 4. Aufl. Art. 17 EGBGB Rn 18, IPG 1972 Nr.18, S. 156).

Nach Art. 81 Abs. 2 a) des nigerianischen Matrimonial Causes Act (in deutscher Übersetzung s. IPG 1972 Nr. 18. S.157) soll die Auflösung einer Ehe, die in Übereinstimmung mit dem Recht eines fremden Staates erfolgt ist, in Nigeria als gültig angesehen werden, wenn zu Beginn des Verfahrens, das zur Auflösung der Ehe geführt hat, die Partei, auf deren Betreiben die Auflösung oder Nichtigerklärung erfolgte (oder wenn sie auf Betreiben beider Parteien erfolgt, einer dieser Parteien) in diesem fremden Staat domiliziert war. Wenn auch Art. 81 ausdrücklich nur die Anerkennung einer Entscheidung eines ausländischen Gerichts über die Auflösung oder Nichtigerklärung einer Ehe behandelt, so kann doch davon ausgegangen werden, dass das nigerianische Recht eine Zuständigkeit des ausländischen Gerichts auch insoweit anerkennt, als es um im Zusammenhang mit der Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe zu treffende Entscheidungen über die vermögensrechtlichen Folgen geht, über die, würde ein nigerianisches Gericht über die Auflösung oder Nichtigerklärung entscheiden, dieses nach Art.72 des Matrimonial Causes Act auch zu entscheiden hätte.

Der englische Begriff des domicile, der im nigerianischen Recht gilt - wobei neuere Reformen im Domizilrecht Englands in Nigeria keine Wirkung haben (Bergmann/Ferid, aaO., Länderteil Nigeria S. 9) - ist wesentlich enger als der deutsche Begriff des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes. Domicile bedeutet die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Rechtsgebiet. Jede Person hat ein derartiges domicile und kann zur selben Zeit nur eines haben. Das englische Recht unterscheidet zwischen dem durch Geburt erworbenen "domicile of origin" und einem später freiwillig erworbenen Wahldomizil, dem "domicile of choice". Sein "domicile of origin" kann nur verlieren, wer ein neues "domicile of choice" erwirbt. Letzteres kann eine volljährige Person dadurch erwerben, dass sie sich in einem fremden Land niederlässt (factum of residence) mit der Absicht, dort für immer zu bleiben (animus manendi) und nicht mehr auf Dauer in das Land des bisherigen Domizils zurückzukehren (IPG 1972 Nr.18, S. 161; IPG 1996, Nr.32, S.426). An die Darlegung dieser Voraussetzung stellt das Common Law hohe Anforderungen (IPG 1972, aaO.; Bergmann/Ferid, aaO., Länderteil Nigeria, S. 9). Es sind alle Umstände zu berücksichtigen, die auch nur entfernt auf das Vorhandensein oder Fehlen einer solchen Absicht schließen lassen. Die Vermutung spricht für die Beibehaltung des bisherigen "domicile", insbesondere, wo das neue Domizil im Ausland liegen würde. Feste Regeln, aus welchen Tatsachen auf den "animus manendi/non revertendi" geschlossen werden kann, gibt es nicht. Langjähriger Aufenthalt ist in keinem Fall allein ausreichend. Gegen die Absicht kann sprechen eine rein berufliche Motivation, starke Unterschied in Religion, Lebensweise, Sitten usw. gegenüber dem bisherigen Domizil (IPG 1972, Nr.18 aaO.).

Dass der Antragsteller für sein restliches Leben in Nigeria bleiben und nicht mehr auf Dauer nach Deutschland zurückkehren will, dafür sind keine Anhaltspunkte gegeben. Er ist aus beruflichen Gründen nach Nigeria gegangen, nach seiner Darstellung war bei Eheschließung der Aufenthalt bis zu seiner Verrentung beabsichtigt. Er hat offenbar auch einen Wohnsitz in Deutschland beibehalten. In der gegenüber dem U.S. Departement of Justice abgegebenen Erklärung vom 4.08.2000, in der er sich zur Unterhaltung der Antragsgegnerin während deren Aufenthaltes in den USA verpflichtet hatte, ist als Aufenthaltsort eine Anschrift in Deutschland angegeben. Auch der Umstand, dass er ein Haus in Portugal erworben hat, deutet nicht darauf hin, dass er dauerhaft in Nigeria bleiben will. Dass ihm am 26.04.2006 erneut ein "resident permit" erteilt wurde, besagt nicht, dass er für alle Zeiten in Nigeria bleiben will.

Da der Antragsteller kein "domicile of choice" im Sinne des englischen Rechts in Nigeria hat, so dass sein "domicile of origin" (Deutschland) weiterhin besteht, wäre eine jurisdiction der Gerichte in Nigeria für ein Verfahren auf Eheauflösung und folglich für Anordnungen in Bezug auf das Vermögen nach Art. 72 des nigerianischen Matrimonal Causes Act nicht gegeben. Denn ein Verfahren auf Eheauflösung nach dem Matrimonial Causes Act kann nach dessen Art. 2 Abs.2 nur von Personen eingeleitet werden, die ihr domicile in Nigeria haben. In Anbetracht des fehlenden domicile des Antragstellers in Nigeria und fortbestehenden "domicile of origin" in Deutschland, ist aus der Sicht des nigerianischen Rechts die Zuständigkeit der deutschen Gerichte gegeben.

Wenn ausländische Gerichte, die für bestimmte Materien stets die lex fori anwenden, ihre Zuständigkeit davon abhängig machen, dass der Antragsteller sein domicile (in dem zuvor dargestellten Sinn) in ihrem Staat hat, dann kann angenommen werden, dass in dem Fall, wenn kein domicile des Antragstellers in dem fremden Staat besteht, sondern das "domicile of origin" in Deutschland gegeben ist, so dass die fremden Gericht mangels Zuständigkeit nicht zur Entscheidung berufen sind, die Anwendung des deutschen Rechts dem Sinn und Grundgedanken des fremden Kollisionsrechts entspricht, was zur Feststellung einer Rückverweisung genügt (Kropholler, aaO., S.179f). Es ist danach davon auszugehen, dass das nigerianische Rechts für die vorliegende Fallkonstellation eine Rückverweisung auf das deutsche Recht beinhaltet.

Die Feststellungen des Amtsgerichts, dass die Voraussetzungen eines Auskunftsanspruchs nach § 1379 BGB in dem von der Antragsgegnerin verlangten Umfang vorliegen, sind mit der Berufung nicht angegriffen worden.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

Ende der Entscheidung

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