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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 02.06.2008
Aktenzeichen: 3 Ws (B) 38/08
Rechtsgebiete: Krw-/AbfG


Vorschriften:

Krw-/AbfG § 3 Abs. 1
Krw-/AbfG § 3 Abs. 3 Nr. 2
Krw-/AbfG § 3 Abs. 4
Krw-/AbfG § 27 Abs. 1
Krw-/AbfG § 61
Krw-/AbfG § 61 Abs. 1 Nr. 1
Krw-/AbfG § 61 Abs. 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Beschluss

Geschäftsnummer: 2 Ss 239/07 - 3 Ws (B) 38/08

In der Bußgeldsache

wegen Verstoßes gegen das Kreislaufwirtschafts-Abfallgesetz

hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Kammergerichts in Berlin am 2. Juni 2008 beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 13. Juli 2007 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Gründe:

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen vorsätzlicher Zuwiderhandlung gegen §§ 27 Abs. 1, 61 Abs. 1 Nr. 1 des Kreislaufwirtschafts-Abfallgesetzes (nachfolgend: Krw-/AbfG) zu einer Geldbuße von 600.--Euro verurteilt. Gegen dieses Urteil hat der Betroffene Rechtsbeschwerde eingelegt und die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

Die Verfahrensrügen sind, weil nicht ausgeführt, zwar unzulässig, jedoch dringt die Sachrüge durch.

Die Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen die Bestimmungen über den Umgang mit Abfällen nicht.

Nach § 3 Abs. 1 Krw-/AbfG gelten als Abfälle alle in Anhang I dieses Gesetzes aufgeführten beweglichen Sachen, deren sich der Besitzer entledigen will (gewillkürter Abfall - sog. subjektiver Abfallsbegriff) oder entledigen muss (Zwangsabfall - sog. objektiver Abfallsbegriff). Das für den subjektiven Abfallbegriff konstitutive Merkmal des Entledigungswillens entnimmt § 3 Abs. 3 Nr. 2 Krw-/AbfG hierbei dem Umstand, dass nach Auffassung des Erzeugers oder Besitzers unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung die ursprüngliche Zweckbestimmung der Sachen ersatzlos entfallen oder aufgegeben worden ist, während nach § 3 Abs. 4 Krw-/AbfG von einem den objektiven Abfallbegriff prägenden Zwang zur Entledigung auszugehen ist, wenn die Sachen nicht mehr entsprechend ihrem ursprünglichen Verwendungszweck verwendet werden können und auf Grund ihres Zustandes geeignet sind, gegenwärtig oder künftig das Wohl der Allgemeinheit, insbesondere die Umwelt zu gefährden.

Diese Fiktionen können im Bußgeldverfahren aber nur als Anhaltspunkt bei der Auslegung und Beweiswürdigung dienen und den positiven Nachweis der Voraussetzungen eines nach § 61 Krw-/AbfG ordnungswidrigen Verhaltens nicht entbehrlich machen. Es bedarf stets der Feststellung von Tatsachen, auf denen die richterliche Überzeugung basiert, dass die Tatobjekte tatsächlich Abfall, insbesondere gewillkürter Abfall gewesen sind, weil sich der Betroffenen ihrer entledigen wollte [vgl. OLG Köln VRS 103, 207], und der die Annahme fahrlässigen oder vorsätzlichen Handelns tragenden Umstände. Diese sind so ausführlich in den Urteilsgründen darzulegen, dass dem Rechtsbeschwerdegericht die Prüfung auf Rechtsfehler ermöglicht wird.

Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Es ist bereits nicht eindeutig ersichtlich, ob und welche Gegenstände das Amtsgericht dem subjektiven bzw. objektiven Abfallbegriff zugeordnet hat. Da es sich bei den auf dem Grundstück des Betroffenen verstreut festgestellten Ablagerungen von 5m³ um alte Bekleidung und Wäsche, einen defekten Egometer, eine defekte Kasse bzw. Schreibmaschine, ein defektes und beschädigtes Boot, diverse defekte Fenster, 4m³ Bauholzabfälle, eine am Haus befindliche Markise und Hausmüll gehandelt haben soll, versteht sich die Zuordnung auch nicht von selbst. Darüber hinaus legen die Urteilsausführungen nahe, dass die Tatrichterin im Hinblick auf die Fiktion des Entledigungswillens eine nähere Auseinandersetzung mit der Einlassung des Betroffenen für entbehrlich gehalten und die Gegenstände bereits deshalb als Abfall eingestuft hat, weil der Betroffene das Grundstück nicht genutzt habe, das alte Gebäude abreißen und neu bauen lassen wollte, so dass die Zweckbestimmung der Gegenstände ersatzlos entfallen oder aufgegeben worden sei. Dies indes ist rechtsfehlerhaft. Die Generalstaatsanwaltschaft weist in ihrer Stellungnahme zu Recht darauf hin, dass der Abriss des Gebäudes und die weitere Verwendbarkeit der Gegenstände in keinem offensichtlichen inneren Zusammenhang stehen und allein die Bezeichnung als Müll eine andere Verwertbarkeit der Sachen wie beispielsweise als Verfüllmaterial nicht ausschließt [vgl. OLG Köln a.a.O.]. Dass der Lack der Fensterrahmen abgeplatzt war, beeinträchtigt deren Verwertbarkeit nicht. Ebenso wenig rechtfertigt allein die Feststellung, das Boot sei unsachgemäß gelagert und beschädigt und die übrigen Gegenstände seien defekt gewesen, ohne nähere Ausführungen zu Art und Umfang der Beschädigungen die Annahme eines dahingehenden Entledigungswillens. Dies gilt auch für die Markise, sofern sie - was das Urteil nicht ausweist - nicht mit dem Haus verbunden ist.

Soweit die Tatrichterin im Hinblick auf den Zustand der Gegenstände und deren ungeordnete Lagerung von einer Beeinträchtigung des Ortsbildes und damit des Wohles der Allgemeinheit ausgegangen ist, fehlen nähere Ausführungen zur Art und Weise der Lagerung, der Lage und Ausgestaltung des Grundstückes und seiner Umgebung. Ohne diese Angaben aber kann nicht beurteilt werden, ob der Anblick eine erhebliche Beeinträchtigung der Allgemeinheit oder nur eine Störung einzelner darstellt.

Der Senat hebt daher das angefochtene Urteil auf und verweist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung mit dem Hinweis an das Amtsgericht zurück, dass allenfalls eine Ordnungswidrigkeit nach § 61 Abs. 1 Nr. 2 Krw-/AbfG in Betracht kommen dürfte, weil sich § 61 Abs. 1 Nr. 1 Krw-/AbfG nur auf Abfälle zur Verwertung bezieht, die tatsächlich nicht verwertet werden.

Ende der Entscheidung

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