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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 16.05.2007
Aktenzeichen: 3 Ws 72-73/06
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 359 Nr. 5 |
Geschäftsnummer: 3 Ws 72-73/06
In der Strafsache gegen
wegen Betruges
hat der 3. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 16. Mai 2007 beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerden des Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 14. Dezember 2005 (sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung des Wiederaufnahmeantrags als unzulässig; Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf Bestellung von Rechtsanwalt S. als Verteidiger für die Vorbereitung des Wiederaufnahmeverfahrens) werden verworfen.
Der Verurteilte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
Das Landgericht Berlin hat den Beschwerdeführer am 4. September 2003 - rechtskräftig aufgrund Revisionszurücknahme der Staatsanwaltschaft seit dem 12. März 2004 - wegen Betruges in 45 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und ihm für die Dauer von zwei Jahren die Berufsausübung als Rechtsanwalt verboten. Nach den Urteilsfeststellungen hat er zusammen mit B. und I. als Mittätern bewirkt, dass geworbene Einzahler in 45 Fällen der von B. und I. beherrschten Gesellschaft In. AG Geldbeträge von 50.000 Euro und mehr in der Erwartung zur Verfügung stellten, das Geld werde - wegen Absicherung durch eine Grundschuld ohne Verlustrisiko - eingesetzt, um unter Ausnutzung des internationalen Zinsgefälles hohe Gewinne zu erzielen, und zwar faktisch hinauslaufend auf einen sich selbst finanzierenden Millionenkredit, wohingegen tatsächlich, wie von vornherein eingeplant, B. und I. die eingehenden Beträge zweckentfremdeten und die Grundschulden mangels ausreichender Werthaltigkeit wie auch mangels formgerechter Übertragung keine Sicherheit für den Einsatz boten. Nach den Urteilsfeststellungen fungierte der damalige Angeklagte, um durch seine berufliche Eigenschaft als Rechtsanwalt den Einzahlern das Gefühl von Seriosität und Sicherheit zu geben, als amtierender Treuhänder, bei dem einzuzahlen war und der, was nur gegen die Sicherheit hätte geschehen dürfen, das Geld auf Abruf von I. oder B. freigab, wobei er, ab dem ersten Fall zumindest für möglich hielt und billigend in Kauf nahm, dass die Gelder zweckentfremdet und die Grundschulden wegen Wertlosigkeit keine Sicherheit bieten würden, und er wusste, dass die Teilabtretung der Grundschuldbriefe nicht rechtlich wirksam bewirkt wurde.
Der Beschwerdeführer hat sich vor dem Landgericht als Angeklagter zunächst nicht zur Sache eingelassen. Nach teilweiser Durchführung der Beweisaufnahme hat er die Anklagevorwürfe, wie es in den Urteilsgründen heißt, "pauschal eingeräumt". Die Strafkammer ist dem Geständnis des damaligen Angeklagten "aufgrund des bisherigen Ergebnisses der übrigen Beweisaufnahme" (LG UA S. 29) gefolgt. In den Strafzumessungserwägungen hat sie im Urteil ausgeführt: "Ferner war zugunsten des Angeklagten sein Geständnis zu berücksichtigen. Allerdings erfolgte dies erst nach vorangeschrittener Beweisaufnahme, was seinen Wert relativiert."
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht den Antrag des Verurteilten vom 1. August 2005 auf Wiederaufnahme des Verfahrens als unzulässig abgelehnt. Auch hat es seine Anträge auf Aufschub oder Aussetzung der Strafvollstreckung, auf Feststellung einer Entschädigungspflicht für Strafverfolgungsmaßnahmen sowie auf Bestellung von Rechtsanwalt S. als Verteidiger für die Vorbereitung des Wiederaufnahmeverfahrens abgelehnt.
Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen die Verwerfung des Wiederaufnahmeantrags als unzulässig und seine Beschwerde gegen die Ablehnung der beantragten Bestellung des Rechtsanwalts S. als Verteidiger bleiben ohne Erfolg. Die übrigen vom Landgericht vorgenommenen Antragsablehnungen stehen nicht zur Überprüfung, weil die Anträge ersichtlich nur für den - nicht eingetretenen - Fall des Durchgreifens des Wiederaufnahmeantrags gestellt sind.
1. Das Landgericht hat den Wiederaufnahmeantrag mit Recht für unzulässig befunden.
Der Verurteilte nimmt in dem Wiederaufnahmeantrag von dem vor dem Landgericht abgelegten Geständnis Abstand und stellt sich als ahnungslos von Kriminellen zu deren Zwecken, nämlich als Aushängeschild für - in Wahrheit nicht vorhandene - Seriosität, missbrauchtes Opfer dar. Er macht - sein Vorbringen auf den Kern gebracht - geltend, ihm habe bei seiner mit Bezug zu der In. AG entfalteten Tätigkeit nichts für die Verfolgung betrügerischer Absichten Sprechendes vorgelegen. Die Werthaltigkeit der zur Besicherung der Einzahlungssumme bestimmten Grundschulden habe für ihn nicht in Frage gestanden. Er habe die Liegenschaften nicht gekannt, die Wertgutachten nicht zu überprüfen vermocht und von Unwirksamkeit der Teilgrundschuldübertragungen nichts gewusst. All das breitet er näher aus und beruft sich vor allem auf namhaft gemachte Zeugen.
In dem - in der Beschwerdebegründung ausdrücklich so bezeichneten - Widerruf des in der Hauptverhandlung abgelegten Geständnisses des Verurteilten liegt eine neue Tatsache, die keines Beweises bedarf, weil die Widerrufserklärung Tatsache und Beweis zugleich ist. Es handelt sich aber nicht um eine im Sinne des § 359 Nr. 5 StPO allein oder in Verbindung mit früher erhobenen Beweisen die Freisprechung des Angeklagten zu begründen geeignete Tatsache. Die Würdigung des Geständnisses in den Gründen des landgerichtlichen Urteils lässt erkennen, dass es für die Strafkammer keine für die Schuldfeststellungen ausschlaggebende Bedeutung gehabt hat. Der kritische Hinweis auf den durch die späte Ablegung erst nach vorangeschrittener Beweisaufnahme relativierten Wert des Geständnisses kann nach dem Zusammenhang nicht anders verstanden werden denn als Hinweis darauf, dass es aus der Sicht der erkennenden Strafkammer die Wahrheitsfindung weder überhaupt erst erschlossen noch auch nur nennenswert verkürzt hat, vielmehr diese ohnehin schon in die Richtung der Verurteilung lief, gestützt auf das Ergebnis der umfangreichen Beweisaufnahme im Übrigen.
Gleichwohl hat das Geständnis im Blick auf den Angeklagten natürlich hohe Bedeutung als Besiegelung des belastenden Ergebnisses der Beweisaufnahme durch ihn selbst und folgt daraus, dass er sich nicht einfach willkürlich davon lossagen kann. In einem wie hier auf den Widerruf eines früheren Geständnisses gestützten Wiederaufnahmeantrag muss der Verurteilte darlegen, aus welchen Gründen er früher die Unwahrheit gesagt hat, und weshalb er das Geständnis erst jetzt widerruft. Nur bei Ausführung eines nach der Sachlage einleuchtenden Motivs für das behauptete Falschgeständnis und einer einleuchtenden, mit den nach Aktenlage erkennbaren Umständen zu vereinbarenden Begründung für eine wahrheitswidrige Selbstbelastung kann der hochgradig gegen den Angeklagten sprechende Beweiswert eines in der Hauptverhandlung abgelegten Geständnisses erschüttert werden (vgl. Kammergericht, Beschluss vom 22. Januar 1999 - 5 Ws 680/98 - Juris). Der Antragsteller hat hier aber nicht plausibel gemacht, weshalb die Selbstbelastung vor dem Landgericht durch das Geständnis wahrheitswidrig gewesen sein soll.
Der Antragsteller macht geltend und führt dies in der Beschwerdebegründung vertieft aus, es habe sich um ein - seiner damals bedrückenden und ihm ausweglos erscheinenden Zwangslage geschuldetes - so genanntes Erschöpfungsgeständnis gehandelt. Er bringt - zurückgeführt auf den Kern des Wesentlichen - vor: Mit der Anordnung der Untersuchungshaft habe er sich ungeachtet seiner gezeigten Kooperationsbereitschaft gerade, was die Annahme der Fluchtgefahr betraf, unberechtigt strenger Auslegung der Bestimmungen konfrontiert gesehen. Auch habe er durch eine diskreditierende, ihn in der Öffentlichkeit und seinem Bekanntenkreis in das Licht des Millionenbetruges an Mandanten setzende Presseerklärung der Staatsanwaltschaft unter Druck gestanden. Wegen seiner Verteidigung habe er in Unsicherheit geschwebt. Es habe wegen der Honorierung seiner damaligen beiden Verteidiger Probleme gegeben, aufgrund deren zu besorgen gewesen sei, sie würden überhaupt nicht antreten oder nicht gut genug vorbereitet. Selbst habe er an Einnahmen aus seiner von einem amtlichen Vertreter geführten Anwaltspraxis nicht herankommen können. Im Rahmen der Hauptverhandlung, ohne die Möglichkeit zur eigenen Recherche oder Rückfrage, habe er für sich gesehen, dass er es nicht mehr schaffen werde, noch alles beweisbar zusammenzutragen, was er zu seiner Entlastung in das Verfahren habe einführen wollen, und sei zu der Auffassung gelangt, dass es ihm nur außerhalb des Strafverfahrens gelingen könne, alle entlastenden Tatsachen zu ermitteln und beweisbar zu machen. Er habe noch mit langer, inhaftiert zu durchstehender Verhandlungsdauer gerechnet und habe sich schließlich vom Nachgeben durch ein durch den Verteidiger erklärtes, bloß pauschal die Richtigkeit der Anklagevorwürfe einräumendes Geständnis eine milde Strafe versprochen.
Das sind keine Darlegungen, aufgrund deren einleuchten könnte, dass die von dem Antragsteller als Angeklagten in der Hauptverhandlung durch das Geständnis vorgenommene Selbstbelastung eine wahrheitswidrige war.
Dass er im Wissen um seine Unschuld angesichts drohender Verurteilung nur einer milderen Bestrafung wegen die Anklagevorwürfe wahrheitswidrig eingeräumt haben könnte, passt hier nicht ins Bild. Es kann kein vernünftiger Zweifel bestehen, dass ihm, ausgestattet mit den Kenntnissen und Fähigkeiten als Rechtsanwalt, als Unschuldigem vor Augen gestanden hätte, dass die erlangbare Strafmilderung durch ein wahrheitswidriges Geständnis in dem zudem noch vorgerückten Verfahrensstadium nicht im Entferntesten würde aufwiegen können, was ihm aus der falschen Selbstbezichtigung als nachhaltige Belastung für die berufliche Existenz erwachsen würde, und dass er aufgrund dessen bis zuletzt um die Feststellung seiner Unschuld gekämpft hätte. Nach den Umständen lag auf der Hand, dass mit dem wahrheitswidrigen Geständnis ein Schuldbekenntnis von nahezu erdrückendem Gewicht für alle künftigen Weiterungen in dem Urteil dokumentiert werden und späteren Unschuldsbeteuerungen im Wege stehen würde. Mit der in der Beschwerdeschrift erwähnten Standfestigkeit, mit der er in der Studienzeit Pressionen zum Trotz an seiner damaligen Rolle als Belastungszeuge gegen Kommilitonen festgehalten hat, die gegen einen bestimmten Hochschullehrer gewalttätig geworden waren, ist denn auch von Seiten des Antragstellers selbst von ihm das Bild einer Persönlichkeit entworfen, die nicht um kurzfristiger Entlastung willen von der Wahrheit abzubringen ist.
Nach Lage der Dinge ist auch zu verneinen, dass den Antragsteller seine Schwierigkeiten mit der Untersuchungshaft und der Organisation seiner Verteidigung so zermürbt haben, dass er keinen anderen Ausweg als den gesehen hat, ein falsches Geständnis abzulegen. Durch die Kenntnisse und Fähigkeiten als Rechtsanwalt war er nicht in dem Maße auf Verteidigerunterstützung angewiesen wie ein Rechtsunkundiger. Auch kannte er tiefgründig die Materie, aus der die Vorwürfe gegen ihn hergeleitet wurden; denn neben seiner Hauptaufgabe, bei Vertragsschluss als Treuhänder aufzutreten und in diesem Zusammenhang die von den Kunden gezahlten Gelder weiterzureichen und die Grundschuldbriefe zu verwahren, wirkte der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen (LG UA S. 26) an den Schulungen der zum Anwerben von Einzahlern eingesetzten Vermittler mit, die mit dem Geschäftsmodell im Hinblick auf das Verfahren der versprochenen dinglichen Absicherung der Einzahlung vertraut gemacht werden sollten. Dem Druck eines Strafverfahrens mit drohenden schwerwiegenden Weiterungen hatte er nach Mitteilung in der Beschwerdeschrift schon im Jahre 1999 standgehalten, als er sich vor dem Amtsgericht Tiergarten wegen Parteiverrats zu verantworten gehabt hatte, was erstinstanzlich mit einem Freispruch ausging.
An der Ungeeignetheit der Darlegungen des Antragstellers, sein Geständnis als falsche Selbstbezichtigung plausibel zu machen, ändert sich auch nichts durch das, was er mit dem Wiederaufnahmeantrag an Beweismitteln für sich ins Feld geführt hat. Schon das Landgericht hat in dem angefochtenen Beschluss zutreffend dem nicht die Eignung zuzusprechen vermocht, allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen die Freisprechung des Verurteilten zu begründen.
Soweit der Antragsteller in der Beschwerdeschrift die vom Landgericht in dem Urteil vorgenommene Bewertung der zur Einlagekapitalsicherung abgetretenen Grundschuldbriefe als verfehlt angreift, weil allein am Erwerbspreis der Grundstücke orientiert, und Beispiele für in der Öffentlichkeit bekannt gewordene Verkaufsfälle anführt, die weit unter dem wirklichen Wert zu einem symbolischen oder Schleuderpreis abgewickelt worden sind, ist ihm der besondere Charakter eben dieser Objekte entgegenzuhalten. Sie haben jeweils ein Entwicklungspotential in sich getragen, von dem nach den Feststellungen in dem Urteil des Landgerichts nicht zu ersehen ist, dass es, und sei es nur ganz entfernt, auch den zu der versprochenen dinglichen Besicherung herangezogenen Grundstücken innewohnte. Das ins Feld geführte Unterbleiben strafrechtlicher Verfolgung vorab mit der - nach den Feststellungen des Landgerichts überhöhten - Grundstücksbewertung befasst gewesener Gutachter vermag den in dem Urteil festgestellten Mangel ausreichender Werthaltigkeit für die Besicherung nicht zu entkräften. Aus solchem Ausgang kann angesichts der Fundiertheit der Feststellungen des Landgerichts und der Vielfalt der für eine Verfahrenseinstellung in Betracht kommenden Gründe nicht einfach hergeleitet werden, dass die Gutachten anders als vom Landgericht festgestellt zutreffend gewesen sein müssen. Soweit der Antragsteller geltend macht, den Anlegern könne durch einen ergänzenden Beurkundungsakt noch zu der besichernden Teilgrundschuld verholfen werden, ist schon gar nicht die festgestellte Erfüllung des Straftatbestandes in Frage gestellt; denn selbst wenn die Möglichkeit bestünde, änderte das nichts an dem geschehenen Eintritt des Schadens bei den Einzahlern. Was Geschäftsverbindungen, Buchhaltung und Geldfluss angeht, hat der Antragsteller jedenfalls nichts vorgebracht, was ihm einen Anhaltspunkt dafür bot, dass es einen Geldzufluss aus anderer Quelle als allein den Kundeneinzahlungen gab, mithin das Geldvermehrungskonzept mit Hilfe des internationalen Zinsgefälles umgesetzt worden war.
2. Für die beantragte Verteidigerbestellung nach § 364b StPO für die Vorbereitung eines Wiederaufnahmeverfahrens ist kein Raum, weil keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass bestimmte Nachforschungen zu Tatsachen oder Beweismitteln führen, welche die Zulässigkeit eines Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens begründen können (§ 364b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
Ende der Entscheidung
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