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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 08.12.2005
Aktenzeichen: 4 U 16/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB a.F. § 635
BGB a.F. § 638
Arglistiges Verschweigen eines Architekten durch fehlende Offenbarung gegenüber Auftraggeber, dass Bauüberwachung teilweise nicht erfolgte.
Kammergericht

Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 4 U 16/05

verkündet am : 08.12.2005

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 08.12.2005 durch den Richter am Kammergericht B.-D. Kuhnke als Einzelrichter

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 9. Dezember 2004 - 5 O 529/02 - geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 48.700,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12. Dezember 2002 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin zu 1/4 und die Beklagten zu 4/5 zu tragen.

Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz haben die Klägerin zu 1/20 und die Beklagten zu 19/20 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beigetriebenen Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin hat beide Beklagte als Gesamtschuldner wegen behaupteter Schlechtleistung aus einem Architektenvertrag auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch genommen. Die mangelhafte Bauausführung der Isolierungsschicht gegen Feuchtigkeit an allen zehn Balkonen führte zu entsprechenden Schäden, so dass die Aufbauten teilweise zu erneuern waren. Im Einzelnen wird hinsichtlich des Vorbringens der Parteien bis zum Abschluss der ersten Instanz auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage gegen beide Beklagte in Höhe von 51.426,80 EUR nebst Zinsen stattgegeben und im Übrigen die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiter verfolgen. Die Beklagten ergänzen und vertiefen ihren erstinstanzlichen Vortrag und meinen, dass die Rüstungskosten von 2.726,00 EUR brutto mangels Erforderlichkeit nicht ersatzfähig seien. Im Übrigen sei die Klageforderung verjährt, da ein arglistiges Verschweigen nicht in Betracht komme, da sie sich nicht bewusst unwissend im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gehalten hätten. Hinsichtlich der Berufungsbegründung im Einzelnen wird auf den Schriftsatz vom 14. Februar 2005 Bezug genommen (Bl. II/7-11 d. A.).

Die Beklagten beantragen,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Berlin vom 9. Dezember 2004 die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 26. April 2005 (Bl. II/18-25 d. A.).

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist zu einem geringen Teil begründet, im Übrigen nicht begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Bauüberwachung in Höhe von 48.700,80 EUR nebst Zinsen zu.

Die Berufung ist in Höhe eines Teilbetrages von 2.726,00 EUR nebst anteiligen Zinsen begründet. Zutreffend rügen die Beklagten, dass es sich bei dem vom Landgericht zugesprochenen Betrag von 2.726,00 EUR Gerüstkosten nicht um erforderliche Kosten der Mängelbeseitigung handelt. Das streitbefangene Objekt verfügt über zwei Obergeschosse und ein Dachgeschoss mit einer Maximalhöhe der Balkone von ca. 10 m. Der für den Abriss und den Neuaufbau erforderliche Materialtransport kann in dieser Höhe ohne weiteres durch Schuttrutschen und/oder Transportbänder oder ähnlichem erfolgen. Die Einrüstung war auch nicht erforderlich, um den Zugang zu den Balkonen für die Bauarbeiter zu erreichen. Der Zugang konnte ohne weiteres durch die Wohnungen erfolgen. Die Mieter der jeweiligen Wohnungen waren auch verpflichtet, den Zugang für die Bauarbeiter zur Beseitigung der Mängel zu gewährleisten. Die vom Landgericht zitierte Rechtsprechung ist hier nicht einschlägig. Ob hier eine Einrüstung beauftragt wird, war Ermessenssache. Eine objektive Pflichtverletzung seitens des bauleitenden Architekten oder der bauausführenden Firma ist hier nicht erkennbar.

Die Berufung ist im Übrigen nicht begründet, da das Landgerichts verfahrens- und rechtsfehlerfrei festgestellt hat, dass der Schadensersatzanspruch nicht verjährt ist.

Der Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Bauüberwachung gemäß § 635 BGB ist dem Grunde nach und in Höhe des zuerkannten Betrages zwischen den Parteien unstreitig. Die Beklagten wenden sich gegen die Feststellung des Landgerichts, dass sie die mangelhafte Balkonabdichtung gegenüber der Klägerin arglistig verschwiegen haben, so dass nach ihrer Auffassung der Schadensersatzanspruch bereits gemäß § 638 Abs. 1 BGB a. F. mit Ablauf der Fünfjahresfrist verjährt ist.

Die insoweit erhobenen Einwendungen greifen nicht durch. Mit überzeugender Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass bauleitende Architekten gerade bei wichtigen oder bei kritischen Baumaßnahmen, die erfahrungsgemäß ein hohes Mängelrisiko aufweisen, zu erhöhter Aufmerksamkeit und zu einer intensiveren Wahrnehmung der Bauaufsicht verpflichtet sind (BGH, NJW-RR 2000, 1468 f.). Abdichtungs- und Isolierungsarbeiten sind typischerweise besonders schadensanfällig. Die insoweit neuralgischen Punkte eines Hauses sind Keller, Dach und Balkone. Verfahrens- und rechtsfehlerfrei hat das Landgericht unter Bezugnahme auf die Feststellungen des Sachverständigen Onnn in seinen schriftlichen Gutachten aufgeführt, dass auf zehn der zwölf Balkone die einzelnen Lagen der Abdichtung keinen oder nur einen eingeschränkten Verbund untereinander aufwiesen, so dass Wasser zwischen den Abdichtungslagen gelangen konnte. Auf zehn der zwölf Balkone sind unzulässigerweise Bitumenbahnen mit Aluminiumeinlagen verwendet worden. Auf allen Balkonen wurden die Durchdringungen der Abdichtungen im Bereich der Fallrohre ohne Rohrhülsen und Flansche ausgeführt und die Abdichtungen stumpf an die Rohre heran- oder geringfügig auf die Rohre geführt. Schellenverbindungen waren ebenso wenig vorhanden, wie auf allen zwölf Balkonen die Bodeneinläufe in der Abdichtungsebene keine Entwässerungsmöglichkeiten hatten. Der Sachverständige Onnn hat festgestellt, dass diese Fehler für einen fachkundigen Architekten bei einer auch nur stichprobenartigen Überprüfung erkannt worden wären. Da davon auszugehen ist, dass die erfahrenen Bauleiter der Beklagten bei einer stichprobenartigen Überprüfung die Mängel erkannt und in diesem Falle auch gerügt hätten, geht das Gericht davon aus, dass hinsichtlich dieses Teilkomplexes, also Abdichtungsarbeiten an den Balkonen, keinerlei Bauüberwachung stattgefunden hat. Gegenteiliges vermögen die Beklagten auch nicht zu bekunden, da ihnen nach über zehn Jahren nicht mehr möglich ist, substantiiert unter Beweisantritt darzulegen, ob und welche Überwachung durch ihre Bauleiter im Rahmen der Abdichtungsarbeiten an den Balkonen vorgenommen worden ist.

Wie das Landgericht überzeugend ausgeführt hat, liegt damit im Sinne der Rechtsprechung ein arglistiges Verschweigen im Sinne des § 638 Abs. 1 BGB a. F. vor, so dass die Verjährung nicht fünf Jahre nach Abnahme des Werkes eingetreten ist. Nach der vom Landgericht zutreffend zitierten Rechtsprechung liegt ein arglistiger Verstoß gegen vertragliche Offenbarungspflichten nicht nur dann vor, wenn bekannte Mängel verschwiegen werden. Vielmehr kann der Architekt sich seiner vertraglichen Offenbarungspflicht bei Ablieferung des fertigen Werkes nicht dadurch entziehen, dass er sich für unwissend hält. Sorgt er bei der Herstellung des Werkes nicht für eine den Umständen nach angemessene Überwachung und Prüfung der Leistung und damit auch nicht dafür, dass er oder seine insoweit eingesetzten Erfüllungsgehilfen etwaige Mängel erkennen können, so handelt er vertragswidrig und haftet demnach auch für Kenntnis oder Unkenntnis solcher Mitarbeiter, die - wie der Bauleiter - mit der Prüfung des Bauwerkes auf Mangelfreiheit betraut sind (OLG Celle, NJW-RR 1995, 1486 f.). Eine offenbarungspflichtige Unwissenheit aufgrund fehlender Bauüberwachungstätigkeit liegt entgegen der Rechtsansicht der Beklagten nicht erst dann vor, wenn überhaupt keine Bauüberwachung stattgefunden hat, sondern bereits dann, wenn hinsichtlich eines abgrenzbaren und besonders schadensträchtigen Teils der Baumaßnahmen keine Bauüberwachung vorgenommen wird. Eine Offenbarungspflicht wäre nur dann zu verneinen, wenn die Bauleiter der Beklagten hinsichtlich dieses schadensträchtigen Teils - Abdichtungsarbeiten an den Balkonen - stichprobenartige Überprüfungen vorgenommen hätten und in diesem Rahmen keine Ausführungsfehler erkennbar gewesen wären. Nicht erforderlich ist, dass die Bauleiter jeden einzelnen Arbeitsschritt überwachen. Wie sich jedoch aus der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme ergeben hat, liegen nicht einzelne Ausführungsfehler vor, sondern Serienfehler, die auf der immer wieder gleichen Ausführungsart zurückzuführen sind. Die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung, dass damit überhaupt keine Bauüberwachung hinsichtlich dieses Bauteils stattgefunden hat, war ist zwingend.

III.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative; 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da deren Voraussetzungen hier nicht vorliegen, § 543 Abs. 2 ZPO.



Ende der Entscheidung

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