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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 14.11.2000
Aktenzeichen: 4 U 6588/99
Rechtsgebiete: VerbrKrG


Vorschriften:

VerbrKrG § 7
VerbrKrG § 3 Abs. 2 Nr. 2
Ein Kredit ist nicht im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG von der Sicherung durch ein Grundpfandrecht abhängig gemacht, wenn der Darlehnsvertrag ohne vorherige Bestellung von Grundpfandrechten wirksam abgeschlossen worden ist und die Bestellung von Grundpfandrechten erst für die Auszahlung des Darlehnbetrages erforderlich ist.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 4 U 6588/99

Verkündet am: 14. November 2000

hat der 4. Zivilsenat des Kammergerichts durch die Vorsitzende Richterin am Kammergericht Uerpmann, den Richter am Kammergericht Klum und die Richterin am Kammergericht Saak auf die mündliche Verhandlung vom 24. Oktober 2000 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 11. Juni 1999 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 3 O. 79/99 - geändert:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 18.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

4. Der Wert der Beschwer beträgt 115.860,78 DM.

Tatbestand:

Hinsichtlich des Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 543 Abs. 1 ZPO).

Mit der Berufung vertiefen die Beklagten ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie sind insbesondere der Ansicht, die Klägerin habe die Bonität der Beklagten vor Vertragsabschluss nicht hinreichend geprüft. Bei ordnungsgemäßer Prüfung hätte die Klägerin den Vertrag nicht abschließen dürfen oder hätte ihn zumindest früher kündigen müssen. Zudem seien sie - die Beklagten - nicht über die hohen Bereitstellungszinsen aufgeklärt worden. Ferner halten sie § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG, wonach das Widerrufsrecht für grundpfandrechtlich abgesicherte Kredite nicht gilt, für verfassungswidrig.

Die Beklagten beantragen,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie tritt der Berufungsbegründung nach Maßgabe ihrer Schriftsätze vom 17. Januar 2000 (GA Bl. 84), 24. Juli 2000 (GA Bl. 127) und 24. August 2000 (GA Bl. 141) entgegen. Sie ist insbesondere der Ansicht, dass der Kredit von der Sicherung durch ein Grundpfandrecht abhängig gemacht worden ist.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist begründet.

Allerdings folgt der Senat nicht der Ansicht der Beklagten, sie seien von der Verpflichtung zur Leistung ganz oder jedenfalls teilweise frei, weil die Klägerin ihren Aufklärungspflichten vor Vertragsabschluss ihnen gegenüber nicht hinreichend nachgekommen sei und ihre Bonität nicht ausreichend überprüft habe. Denn ein pflichtwidriges Verhalten der Klägerin, das sie zum Schadenersatz verpflichten oder ein Mitverschulden ihrerseits begründen würde, ist nicht ersichtlich. Die Prüfung der Bonität der Kunden führt die Bank grundsätzlich nur im eigenen, nicht im Kundeninteresse durch; sie ist zur Prüfung der Leistungsfähigkeit ihrer potentiellen Vertragspartner nicht verpflichtet (BGH NJW 1998, 305; Nobbe, Bankrecht, Rn 462, 747). Es ist grundsätzlich Sache des Kunden zu entscheiden, ob er - unter Berücksichtigung seiner finanziellen Leistungsfähigkeit - den Kredit zu den angebotenen Bedingungen abschließen will oder nicht (vgl. BGH NJW 1989,1667). Nach diesen Grundsätzen kann der Klägerin nicht vorgeworfen werden, sie habe nur unzureichende Selbstauskünfte der Beklagten eingeholt, die Bedienung des Vorkredites nicht überprüft, keinen aktuellen Grundbuchauszug eingeholt und sich auch über den Stand des Notaranderkontos nicht sachkundig gemacht. Alle diese Aspekte ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit hätten die Beklagten, die darüber selbst am besten Bescheid wussten, im eigenen Interesse in Betracht ziehen und bei der Vertragsgestaltung berücksichtigen müssen. Es war nicht Sache der Klägerin, von sich aus insoweit tätig zu werden. Wenn sie dies getan hätte - wie es üblicherweise geschehen mag - dann nur im eigenen Interesse, so dass die Beklagten aus einer diesbezüglichen Untätigkeit der Klägerin für sich nichts herleiten können.

Es bestehen ferner keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit von § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG und gegen die Höhe der Bereitstellungszinsen und die Nichtabnahmeentschädigung. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Urteils, denen sich der Senat anschließt, Bezug genommen.

Die Berufung der Beklagten ist dennoch begründet, weil sie ihre auf den Vertragsabschluss gerichteten Willenserklärungen gemäß § 7 VerbrKrG wirksam widerrufen haben. Bis zu ihrer als Widerruf auszulegenden Kündigung vom 27. Januar 1997 (Anlage K 14) war der Vertrag schwebend unwirksam. Aus einem solchen Vertrag kann weder Erfüllung noch Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangt werden (BGH NJW 1996, 2367), so dass der Klägerin weder die Bereitstellungszinsen noch die Nichtabnahmeentschädigung zusteht. Im Einzelnen:

Auf den streitigen Vertrag ist das Verbraucherkreditgesetz anwendbar, denn es ist nichts dafür ersichtlich und von der Klägerin auch nicht dargelegt, dass der Kredit für eine bereits ausgeübte oder die Aufnahme einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit dienen sollte (§ 1 Abs. 1 a.E., § 3 Abs. 1 Nr. 2 VerbrKrG).

Die Anwendbarkeit von § 7 VerbrKrG ist für den streitigen Fall nicht gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerKrG ausgeschlossen, weil der Kredit nicht von der Sicherung durch ein Grundpfandrecht abhängig gemacht worden ist. Für den wirksamen Abschluss des Vertrages war die Bestellung eines Grundpfandrechts nicht Voraussetzung, vielmehr sollte gemäß den Vereinbarungen auf Seite 2 und 3 der Anlage zum Darlehensvertrag eine vollstreckbare Ausfertigung der Grundschuldurkunde der an die Bank abzutretenden Grundschuld der K Bank eG erst "vor einer ersten Auszahlung des Darlehens in Höhe eines Teilbetrages von rd. DM 1.000.000,00 zur Ablösung der Ankaufsfinanzierung" und eine weitere "vollstreckbare Ausfertigung einer Grundschuldurkunde über 2.980.000,00 DM" "vor einer weiteren Auszahlung des Darlehens im Rahmen des Baufortschritts" vorgelegt werden. Der Darlehensvertrag sollte danach auch ohne vorherige Bestellung von Grundpfandrechten wirksam abgeschlossen werden. Dann aber liegt nach Auffassung des Senats kein "Abhängigmachen" des Kredits von der Bestellung von Grundpfandrechten im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG vor. Würde man bereits dann, wenn die Bestellung von Grundpfandrechten erst für die Auszahlung des Kredits erforderlich ist, die Geltung von § 7 VerbrKrG ausschließen, dann wäre die Warnfunktion bzw. der Übereilungsschutz, der - vorherigen - Bestellung von Grundpfandrechten zukommen soll und (u.a.) den Ausschluss des Widerrufsrechts rechtfertigen sollte (BR-Drs. 427/89, S. 41; BT-Drs. 11/5462, S. 18; MünchKomm -Ulmer, 3. Aufl., § 3 VerbrKrG, Rn 30; Bruchner u.a., VerbrKrG, 2. Aufl., § 3 Rn 102) nicht gegeben. Denn die Bestellung des Grundpfandrechts erfolgt dann unter Umständen erst, wenn der Vertrag bereits wirksam geschlossen ist, so dass für den Verbraucher keine Überlegungszeit mehr besteht. Dieser Auslegung von § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG steht nicht entgegen, dass die Geltung des Widerrufsrechts die taggenaue Refinanzierung der Banken bei der Gewährung von Realkrediten erheblich gefährden könnte. Wenn die Auszahlung des Kredits für einen - über einen gewissen Zeitraum hinausgeschobenen - Termin vereinbart wird, d.h. die Konditionen des Kredits für diesen in der Zukunft liegenden Zeitpunkt berechnet werden, dann kann eine Widerrufsfrist von einer Woche einer solchen Berechnung nicht entgegen stehen. Im hiesigen Fall hatte die Bank das von ihr ausgefüllte Vertragsformular mit Schreiben vom 8. März 1996 übersandt mit der Bitte, es innerhalb einer Woche unterschrieben zurückzusenden und der Angabe, dass sie sich für diese Zeit an das Angebot gebunden halte (so die unwidersprochen gebliebenen Angaben des Beklagten zu 1) persönlich in der letzten mündlichen Verhandlung - vgl. auch Anlage K 3). Wenn sich aber die Bank - wie es nicht unüblich ist - ohnehin für den Zeitraum von ca. einer Woche an ihr Angebot gebunden hält, d.h. für diese Zeit im voraus ihre Konditionen berechnen muss und der Kredit ohnehin erst geraume Zeit später auszuzahlen ist, so ist nicht einzusehen, warum die taggenaue Refinanzierung der Banken der Einräumung eines Widerrufsrechts in den Fällen, in denen erst die Auszahlung des Kredits von der Bestellung eines Grundpfandrechts abhängig ist, entgegen stehen soll.

Da das Widerrufsrecht nach alledem im hiesigen Fall nicht gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG ausgeschlossen war, konnten die Beklagten, da sie über das bestehende Recht nicht belehrt worden waren, ihre auf den Vertragsabschluss gerichteten Willenserklärungen noch ein Jahr lang widerrufen (§ 7 Abs. 2 S. 3 VerbrKrG). Das haben sie mit der von ihnen im Januar 1997 erklärten "Kündigung" getan, aus der sich hinreichend ergibt, dass sie den Vertragsschluss nicht gegen sich gelten lassen wollten, was für die Auslegung der "Kündigung" als Widerruf ausreicht. Da der Vertrag danach rückwirkend entfallen ist, kann die Klägerin weder Bereitstellungszinsen noch Nichtabnahmeentschädigungverlangen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 10, 711, 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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