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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 02.06.2006
Aktenzeichen: 4 VAs 18/06
Rechtsgebiete: StVollstrO
Vorschriften:
StVollstrO § 26 Abs. 2 Satz 3 |
2. Auch bei wiederholter Antragstellung ist jeder neue Antrag, der sachliches Vorbringen enthält, nach umfassender Prüfung zu bescheiden. Die Ablehnung allein mit der Begründung, in einem früheren Verfahren habe die oberste Vollzugsbehörde des zur Aufnahme des Gefangenen bestimmten Bundeslandes ihr Einverständnis nicht erteilt, genügt nicht.
KAMMERGERICHT Beschluss
Geschäftsnummer: 4 VAs 18/06
In der Justizverwaltungssache des
wegen Verlegung
hat der 4. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 2. Juni 2006 beschlossen:
Tenor:
1. Auf den Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung wird der Bescheid der Justizvollzugsanstalt (...) vom 27. Januar 2006 aufgehoben.
2. Die Kosten des Verfahrens und die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers trägt die Landeskasse Berlin. Die Mehrkosten, die in dem Verfahren vor der Strafvollstreckungskammer entstanden sind, hat der Antragsteller zu tragen.
3. Der Geschäftswert wird auf 3.000,00 € festgesetzt.
Gründe:
Der Antragsteller befindet sich in der Justizvollzugsanstalt (...) in Strafhaft. Seinen ersten Antrag auf Verlegung in die Justizvollzugsanstalt N.-W. hatte die Senatsverwaltung für Justiz zwar befürwortet, das Ministerium der Justiz des Landes Brandenburg hatte der Verlegung jedoch nicht zugestimmt. Der Antragsteller hat sie nunmehr erneut beantragt. Die Senatsverwaltung für Justiz hat das Gesuch zur Bescheidung an die Justizvollzugsanstalt (...) "zurück verwiesen". Diese hat es mit Bescheid vom 27. Januar 2006 insbesondere unter Hinweis auf die frühere Versagung der Zustimmung durch das Ministerium der Justiz des Landes Brandenburg abgelehnt, ihm den Antrag "erneut" zur Entscheidung vorzulegen. Hiergegen richtet sich der zunächst bei der Strafvollstreckungskammer angebrachte, auf § 109 Abs. 1 StVollzG gestützte Antrag des Betroffenen, mit dem er die Aufhebung des Bescheides sowie die Verpflichtung der Justizvollzugsanstalt zur Zustimmung zu seiner Verlegung und Vorlage des Verlegungsantrages an die jeweiligen Justizministerien, hilfsweise die Verpflichtung der Justizvollzugsanstalt zur erneuten Bescheidung begehrt. Die Strafvollstreckungskammer hat die Angelegenheit als Justizverwaltungssache nach den §§ 23 ff EGGVG angesehen und die Sache an das Kammergericht verwiesen. Der Antrag hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
1. Der Senat braucht keine abschließende Entscheidung darüber zu treffen, ob in Fällen wie dem vorliegenden der Rechtsweg nach den §§ 23 ff EGGVG eröffnet ist. Denn er ist gemäß § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG an die rechtskräftige Verweisung der Sache durch die Strafvollstreckungskammer gebunden.
2. Gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 StVollstrO bedarf die Abweichung vom Vollstreckungsplan der Zustimmung der höheren Vollzugsbehörde. Soll die Abweichung, wie hier, durch Verlegung in eine Vollzugsanstalt eines anderen Bundeslandes erfolgen, ist nach § 26 Abs. 2 Satz 3 StVollstrO eine Einigung der obersten Vollzugsbehörden beider Länder erforderlich. In Berlin ist die Senatsverwaltung für Justiz die höhere und zugleich oberste Vollzugsbehörde (vgl. Jabel in Pohlmann/Jabel/Wolf, StVollstrO 8. Aufl., § 26 Rdnr. 19). Sie ist die nach § 151 Abs. 1 Satz 1 StVollzG für die Aufsicht über die Justizvollzugsanstalten zuständige Landesjustizverwaltung, die nach § 152 Abs. 1 StVollzG auch den geltenden Vollstreckungsplan erlassen hat. Von der Möglichkeit der Übertragung von Aufsichtsbefugnissen auf ein Justizvollzugsamt nach § 151 Abs. 1 Satz 2 StVollzG hat sie keinen Gebrauch gemacht. Sie ist danach als oberste Vollzugsbehörde allein dafür zuständig, eine Entscheidung mit Rechtswirkung für den betroffenen Strafgefangenen darüber zu treffen, ob sie der Verlegung in ein anderes Bundesland zustimmt oder die Zustimmung versagt. Den Berliner Justizvollzugsanstalten kommt bei einer solchen Abweichung vom Vollstreckungsplan keine eigene Entscheidungskompetenz zu. Ihre Beteiligung an diesem Verfahren vor der Entscheidung der Senatsverwaltung beschränkt sich auf die Abgabe einer Stellungnahme zu einem Antrag auf Verlegung in ein anderes Bundesland oder zu deren Vornahme von Amts wegen. Eine solche Stellungnahme entfaltet keine Rechtswirkungen nach außen, sondern hat lediglich verwaltungsinternen Charakter und dient der Vorbereitung der Entscheidung der obersten Vollzugsbehörde. Eine von diesem Grundsatz abweichende Regelung, wie sie im Vollstreckungsplan des Landes Brandenburg ausdrücklich normiert ist und derzufolge der Leiter der Justizvollzugsanstalt, in der der Gefangene einsitzt, eine eigene Sachentscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 StVollzG zu treffen hat mit der Folge, dass diese im Verfahren nach § 109 Abs. 1 StVollzG selbständig anfechtbar ist (vgl. Brandenburgisches OLG ZfStrVo 2004, 179), besteht für das Land Berlin nicht.
Nach alldem war die Justizvollzugsanstalt (...) für den Erlass der angefochtenen Entscheidung nicht zuständig. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Senatsverwaltung für Justiz den Verlegungsantrag des Betroffenen an sie zur Bescheidung "zurück verwiesen" hat. Denn die Senatsverwaltung konnte die ihr als oberster Vollzugsbehörde originär und allein zustehende Entscheidungskompetenz nicht rechtswirksam auf die Justizvollzugsanstalt übertragen. Der angefochtene Bescheid war deshalb aufzuheben.
3. Die Senatsverwaltung für Justiz wird nunmehr über den Verlegungsantrag des Betroffenen vom 9. November 2005 zu entscheiden haben. Zwar handelt es sich um das zweite Gesuch innerhalb weniger Monate, dies entbindet die Senatsverwaltung jedoch nicht von ihrer Pflicht, das Vorbringen in dem neuen Antrag umfassend zu würdigen und eine begründete, der gerichtlichen Nachprüfung zugängliche Entscheidung in der Sache selbst zu treffen. Einen ablehnenden Bescheid (letztlich) auf die von dem Ministerium für Justiz des Landes Brandenburg im vorangegangenen Verfahren erklärte Versagung der Zustimmung nach § 26 Abs. 2 Satz 3 StVollstrO zu stützen, wie es die Justizvollzugsanstalt (...) getan hat, genügt nicht den Anforderungen an eine neue sachliche Entscheidung. Insofern wird auch zu berücksichtigen sein, dass eine abweichende Entscheidung des zuständigen brandenburgischen Ministeriums zugunsten des Antragstellers rechtlich nicht ausgeschlossen ist. Mit der Ablehnung des Antrages (allein) aufgrund der früheren Versagung würde zudem die in § 26 Abs. 2 Satz 3 StVollstrO vorgesehene Beteiligung der obersten Vollzugsbehörde des zur Aufnahme des Gefangenen bestimmten Bundeslandes umgangen und in deren Aufgabenhoheit eingegriffen.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 30 Abs. 1 und 2 EGGVG, § 17 b Abs. 2 GVG i.V.m. § 91 Abs. 1 und 2 ZPO.
5. Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 30 Abs. 3 EGGVG, § 30 KostO.
Ende der Entscheidung
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