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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 03.04.2009
Aktenzeichen: 4 VAs 3/09
Rechtsgebiete: StPO, BtMG


Vorschriften:

StPO § 454b
BtMG § 35 Abs. 6 Nr. 2
Eine nach Teilverbüßung gemäß § 454b StPO zurückgestellte Strafe ist eine zu vollstreckende Strafe nach § 35 Abs. 6 Nr. 2 BtMG; der Senat hält an der herrschenden Rechtsprechung, entgegen OLG Stuttgart in NStZ-RR 2009, 28ff fest.
KAMMERGERICHT Beschluss

Geschäftsnummer: 1 Zs 459/09 - 4 VAs 3/09

In der Justizverwaltungssache betreffend

wegen Zurückstellung der Strafvollstreckung

hat der 4. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 3. April 2009 beschlossen:

Tenor:

1. Der Antrag des Verurteilten auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft Berlin vom 20. Februar 2009 wird verworfen.

2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Der Geschäftswert wird auf 3.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

Der Antragsteller verbüßt zurzeit eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge aus dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 17. Juni 2008. Zwei Drittel der Strafe werden am 4. Oktober 2009 vollstreckt sein. Im Anschluss hieran ist bis zum 5. Juni 2010 die Vollstreckung eines Strafrestes von 244 Tagen von ursprünglich einem Jahr und vier Monaten Jugendstrafe wegen Raubes u.a. aus dem Urteil des Jugendschöffengerichts Tiergarten in Berlin vom 10. Juli 2006 und wiederum im Anschluss hieran die Vollstreckung einer Restfreiheitsstrafe von 244 Tagen von den ursprünglich zwei Jahren Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 17. Juni 2008 notiert. Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 5. Januar 2009 hat der Verurteilte die Zurückstellung der Strafvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 17. Juni 2008 gemäß § 35 BtMG zur Durchführung einer stationären Drogentherapie im "ADV-Nokta" beantragt. Die Staatsanwaltschaft Berlin hat diesen Antrag durch Bescheid vom 26. Januar 2009 abgelehnt. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat die Generalstaatsanwaltschaft Berlin mit dem angefochtenen Bescheid zurückgewiesen. Der vom Verurteilten gestellte Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach den §§ 23 ff EGGVG ist zulässig, hat aber keinen Erfolg.

1. Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 BtMG kann die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren zur Durchführung einer Therapie zurückgestellt werden, wenn die Tat aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden ist. Diese Voraussetzung liegt ausweislich der Urteilsgründe hinsichtlich der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 17. Juni 2008 vor. Gegen den Antragsteller wird jedoch ab dem 5. Oktober 2009 noch ein Strafrest von 244 Tagen aus dem Urteil des Jugendschöffengerichts Tiergarten vom 10. Juli 2006 vollstreckt, dem eine Verurteilung wegen Raubes in zwei Fällen, Diebstahls in zwei Fällen, versuchter räuberischer Erpressung, Wohnungseinbruchsdiebstahl sowie vorsätzlicher Körperverletzung zugrunde liegt. Insoweit ist die Strafvollstreckung nach Halbstrafenverbüßung gemäß § 454b Abs. 2 StPO mit Ablauf des 13. August 2008 unterbrochen worden. Hinsichtlich dieser Verurteilung liegen die Voraussetzungen des § 35 BtMG unstreitig nicht vor. Im Hinblick darauf hat die Staatsanwaltschaft die begehrte Zurückstellung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 17. Juni 2008 zu Recht abgelehnt.

Nach § 35 Abs. 6 Nr. 2 BtMG ist eine Zurückstellung der Vollstreckung zu widerrufen, wenn eine weitere gegen den Verurteilten erkannte Freiheitsstrafe zu vollstrecken ist. Hieraus ergibt sich nach allgemeiner Ansicht, dass für eine Zurückstellung der Strafvollstreckung von vornherein kein Raum ist, wenn und solange eine weitere gegen den Verurteilten erkannte Freiheits- oder Jugendstrafe, die schon im Zeitpunkt der Entscheidung über die Zurückstellung vorliegt, zu vollstrecken ist (vgl. Hügel/Junge/Lander/Winkler, Deutsches Betäubungsmittelrecht, § 35 BtMG Rdnr. 7.4.3.; Körner, BtMG 6. A., § 35 Rdnr. 116; jeweils m.w.N.). So ist es hier, denn der Verurteilte hat noch eine restliche Jugendstrafe von 244 Tagen aus dem Urteil des Jugendschöffengerichts Tiergarten vom 10. Juli 2006 zu verbüßen, von der er bereits einen Teil verbüßt hat und deren weitere Vollstreckung bereits notiert und eingeleitet worden ist. Soweit der Antragsteller unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des OLG Stuttgart (NStZ-RR 2009, 28, m.w.N., auch zu den Gegenmeinungen) demgegenüber die Rechtsansicht vertritt, dass eine nach § 454b Abs. 2 StPO nach Teilverbüßung unterbrochene Strafe keine zu vollstreckende Strafe im Sinne des § 35 Abs. 6 Nr. 2 BtMG darstellt und der Zurückstellung der Vollstreckung nach § 35 BtMG daher nicht entgegensteht, folgt der Senat dem nicht (vgl. OLG Koblenz JBl. Rheinland-Pfalz 1991, 82; OLG München NStZ 2002, 223; OLG Schleswig SchlHA 2002, 173; OLG Hamm StV 2006, 587; NStZ 1983, 287; OLG Karlsruhe NStZ 1982, 484; MDR 1985, 697). Denn deren Vollstreckung ist in dem vorliegenden Verfahrensstand keineswegs derart ungewiss, dass sie bei der Beurteilung der vorliegenden Fragestellung außer Betracht zu bleiben hätte. Das der Jugendstrafe zugrunde liegende Urteil ist rechtskräftig, die Jugendstrafe ist bereits teilweise vollstreckt, ihre Anschlussvollstreckung ist notiert und steht daher - ohne dass hierüber Unsicherheiten bestünden - ab dem 5. Oktober 2009 konkret bevor. Die Vollstreckung der restlichen 244 Tage der Jugendstrafe wäre, da eine Zurückstellungsmöglichkeit nach § 35 BtMG für diese Strafe unstreitig nicht in Betracht kommt (vgl. OLG Brandenburg NStZ-RR 2003, 376; OLG Karlsruhe NStZ 1982, 484), nach dem Gesetz allein dadurch abwendbar, dass dem Beschwerdeführer eine Reststrafenaussetzung zur Bewährung gemäß § 57 StGB bewilligt wird. Dies erscheint jedoch aufgrund der hierfür zu erfüllenden strengen gesetzlichen Voraussetzungen und der erst in Zukunft gemäß § 57 StGB anzustellenden Legal- und Sozialprognose als so ungewiss, dass diese Möglichkeit zum jetzigen Zeitpunkt und im jetzigen Verfahrensstadium außer Betracht zu bleiben hat, zumal die Vorwegnahme einer künftigen Prognoseentscheidung weder möglich noch statthaft ist (vgl. OLG Karlsruhe MDR 1985, 697, 698). Der Vollstreckung einer weiteren Strafe ist nach der gesetzlichen Regelung daher der Vorrang vor der Zurückstellung nach § 35 BtMG einzuräumen (vgl. OLG München a.a.O.).

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 30 Abs. 1 EGGVG, § 130 KostO.

3. Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 30 Abs. 3 EGGVG, § 30 KostO.

Ende der Entscheidung

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