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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 22.07.2008
Aktenzeichen: 4 Ws 131/07
Rechtsgebiete: AWV


Vorschriften:

AWV § 5d
§ 5d AWV bezieht sich nicht nur auf Güter, die für den abgeschirmten Primärkreislauf einer Kernkraftanlage bestimmt sind; er ist vielmehr Auffangtatbestand für alle Güter, die den Betrieb der kerntechnischen Anlage erst ermöglichen, d.h. der kerntechnischen Anlage unmittelbar funktional zugeordnet werden können. Ein mittelbarer funktionaler Bezug reicht nicht aus. Federelemente, die für die Lagerung von Turbinentische bestimmt sind und hauptsächlich die Betriebsdauer der Turbinen verlängern, sind der kerntechnischen Anlage nicht unmittelbar zugeordnet, da Kernkraftanlagen weltweit selbst in erdbebengefährdeten Ländern auch - nur - über stabil gelagerte Turbinen betrieben werden.
KAMMERGERICHT Beschluss

Geschäftsnummer: 4 Ws 131/07 2 AR 139/05

In der Strafsache

wegen Vergehens nach dem Außenwirtschaftsgesetz

hat der 4. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 22. Juli 2008 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Berlin gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 6. August 2007 wird verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die den Angeschuldigten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse Berlin.

Gründe:

Die Staatsanwaltschaft Berlin legt den Angeschuldigten mit der Anklageschrift vom 21. Februar 2007 zur Last, als Verantwortliche der Firma GERB Schwingungsisolierungen GmbH & Co. KG durch zwei selbstständige Handlungen zwischen dem 19. Oktober 2001 und dem 10. Januar 2002 sowie am 22. und 23. Dezember 2004 ohne die erforderliche Genehmigung des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (im Folgenden : BAFA) für das iranische Kernkraftwerk Bushehr bestimmte Güter (120 Federelemente Zubehör für den Turbinentisch einer der Stromerzeugung dienenden 1000 MW-Turbine für 743.585,24 Euro sowie 15 Kisten Rohrleitungsdämpfer, Federelemente und Zubehör im Wert von 421.705,00 Euro) über Russland in den Iran geliefert zu haben. Dadurch sollen sie sich nach § 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG i.V.m. § 33 Abs. 1 AWG, 70 Abs. 1 Nr. 3, 5 d Abs. 2 AWV strafbar gemacht haben. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Anklageschrift vom 21. Februar 2007 Bezug genommen. Durch den angefochtenen Beschluss hat die 14. große Strafkammer - Wirtschaftsstrafkammer - des Landgerichts die Eröffnung des Hauptverfahrens aus rechtlichen Gründen abgelehnt. Die dagegen gerichtete, nach § 210 Abs. 2 Alt. 1 StPO zulässige sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.

Nach § 203 StPO ist die Eröffnung des Hauptverfahrens zu beschließen, wenn die Angeschuldigten nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der ihnen zur Last gelegten Taten hinreichend verdächtig sind. Das ist der Fall, wenn die Verurteilung bei vorläufiger Tatbewertung (vgl. BGHSt 23, 304, 306) in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht wahrscheinlich ist (vgl. Senat, Beschluss vom 16. November 2006 - 4 Ws 197/06 -; Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl., § 203 Rdn. 2; LR-Rieß, StPO 25. Aufl., § 203 Rdn. 6 ff. m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall.

Das Landgericht ist der Auffassung, dass die den Angeschuldigten vorgeworfenen Exporte nicht gegen § 5d Abs. 2 Satz 2 AWV verstießen, weil die betroffenen Güter nicht für die Errichtung, den Betrieb oder zum Einbau in eine Anlage für kerntechnische Zwecke i.S.d. § 5d Abs. 1 AWV bestimmt gewesen seien und überdies auch keine Risiken bestünden, dass diese Güter für rüstungsindustrielle oder militärische Zwecke unmittelbar von Nutzen sein könnten.

Im Ergebnis teilt der Senat die Auffassung des Landgerichts, dass der - im Hinblick auf den Geschehensablauf im wesentlichen unstreitige - Anklagevorwurf aus rechtlichen Gründen nicht zur Annahme eines hinreichenden Tatverdachtes nach § 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG i.V.m. §§ 33 Abs. 1, 7 Abs. 1, 2 Abs. 1 AWG, §§ 70 Abs. 1 Nr. 3, 5d Abs. 1 und 2 Satz 2 AWV führt. Denn durch die ohne Genehmigung der BAFA erfolgte Lieferung der vorgenannten Güter für das Kernkraftwerk Bushehr im Iran haben die Angeschuldigten die tatbestandlichen Voraussetzungen nach § 5d Abs. 1 und 2 AWV nicht erfüllt.

1. Die Güter wurden für das zivile, der Stromgewinnung dienende Kernkraftwerk in Bushehr geliefert und damit gemäß § 5d Abs. 1 AWV für eine Anlage für kerntechnische Zwecke im Sinne der Kategorie 0 des Teils I Abschnitt C der Ausfuhrliste zum Außenwirtschaftsgesetz. Denn hierunter fallen wie bereits vom Landgericht ausgeführt neben Anlagen, die der Gewinnung von nuklearfähigem Material oder der Herstellung bzw. Wiederaufarbeitung von Reaktorbrennelementen dienen, auch alle zivile Kernreaktoren (Listennummer: 0A001).

2. Auch unterfallen die gelieferten Güter zunächst dem Wortlaut nach dem Anwendungsbereich des § 5d Abs. 1 und 2 AWV. Von dieser Norm werden alle Ausfuhrgüter erfasst, die einerseits nicht in der Ausfuhrliste (Anlage AL) aufgeführt sind, andererseits aber gemäß § 5d Abs. 3 AWV auch nicht bereits durch Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1334/2000, der sogenannten europäischen Dual-Use-Verordnung erfasst werden. Diese Verordnung regelt die Genehmigungsbedürftigkeit der Ausfuhr von zivilen, jedoch gleichermaßen für zivile wie auch militärische Zwecke einsetzbaren Gütern, die der militärischen Nutzung oder der Herstellung von - auch nuklearen - Massenvernichtungswaffen und Rüstungsmaterial dienen können. Ergänzend hierzu sollen die nationalen Regelungen in §§ 5c, d AWV als Auffangtatbestände ("Catch-all-clauses") für die nicht gelisteten Güter wirken. Während § 5c AWV die Genehmigungspflicht für solche nicht aufgeführten Güter regelt, die für eine militärische Endverwendung, z.B. die Gewinnung nuklearen Materials für militärische Zwecke, bestimmt sind, bleibt für § 5d AWV als Anwendungsbereich nur noch die Ausfuhr von Gütern für zivile kerntechnische Anlagen übrig (vgl. Pietsch in Wolffgang/-Simonsen, AWR-Kommentar Bd.3, § 5c Rdn. 8, § 5d Rdn. 12; Bieneck, Handbuch des Außenwirtschaftsrechts 2. Aufl. 2005, § 29 Rdn. 33; Bachmann, AW-Prax 2003, 117; Monrial, AW-Prax 2001, 474). Da die deutsche Ausfuhrliste mit der entsprechenden Listung in der europäischen Dual-Use Verordnung bezogen auf zivile Kernkraftanlagen (Teil I Abschnitt C Kategorie 0 kerntechnische Materialien, Anlagen und Ausrüstung; abgedruckt bei Hocke/Berwald/Maurer/Friedrich, Außenwirtschaftsrecht, Hauptteil III, Dual-Use-VO I.c., S. 21 f) übereinstimmt und die hier gelieferten Gütern darunter nicht fallen, ist der Anwendungsbereich des § 5d AWV vom Wortlaut her eröffnet.

3. Entgegen dem Vorbringen der Verteidigung stellt die Anwendbarkeit von insoweit zusätzlichem nationalen Recht auch keinen Verstoß gegen - hier im Bereich des Außenhandels - vorrangiges europäisches Gemeinschaftsrecht (Art. 133/Art. 113, Art. 249 EG) dar. Denn bereits Art. 4 Abs. 1 und 5 sowie Art. 5 Abs. 1 der europäischen Dual-Use-Verordnung erlaubt den Mitgliedsländern ausdrücklich, zusätzliche nationale Regelungen für nicht gelistete, doppelverwendungsfähige Güter aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Menschenrechtserwägungen zu treffen (vgl. Hocke/Berwald/Maurer/Friedrich, a.a.O., Bd. 1 Hauptteil II, vor § 5 AWV S. 15). Diese Voraussetzungen sind, wenn man den möglichen Missbrauch zivil betriebener Kernkraftwerke bzw. den möglichen Wissenstransfer für nuklearmilitärische Zwecke berücksichtigt, hier gegeben. Die Rechtsverordnung AWV beruht auf den verfassungsgemäßen Ermächtigungsgrundlagen aus §§ 7 Abs. 1, 2 Abs. 1 AWG (vgl. BVerfG NJW 1995, 1537 f; BVerfG NJW 1992, 2624) und damit auf Regelungen, die die äußere Sicherheit des Staates und damit die öffentliche Sicherheit zum Inhalt haben. Denn § 7 Abs. 1 AWG lässt eine Beschränkung des Außenhandelsverkehrs nur zu, um die wesentlichen deutschen Sicherheitsinteressen zu gewährleisten, eine Störung des friedlichen Zusammenlebens der Völker zu verhüten oder eine Störung der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik zu verhindern. Im Übrigen bestand diese Ausnahmekompetenz aus Gründen der öffentlichen Sicherheit bereits vor Einführung der europäischen Dual-Use-Verordnung (vgl. VG Frankfurt/M. ZfZ 1998, 424 ff; Simonsen in Wolffgang/Simonsen, AWR-Kommentar Bd. 2, § 1 AWG Rdn. 15, 19, 23, 27 und Pietsch, a.a.O., § 5c AWV Rdn. 7; Hocke/Berwald/Maurer/Friedrich, Außenwirtschaftsrecht Bd. 1, Hauptteil II, vor § 5 AWV, S. 16, jeweils m.w.N. auch zur Rechtsprechung des EuGH).

4. Für die maßgebende Frage, ob die gelieferten Güter der Genehmigungspflicht nach § 5d AWV unterfallen, ist der Anwendungsbereich dieser Norm maßgebend. Unbestritten ist nach allen Ansichten, dass der Auffangtatbestand dem Wortlaut nach zu weit gefasst ist. Denn legt man den Wortlaut zugrunde, würden danach auch industrielle Massenartikel, mithin "unbedenkliche Regalwaren" (vgl. BAFA, Bekanntmachung vom 6. April 1992, BAnz 1992, 2998) bzw. Allerweltsartikel ohne hochwertige Schlüsseltechnologie (vgl. Monrial, AW-Prax 2001, 473, 474; Hocke/Ber-wald/Maurer/Friedrich, a.a.O. Bd. 1, Hauptteil II, vor § 5 AWV S. 15) genehmigungspflichtig sein, wenn sie zur Errichtung oder zum Einbau oder Betrieb für eine Kernkraftanlage verwendet werden.

a. Das Landgericht hat den Anwendungsbereich im Einklang mit dem Verteidigungsvorbringen auf Güter begrenzt, die allein für den stets sicherheitsrelevanten Primärkreislauf - dem geschützten Reaktorbereich - einer Kernkraftanlage verwendet werden und hat daher die hier gelieferten Güter, die mangels Strahlenbeständigkeit allein für den Sekundärkreislauf Verwendung finden können, tatbestandlich ausgeschlossen.

Der Senat teilt diese Ansicht nicht. Weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift ergibt sich eine Eingrenzung auf diesen Bereich. Der Wortlaut lässt durch die Formulierung, dass die Güter für die kerntechnische Anlage "bestimmt" sein müssen, lediglich eine enge Verbindung zur kerntechnischen Anlage erkennen (vgl. VG Frankfurt/M. ZfZ 1998, 424, 426).

Zutreffend hat das Landgericht unter Bezugnahme auf die als Auslegungshilfe heranzuziehende Bekanntmachung der BAFA zur Auslegung des § 5d AWV verwiesen, die die Behörde zur Einführung der Vorschrift am 6. April 1992 herausgegeben hat (vgl. BAnz 1992, S. 2998, 2999). Dort wurde zum Schutzzweck überzeugend ausgeführt, dass die durch § 5d Abs. 2 Satz 1 AWV auf bestimmte Länder begrenzte Regelung dazu diene, "Sicherheitsrisiken zu mindern, die mit Anlagen für kerntechnische Zwecke in Ländern verbunden sein können, die nicht umfassenden Sicherungsmaßnahmen unterliegen oder die in einem Spannungsgebiet liegen". Damit ist anerkanntermaßen neben technischen Sicherheitsrisiken vor allem der mögliche Missbrauch ziviler kerntechnischer Anlagen durch Länder, die sich internationalen Kontrollmaßnahmen nicht unterwerfen, gemeint (vgl. Pietsch in Wolffgang/Simonsen, a.a.O. Bd. 3, § 5d AWV Rdn. 2). Neben der missbräuchlichen Produktion waffenfähigen Nuklearmaterials ist damit auch der für militärnukleare Zwecke anwendbare Wissensgewinn durch den Betrieb einer zivilen Kernkraftanlage erfasst. Während die erste Alternative hier wegen des Umstandes, dass das Kernkraftwerk in Bushehr als Leichtwasserreaktor konzipiert ist und waffenfähiges Nuklearmaterial - abgesehen von auch nach Expertenansicht allenfalls irrelevanten Kleinstmengen - nicht herzustellen vermag, nicht einschlägig ist, ist der mögliche Missbrauch des Wissensgewinns durch den Betrieb einer solchen Anlage nicht auszuschließen. Die Nichtverbreitung aller Massenvernichtungswaffen, speziell die von Nuklearwaffen, ist - wie vom Auswärtigen Amt in den Stellungnahmen näher ausgeführt - seit langem ein wesentliches Element deutscher Außenpolitik und hat eine besonders restriktive Genehmigungspraxis aller nuklearrelevanter Güter zur Folge. Da nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 AWG der Außenhandel zum Schutz der auswärtigen Beziehungen über § 5d AWV eingeschränkt werden kann, ist dieser Schutzzweck auch von einer ausreichend konkretisierten Ermächtigungsgrundlage (vgl. BVerfG NJW 1999, 3323, 3326) gedeckt.

Vor diesem Schutzzweck ist deshalb davon auszugehen, dass sich die für § 5d AWV relevanten Güter nicht nur auf den Primärbereich einer Kernkraftanlage beziehen müssen. Für diese Auslegung spricht auch, dass der Auffangtatbestand anderenfalls nahezu keinen Anwendungsbereich mehr hätte. Denn Waren, die dem Primärkreislauf des Kernreaktors zuzuordnen sind, fallen bereits unter Anhang 1 der nach § 5d Abs. 3 AWV vorgehenden europäischen Dual-Use-Verordnung. Bei einem engen Tatbestandsverständnis des § 5d AWV würde die Vorschrift nur noch dann eingreifen, wenn Güter nicht in der umfassenden Liste vorhanden wären (vgl. so im Fall des LG Würzburg ZfZ 1998, 101 f). Die Variante, dass gelistete Güter in einzelne Komponenten auseinandergebaut und geliefert werden sollen, wäre als Umgehung zu werten und unterfiele ebenfalls der europäischen Dual-Use-Verordnung (vgl. Monrial, a.a.O., S. 355 ff). Schließlich spricht auch der Wortlaut des § 5d Abs. 1 AWV, der die mit der europäischen Dual-Use-Verordnung insoweit inhaltsgleiche Ausfuhrliste tatbestandlich ausklammert, aus diesen Gründen für ein nicht auf den Primärkreislauf begrenztes Tatbestandsverständnis. Die gemeinschaftsrechtliche Ermächtigung durch Art. 4, 5 der europäischen Dual-Use-Verordnung sieht auch keine entsprechende inhaltliche Begrenzung vor. Für ein nicht zu enges Tatbestandsverständnis spricht im Übrigen auch der technische Hintergrund. Denn die verwendungsbezogene Genehmigungsbedürftigkeit von sicherheitsrelevanten Gütern kann nicht von einer zwingenden Einbindung in den Primärkreislauf einer Kernkraftanlage abhängig sein und dadurch zu einer möglichen Umgehung des Genehmigungsvorbehalts führen.

b. Diesen dem Wortlaut nach unbegrenzten Genehmigungsvorbehalt schränkt die BAFA als zuständige Genehmigungsbehörde dadurch ein, indem sie davon ausgeht, dass nur dann Güter für die Anlage gemäß § 5d AWV bestimmt seien, wenn diese die "tatsächliche Inanspruchnahme und Nutzung der kerntechnischen Anlage ermöglichen" und damit der "kerntechnischen Anlage selbst funktional zugeordnet werden können" (BAFA, a.a.O.). Die Umsetzung dieser Abgrenzungsformel erfolgt in der Bekanntmachung der BAFA jedoch wenig strukturiert. So werden einzelne Güter direkt ausgenommen (z.B. Hausinstallationen, Sozialeinrichtungen, Montageteile), später eine Liste mit nicht erfassten Einrichtungen und Ausrüstungen, z.B. die fossile Brennstoff- und Wasserversorgung, die nicht nukleare Wärmeerzeugung, Fernwärmeeinrichtungen für kraftwerksfremde Verbraucher, Nebenanlagen und Bauwerke außerhalb des Reaktorsicherheitsbehälters, angefügt und zeitnah eine im Jahr 2000 aufgehobene Allgemeine Genehmigung für "unbedenkliche Regalwaren", deren Genehmigungsbedürftigkeit sich nicht erschließt (vgl. Bachmann, AW-Prax 2003, 155), erlassen. Vorliegend ist die von der BAFA beratene Beschwerdeführerin der Ansicht, dass die zur Federung des Turbinenfundaments gelieferten Güter mittelbar von funktionaler Bedeutung für die kerntechnische Anlage seien und die Ausfuhr deshalb genehmigungspflichtig sei.

Der Senat hält den Ausgangspunkt dieser Abgrenzungsformel zwar für zutreffend, aber vor dem Hintergrund des strafrechtlichen Bestimmtheitsgebots, wonach die Strafbarkeit vorhersehbar und es dem Einzelnen möglich sein muss, sein Verhalten auf die Rechtslage einzurichten (vgl. Fischer, StGB 55. Aufl., § 1 Rdn. 3, 5, 5a), für zu weitreichend.

Danach sind Güter außerhalb des Primärkreislaufs des Kernkraftwerks nur dann als tatbestandsmäßig im Sinne des § 5d AWV anzusehen, wenn sie den Betrieb der kerntechnischen Anlage erst ermöglichen und dadurch der kerntechnischen Anlage funktional unmittelbar zugeordnet werden können (im Ergebnis ähnlich Bachmann, AW-Prax 2003, 154, 155, der für § 5d AWV eine vergleichbare Regelung wie in § 5c AWV vorschlägt, wonach die Güter für die - dort militärische - Endverwendung bestimmt sein müssen und damit ebenfalls ein unmittelbarer Zusammenhang vorausgesetzt wird). Die von der BAFA vertretene Abgrenzungsformel ist hingegen zu weit, weil sie jeden auch nur mittelbaren funktionalen Bezug für ausreichend hält. Weshalb dieser mittelbare Bezug jedoch bei den durch die Bekanntmachung von 1992 ausgeschiedenen Gütern nicht vorliegen soll, erschließt sich z.B. für Einrichtungen für die Wasserversorgung, Laboreinrichtungen, Bauwerke für Kühlwasseranlagen oder Energieableitung nicht ohne weiteres. Die BAFA selbst hat in ihrer Gesamtbewertung die gelieferten Federungsteile auch als wesentliche Bestandteile der Anlage bewertet, was eine andere treffende Umschreibung darstellen würde, wenn die Güter den Betrieb der Anlage tatsächlich erst ermöglichen (vgl. ähnlich auch VG Frankfurt/M., a.a.O., das einen untrennbaren Zusammenhang zwischen der Reaktorhülle und der Sekundärabschirmung durch die Stahlbetonhülle ausreichen ließ). Im Übrigen ist durch eine klare und restriktive Anwendung des § 5d AWV für Güter außerhalb des Primärkreislaufs auch kein Verstoß gegen europäisches Gemeinschaftsrecht zu befürchten. Denn ungeachtet der in der europäischen Dual-Use-Verordnung enthaltenen Ermächtigung an die nationalen Gesetzgeber für die erwähnten Ausnahmetatbestände sollte die Reichweite der EG-Bestimmung nicht durch eine unbestimmte Erweiterung, z.B. durch einen bloß mittelbaren Bezug zur Anlage, quasi ausgehebelt werden (vgl. Hocke/Berwald/Maurer/Friedrich, a.a.O., Bd. 2 Hauptteil III, Dual-Use-VO I.d.). Dies gilt umso mehr, als dass das Auswärtige Amt in seinen Stellungnahmen ausdrücklich betont, dass die Genehmigungspraxis nach § 5d AWV über den Anwendungsbereich der Norm hinausgehend restriktiv ist und entsprechende Vorabanfragen von Lieferanten aus sicherheitspolitischen Gründen ablehnend beantwortet werden, so dass diese regelmäßig auf einen Genehmigungsantrag verzichten und es zu keiner förmlichen Entscheidung mehr kommt. Schließlich entspricht die einengende Auslegung auch dem Ausgangspunkt des Außenwirtschaftsrechts (vgl. Simonsen in Wolffgang/Simonsen, a.a.O., Bd. 2, § 1 AWG Rdn. 16). Denn danach ist der Außenwirtschaftsverkehr gemäß § 1 AWG grundsätzlich frei und Genehmigungsvorbehalte sind nach § 2 Abs. 3 AWG auf das unablässig notwendige Maß zu beschränken.

c. Nach diesen Kriterien waren die gelieferten Güter nicht gemäß § 5d AWV tatbestandsmäßig und ein hinreichender Tatverdacht folglich mangels Genehmigungsbedürftigkeit nicht gegeben.

(1) Die - diesem Verfahren nicht zugrundeliegende - Lieferung einer der Stromgewinnung dienenden Turbine würde vorliegend zwar unter den Genehmigungsvorbehalt fallen. Denn die Kernkraftwerkanlage in Bushehr dient allein der Stromgewinnung und selbst nach dem eingereichten Privatgutachten Spieth/Niestedt ist ein Betrieb der kerntechnischen Anlage ohne Turbinen gar nicht möglich. Hierzu passend hat auch die BAFA festgestellt, dass bei einem Ausfall der Turbine eine Abschaltung der kerntechnischen Anlage in Bushehr erforderlich wäre. Damit aber erst ermöglicht die Turbine den Betrieb und es besteht daher auch der erforderliche unmittelbare funktionelle Zusammenhang mit der kerntechnischen Anlage.

(2) Für die gelieferten Federelemente nebst Zubehör besteht dieser erforderliche Zusammenhang hingegen nicht. Es ist zwar nach den vorliegenden technischen Stellungnahmen davon auszugehen, dass die Abfederung der Turbinen über mit Federungen versehene Fundamente für einen langfristig weniger verschleißanfälligen Betrieb der Turbine sorgt und die Turbine selbst auch vor möglichen Erdbeben besser zu schützen vermag. Diese Umstände stellen jedoch lediglich einen mittelbaren Bezug zur kerntechnischen Anlage dar und ermöglichen nicht erst deren Betrieb.

Die BAFA ging zunächst davon aus, dass weltweit jede zur Stromerzeugung in einem Kernkraftwerk eingesetzte Turbine für den zweckgemäßen, d.h. auf wirtschaftliche Stromgewinnung ausgerichteten Betrieb durch entsprechende, auf dem Fundament angebrachte Federungssysteme ausgestattet sein müsse. Anderenfalls würde die Turbine durch die auftretenden Schwingungen zu schnell abgenutzt werden. Das Zollfahndungsamt als Ermittlungsbehörde stützte sich dabei zusätzlich auf angeblich entsprechende Darlegungen des Sachverständigen Dr. Teske von der Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS). Die daraufhin von der Verteidigung im Beschwerdeverfahren erfolgte Nachfrage bei Dr. Teske ergab hingegen ein völlig anderes Bild. Danach sind die Angaben der Verteidigung insoweit zutreffend, dass weltweit auch in Erdbeben gefährdeten Ländern häufig statisch gelagerte Turbinen in Kernkraftwerken - insbesondere in den USA und Japan - eingesetzt werden, dagegen nach dem neuesten Stand der Technik entwickelte Federungssysteme zum zweckgemäßen Betrieb auch aus Sicherheitsgründen gerade nicht erforderlich, sondern lediglich betriebswirtschaftlich wünschenswert sind. Auf die daraufhin ergangene Nachfrage des Senats an die BAFA wurde mitgeteilt, dass dort Kernkraftwerke mit starrer Turbinenlagerung - weiterhin - unbekannt seien, ohne dass erkennbar wurde, ob und mit welchen Ergebnissen den Angaben des Sachverständigen Dr. Teske nachgegangen worden ist. Das Zollfahndungsamt bestätigte jedenfalls ausweislich eines Vermerks aus einem Parallelverfahren der Staatsanwaltschaft Potsdam, dass die ursprüngliche Wiedergabe der Ansicht des Sachverständigen Dr. Teske unzutreffend war und dieser tatsächlich davon ausgeht, dass viele Turbinen in Kernkraftwerken ohne elastische Abfederung betrieben werden und ein funktionaler Zusammenhang zur Reaktoranlage bei vorhandener Federung seiner Meinung nach nicht vorläge. Eine nachvollziehbare, mit Belegen versehene, die Ausführungen des Sachverständigen Dr. Teske widerlegende Stellungnahme ist damit weder seitens der BAFA noch des Zollfahndungsamtes erfolgt. Eine weitere technische Aufklärung erschien daher auch nicht weiter veranlasst.

Vor diesem Hintergrund geht der Senat davon aus, dass die Federungssysteme technisch gerade nicht erforderlich sind für den Betrieb der kerntechnischen Anlage in Bushehr und insoweit ein nur mittelbarer, für den Tatbestand nach § 5d AWV nicht ausreichender Bezug zur Anlage besteht.

(3) Auch für den weiteren Tatvorwurf, 15 Kisten Rohrleitungsdämpfer, Federelemente und Zubehör ohne die nach § 5d AWV erforderliche Genehmigung geliefert zu haben, fehlt aus diesen Gründen der hinreichende Tatverdacht. Denn es konnte lediglich ermittelt werden, dass diese Güter mangels Strahlenbeständigkeit nicht für den Primärkreislauf gedacht waren, die genauere Verwendung blieb unbekannt. Damit kann aber auch nicht nachgewiesen werden, dass diese Teile den Betrieb erst ermöglichen und in welchem Zusammenhang sie zur kerntechnischen Anlage stehen.

5. Im Übrigen lässt der Senat dahinstehen, ob auch hinsichtlich der weiteren Tatbestandsvoraussetzungen nach § 34 Abs. 2 Nr. 3 AWG hinreichender Tatverdacht vorgelegen hätte. Danach hätten die Lieferungen geeignet gewesen sein müssen, die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik erheblich zu gefährden.

Anerkanntermaßen setzt eine erhebliche Störung der auswärtigen Beziehungen zu anderen Staaten oder internationalen Organisationen durch einen Verstoß gegen das Außenwirtschaftsrecht voraus, dass die Bundesrepublik in eine Lage gebracht wird, die es ihr unmöglich macht oder wesentlich erschwert, ihre außenpolitischen Interessen zur Geltung zu bringen oder glaubhaft zu vertreten. So können illegale Ausfuhren zu einer international starken Missbilligung führen und das Vertrauen der für die Außenpolitik wichtigen, vor allem verbündeten Staaten in die Zuverlässigkeit Deutschlands hinsichtlich einer effektiven Exportkontrolle untergraben (vgl. Bieneck, a.a.O., § 29 IV m.w.N.). Der Verstoß setzt noch nicht den Eintritt einer konkreten Gefährdung der auswärtigen Beziehungen voraus, aber er muss bei genereller Betrachtung entsprechend gefahrengeeignet gewesen sein (vgl. BGH NJW 1999, 2129, 2130).

Das Auswärtige Amt sieht diese Voraussetzungen in seinen Stellungnahmen bereits deshalb für gegeben, weil illegale Lieferungen sensibler Güter in den Iran bereits zu negativen internationalen Medienberichten über Deutschland geführt hätten und insbesondere das Vertrauen der befreundeten Staaten in Europa und den USA an einer effektiven Exportkontrolle durch Deutschland Schaden erlitten habe.

Der Senat weist demgegenüber darauf hin, dass für eine erhebliche Gefährdung der außenpolitischen Interessen nicht bereits einzelne kritische Presseberichte oder diplomatische Nachfragen bzw. eine diplomatische Verstimmung ausreichen würde. Um mit den anderen Tatmodalitäten in § 34 Abs. 2 AWG - die Gefährdung der äußeren Sicherheit bzw. des Völkerfriedens - gleichrangig zu sein, müssen erhebliche, d.h. anhaltende oder tiefgreifende Störungen auftreten bzw. zu befürchten sein. Darunter zählen die Einberufung des deutschen Botschafters, der Rückruf eines Botschafters, nachdrückliche diplomatische Beschwerden, die Verurteilung der Bundesrepublik in internationalen Gremien oder feindselige, anhaltende Medienkampagnen (vgl. Bieneck, a.a.O.; Beutel bzw. Bieneck in Wolffgang/-Simonsen, Bd. 2, § 7 AWG Rdn. 10 ff und § 34 AWG Rdn. 58 f, 63; VG Frankfurt, a.a.O., 428). Vorliegend spricht die jüngere Entwicklung eher gegen die Annahme einer derartigen Gefährdung in den Jahren 2001 und 2004. Denn durch die UN-Resolutionen Nr. 1737 vom 23. Dezember 2006 und Nr. 1747 vom 24. März 2007 sowie deren Umsetzung in der Europäischen Union durch die Verordnung (EG) Nr. 423/2007 vom 19. April 2007 wurden zwar Sanktionen für den Fall von Lieferungen im Zusammenhang mit für nuklearwaffenfähige Materialgewinnung geeignete Schwerwasser-Reaktoren in den Iran beschlossen, hingegen Leichtwasser-Reaktoren von den Beschränkungen gerade ausgenommen.

6. Hinsichtlich des fehlenden Tatverdachts für eine entsprechende Versuchsstrafbarkeit oder des Vorliegens einer Ordnungswidrigkeit wird auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss verwiesen.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 StPO.

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