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Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 23.10.2001
Aktenzeichen: 5 U 101/01
Rechtsgebiete: MarkenG, BGB, GG
Vorschriften:
MarkenG § 15 | |
BGB § 12 | |
GG Art. 5 |
2. Die nach § 12 BGB gebotene Interessenabwägung kann einem Unterlassungsanspruch entgegenstehen, wenn die Verwechselungsgefahr für den Internet-Nutzer nur "auf den ersten Blick" besteht.
3. Der Gebrauch eines fremden Unternehmenskennzeichens in einem Domain-Namen für ideelle Zwecke kann dann gemäß Art. 5 GG befugt sein, wenn damit wegen der Besonderheiten des Suchverfahrens von Internet-Suchmaschinen eine weit größere Öffentlichkeit erreichbar wird.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes
Geschäftsnummer: 5 U 101/01
Verkündet am: 23. Oktober 2001
In dem Rechtsstreit
hat der 5. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 23. Oktober 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Haase sowie die Richter am Kammergericht Grass und Dr. Pahl für Recht erkannt:
Tenor:
I. Auf die Berufung des Antragsgegners wird das Urteil der Zivilkammer 16 des Landgerichts Berlin vom 6. März 2001 - Az. 16 O 33/01 - geändert:
Die einstweilige Verfügung vom 18. Januar 2001 - Az. 16 O 33/01 - wird aufgehoben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens beider Instanzen zu tragen.
Tatbestand:
Die Antragstellerin ist ein Unternehmen der Mineralölindustrie, welches kürzlich aus den drei Unternehmen T F und E gebildet wurde. Ihre Produkte werden u. a. an Tankstellen mit der Bezeichnung "e" vertrieben. Der Antragsgegner ist eine international tätige Umweltschutzorganisation.
Der Antragsgegner unterhielt eine Domain "http://www", von welcher die Antragstellerin am 10. Januar 2001 Kenntnis erlangte. Wer diese Domain aufrief, erhielt Zugriff auf Internet-Seiten der Antragsgegnerin (unter der Adressenangabe "www."), die sich kritisch mit der Ölförderung der Antragstellerin in Russland sowie deren Unternehmenspolitik auseinandersetzen.
Die Antragstellerin hält die Domain www. für eine Verletzung der von ihr beanspruchten Kennzeichenrechte und hat am 18. Januar 2001 eine einstweilige Verfügung erwirkt, mit der dem Antragsgegner bei Vermeidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel untersagt worden ist, unter der Internet-Domain "www." im Internet aufzutreten. Auf den Widerspruch des Antragsgegners hat das Landgericht mit der angefochtenen Entscheidung die einstweilige Verfügung bestätigt. Es liege jedenfalls anfänglich eine Verwechselungsgefahr und Zuordnungsverwirrung vor, deren Unterbindung die Antragstellerin nach § 12 BGB verlangen könne.
Von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes wird entsprechend § 543 Abs. 1, 1. Alt. ZPO a. F. abgesehen.
Entscheidungsgründe:
A. Die Berufung ist begründet. Der Antragstellerin steht gegen den Antragsgegner kein Unterlassungsanspruch dahin zu, unter der Internet-Domain "www. aufzutreten.
I. Firmenrechtliche Ansprüche aus § 15 MarkenG kommen nicht in Betracht.
Nach seinem Wortlaut und seinem Schutzzweck setzt § 15 MarkenG ein Handeln des Verletzers "im geschäftlichen Verkehr" voraus (Ingerl/Rohnke, MarkenG, § 15 Rdn. 21). Ein solches Handeln fehlt bei einer Vereins- oder Verbandstätigkeit mit ausschließlich ideeller Zielsetzung (BGH, GRUR 1976, 379, 380 - KSB; Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 15 Rdn. 21 und § 14 Rdn. 36).
Der Antragsgegner hat hier mit seiner Information unter der in Rede stehenden Domain allein seine ideellen, auf den Umweltschutz gerichteten Ziele verfolgt. Begleitende auch geschäftliche Interessen - eigene oder geförderter Dritter - sind nicht erkennbar und auch nicht vorgetragen. Soweit die kritische Information über die Antragstellerin deren Konkurrenten im Wettbewerb zugute kommen kann, wäre dies nur eine beiläufige Folge der ideellen Tätigkeit.
II. Auch eine Verletzung des Namensrechts der Antragstellerin nach § 12 BGB ist nicht gegeben.
1. Außerhalb des geschäftlichen Verkehrs kommt allerdings ein ergänzender Schutz von Unternehmenskennzeichen durch § 12 BGB in Betracht (Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 15 Rdn. 21; Nach § 15 Rdn. 7 m. w. N.).
2. Die Geschäftsbezeichnung der Antragstellerin ist auch hinreichend unterscheidungskräftig (für einen Mineralölhandel "E" - im Deutschen eine Zahl, die keinen sachlichgegenständlichen Bezug erkennen lässt und recht einprägsam ist) und prioritätsjünger als der Domain-Gebrauch des Antragsgegners.
3. Der Antragsgegner mag auch den Namen der Antragstellerin "gebraucht" haben.
a) Als Namensgebrauch im Sinne des § 12 BGB ist nicht jede Form der Verwendung eines fremden Namens anzusehen, sondern nur solche Namensanmaßungen, die geeignet sind, eine namensmäßige Identitäts- oder Zuordnungsverwirrung hervorzurufen (BGH, GRUR 1996, 422, 423 - J. C. Winter; 1993, 151, 153 - Universitätsemblem; Ingerl/Rohnke, a.a.O. Nach § 13 Rdn. 14; Palandt/Heinrichs, BGB, 58. Aufl., § 12 Rdn. 20). Bei bloßen Namensnennungen, also der Verwendung des richtigen fremden Namens für den richtigen Namensträger scheidet ein Schutz durch § 12 BGB mangels Identitäts- oder Zuordnungsverwirrung aus (Ingerl/Rohnke, a.a.O., Nach § 15 Rdn. 17).
b) Die hier vorliegende Domain kann sich für den angesprochenen Informationsinteressenten schon als eine namensmäßige Bezeichnung des Domain-Inhabers darstellen.
Dies folgt allerdings nicht schon allein aus der Funktion eines Domain-Namens. Die Domain wird zwar häufig nach dem Namen bzw. Unternehmenskennzeichen des Inhabers ausgewählt, so dass dann ein namensmäßiger Gebrauch vorliegt (vgl. Senat, NJW 1997, 3321 - concert-concept). Zwingend ist dies aber nicht. Nicht selten werden - insbesondere bei weniger bekannten Unternehmenskennzeichen - Gattungsbegriffe als Domain-Namen eingesetzt, die den Unternehmensgegenstand beschreiben, um in der Sache interessierte Kunden über die Suchmaschinen für die Homepage zu interessieren.
Die Wendung "oil-of-e" hat zwar einen deutlichen Bezug zu einem Unternehmensgegenstand, wenn sie auf das Öl bezogen ist, indem dieser Begriff an den Anfang der Wendung gesetzt wird. Herkömmlich folgt die Bezeichnung des Unternehmensgegenstandes dem eigentlichen Namenskern. Zwingend ist auch dies aber nicht." Prägend bleibt in der Wendung der Begriff "e" und damit eine Unternehmenskennzeichnung. Auch wenn dem Internet-Nutzer Gattungsbegriffe als Domain-Namen geläufig sind und er sorgfältiger auf Unterschiede in der Schreibweise der Domain achtet als bei herkömmlichen Zeichen (Senat, GRUR-RR 2001, 180, 181 - CHECK IN), liegt doch bei der Wendung - übersetzt - "Öl von E" die Annahme einer bloßen Gattungsbezeichnung eher fern, zumal die Gedankenstriche eher auf einen Namen hindeuten.
Domain-Namen können zwar auch als sachlich gestaltete Titel bzw. "Überschriften" in Betracht kommen. Inwieweit der Internet-Nutzer auch daran schon gewöhnt ist, kann hier dahingestellt bleiben. Ohne den Text der Internet-Seiten ist die Wendung nicht hinreichend deutlich als bloße Überschrift erkennbar. Überschriften enthalten in aller Regel schon eine kurze, knappe Aussage über den Gegenstand des Artikels (etwa "Öl von B bedroht die Umwelt"). Fehlt dies aber - wie hier - und bleibt allein die Unternehmenskennzeichnung prägend, dann liegt für den Internet-Nutzer die Annahme einer namensmäßigen Bezeichnung nicht fern, auch wenn erste Zweifel aufgeworfen sind.
c) Eine Verwechselungsgefahr mag hier ebenfalls bestehen.
aa) Auch wenn das Unternehmenskennzeichen der Antragstellerin und die Domain des Antragsgegners in ihrem prägenden Teil übereinstimmen, so achtet der Internet-Nutzer doch - wie erörtert - sorgfältiger auf Unterschiede in der Schreibweise, denn er weiß um die beschränkte Zahl der möglichen Domainbezeichnungen, die sich bei weiterer Ausbreitung des Internets immer stärker annähern (Senat, a.a.O., GECK IN). Auch die tastenmäßige Eingabe und die häufigen Fehlermeldungen schon bei geringen Abweichungen zwingen ihn zu erhöhter Aufmerksamkeit. Zwischen "E O und "Oil of E besteht somit zwar ein gewisser Abstand. Es bleibt dennoch eine nicht geringe Zeichenähnlichkeit.
bb) "E" ist im Mineralölbereich durchschnittlich kennzeichnungskräftig. Weitergehendes - etwa eine Steigerung kraft Verkehrsdurchsetzung - macht auch die Antragstellerin nicht geltend.
cc) Es fehlt zwar eine hinreichende "Branchennähe" zwischen den Angeboten der Parteien. Die Antragstellerin vertreibt Mineralöle, der Antragsgegner gibt ideelle Informationen im Umweltbereich. Für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Sinne des § 15 MarkenG ist im Fall einer Internet-Domain das auf den Webseiten zur Verfügung gestellte Dienstleistungsangebot maßgeblich (Senat, a.a.O., CHECK IN; OLG München, MMR 2000, 277). Auch die Verwechselungsgefahr im Sinne des § 12 BGB ist grundsätzlich von einer Branchennähe abhängig (BGH, NJW 1993, 460; Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 12 Rdn. 30).
Der Gesichtspunkt einer Branchennähe kann aber in dem hier vorliegenden Bereich einer Namensführung außerhalb des Geschäftsverkehrs keine allein entscheidende Bedeutung haben. Denn - abstrakt betrachtet - kann auch ein kommerzielles Unternehmen sich mit ideellen Informationen zum Umweltschutz an die Öffentlichkeit wenden. Dies gilt insbesondere für Mineralölfirmen, die mit einem Engagement im Umweltbereich zunehmend Kritikern entgegentreten wollen. Eine Domain, unter der Umweltinformationen verbreitet werden, kann daher - losgelöst vom jeweiligen konkreten Inhalt - an sich ebenso der Antragstellerin zugeordnet werden.
Insoweit mag daher trotz des nicht ganz unbedeutsamen Abstandes in der Ähnlichkeit der Bezeichnung schon eine Verwechselungsgefahr bestehen.
4. Es fehlt aber an einer hinreichenden Interessenverletzung der Antragstellerin.
a) Das verletzte Interesse im Sinne des § 12 BGB muss nicht vermögensrechtlicher Natur sein, sondern kann grundsätzlich auch ein persönliches, ideelles Interesse oder ein Affektionsinteresse sein (BGH, GRUR 1970, 481,482 - Weserklause). Bei einer Identitäts- oder Zuordnungsverwirrung wird in der Regel auch eine Interessenverletzung zu bejahen sein (Ingerl/Rohnke, a.a.O., Nach § 15 Rdn. 19). Für juristische Personen und Unternehmenskennzeichen, die keinen Namen einer natürlichen Person enthalten, gilt der weite Interessenbegriff nur eingeschränkt. Ihnen kommt Namensschutz nur im Rahmen ihres Funktionsbereichs zu; der Schutz ist also auf geschäftliche Interessen beschränkt (BGH, GRUR 1991,157, 158 - Johanniter-Bier; 1976, 379, 381 - KSB; weitergehend Ingerl/Rohnke, a.a.O., Nach § 15 Rdn. 20). Ideelle Belange können von Bedeutung sein, wenn sie sich in geschäftlichen Interessen niederschlagen (BGH, a.a.O., KSB).
b) Auch die Antragstellerin macht hier eine Verwechselungsgefahr nur "auf den ersten Blick" geltend, denn auf den zweiten Blick sei erkennbar, dass der Nutzer auf eine Webseite des Antragsgegners geleitet worden sei.
aa) Suchen Nutzer Informationen über bzw. von der Antragstellerin, so könnten sie diese über die Eingabe von Domain-Namen suchen. Die Antragstellerin schließt aber aus, dass Nutzer von dieser "ineffizienten und unsinnigen" Suchmethode in nennenswertem Umfang Gebrauch machen.
bb) Bei der Suche über Suchmaschinen wurde die hier in Rede stehende Domain des Antragsgegners aufgeführt.
Der Nutzer, der Informationen über die Antragstellerin (von wem auch immer) sucht, wird nicht enttäuscht, wenn er die Domain des Antragstellers aufsucht.
Aber auch Nutzer, die Informationen von der Antragstellerin suchen, werden allenfalls für den Bruchteil von Sekunden getäuscht. Denn in den von der Antragstellerin vorgetragenen Fundmeldungen der Suchmaschinen wird die Domain des Antragsgegners sogleich näher erläutert ("Die oil-of-E" Seiten von Greenpeace Deutschland geben Ihnen..."; "Briefwechsel mit E Vorstand V http://www.... Der Ölkonzern T ist mitverantwortlich für die Ölpest..."). Schon bei einem kurzen Überfliegen der Suchergebnisse wird dem Nutzer deutlich, dass er unter der Domain des Antragsgegners Informationen von diesem über die Antragstellerin erhält. Die Verwechselungsgefahr aus der Namensführung kann insoweit nur zu einem kurzzeitigen "Blickfang" führen, nicht aber zu einem irregeführten Aufruf der Webseite. Selbst wenn kleinere Suchmaschinen bei der Auflistung des Suchergebnisses keine weitergehenden Informationen geben sollten, so bleibt allein für diesen Fall eine weitergehende Zuordnungsverwirrung. Wird aber die Domain aufgerufen, kommt eine Irreführung über den Informationsgeber nach ihrem Inhalt noch weniger in Betracht. Selbst die Antragstellerin gesteht zu, dass der Inhalt der Webseite insoweit eindeutig ist.
Eine vorübergehende Unklarheit in der Zuordnung einer Domain bis zum Aufruf der Internet-Seite begründet grundsätzlich noch keine hinreichende Interessenbeeinträchtigung, soweit es sich nicht um ein Firmenschlagwort mit überragender Verkehrsgeltung handelt (Senat, a.a.O., Seite 181 - CHECK IN). Letzteres hat die Antragstellerin hier nicht vorgetragen. Der verständige Internet-Nutzer ist sich der nur groben Vorauswahl der Suchmaschinen bewusst. Er wird deshalb in der Regel auch nicht sogleich entmutigt eine weitere Suche nach der Homepage der Antragstellerin aufgeben, wenn er nach dem Suchergebnis zuerst die Homepage des Antragsgegners aufgerufen hat. Dass die Antragstellerin mit einer Homepage unter ihrem Unternehmenskennzeichen völlig aus den Suchergebnissen der gängigen Suchmaschinen herausfallen könnte (etwa weil der Antragsgegner Nachahmer gefunden hätte), ist derzeit weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
c) Die Antragstellerin räumt auch ein, dass die Webseiten des Antragsgegners - etwa durch das Setzen von Meta-Tags - bei der Eingabe ihres Unternehmensschlagwortes von Suchmaschinen als Treffer genannt werden können. Die Verbindung zwischen dem Gebrauch ihres Unternehmensschlagwortes durch den Nutzer hin zur Informationsseite des Antragsgegners kann und will sie nicht unterbrechen.
Der somit allein maßgebliche kurzzeitige Blickfang bei der Auswertung des Ergebnisses der Suchmaschinen beeinträchtigt nicht hinreichend geschäftliche Interessen der Antragstellerin.
5. Im Übrigen gebraucht der Antragsgegner den Namen der Antragstellerin nicht "unbefugt".
a) Unbefugt ist der Gebrauch, wenn ein eigenes Benutzungsrecht nicht gegeben ist (BGH, GRUR 1996, 422, 423 - J. C. Winter). Die Namensverwendung kann auch durch die Meinungs- und Pressefreiheit gerechtfertigt sein, und zwar je nach den Umständen auch in blickfangartiger Wiedergabe (BGH, GRUR 1979, 564, 565 - Metall-Zeitung; Ingerl/Rohnke, a.a.O., Nach § 15 Rdn. 18).
c) Der Antragsgegner hat hier (durch die Anlage Bf 3) glaubhaft gemacht, dass er mit seiner Domain-Angabe im erheblichen Umfang bei der Suche durch Suchmaschinen gegenüber bloßen Suchangaben auf den Seiten begünstigt wird, er also eine weit größere Öffentlichkeit erreichen kann. Denn die Angaben in einer Domain würden von den Suchmaschinen überwiegend gegenüber bloßen Angaben auf den Seiten bevorzugt, also eher und in der Auflistung früher genannt.
Eine besondere inhaltliche Gestaltung einer Verlautbarung zur Erzielung einer größeren Öffentlichkeit steht unter dem Schutz des Art. 5 GG. Dieses Interesse des Antragsgegners überwiegt - jedenfalls zur Zeit - die allenfalls marginal berührten geschäftlichen Interessen der Antragstellerin (Art. 14 GG) deutlich.
B. Die Nebenentscheidung zu den Kosten beruht auf § 91 ZPO.
Ende der Entscheidung
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