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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 11.02.2000
Aktenzeichen: 5 U 103/00
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 1
Leitsatz:

UWG § 1

Die "Gratisverteilung" einer Tageszeitung ist nicht per se wettbewerbswidrig, vielmehr muß aus der kostenlosen Abgabe eine ernstliche Gefahr für den Bestand des Wettbewerbs oder für den Institutsschutz der berichterstattenden Presse erwachsen. Da auch das "Gratisblatt" den Schutz der Pressefreiheit genießt, sind an Darlegung und Glaubhaftmachung der konkreten Bestandsgefährdung hohe Anforderungen zu stellen.

Kammergericht, 5. Zivilsenat, Urteil vom 11. Februar 2000 - 5 U 103/00 - nicht anfechtbar


KAMMERGERICHT

Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 5 U 103/00 15 O 703/99 LG Berlin

In dem Rechtsstreit

Verkündet am: 11. Februar 2000

Lohey, Justizsekretärin

hat der 5. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Bornemann, die Richterin am Kammergericht PrietzelFunk und den Richter am Kammergericht Crass auf die mündliche Verhandlung vom 11. Februar 2000 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 4. Januar 2000 verkündete Urteil der Zivilkammer 15 des Landgerichts Berlin geändert:

Die einstweilige Verfügung vom 17. Dezember 1999 wird aufgehoben.

Der Antrag auf ihren Erlass wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

Die Antragsgegnerin gehört als Holding-Gesellschaft für verschiedene Regionalgesellschaften in Deutschland, Österreich und der Schweiz zum norwegischen S Konzern, dessen Muttergesellschaft die S A.S.A. mit Sitz in Oslo ist und der als führender Medienkonzern Skandinaviens unter anderem bekannte regionale und überregionale Tageszeitungen in Oslo, Stockholm, Bergen, Stavanger und Tallinn herausgibt. Er verlegt auch Zeitungen, die unentgeltlich an Verbraucher verteilt werden.

Seit dem 13. Dezember 1999 verteilt die Antragsgegnerin eine solche unentgeltliche Zeitung unter der Bezeichnung "2 m K'" auch in Köln. Diese Zeitung soll von Montag bis Freitag in einer Auflage von 150.000 Exemplaren erscheinen und enthält einen redaktionellen Anteil, der etwa 60-65 % des Inhalts ausmacht. Die Zeitung wird in eigens dazu ausgestellten Boxen ab 6.00 Uhr morgens kostenlos abgegeben.

Die Antragstellerin ist ein bundesweit tätiger Zeitungsverlag, der werktäglich unter anderem die "Bild"-Zeitung herausgibt, die in Köln neben den Erzeugnissen des DuMont-Schauberg-Verlages ("Express", "Kölner Stadtanzeiger", "Kölnische Rundschau") eine wichtige Position auf dem Zeitungsmarkt einnimmt.

Die Antragstellerin und der DuMont-Schauberg-Verlag nahmen die Vorgehensweise der Antragsgegnerin zum Anlass, ebenfalls Zeitungen mit redaktionellem Teil unentgeltlich zu verteilen.

Die Antragsgegnerin hat den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 17. Dezember 1999 erwirkt, demzufolge der Antragstellerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt worden ist, unter dem Titel "2 m K" und/oder einem anderen Titel ein montags bis freitags erscheinendes Presseerzeugnis mit einem Inhalt wie und in der Aufmachung einer Tageszeitung mit überregionalen und regionalen Nachrichten unentgeltlich zu verbreiten und/oder abgeben zu lassen, insbesondere wenn dies geschieht wie nachfolgend in der Gemäß dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht die einstweilige Verfügung vom 17. Dezember 1999 bestätigt.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Antragsgegnerin, die beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die einstweilige Verfügung vom 17. Dezember 1999 aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Übrigen wird von der Darstellung des Tatbestandes gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin ist begründet. Der Antragstellerin steht kein Anspruch aus § 1 UWG auf Unterlassung der "Gratisverteilung" der Zeitung "2 m K" zu.

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass für die angesprochenen Verkehrskreise, zu denen auch die Mitglieder des Senats gehören, klar ist, dass die Beklagte ihr Produkt nicht "gratis" abgibt. Auch für die angesprochenen Verbraucher besteht kein Zweifel daran, dass sie eine Leistung erhalten, für die andere, nämlich die Inserenten, bezahlt haben. Die Antragsgegnerin versucht, die von ihr herausgegebene Zeitung mittels eines ffür den Markt jedenfalls jetzt noch ungewohnten Vertriebsweges abzusetzen. Schon dies wirft die Frage auf, ob § 1 UWG zur rechtlichen Absicherung konventioneller Vertriebsmittel dienen soll (vgl. Emmerich, Das Recht des unlauteren Wettbewerbs, 5. Aufl., S.301).

Ein übermäßiges Anlocken oder eine unsachliche Beeinflussung durch "Gratisverteilung" kommt nicht in Betracht: Das wirtschaftliche Ziel bei ständiger "Gratisverteilung" - hier der gesamten Auflage - kann nur sein, die Zeitung für Anzeigenkunden attraktiv zu gestalten zu dem Zweck, den Anzeigenteil und damit die Einnahmen zu vergrößern. Dass diese Attraktivität auch durch die Qualität des Produkts erhöht werden kann, liegt auf der Hand. Lesermarkt und Anzeigenmarkt stehen insoweit in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis. Dieser Gesichtspunkt gilt nicht nur für Fachzeitschriften (vgl. BGH GRUR 1982, 53 (55) -"Bäckerfachzeitschrift"), sondern gleichermaßen für Tageszeitungen. Auch der Antragsgegnerin als Verlegerin von "2 m K" kommt es entscheidend darauf an, Anzeigenkunden zu gewinnnen. Dieses Ziel werden die angesprochenen Verkehrskreise auch erkennen, denen klar ist, dass jeder Verleger von Tageszeitungen gewinnorientiert arbeitet und Verluste vermeiden will. Der Senat verkennt insoweit nicht, dass traditionell in der Rechtsprechung die kostenlose Abgabe von Presseerzeugnissen als Sonderfall des massenhaften kostenlosen Verteilens von Originalware nach eigenen Kriterien behandelt worden ist.

Der Senat sieht keinen Anlass, von den Ausführungen in seinem Urteil vom 22. Dezember 1998 (ZUM-RD 1999, 345 (347)) abzugehen. Dort heißt es in diesem Zusammenhang:

"Die Gratisverteilung von Tageszeitungen ist nicht zwingend wettbewerbswidrig. Es lassen sich gerade auch im Bereich des Verschenkens oder der Gratisverteilung von Zeitungen und Zeitschriften nicht abstrakt Merkmale feststellen, die bei Vorhandensein ohne Rücksicht auf die konkrete Fallgestaltung und deren besondere Umstände die Wettbewerbswidrigkeit indizieren. Diese ist abhängig von der individuellen Gestaltung, von Umfang, Intensität und Wirkung der Werbemaßnahme (vgl. BGH a.a.O. -"Bäckerfachzeitschrift"). Unter ausdrücklicher Abkehr von seiner in "Feld und Wald II" (GRUR 1977, 608) vertretenen Auffassung betont der BGH in der Entscheidung "Bäckerfachzeitschrift", dass sämtliche den Einzelfall bildenden Umstände zur Prüfung heranzuziehen seien, ob die angegriffene Maßnahme tatbestandsmäßig den Begriff des Verstoßes gegen die guten Sitten erfüllt. Unter dem Gesichtspunkt des Behinderungswettbewerbs kommt es darauf an, ob die Maßnahme den Bestand des Wettbewerbs in der Branche gefährdet. Für die Annahme einer die Allgemeinheit treffenden Bestandsgefährdung genügt nicht die abstrakte Gefährdung oder die Möglichkeit einer rechtspolitisch unerwünschten Entwicklung. Erforderlich ist vielmehr, dass aus der umstrittenen Maßnahme eine konkrete Gefahr für den Bestand des Wettbewerbs erwächst, durch welche die Interessen der Allgemeinheit in einem nicht unerheblichen Umfang beeinträchtigt werden. Die Gesamtwürdigung der die Werbemaßnahme begründenden und begleitenden Umständen ist maßgebend für die Beurteilung der Lauterkeit oder Unlauterkeit, es kommt auf die Auswirkungen an, insbesondere auch auf solche, die sich mittelbar bei einer Nachahmung durch die Mitbewerber ergeben werden (vgl. BGH a.a.O. - "Bäckerfachzeitschrift": Gloy (Herausgeber)/Klosterfelde/Jaeger-Lenz, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 2. Aufl., § 50 Rdn. 4)"

Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung "Annoncen-Avis" (BGH GRUR 1990, 44 f.) an seinen in der Entscheidung "Bäckerfachzeitschrift" entwickelten Grundsätzen festgehalten. In diesem Urteil, in dem es um eine von einer Tageszeitung angestrengten Klage gegen den Herausgeber eines gratis verteilten Offertenblattes ging, hat er ausgeführt, dass das Wettbewerbsverhalten der dortigen Beklagten nur dann als mit den guten Sitten im Wettbewerb nicht vereinbar anzusehen sei, wenn aus ihm eine ernste Gefahr für den Bestand des Wettbewerbs im Anzeigenmarkt erwüchse oder der Institutionsschutz der berichterstattenden Presse gemäß Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG berührt würde. Der Bundesgerichtshof hat insoweit an Ausführungen in seiner Entscheidung "Stuttgarter Wochenblatt" (GRUR 1969, 287 f.) festgehalten. Auch der Senat teilt diese Rechtsauffassung (vgl. ZUM-RD 1999, 345 (347); AfP 1997, 726 f.).

Der Senat verkennt nicht, dass es bis zum heutigen Tage keine Entscheidung des Bundesgerichtshofs gibt, in der die dauerhafte kostenlose Verteilung einer vollwertigen Tageszeitung für wettbewerbsrechtlich unbedenklich erklärt worden wäre. Es gibt jedoch auch keine Entscheidung in dem Sinne, dass eine solche Verteilung ungeachtet der Umstände des Einzelfalls wettbewerbswidrig ist. Der Senat sieht auch in den Ausführungen des Bundesgerichtshofs in dem Urteil "Stumme Verkäufer" (GRUR 1996, 778 (780)) keine den vorliegenden Fall treffende Präjudizentscheidung. Allerdings hat der Bundesgerichtshof dort ausgeführt, dass die kostenlose Abgabe von Sonntagszeitungen - das müsste dann zwangsläufig auch für Tageszeitungen gelten, die am Wochenende nicht erscheinen - nur ausnahmsweise wettbewerbsrechtlich unbedenklich sei (vgl. dazu auch OLG Karlsruhe NJW-RR 1998, 912 -"Kostenlose Sonntagszeitung"). Dieser Entscheidung lag ein Sachverhalt zugrunde, der das Angebot von grundsätzlich entgeltlichen Sonntagszeitungen in ungesicherten Verkaufshilfen zum Gegenstand hatte. In dieser Entscheidung hat der Bundesgerichtshof eine Wettbewerbswidrigkeit in der unzulässigen Wertreklame gesehen. Zusätzlich hat er beanstandet, dass diese Form der Gratisabgabe in nicht unerheblichem Umfang dazu führe, dass Kaufinteressenten zwischen verschiedenen Zeitungsangeboten nicht nur nach Sachkriterien auswählen, sondern sich dort bedienen, wo ihnen eine kostenlose Erwerbsmöglichkeit winkt. Außerdem führe eine solche Gratisverteilung zu einer Gefahr für den Bestand des Leistungswettbewerbs infolge der Anlockwirkung, des unsachlichen Gewöhnungseffekts und der Gefahr der Nachahmung. Der Senat versteht den Bundesgerichtshof dahingehend, dass diese Kriterien nicht generell gegen die "Gratisabgabe" von Tageszeitungen sprechen, sondern dann, wenn diese Zeitungen normalerweise entgeltlich abgegeben werden. Ein Verbot des unentgeltlichen Vertriebs von Tageszeitungen unter allen Umständen liest der Senat aus dieser Entscheidung nicht heraus. Sollte sie so zu verstehen sein, könnte er ihr im Hinblick auf das Grundrecht der Pressefreiheit, das auch für die Antragsgegnerin streitet, nicht folgen.

Auch die von der Antragsgegnerin herausgegebene Zeitung genießt den Schutz aus Artikel 5 Abs. 1 GG. Denn gemäß dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Oktober 1996 (BVerfG 95, 28 (35)) gehören auch Werkszeitungen zur Presse im Sinne des Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG, da diese Vorschrift keinen Unterschied zwischen Zeitschriften, die dem Publikum allgemein zum Verkauf angeboten werden, und Werkszeitungen macht. Das Bundesverfassungsgericht macht den Schutz der Pressefreiheit nicht von besonderen Eigenschaften der Publikation abhängig, vielmehr ist es stets von einem weiten und formalen Pressebegriff ausgegangen. Dies müsse auch für die Verbreitungsmodalitäten gelten. Entscheidend für den Grundrechtsschutz der Presse ist allein das Kommunikationsmedium, nicht der Vertriebsweg (BVerfG a.a.O.). Das Grundrecht der Pressefreiheit schützt (auch) die Freiheit der Entscheidung des Verlegers, ob er eine Zeitung herausgibt und wie er sie finanziert (Köhler, Wettbewerbs- und verfassungsrechtliche Fragen der Verteilung unentgeltlicher Zeitungen, WRP 1998, 450 (463); so auch Schricker in seinem Privatgutachten für die Antragsgegnerin vom 25. Januar 2000, S. 22 und 23). Auch der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung "Stuttgarter Wochenblatt I" darauf hingewiesen, dass der Schutz des Artikel 5 GG nicht nur Zeitungen im herkömmlichen Sinne gebührt. Dies gilt auch, wenn man unterstellt, dass sich die von der Antragsgegnerin herausgegebene Zeitung am Meinungsbildungsprozess nicht beteiligen will.

Nach alledem ist es ausschlaggebend, dass die Antragstellerin keine Umstände hat benennen können, aus denen folgt, dass aus der kostenlosen Abgabe des von der Antragsgegnerin herausgegebenen Blattes eine ernstliche Gefahr für den Bestand des Wettbewerbs oder für den Institutsschutz der berichterstattenden Presse erwächst. Zu fordern ist der konkrete Nachweis - hier die überwiegende Wahrscheinlichkeit -, dass Anzeigenkunden zu unentgeltlichen Zeitungen abwandern, und zwar nicht nur gelegentlich, sondern auf Dauer. Es kommt ferner darauf an, wie das entgeltlich abgegebene Blatt mit den Rückgängen im Anzeigengeschäft fertig werden kann. Grundsätzlich wird man eine gewisse Zeit zuwarten müssen, um eine ausreichende Beurteilungsgrundlage zu haben (vgl. Köhler a.a.O. 459). Auch das Bundesverfassungsgericht (NJW 1987, 239 (246)) fordert, dass hinreichend gesicherte Erkenntnisse Vorkehrungen zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Presse notwendig machen. Es entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass eine ernstliche Gefahr für den Bestand der übrigen Tageszeitungen gegeben sein muss (BGH a.a.O. "Stuttgarter Wochenblatt I"). Der Senat übersieht insoweit nicht, dass eine Unterlassungsklage nicht erst dann in Betracht kommt, wenn die schädigende Wirkung bereits klar zutage getreten ist, dass vielmehr einer wirklich drohenden Gefahr bereits vorbeugend begegnet werden muss (BGH "Stuttgarter Wochenblatt I" a.a.O.). Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Wettbewerb auch auf den Pressemärkten keinen Bestandsschutz für einzelne Unternehmen zulässt. Erforderlich ist, dass der Bestand des Wettbewerbs im Ganzen bedroht ist, also eine Monopolisierung des Marktes durch "2 m K" zu befürchten ist oder dass jedenfalls das Funktionieren des Wettbewerbs auf dem Markt ernsthaft durch die Ausübung von Marktmacht in Gefahr gerät. Es bedarf also einer konkreten Gefahr für den Bestand und/oder das Funktionieren des Wettbewerbs auf dem betreffenden Markt (vgl. Schricker in seinem Gutachten für die Antragsgegnerin, S. 27 f.). Eine solche konkrete Gefahr für den Bestand des Wettbewerbs der Tagespresse hätte die Antragstellerin substantiiert darlegen und glaubhaft machen müssen. Das ist ihr nicht gelungen. Zu den Auswirkungen des Vorgehens der Antragsgegnerin auf den Anzeigenmarkt trägt sie konkret gar nichts vor. Dies verwundert da ihr eventuelle störende Einflüsse der "Gratisverteilung" auf diesem Markt bekannt sein müssten. Das seit einem Jahr ungestörte Vertreiben von 250.000 Exemplaren des Blattes "15 Uhr aktuell" in Berlin scheint auf den Anzeigenmarkt hier keine nennenswerten Auswirkungen gehabt zu haben, sonst hätte die Antragstellerin, die bekanntlich auf dem Berliner Markt präsent ist, diese dargelegt.

Konkret ist das Vorbringen der Antragstellerin hinsichtlich des Umsatzrückganges ihres Produkts "Bild"-Zeitung in Köln. Aus der von ihr dargelegten Verkaufsentwicklung ergibt sich, dass im Erscheinungszeitraum des von der Antragsgegnerin herausgebrachten Blattes der Verkauf der "Bild"-Zeitung insbesondere an den Hauptverkehrsachsen der Kölnischen Verkehrsbetriebe rückläufig gewesen ist. Dies bedeutet zwar eine Veränderung auf dem lokalen Zeitungsmarkt in Köln, die nicht als ganz unerheblich angesehen werden kann. Diese Zahlen belegen aber nicht einmal eine Existenzgefährdung der "Bild"-Zeitung, wobei darauf hinzuweisen ist, dass Einbußen eines einzelnen Blattes nicht die konkrete Gefahr für den Bestand des Wettbewerbs anzeigen (vgl. Schricker a.a.O.). Das gilt auch für die ebenfalls dargelegten Einbußen des "Express" und des "Kölner Stadtanzeigers", wobei letztere ohnedies schon nach dem eigenen Vorbringen der Antragstellerin eher marginal ausgefallen sind. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Rückgänge nicht nur von "2 m K" verursacht worden sind, sondern auch darauf beruhen, dass die Antragstellerin und der DuMont-Schauberg-Verlag ihrerseits auch Gratisblätter verteilen ließen. In deren Verhalten zeigt sich nicht etwa eine unerwünschte Nachahmungsgefahr, die das Vorgehen der Antragsgegnerin ausgelöst hat, sondern die Marktmacht der von diesem Vorgehen betroffenen alteingesessenen Unternehmen. Sie sehen ersichtlich die Gratisverteilung von Tageszeitungen als zwar unerfreulich, aber nicht als unredlich an. Sonst hätten sie sich daran nicht flugs beteiligt, ohne auch nur ansatzweise abzuwarten, wie die Entwicklung verläuft. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass sich Herausgeber von Tageszeitungen auch gegen die Gratisverteilung von Anzeigenblättern gewehrt haben. Nachdem die Rechtsprechung dann die Herausgabe von anzeigenfinanzierten Blättern mit entsprechendem - regelmäßig lokal orientierten - redaktionellen Teil zugelassen hat, waren es die großen Verlage - hier in Berlin die Antragstellerin und der Gruner + Jahr Verlag -, welche die Anzeigenblätter nunmehr selbst vertreiben. Unabhängig davon ist festzustellen, dass eine Gefahr auch nur für den Bestand des Wettbewerbs auf dem Kölner Zeitungsmarkt schon deshalb nicht dargetan ist, weil in diesem Zusammenhang auch die Auswirkungen auf die sonstige regionale und überregionale Presse hätten vorgetragen werden müssen. Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass sonstige regionale und überregionale Blätter unter beachtlichen Absatzeinbußen gelitten haben. Ein konkreter Vortrag war der Antragstellerin auch nicht deshalb unmöglich, weil die Verteildauer von "2 m K" - auf Grund ihres Eingreifens - nur sehr begrenzt war. Es hätte nahegelegen, die Auswirkungen der "Gratisverteilung" von "15.00 Uhr aktuell" in Berlin, die seit einem Jahr ungestört erfolgt, darzulegen. Sie hat jedoch lediglich über Erfolge von "Gratiszeitungen" in Zürich und in Skandinavien berichtet, wobei jedoch nicht dargetan worden ist, dass die etablierten Blätter etwa in Zürich der "Züricher Tagesanzeiger" oder gar die "Neue Züricher Zeitung" Absatzeinbußen hinnehmen mussten. Es ist auch nicht ersichtlich, dass "gratis" verteilte Zeitungen in den skandinavischen Ländern den Bestand des dortigen Wettbewerbs gefährdet haben könnten. Der Senat hält auch angesichts der Angriffe der Antragstellerin daran fest, dass eine konkrete Gefahr für den Bestand des Wettbewerbs zu fordern ist (vgl. schon Senatsurteil AfP a.a.O.). Dieser Ansicht folgen auch das OLG Karlsruhe NJW-RR 1998, 912) und das OLG Bremen (WRP 1999, 1052) sowie das Landgericht Köln in seinem Urteil vom 3. Februar 2000 in dem DuMont-Schauberg-Verlag gegen die Antragsgegnerin eingeleiteten Verfügungsverfahren. Auch Teplitzky (Zur Frage der wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit des (ständigen) Gratisvertriebs einer ausschließlich durch Anzeigen finanzierten Zeitung, GRUR 1999, 108 (112)) weist darauf hin, dass das von ihm gewonnene, die Zulässigkeit der "Gratisverteilung" ablehnende "Ergebnis von dem arbeitshypothetisch unterstellten Endstadium einer zu befürchtenden Entwicklung des Pressemarktes ausgehe." Nicht beantwortet sei damit die Frage, ob es bei Zulassung rein anzeigenfinanzierter Zeitungen tatsächlich zwangsläufig zu diesem Endstadium käme und in welchem Stadium einer Entwicklung zu ihm die Wettbewerbsrechtsprechung Anlass sehen wird, ihr entgegenzutreten. Dabei geht auch der Senat davon aus, dass ein derartiges Endstadium nicht abzuwarten ist. Doch ist nicht zu übersehen, dass die Antragstellerin eine konkrete Gefahr für den Bestand des Wettbewerbs nicht nur nicht dargelegt hat, sondern es gewichtige Anzeichen dafür gibt, dass Kaufzeitungen gegenüber anzeigenfinanzierten Zeitungen durchaus eine gute Chance haben, im Wettbewerb zu bestehen. Der Argumentation der Antragstellerin, es seien Qualitätseinbußen zu befürchten, kann der Senat schon deshalb nicht nachgehen, weil eine Beurteilung der Qualität von Zeitungen in die Pressefreiheit als zensurähnlicher Vorgang eingreifen würde. Ebenso verfängt der Hinweis auf Probleme, die Kioskbetreiber oder das Pressegrosso mit der von der Antragsgegnerin gewählten Vertriebsform haben, nicht, denn die Wettbewerbssituation dieser Marktteilnehmer hat mit dem Bestand des Wettbewerbs auf dem Pressemarkt nichts zu tun. Nach alledem erfüllt das Vorbringen der Antragstellerin die hohen Anforderungen, die zu stellen sind, weil sie einen Eingriff in die Pressefreiheit der Antragsgegnerin begehrt, nicht. Es ist keineswegs überwiegend wahrscheinlich, dass eine konkrete Gefahr für den Bestand des Wettbewerbs auf dem Pressemarkt durch die Verteilung anzeigenfinanzierter Trageszeitungen besteht. Solange eine solche Gefahr nicht dargelegt und glaubhaft gemacht werden kann, ist dem Freiheitsrecht, das die Antragsgegnerin genießt, der Vorrang einzuräumen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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