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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 26.05.2000
Aktenzeichen: 5 U 1389/00
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 3
Leitsatz:

UWG § 3

Die Bewerbung einer Tageszeitung als "die Stimme Berlins" stellt sich nicht Alleinstellungsberühmung dar; solange nicht auf dem bestimmten Artikel der Akzent liegt. Hinzu kommt, dass auch ein Eigenschaftswort von empfehlenden Bedeutung fehlt.


KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 5 U 1389/00 103 O 190/99 LG Berlin

verkündet am 26. Mai 2000

Lohey Justizsekretärin

In dem Verfügungsverfahren

hat der 5. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Bornemann, die Richterin am Kammergericht Prietzel-Funk und den Richter am Kammergericht Crass auf die mündliche Verhandlung vom 26. Mai 2000 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Antragstellerin gegen das am 30. November 1999 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen 103 des Landgerichts Berlin wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand:

Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Berliner Zeitungsmarkt. Die Antragstellerin gibt die "B" heraus, die Antragsgegnerin verlegt die Zeitung "T". Die Antragsgegnerin ließ Ende 1998 Werbeblätter verteilen, die einen Gutschein für ein kostenloses 14-tägiges Probeabonnement enthalten. Die Werbeblätter sind wie folgt gestaltet:

Die Antragstellerin hat die Auffassung vertreten, dass die Aussage "Die Stimme Berlins" eine unzulässige Alleinstellungswerbung darstelle. Sie hat am 11. Oktober 1999 eine einstweilige Verfügung - 15 O 542/99 LG Berlin - erwirkt, der zufolge der Antragsgegnerin bei Vermeidung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt worden ist, die Tageszeitung "T" mit dem Werbeschlagwort "Die Stimme Berlins" zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, insbesondere wenn das wie in der nachfolgend wiedergegebenen Werbeaussendung geschieht".

Nachdem die Antragsgegnerin gegen die einstweilige Verfügung Widerspruch eingelegt hatte, hat das Landgericht gemäß dem angefochtenen Urteil die einstweilige Verfügung aufgehoben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückgewiesen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Berufung.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Übrigen wird von der Darstellung des Tatbestandes gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Antragstellerin kann keinen Erfolg haben. Ihr steht kein im Weg der einstweiligen Verfügung sicherbarer Anspruch aus § 3 UWG unter dem Aspekt irreführender Alleinstellungswerbung zu.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin geht der Antrag der Antragstellerin jedoch nicht zu weit. Allerdings zielt sie auf ein generelles Verbot der Werbeaussage "Die Stimme Berlins", da der Hinweis auf die Werbesendung in dem Antrag nur beispielhafte Bedeutung hat. Der Antrag ist aber deshalb nicht zu weitgehend, weil die Antragsgegnerin, wie die Antragstellerin glaubhaft macht, den Versuch unternommen hat und weiter unternimmt, die Aussage "Die Stimme Berlins" als "claim" für sich zu belegen. Dies zeigt ein weiteres Angebot der Antragsgegnerin für ein Probeabonnement, in dem es heißt: "Überzeugen Sie sich von der Qualität der "Stimme Berlins".

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist es nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die angesprochenen Verkehrskreise - das ist hier die gesamte Bevölkerung, also auch die erkennenden Richter - in dem angegriffenen Slogan eine unzutreffende Alleinstellungswerbung sehen. Dabei ist vom Gesamteindruck auszugehen, den die Werbung auf die angesprochenen Verkehrskreise macht. Fraglos läge eine unzulässige Alleinstellungswerbung vor, wenn die Antragsgegnerin das von ihr herausgegebene Blatt, das zu den drei großen Berliner Abonnementszeitungen zählt, ohne hinsichtlich der Zahl der Abonnenten oder der Reichweite in Führung zu liegen, als "die Zeitung Berlins" bezeichnen würde (vgl. etwa OLG Hamm WRP 1990, 841 "Die Zeitung"). Es liegt auch nahe, dass die angesprochenen Verkehrskreise in der angegriffenen Aussage nicht eine substanzlose hochtönende Anpreisung ohne konkreten Tatsachengehalt sehen, denn die Antragsgegnerin will ersichtlich ernstgenommen werden (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 21. Aufl., § 3 Rdnr. 77), wobei sich die angesprochenen Verbraucher am Wortsinn orientieren werden. Die Antragstellerin macht jedoch in keiner Weise glaubhaft, dass auch nur eine relevante Minderheit der angesprochenen Verkehrskreise das Wort "Stimme" als Synonym für "Zeitung" ansieht. Sicherlich gibt es eine Reihe von Zeitungen, worauf die Antragstellerin zutreffend hinweist, die im Titel das Wort "Stimme" führen. Genauso gibt es Publikationen, die als "Bote", "Kurier", "Magazin" oder "Nachrichten" bezeichnet sind, ohne dass diese Worte als Synonym für "Zeitung" verstanden werden. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist das Wort "Stimme" in unterschiedlicher Weise geläufig - weit überwiegend - jedoch im Wortsinne. Es gibt auch übertragene Bedeutungen wie "öffentlich bekundete Meinung" und "Recht zur Meinungsäußerung (Stimmrecht)" (vgl. dazu Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 1984). Es ist nicht ersichtlich, dass es Leute geben könnte, die an einem Kiosk nach einer "Stimme" fragen. Solches ist nur dort denkbar, wo es eine Zeitung gibt, die im Titel das Wort "Stimme" führt - etwa - in Heilbronn. Im Ergebnis werden die angesprochenen Verkehrskreise der Werbeaussage keine spezifische Bedeutung zumessen können, sondern allenfalls Interesse daran gewinnen, den Text weiterzulesen, wobei ihnen dann auffallen wird, dass die Antragsgegnerin auf die aus ihrer Sicht bestehenden inhaltlichen Qualitäten der von ihr herausgegebenen Zeitung aufmerksam machen will.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist es nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die angesprochenen Verkehrskreise aus dem Slogan schließen, dass die Antragsgegnerin für ihre Zeitung eine Alleinstellung in Kriterien wie etwa Leserzahl oder Reichweite in Anspruch nehmen will. Allerdings wirbt die Antragsgegnerin unter der Verwendung des bestimmten Artikels. Dies kann vom Verkehr als Hinweis auf eine Alleinstellung verstanden werden. Es handelt sich zwar um ein häufig gebrauchtes Werbemittel, das aber durchaus den Eindruck der Alleinstellung begründen oder verstärken kann. Für eine solche Annahme bedarf es indessen des Vorliegens besonderer Umstände, die vor allem in der Verbindung mit einem Eigenschaftswort von empfehlender Bedeutung liegen können oder sonst erkennen lassen, dass auf dem Artikel der Akzent liegt (vgl. BGH GRUR 1998, 951/953 - "Die große deutsche Tages- und Wirtschaftszeitung"). Von derartigen Gestaltungen unterscheidet sich die angegriffene Werbung schon dadurch, dass hier eben ein "Eigenschaftswort von empfehlender Bedeutung" wie "groß", das geeignet ist, auf eine Spitzenstellung am Markt hinzuweisen, fehlt. Die Rechtsprechung, der zufolge der Bezeichnung eines Unternehmens oder Titels als "groß" unter Verwendung des bestimmten Artikels und einer geographischen Bezugsgröße als Behauptung einer Spitzenstellung für den betreffenden geographischen Raum angesehen worden ist (vgl. auch BGH GRUR 1957, 600 - "Westfalenblatt I"), kann die Antragstellerin mithin nicht für sich in Anspruch nehmen. Jedenfalls ist ihr nicht zu folgen, wenn sie die Auffassung vertritt, dass jeder geographische Hinweis in Verbindung mit dem bestimmten Artikel vom Verkehr als Spitzenstellungswerbung verstanden wird. Auch wenn die Aussage sich vorliegend regional auf die Stadt Berlin beschränkt, so spricht doch Alles dafür, dass der Verkehr weiß, dass auf dem Berliner Markt mehrere große Zeitungen nebeneinander existieren. Es erscheint deshalb nicht unwahrscheinlich, dass der Verkehr die Aussage lediglich dahin versteht, die von der Antragsgegnerin herausgegebene Zeitung sei neben anderen Zeitungen eine der wichtigen Zeitungen aus Berlin (vgl. BGH a. a. O. "Die große deutsche Tages- und Wirtschaftszeitung"). Schließlich macht die Antragstellerin auch nicht glaubhaft, dass der Akzent der angegriffenen Werbeaussage auf dem bestimmten Artikel liegt, also gelesen wird "Die Stimme Berlins", und nicht "Die Stimme Berlins". Ersteres wäre sicherlich der Fall, wenn bei der Ausstrahlung des Slogans als Rundfunkspot der bestimmte Artikel besonders betont würde oder im Druck etwa gesperrt erschiene. Derartiges trägt die Antragstellerin jedoch nicht vor, so dass nur auf die Gestaltung des Werbeschreibens, das beispielhaft in dem Antrag aufgeführt ist und noch auf das weitere zurückhaltender formulierende Werbeschreiben vom 14. April 2000 zurückgegriffen werden kann. Aus diesen Schreiben ergibt sich jedoch gerade nicht, dass der Akzent auf dem bestimmten Artikel liegt und die Antragsgegnerin sich zu Unrecht eine Spitzenstellung auf dem Berliner Zeitungsmarkt anmaßt, die sie nicht einnimmt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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