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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 31.08.2001
Aktenzeichen: 5 U 198/01
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 3
Selbstverständlich wirbt irreführend, wer eine Differenz zwischen einem tatsächlich geforderten viel höheren Preis und einer unverbindlichen Preisempfehlung blickfangartig herausstellt.

Widderholungsgefahr besteht jedoch nur bezüglich der Werbung für Artikel von Herstellern, die unverbindliche Preisempfehlungen herausgeben. Das Verbot kann nicht auf das gesamte Sortiment des Verletzers erstreckt werden.


KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 5 U 198/01

Verkündet am: 31. August 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Kammergerichts durch die Richter am Kammergericht Grass und Beier sowie die Richterin am Kammergericht Prietzel-Funk auf die mündliche Verhandlung vom 31. August 2001 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 4. Mai 2001 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen 102 des Landgerichts Berlin wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens haben die Klägerin 40 % und die Beklagte 60 % zu tragen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Betrages zuzüglich 10 % abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Beschwer der Klägerin beträgt 75.000,00 DM.

Tatbestand:

Die Beklagte, eine Mitbewerberin der Klägerin, warb in einer am 1. Februar 2001 bundesweit verbreiteten Zeitungsbeilage u. a. für einen DVD-Player. Die Einzelheiten der Werbung sind der nachfolgenden Ablichtung der einschlägigen Seite der Werbebeilage zu entnehmen.

Wegen der Gestaltung der Werbebeilage im Ganzen wird auf die zu den Akten eingereichte Ablichtung (Bl. 28 ff.) verwiesen.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, bei der von ihr beanstandeten Werbung handele es sich um eine irreführende Blickfangwerbung. Die hervorgehobene Differenz zwischen der unverbindlichen Herstellerpreisempfehlung und dem tatsächlich von der Beklagten verlangten Preis wäre von einem beachtlichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise als Angabe des von der Beklagten verlangten Endpreises gesehen werden.

Die Klägerin hat beantragt,

1. der Beklagten bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, eine Ordnungshaft oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 500.000,00 DM, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) zu verbieten,

im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken für Artikel des Sortiments mit einem blickfangartig hervorgehobenen Betrag zu werben, soweit es sich dabei nicht um den Endpreis handelt, insbesondere wie diese in der Werbung vom 01.02.2001 für den Panasonic DVD-Player RV 20 EG geschehen ist;

hilfsweise,

der Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken für Artikel des Sortiments, bei denen die unverbindliche Preisempfehlung, der tatsächlich verlangte Preis und die Differenz zwischen diesen beiden Preisen angegeben werden, letztere blickfangmäßig hervorgehoben, zu werben;

2. a) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die unter 1. geschilderte Wettbewerbshandlung entstanden ist und noch entsteht;

b) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, auf die seitens der Klägerin verauslagten Gerichtskosten Zinsen gemäß § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB seit dem Zeitpunkt ihrer Einzahlung bis zur Beantragung der Kostenfestsetzung nach Maßgabe der auszuurteilenden Kostenquote zu zahlen;

3. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie Wettbewerbshandlungen gemäß Nr. 1 begangen hat, wobei die Werbung nach Werbeträgern, Auflage der Werbeträger und Kalendervierteljahren aufzuschlüsseln ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat gemeint, das Untersagungsbegehren gehe zu weit. Im Übrigen hat sie behauptet, der Klägerin könne kein Schaden entstanden sein.

Gemäß dem angefochtenen Urteil vom 4. Mai 2001, auf das Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Beklagte gemäß dem Hilfsantrag zu 1. und dem Antrag zu 3. zur Unterlassung und zur Auskunft verurteilt und die gemäß den Anträgen zu 2. a) und b) geforderten Feststellungen getroffen.

Gegen dieses Urteil, das ihr am 29. Mai 2001 zugestellt worden ist, hat die Klägerin am 29. Juni 2001 Berufung eingelegt und diese in demselben Schriftsatz begründet.

Die Klägerin rügt:

Die durch eine Verletzungshandlung begründete Vermutung der Wiederholungsgefahr beschränke sich nicht allein auf die genau identische Verletzungsform, sondern umfasse auch alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen. Der Kern der Täuschung von Seiten der Beklagten bestehe darin, dass ein Preis blickfangartig hervorgehoben werde, der nicht der Endpreis sei, was aber jedermann denke und nach dem Willen der Beklagten auch denken solle. Für die so verstandene Verletzungshandlung sei es somit gleichgültig, ob es sich bei dem hervorgehobenen Preis um die angebliche Ersparnis im Verhältnis zur unverbindlichen Preisempfehlung handele oder ob ein anderer Preis, der sich aus einer im Ergebnis beliebigen Differenz zur irgendeinem anderen Betrag errechne, blickfangmäßig hervorgehoben werde, aber nicht der Endpreis sei. Die Täuschung liege allein in dem Umstand, dass der Blickfangpreis nicht derjenige sei, den der Interessent zahlen müsse. Sollte es bei dem eingeschränkten Verbot verbleiben, müsste damit gerechnet werden, dass die Beklagte z. B. die Preisersparnis zu einem angeblichen früheren Preis ebenso hervorhebe wie im konkreten Fall die Differenz zur unverbindlichen Preisempfehlung. Unter diesen Umständen seien auch die Annexansprüche vollständig zuzuerkennen, da sie dem geltend gemachten Unterlassungsanspruch folgten.

Die Klägerin beantragt,

das landgerichtliche Urteil abzuändern und nach ihren Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert:

Der Unterlassungsantrag müsse sich bei einer bereits vorliegenden Verletzungshandlung auf eben diese konkrete Verletzungshandlung beziehen. Zwar seien in gewissem Umfang Verallgemeinerungen möglich, jedoch nur, wenn auch in der erweiterten Form des Unterlassungsantrages das Charakteristische des festgestellten konkreten Verletzungstatbestandes, dessen Kern, zum Ausdruck komme. Ein über den von dem Landgericht formulierten Unterlassungstenor hinausgehender Unterlassungsausspruch würde jedoch das Charakteristische der Verletzungshandlung bei weitem überdehnen. Eine solche Erweiterung würde sämtliche Waren des Sortiments erfassen und zwar unabhängig davon, ob für diese Waren eine unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers existiere oder nicht. Dies sei von Bedeutung, da keineswegs für sämtliche Artikel ihres Sortiments unverbindliche Preisempfehlungen existierten. Folgerichtig verwende sie auch nur für einen bestimmten Teil dieser Produkte Hinweise auf unverbindliche Preisempfehlungen der Hersteller und werbe nur für den entsprechenden Teil ihres Sortiments mit Gegenüberstellungen zwischen den von ihr tatsächlich verlangten Preisen und den unverbindlichen Preisempfehlungen. Das Landgericht habe zutreffend darauf abgehoben, dass das Charakteristische der angeblichen Verletzungshandlung nur bei solchen Waren des Sortiments auftreten könne, für die es überhaupt eine unverbindliche Herstellerpreisempfehlung gebe. Das Begehren der Klägerin gehe auch deshalb zu weit, da er sich auf jegliche blickfangartige Hervorhebung eines Betrages beziehe. Es seien ohne weiteres viele Fälle denkbar, in denen die blickfangartige Hervorhebung eines bestimmten Betrages, bei dem es nicht um den Endpreis der beworbenen Produkts handele, üblich und erforderlich sei - dies zeige etwa das Beispiel der bekannten Werbung für Mobiltelefone.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin kann keinen Erfolg haben. Ihr steht kein über den bereits rechtskräftig zuerkannten Titel hinausgehender Anspruch aus § 3 UWG auf Unterlassung gegen die Beklagte zu.

Allerdings begegnet der weitergehende Antrag der Klägerin keinen Bedenken im Hinblick auf eventuell mangelnde Bestimmtheit. Sie hat ihr Klageziel hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) gekennzeichnet. Denn es ist klar, dass sie sich gegen jede wie auch immer geartete Hervorhebung eines Preises wendet, der nicht als Endpreis anzusehen ist.

Die angegriffene Werbung der Beklagten verstößt auch, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, gegen § 3 UWG, denn blickfangmäßig ist nicht ein Preis für den beworbenen DVD-Player herausgestellt worden, sondern lediglich die Differenz zwischen dem tatsächlich verlangten - viel höheren - Preis und der unverbindlichen Preisempfehlung der Herstellerin. Die im Wettbewerbsrecht bestehende Vermutung für die Gefahr einer Wiederholung beschränkt sich auf die Verletzungsform der konkreten Verletzungshandlung, wobei gewisse Verallgemeinerungen miterfasst werden, sofern darin das Charakteristische der Verletzungshandlung zum Ausdruck kommt (ständige Rechtsprechung des BGH, vgl. insbesondere BGH GRUR 1984, 593/594 - "Adidas-Sportartikel" m. w. N.). Verletzungshandlung war im vorliegenden Fall die Werbung für einen bestimmten Panasonic DVD-Player. Die Gefahr einer Wiederholung dieser Handlungsweise bei der Werbung für sonstige Artikel, für die deren Hersteller unverbindliche Preisempfehlungen herausgeben, ist ohne weiteres gegeben. Dies ergibt sich aus dem landgerichtlichen Urteil und insoweit besteht zwischen den Parteien kein Streit mehr. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann jedoch das Verbot nicht erstreckt werden auf die Werbung für das gesamte Sortiment der Beklagten schlechthin, also auch für Produkte solcher Hersteller, die eine unverbindliche Preisempfehlung gar nicht herausgeben. Denn das Vorliegen einer unverbindlichen Preisempfehlung ist für die konkrete Verletzungsform charakteristisch (vgl. BGH GRUR 1984, 593/594 - "Adidas-Sportartikel"). Die Beklagte leitet nämlich in ihrer Werbung den Anspruch, ein günstiger Anbieter zu sein, aus dem Vergleich zwischen den von ihr geforderten Preisen und den unverbindlichen Preisempfehlungen der Hersteller her. Sie bezieht sich für keines ihrer Angebote auf einen Eigenpreisvergleich, indem sie etwa unter der Überschrift "Sensationelle Preisstürze" die Differenz zwischen dem von ihr bisher geforderten und dem nunmehrigen Preis herausstellen würde. Ein solches Vorgehen der Beklagten könnte allerdings Wiederholungsgefahr in dem Umfang begründen, wie die Klägerin sie annimmt. Die Voraussetzungen insoweit liegen jedoch nicht vor, da sich die Beklagte - wie dargelegt - auf Vergleiche zwischen ihren Preisen und den unverbindlichen Preisempfehlungen beschränkt. Hinzu kommt noch - worauf die Beklagte zutreffend hinweist - dass das von der Klägerin im Ergebnis geforderte Gebot, blickfangartig nur Endpreise herauszustellen, der geschulten Erwartung der Verbraucher nicht entspricht. Es ist allgemein üblich geworden, blickfangartig hervorgehoben auch mit Preisbestandteilen, insbesondere bei Koppelungsangeboten, zu werben. Der Verbraucher weiß, dass er, wenn ihm etwa ein Handy für 1,00 DM angeboten wird, einen Netzkartenvertrag schließen muss, der schwierige Tarifbedingungen aufweisen kann. Ähnliches gilt, wenn im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Stromlieferungsvertrages ein Fernsehgerät zu einem blickfangartig herausgestellten Preis von 1,00 DM angeboten wird. Derartige Gestaltungen sind dem Verbraucher inzwischen geläufig und können daher auch der Beklagten nicht untersagt werden.

Da der Unterlassungsantrag vom Landgericht zutreffend beschränkt worden ist, kann die Klägerin auch mit ihren Annexansprüchen nur in diesem Umfange durchdringen.

Entsprechend den Ausführungen der Klägerin gewichtet der Senat ihr Interesse an dem weitergehenden Verbot höher als dies das Landgericht getan hat. Insoweit war die Kostenentscheidung hinsichtlich der ersten Instanz zu korrigieren (§ 92 Abs. 1 ZPO). Im Übrigen beruhen die prozessualen Nebenentscheidungen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 und 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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