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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 16.03.2004
Aktenzeichen: 5 U 260/03
Rechtsgebiete: HWG, UWG


Vorschriften:

HWG § 4
HWG § 4 Abs. 1
HWG § 4 Abs. 6
UWG § 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 5 U 260/03

verkündet am: 16. März 2004

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Kammergerichts, Elßholzstraße 30 - 33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 3. Februar 2004 durch den Richter am Kammergericht Crass als Einzelrichter für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 1. Juli 2003 verkündete Urteil der Zivilkammer 15 des Landgerichts Berlin wird zurückgewiesen.

Die Urteilsgebühren des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Von den übrigen Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 1/3 und die Beklagte 2/3 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung wegen der Unterlassung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 300.000,00 EUR und wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Betrages zuzüglich 10 % abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die Parteien produzieren und vertreiben Generika. Die Beklagte kooperiert mit Softwareproduzenten, deren Software bei der Auswahl eines bestimmten Medikamentes durch den mit dieser Software arbeitenden Arztes ein wirkstoffgleiches Medikament der Beklagten vorschlägt, ohne zugleich die Pflichtangaben nach § 4 HWG mitzuteilen, die allenfalls über Zwischenschritte angeklickt werden können.

Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Beklagte unter Zurückweisung der weitergehenden Klage unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verurteilt,

es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für Ärzte bestimmte EDV-Software zur Praxisführung und Dokumentation und/oder dafür bestimmte Updates durch Hersteller und/oder Vertreiber von EDV-Programmen für Arztpraxen anbieten und/oder vertreiben zu lassen, wenn bei bestimmungsgemäßem Gebrauch im Rahmen der Rezeptherstellung bei Eingabe von Arzneimitteln der Klägerin auf dem Bildschirm ein wirkstoffgleiches Arzneimittel der Beklagten ohne Pflichtangaben nach § 4 Abs. 1 HWG erscheint.

Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Die Klägerin hat ihre Berufung inzwischen zurückgenommen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen wird Bezug genommen. Die Akten 15. 0. 20/03 des Landgerichts Berlin lagen vor und waren zu Informationszwecken Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Die zulässige Berufung der Beklagten kann keinen Erfolg haben. Denn der Klägerin steht ein Anspruch aus § 1 UWG in Verbindung mit § 4 HWG auf Untersagung der beanstandeten Werbemaßnahmen zu. Die Beklagte ist, obwohl sie die Software nicht selbst herstellt, anbietet und vertreibt auch als Störerin passiv legitimiert, denn im Rahmen der Kooperation mit dem Hersteller hätte sie, wie im Termin ausführlich erörtert, die Möglichkeit, den Hinweis auf ihr Generikum zu unterbinden. Die Software-Herstellerin bietet diesen gerade mit Willen und im Interesse der Beklagten an.

Nach § 4 Abs. 1 HWG muss "jede Werbung" die Pflichtangaben enthalten. Diese dienen dem Zweck, die Arzneimittelwerbung zu versachlichen und den Adressaten durch die Information in den Stand zu versetzen, eine möglichst rationale Entscheidung über die Brauchbarkeit des Arzneimittels für seine Zwecke zu treffen (Doepner, HWG, 2. Auflage, § 4 Rn. 2 unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien).

Im Urteil vom 24. Oktober 2003 - 5 U 246/03 (PharmaR 2004, 23 f.) hat der Senat ausgeführt:

"Von dieser Verpflichtung ist die Beklagte entgegen ihrer Auffassung auch nicht durch § 4 Abs. 6 HWG entbunden. Diese Vorschrift enthält allerdings eine Ausnahme von dem grundsätzlichen Gebot der Anführung gewisser Pflichtangaben in einer Arzneimittelwerbung für den Fall der "Erinnerungswerbung". Eine solche liegt jedoch nur dann vor, "wenn ausschließlich mit der Bezeichnung eines Arzneimittels oder zusätzlich mit dem Namen der Firma oder der Marke des pharmazeutischen Unternehmens geworben wird". Diese Ausnahmeregelung geht davon aus, dass Pflichtangaben entbehrlich seien, wenn es sich um eine von jeglichen Hinweisen auf die medizinisch-gesundheitliche Bedeutung des Präparats freie Werbung handelt, die allein oder überwiegend nur die Erinnerung und damit diejenigen Verbraucher anspricht, denen das beworbene Produkt bereits bekannt ist und deren Unterrichtung durch die Pflichtangaben daher entbehrlich erscheint (BGH GRUR 1996, 806/807 - "Herz ASS" m. w. N.). Die Vorschrift gilt für Laien- und Fachkreise gleichermaßen. Vorliegend werden im Wesentlichen Fachkreise angesprochen, denen das Produkt der Beklagten noch nicht bekannt ist. Auch die Ärzte, die das wirkungsgleiche Präparat der Klägerin kennen und bisher empfohlen haben, sollen nunmehr das preisgünstigere Präparat der Beklagten empfehlen. Damit wird nicht mehr die Erinnerung an das ihnen bekannte Präparat geweckt, sondern es wird ein neues - ihnen fremdes - Produkt eingeführt. Selbst wenn nicht schon dieser Punkt allein die Anwendung des § 4 Abs. 6 HWG ausschließen würde, so sind dessen Voraussetzungen jedenfalls deshalb hier nicht gegeben, weil die Werbung sich nicht auf die Angabe des Namens oder der Marke beschränkt. Denn mit dem Hinweis auf das Produkt der Beklagten verbunden ist die Behauptung, es sei wirkstoffgleich. Das geht über die von § 4 Abs. 6 HWG privilegierten Hinweise hinaus. Überdies trägt die Beklagte selbst vor, dass sich die Pflichtangaben der verglichenen Präparate in medizinisch-pharmakolo-gischer Hinsicht nicht vollständig entsprechen. Insoweit sind auch bei wirkstoffgleichen Präparaten Abweichungen zu erwarten."

Gerade Letzteres bestätigt der Beklagte ausdrücklich.

An diesen Ausführungen, die in der Literatur nicht auf Kritik gestoßen sind (vgl. von Czettritz PharmaR 2004, 22), ist festzuhalten.

Aus dem Regelungsgefüge der Absätze 1 und 4 des § 4 HWG ergibt sich, dass die Pflichtangaben Bestandteil der Werbung sein müssen und diese nicht nur Hinweise darauf enthalten darf, dass und wie außerhalb der Werbung die Pflichtangaben einzusehen sind.

Insoweit ist zunächst vorauszuschicken, dass entgegen der Auffassung der Beklagten die Einblendung des Generikums sich als Werbung darstellt und nicht etwa als eine zur Befriedigung des Informationsbedürfnisses des Arztes gemachte Angabe. Der Ersetzungsvorschlag kann nicht etwa mit Angaben auf einer Homepage gleichgestellt werden. Es geht um eine Werbemaßnahme, die - wie andere auch - zwar durchaus informativ ist, dadurch aber ihren Werbecharakter nicht verloren hat. Insoweit wird an der Rechtsprechung des Senats zu derartigen Ersetzungsvorschlägen (Senat a.a.0.; von Czettritz a.a.0.). Daraus folgt vorliegend, dass die Pflichtangaben abrufbar sein müssen, was jedenfalls gegenüber Fachkreisen auch erreicht wird, wenn ein Link gesetzt werden muss. Nicht ausreichend ist es hingegen, wenn mehrere Links gesetzt werden müssen (OLG Hamburg GRUR - RR 2003, 121/122) oder gar die Pflichtangaben nicht abrufbar sind. In beiden Fallgestaltungen fehlen die Pflichtangaben letztlich und die Werbung für das Präparat führt ein zu beanstandendes "kommunikatives Eigenleben" (Doepner, HWG, 2. Auflage, § 4 Rn. 61 und 69), da die Pflichtangaben nicht als Bestandteil der Werbung erscheinen.

Mit dem Verstoß gegen § 4 HWG liegt auch ein Verstoß gegen § 1 UWG vor (BGH GRUR 2001, 176/177 f. "Myalgien"; OLG Hamburg a.a.0.). Dem kann die Beklagte nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass auch die Klägerin in dieser Weise wirbt. Der Einwand der "unclean hands" greift auch gegenüber einem Mitbewerber nicht durch, denn dieser wird von der Wahrnehmung des Allgemeininteresses nicht dadurch ausgeschlossen, dass er selbst wettbewerbswidrig handelt (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Auflage, UWG Einl. Rn. 449).

Ebenso wenig rechtfertigt der Hinweis der Beklagten auf die Gestaltung der "Roten Liste" ein anderes Ergebnis. Zum einen geht es um ein seit langem eingeführtes Hilfsmittel, das sich herkömmlich der Buchform bedient und schon von seinem Umfang her nicht in der Lage ist, sämtliche Pflichtangaben der aufgeführten Präparate zu enthalten, worauf auch hingewiesen wird. Selbst wenn man darin einen Verstoß gegen § 4 HWG sehen wollte, obwohl die Liste eher keine Werbung darstellt, so rechtfertigt dieser denkbare Verstoß die Werbemaßnahme der Beklagten nicht. Insoweit gilt nichts anderes als bezüglich des Einwandes der "unclean hands".

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 96, 516 Abs. 3, 708 Nr. 11 und 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Sache betrifft die Werbegestaltung in einem Einzelfall. Die Entscheidung hält sich an anerkannte Lösungskriterien und weicht insbesondere nicht von einer Entscheidung des BGH ab.

Ende der Entscheidung

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