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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 18.08.2000
Aktenzeichen: 5 U 3534/00
Rechtsgebiete: UWG, TVG


Vorschriften:

UWG § 3
UWG § 13 Abs. 2 Nr. 2
TVG § 6
Leitsatz:

Unabhängig von der Frage, ob Tariftreueerklärungen gefordert werden dürfen, ist nicht unter dem Gesichtspunkt der Irreführung zu beanstanden, wenn unter genauer Angabe der Vertragsparteien ein Tarifvertrag als "insgesamt branchenüblich" bezeichnet wird, wenn die Arbeitnehmer in etwa wie diejenigen entlohnt werden, die gemäß dem zwischen der Innung und der Fachgewerkschaft geschlossenen Tarifvertrag bezahlt werden.

Der Hinweis auf die Registrierung eines Tarifvertrages beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist keine irreführende Werbung mit Selbstverständlichkeiten.


KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 5 U 3534/00 97 O 23/00 LG Berlin

Verkündet am: 18. August 2000

Lohey, Justizsekretärin

In Sachen

hat der 5. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Bornemann, den Richter am Kammergericht Crass und den Richter am Landgericht van Dieken auf die mündliche Verhandlung vom 18. August 2000 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Antragstellerin gegen das am 13. März 2000 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen 97 des Landgerichts Berlin wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das vorgenannte Urteil geändert:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird insgesamt zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand:

Die Antragsgegnerin ist eine Tochtergesellschaft der D B A.

Sie befasst sich neben der Reinigung von Eisenbahnwaggons, Bahnanlagen und Bahnhöfen mit Leistungen des Gebäudereinigerhandwerks und bietet diese Leistungen öffentlichen und privaten Auftraggebern an. Sie gab gegenüber dem Landesverwaltungsamt Berlin am 25. Januar 2000 folgende "Tariftreueerklärung" ab:

"Hiermit erklären wir, dass wir unsere Mitarbeiter entsprechend dem zwischen der Gewerkschaft der E D und unserer Gesellschaft bestehenden Rahmentarifvertrag sowie dem jeweils gültigen Lohn- und Gehaltstarifvertrag entlohnen. Diese Tarifverträge sind insgesamt branchenüblich und beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales eingetragen. Bist unter der Mitgliedsnummern beim Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks in Bonn registriert."

Die Antragstellerin, die mit der I B A-U unter anderem einen Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer im Gebäudereiniger-Handwerk Berlin sowie einen Lohntarifvertrag abgeschlossen hat, der für allgemein verbindlich erklärt worden ist, beanstandet die Aussage, die zwischen der Antragsgegnerin und der Gewerkschaft der geschlossenen Tarifverträge seien insgesamt branchenüblich als unzutreffend und damit irreführend. Durch den weiteren Hinweis, dass die Tarifverträge beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales eingetragen seien, werde der falsche Eindruck erweckt, hierin liege eine Besonderheit, denn die Eintragung sei nach § 6 TVG vorgesehen.

Nach Rücknahme eines weiteren Antrages hat die Antragstellerin beantragt,

der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen,

zu Zwecken des Wettbewerbs gegenüber öffentlichen Auftraggebern zu behaupten,

a) die Tarifverträge zwischen der Gewerkschaft der E D und der Antragsgegnerin seien insgesamt branchenüblich;

b) die Tarifverträge zwischen der Gewerkschaft der E D und der Antragsgegnerin seien beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales eingetragen.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Das Landgericht hat gemäß dein angefochtenen Urteil eine einstweilige Verfügung hinsichtlich des Antrages zu a) erlassen und im Übrigen den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt, mit der sie ihre zuletzt erstinstanzlich gestellten Anträge weiterverfolgen.

Im Übrigen wird von der Darstellung des Tatbestandes gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Antragstellerin ist unbegründet, wohingegen sich die Berufung der Antragsgegnerin als begründet erweist. Beide beanstandeten Äußerungen sind nicht irreführend im Sinne des § 3 UWG, so dass der Antragstellerin hinsichtlich beider Äußerungen kein im Wege der einstweiligen Verfügung sicherbarer Anspruch zusteht.

Die Antragsbefugnis der Antragstellerin folgt aus § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG. Vorauszuschicken ist, dass unklar bleibt, wer eigentlich zu den von der "Tariftreueerklärung" der Antragsgegnerin angesprochenen Verkehrskreisen gehört. Die Mitglieder des Senats sind es jedenfalls nicht. Sie haben mit Vergabeentscheidungen des Landesverwaltungsamts nichts zu tun. Angesprochene Verkehrskreise sind diejenigen, die sich für die öffentliche Hand des Landes Berlin mit der Vergabe von Aufträgen befassen und die - bekanntlich rechtlich sehr umstrittene - Tariftreueerklärung zu berücksichtigen haben. Insoweit ist schon völlig unklar, was mit einer solchen "Tariftreueerklärung" nach deren Eingang - zum Beispiel im Landesverwaltungsamt - geschieht. Für den Senat ist nur ersichtlich, dass allenfalls Stichproben auf die Einhaltung der Tariftreue unternommen werden (vgl. auch BGH WRP 2000, 397 - "Tariftreueerklärung II"). Jedenfalls ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die angesprochenen Verkehrskreise unter der zu a) beanstandeten Aussage verstehen, dass die Antragsgegnerin ihre Mitarbeiter nach dem für die Branche der Gebäudereiniger zutreffenden Tarifvertrag bezahlt. Dagegen spricht schon der ausdrückliche Hinweis, dass der Tarifvertrag mit der Gewerkschaft der E D geschlossen worden ist, die - auch aus der Sicht von Vergabebeauftragten des Landes Berlin - nicht als zuständige Gewerkschaft für den Bereich der Gebäudereinigung in Frage kommen dürfte. Jedenfalls ist auch möglich, dass die beanstandete Angabe in dem Sinne verstanden wird, dass die Tarifvereinbarungen, denen die Antragsgegnerin folgt, "im Großen und Ganzen" dem Branchenüblichen entsprechen. Es ist ferner denkbar, dass angenommen wird, dass sich die Antragsgegnerin an den im Bereich der Bahnreinigung üblichen Tarifvertrag hält. Zwar spielt es keine Rolle, wie die Antragsgegnerin ihre Werbeangabe verstanden haben will (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 21. Aufl., § 3 Rdn. 23), doch ist auch hinsichtlich der angesprochenen Verkehrskreise - der im Bereich der Vergabe tätigen Mitarbeiter des Landes Berlin - auf das Verbraucherleitbild des EuGH abzustellen, so dass durchschnittlich aufgeklärte Adressaten anzunehmen sind. Diese werden eher nicht dazu neigen, einen mit der Gewerkschaft der abgeschlossenen Tarifvertrag als branchenüblich für das Gebäudereinigergewerbe anzusehen. Wahrscheinlicher ist, dass sie die Aussage dahin verstehen, dass der angegebene Tarifvertrag "im Wesentlichen" dem für die Gebäudereinigungsbranche Üblichen entspricht. Schließlich ist eine Auslegung dahin möglich, dass sie annehmen, der angegebene Tarifvertrag sei für die Bahnreinigung üblich. Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die angesprochenen Mitarbeiter im Vergabebereich des Landes die Aussage dahin auffassen, dass die in dem Tarifvertrag mit der Gewerkschaft der E D vereinbarten Ecklöhne denjenigen entsprechen, die für die Gebäudereinigerbranche üblich sind. Es erscheint jedenfalls nicht unwahrscheinlich, dass sie die Aussage dahin verstehen, dass "unter dem Strich" für die nach dem für die Antragsgegnerin maßgeblichen Tarifvertrag bezahlten Arbeitnehmer genauso viel übrig bleibt wie für diejenigen Arbeitnehmer, die gemäß dem in der Branche üblichen Tarifvertrag bezahlt werden. Anderes hätte die Antragstellerin im Einzelnen darlegen müssen. Auf die Ecklöhne allein kann nicht abgestellt werden. Vielmehr ist es erforderlich, eine eingehende Berechnung des Lohnes gemäß dem von ihr ausgehandelten Tarifvertrag mit dem von der Antragsgegnerin beachteten Tarifvertrag darzulegen. Es ist aus der Sicht des Senats, dessen Mitglieder - wie angegeben - nicht zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören, nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der von der Antragsgegnerin beachtete Tarifvertrag hinter den "branchenüblichen" Bedingungen zurückbleibt. Um dies darzulegen, hätte die Antragstellerin im Einzelnen die Ergebnisse für den einzelnen Arbeitnehmer darlegen müssen. Dabei ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass nicht von 261 Arbeitstagen ausgegangen werden kann, sondern im Hinblick auf Urlaub und Feiertage von 222 bzw. 224 Arbeitstagen. Die erforderliche konkrete Berechnung bleibt die Antragstellerin schuldig, insbesondere setzt sie sich nicht mit der Berechnung der Antragsgegnerin (Anlage B 2) auseinander, die eine Differenz von nur 2 % ausweist.

Unter diesen Umständen ist es nur überwiegend wahrscheinlich, dass die angesprochenen Verkehrskreise auf Grund der zu a) beanstandete Angabe zu dem Ergebnis gelangen, dass der von der Antragsgegnerin angegebene Tarifvertrag für die Arbeitnehmer insgesamt "unter dem Strich" keine nennenswert geringeren Einkommen vorsieht als der "branchenübliche". Dass dieser Eindruck falsch ist, macht die Antragstellerin - wie dargelegt - nicht glaubhaft.

Irreführend ist auch die zu b) beanstandete Angabe nicht. Zutreffend ist der Ausgangspunkt der Klägerin, dass Anpreisungen, die genuin zum Wesen der Waren gehören oder gesetzlich vorgeschrieben sind, nicht besonders betont werden dürfen, wenn der Verkehr das Selbstverständliche der Eigenschaft nicht kennt und deshalb zu Unrecht von einem Vorzug der beworbenen Ware oder Leistung vor vergleichbaren anderen Angeboten ausgeht (vgl. Köhler/Piper, UWG, § 3 Rdn. 122). Dass die Angabe über die Registrierung bei dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales insoweit täuschend ist, legt die Antragstellerin, der insoweit die Darlegungslast obliegt, nicht dar. Entgegen ihrer Auffassung obliegt ihr die Glaubhaftmachungslast. Ihrem Vortrag gegenüber steht der Umstand, dass es sich bei § 6 TVG um eine ordnungsgemäß publizierte Vorschrift handelt. Der angesprochene Verkehr durfte zu Recht davon ausgehen, dass der Hinweis der Antragsgegnerin zutrifft und notfalls die erforderliche Information bei dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales einholen. Es handelt sich unter diesen Umständen nicht um eine irreführende Werbung mit Selbstverständlichkeiten, denn für den Kundigen stellt sich beim Fehlen eines derartigen Hinweises die Frage, welche Wirkungen die Nichtregistrierung haben könnte. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin geht es auch nicht um eine "Geheimvorschrift", denn das Tarifvertragsgesetz ist ordnungsgemäß publiziert und wird daher von den angesprochenen Verkehrskreisen zur Kenntnis genommen worden sein.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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