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Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 10.09.1999
Aktenzeichen: 5 U 4241/99
Rechtsgebiete: UWG, RabattG
Vorschriften:
UWG § 1 | |
RabattG § 1 |
Bei einem Probeabonnement einer Tageszeitung für drei Monate zum halben Preis handelt es sich nicht um eine wettbewerbswidrige Gratislieferung für sechs Wochen und eine Vollpreislieferung für den Rest der Zeit, sondern um die Gewährung eines rabattrechtswidrigen Preisnachlasses.
KG Berlin Urteil 10.09.1999 - 5 U 4241/99 - 102 O 49/99 LG Berlin
hat der 5. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Richter am Kammergericht Crass, die Richterin am Kammergericht Prietzel-Funk und die Richterin am Landgericht Kingreen auf die mündliche Verhandlung vom 10. September 1999 für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Antragstellerin und die Anschlussberufung der Antragsgegnerin gegen das am 9. April 1999 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen 102 des Landgerichts Berlin werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Antragstellerin zu 1/3 und die Antragsgegnerin zu 2/3 zu tragen.
Gründe
Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Berliner Tageszeitungsmarkt.
Die Antragsgegnerin warb für ein Probeabonnement der von ihr verlegten Zeitung "Die Welt" mit dem nachfolgend in Kopie wiedergebenen Schreiben (AG 2):
D. W. KOMMT IHNEN ENTGEGEN
Hamburg, 28. Januar 1999
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Die Antragstellerin ist der Ansicht gewesen:
Die angesprochenen Verkehrskreise sähen in dem dreimonatigen Bezug einer Tageszeitung zum halben Preis einen sechswöchigen Bezug zum vollen Preis sowie eine sechswöchige Gratisverteilung. Diese bedeute eine Verstoß gegen § 1 UWG wegen übertriebenen Anlockens und wegen einer Marktverstopfung sowie Beeinträchtigung des Wettbewerbs insbesondere gegenüber Neubeziehern und Einzelkäufern von Tageszeitungen.
Die Antragstellerin hat eine einstweilige Verfügung der Zivilkammer 15 des Landgerichts Berlin vom 8. Februar 1999 - 15 O 70/99 - erwirkt, die der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt hat,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Probeabonnements für Tageszeitungen, insbesondere die Tageszeitung "D. W." in der Weise anzubieten und zu gewähren, dass der Abonnent die Tageszeitung über einen Zeitraum von insgesamt drei Monaten an jedem Erscheinungstag erhält und dafür nur die Hälfte des normalen Preises für den Bezug der Tageszeitung im Abonnement zahlt.
Nachdem die Antragsgegnerin Widerspruch erhoben hatte, hat die Antragstellerin geltend gemacht, das Gewähren eines dreimonatigen Abonnements für die Hälfte des regulären Preises stelle einen unzulässigen Sonderpreis und einen Rabattverstoß dar.
Die Antragstellerin hat beantragt,
die einstweilige Verfügung vom 8. Februar 1999 - 15 O 70/99 - zu bestätigen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
die einstweilige Verfügung aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin hat gemeint:
Ein derartiges Probeabonnement zu einem reduzierten Normalpreis sei ein legitimes Mittel im Leistungswettbewerb. Der angegebene Preis sei der Normalpreis für die entsprechende Leistungseinheit Die Preisgestaltung sei mit der bei der Gewährung von Einführungs- oder Eröffnungspreisen vergleichbar. Vor dem Hintergrund der Änderung und Erweiterung des Leseangebots der Zeitung zum November 1998 stelle die unterschiedliche Preisgestaltung eine sachgerechte Differenzierung dar.
Die Kammer für Handelssachen 102 des Landgerichts Berlin hat durch das am 9. April 1999 verkündete Urteil den Beschluss vom 8. Februar 1999 bei fortdauernder Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel teilweise bestätigend wie folgt dahin neu gefasst, dass der Antragsgegnerin untersagt worden ist, Probeabonnements für Tageszeitungen, insbesondere die Tageszeitung "D. W.", wie folgt anzubieten: (AG 2) und derart beworbene Probeabonnements zu gewähren. Im Übrigen hat sie die einstweilige Verfügung aufgehoben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das angebotene Probeabonnement stelle keine wettbewerbswidrige Wertreklame dar. Es seien auch keine Umstände dargetan, die die Besorgnis weckten, der Leistungswettbewerb könne durch marktverstopfende Wirkungen ausgeschaltet oder zumindest unerträglich behindert werden. Die Antragstellerin könne nur Unterlassung der konkreten Verletzungsform gemäß § 12 Satz 1 RabattG verlangen, weil ein Preisnachlass nach § 1 Abs. 2 RabattG vorliege.
Gegen diese Entscheidung richten sich die Berufung der Antragsstellerin und die unselbständige Anschlussberufungs der Antragsgegnerin.
Die Antragstellerin rügt:
Die streitgegenständliche Werbung verstoße gegen § 1 UWG im Hinblick auf Ziffer IV. 2. der Wettbewerbsregeln des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger e.V. unter dem Gesichtspunkt der Marktverstopfung und des übertriebenen Anlockens. Die Werbung für das dreimonatige Abonnement entspreche de facto einer kostenlosen Abgabe über sechs Wochen. Der Kunde rechne das Angebot unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nach und komme zum geldwerten Vorteil eines 6-wöchigen kostenlosen Bezuges. Es bestehe die Gefahr der Umgehung wettbewerbsschützender Vorschriften. Die Nachahmung durch ähnliche Angebote würde zu einer Marktverwilderung bzw. zu einer völligen Aushebelung des Leistungswettbewerbs führen. Die marktverstopfende Umsonstlieferung sei angesichts der Dauer, des Umfangs und der Art des Probeabonnements wettbewerbswidrig. Angesichts der Einsparung von 60,00 DM liege ein übertriebenes Anlocken mit einem Übermaß an gewährten Vorteilen vor.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
das Urteil das Landgerichts Berlin vom 9. April 1999 insoweit abzuändern, als die einstweilige Verfügung des Landgerichts vom 8. Februar 1999 - 15 O 70/99 - aufgehoben wurde
und
diese zu bestätigen und die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen
und
das Urteil des Landgerichts Berlin abzuändern und den Antrag insgesamt
zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin erwidert und rügt:
Bei ihrer Werbeaktion gehe es nicht um eine Gratislieferung, sondern um ein entgeltliches Abonnement. Der reduzierte Preis für das befristete Abo sei kein Sonderpreis, sondern ein weiterer Normalpreis. Im Vergleich zu dem regulären Abo sei das streitgegenständliche eine andere Leistung, weil es nur über drei Monate gelaufen, nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt angeboten worden und nicht verlängerbar gewesen sei. Außerdem sei ihre Werbeaktion rabattrechtlich zulässig, weil ihrem differenzierten Preisangebot sachlich und wirtschaftlich vernünftige Erwägungen zugrunde liegen würden. Sie habe nach dem umfänglichen "Relaunch" mit Einführungspreisen werben wollen, um dem interessierten Leser das Kennenlernen der umgestalteten Zeitung zu ermöglichen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
Die Berufung und die Anschlussberufung sind unbegründet.
Die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts, auf die gemäß § 543 Abs. 2 ZPO verwiesen wird, sind nur wie folgt zu ergänzen.
- Berufung -
Ein Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger e.V. (siehe Löffler, Presserecht, 4. Aufl., BT Gewinnsp S. 1254), der zugleich unter § 1 UWG fallen könnte (vgl. KG AfP 1992, 298), liegt nicht vor.
Abschnitt IV. dieser Wettbewerbsregeln bezieht sich auf Werbeexemplare, die nach Abs. 1 Zeitungen sind, die unentgeltlich geliefert oder verteilt werden, um die Empfänger als Bezieher zu gewinnen. Eine solche unentgeltliche Lieferung hat die Antragsgegnerin nach dem maßgebenden Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise, zu denen auch die erkennenden Richter gehören, nicht angeboten, wie das Landgericht zu Recht angenommen hat. Niemand sieht in einer Lieferung über drei Monate für den halben Preis ein Gratislieferung für sechs Wochen und eine Vollpreislieferung für den Rest der Zeit. Der Leser zahlt ein Entgelt 59,70 DM, das (bei ca. 75 Ausgaben in drei Monaten) mit 80,00 Pf. pro Exemplar auch auch nicht so niedrig ist, als dass das Probeabo einer Gratislieferung gleichkommen würde.
So passen die von der Antragstellerin zitierten Entscheidungen schon deshalb nicht, weil sie jeweils an eine Gratislieferung anknüpfen (BGH GRUR 1982, 56 - Bäckerfachzeitschrift; GRUR 1996, 778 - Stumme Verkäufer; OLG Koblenz NJW-RR 1988, 422; OLG Hamburg GRUR 1988, 135 - Steckaktion; OLG München NJW-RR 1996, 490 - Probelesen; 809 - Angebot und Anliegen; OLG Schleswig WRP 1996, 57; vgl. auch KG AfP 1997, 726, 727).
Einschlägig sind die Entscheidungen der Oberlandesgerichte Düsseldorf (GRUR 1969, 227 - WAZ) und Hamm (AfP 1995, 419). Das OLG Düsseldorf hat ausschließlich einen Rabattverstoß angenommen und die Frage eines Verstoßes gegen § 1 UWG nicht problematisiert, obwohl die Rüge im Sachverhalt dort auftaucht. Das OLG Hamm hat in Abgrenzung zu einer früheren eigenen Entscheidung ein "Schnupper-Abo" zugelassen, das 64,5 % des normalen Preises kostete und nur einmal für drei Monate wahrgenommen werden konnte, nach deren Ablauf es automatisch ohne Kündigung endete. Allein die Preisgestaltung sei schon nicht so auffallend günstig, dass ohne weitere Anhaltspunkte davon ausgegangen werden könne, sie übe eine derartige Sogwirkung aus, dass durch sie die Wettbewerbsverhältnisse gefährdet werden könnten. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der Wechsel von einer anderen Zeitung zu der der Antragsgegnerin dadurch erschwert sei, dass Kündigungen von Zeitungen üblicherweise nur zum jeweiligen Quartalsende zulässig seien. Vor diesem Hintergrund, dass eine außergewöhnlich große Gefahr nicht erkennbar sei, erscheine eine Bezugsdauer von drei Monaten als noch vertretbar.
Diese überzeugenden Argumente treffen auch auf das Einführungs-Abo der Antragsgegnerin zu, wobei sie mit einer Preisreduktion von 50% geworben hat, die allerdings eher noch in der Nähe der 64, 5 % der neuen Entscheidung des OLG Hamm als bei den 22 % liegt, auf die ein Preis bei der früheren Entscheidung des OLG Hamm reduziert worden war.
- Anschlussberufung -
Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin enthält die beanstandete Werbung das Angebot von Sonderpreisen i.S. des § 1 RabattG, die wegen der Zugehörigkeit zu bestimmten Verbraucherkreisen eingeräumt werden.
Sonderpreise gelten als rabattsrechtswidrige Preisnachlässe, wenn ihnen ein Normalpreis für die gleiche Leistung gegenübersteht. Die Beurteilung der Frage, ob neben einem Normalpreis ein unzulässiger Sonderpreis oder ein (weiterer) Normalpreis angeboten wird, hängt maßgebend davon ab, ob aus der Sicht des Verkehrs die den unterschiedlichen Verbrauchergruppen angebotenen Leistungen gleich sind oder ob sachlich und wirtschaftlich vernünftige Erwägungen eine Preisdifferenzierung rechtfertigen. Bietet der Unternehmer gleiche Leistungen an, so ist der nach Verbrauchergruppenzugehörigkeit differenzierende Preis als ein
Sonderpreis i.S. des § 1 Abs. 2 RabattG zu beanstanden (BGH NJW 1992, 1691, 1693 - Ortspreis; 1995, 2355 - Franchise-Nehmer).
So liegt der Fall hier.
Die durch die Gemeinsamkeit des äußeren Umstandes der gleichen Kundenstellung als Erst- oder Wiederbezieher hergestellte Gemeinschaft der angesprochenen Interessenten reicht aus, um den Begriff "bestimmter Verbraucherkreis" zu erfüllen (OLG Düsseldorf a.a.O.). Demgegenüber vermag die Gegenmeinung (OLG Hamm a.a.O.), das Angebot sei jedem letzten Verbraucher zugänglich, denn der Wunsch, mit dem Angebot Kunden auch auf Dauer zu gewinnen, mache die angesprochenen Kreise nicht zu einem bestimmten Verbraucherkreis, nicht zu überzeugen. Die aktuellen Bezieher gehören nicht zu den beworbenen Verbrauchern, denn niemand wird "D. W." für drei Monate abonnieren, wenn er schon ein Abo für diese Zeitung hat und durch Kündigungsfristen gebunden ist.
Die angesprochenen Leser sehen den Preis von 59,70 DM für das Drei-Monats-Abonnement als eine Vergünstigung an, die ihnen deshalb gewährt wird, weil sie als Erst- oder Wiederbezieher der "W." besonders umworben werden. Sie verstehen die Preisvergünstigung nicht etwa als einen eigenen Preis für eine besondere Verkaufseinheit, die darin besteht, dass das ihnen gebotene Abonnement doppelt befristet ist, zum einen durch die Laufzeit von drei Monaten und zum anderen durch die zeitliche Begrenzung bis zum 31. März 1999. Bei Zeitungsabonnements ist die Verkaufseinheit in den Augen der Interessenten die täglich gelieferte Zeitung selbst. Die verschiedenen Modalitäten der Befristung der Lieferung werden bei den Interessenten für das Abo einer Tageszeitung nicht so gewertet, dass in ihnen jeweils ein Angebot einer besonderen Verkaufseinheit gesehen wird (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O.). Es gibt keine Differenzierung zwischen einem Probeabonnement und einem Normalabonnement, da die Produkte identisch sind. Auch der Probezweck nach der Erneuerung und Modernisierung der Zeitung lässt bei den Interessenten nicht den Gedanken aufkommen, es handele sich um eine besondere Verkaufseinheit mit einem besonderen Preis. Der Interessent erkennt leicht, dass drei Monate bei einer Tageszeitung viel zu lang sind, als dass man noch von einer Erprobung einer Zeitung reden könnte. Bei einer Tageszeitung reichen regelmäßig zwei Wochen aus (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O., 228; siehe auch OLG Koblenz a.a.O., 423; OLG München a.a.O., 491). Sachlich gerechtfertigt ist angesichts der überlangen Dauer des Probeabos die Verbilligung durch den Erprobungszweck nicht (vgl. Löffler/v. Strobl-Albeg, a.a.O., Rdnr. 161).
Eine sachbezogene Angebotsdifferenzierung, wie das Oberlandesgericht Hamm (a.a.O.) sie angenommen hat, besteht nicht. Der Grund für diese Differenzierung liegt nicht in dem zeitlich begrenzten Bezug der Zeitung, die sonst unbefristet abonniert wird. Entscheidend ist aus der Sicht der Leser nicht die Laufzeit des Abos, sondern der Preis für die Lieferung einer Zeitung. Es gibt auch aus der maßgebenden Sicht des Interessenten für den befristeten Bezug einen Normalpreis, wenn die Antragsgegnerin mit einer Ersparnis von 50 % gegenüber dem normalen Preis wirbt. Dementsprechend empfindet der Interessent das Angebot der Antragsgegnerin als Preisnachlass.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. ZPO.
Ende der Entscheidung
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