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Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 03.11.2000
Aktenzeichen: 5 U 6555/00
Rechtsgebiete: UWG, ZPO
Vorschriften:
UWG § 3 | |
UWG § 13 Abs. 5 | |
ZPO § 253 | |
ZPO § 929 |
1. Bei der Zustellung mit Wirkung gegen eine Juristische Person ist die irrtümliche Benennung eines falschen gesetzlichen Vertreters als Zustellungsadressaten unschädlich; wenn die Zustellung sonst, ordnungsgemäß ausgeführt worden ist,
2. Eine Rechtshängigkeitssperre besteht, wenn identische Unterlassungsanträge verfolgt werden.
3. § 13 Abs. 5 UWG richtet sich auch gegen den unmittelbar Verletzten. Die Aufspaltung eines einheitlichen Lebenssachverhaltes in zwei Prozesse rechtfertigt für sich allein noch nicht, die für die Antragsbefugnis (Klagebefugnis) sprechende Vermutung als widerlegt anzusehen. Allein der Umstand, dass den Parteien aufgrund der Aufspaltung die Gebührendegression nicht zu Gute kommt, hat noch nicht die Missbräuchlichkeit der Verfahrensführung zur Folge.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes
Geschäftsnummer: 5 U 6555/00 15 O 277/00 LG Berlin
Verkündet am: 3. November 2000
Lohey Justizsekretärin
In dem Rechtsstreit
hat der 5. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Bornemann, die Richterin am Kammergericht Prietzel-Funk und den Richter am Kammergericht Crass auf die mündliche Verhandlung vom 3. November 2000 für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Antragstellerin wird das am 11. Juli 2000 verkündete Urteil der Zivilkammer 15 des Landgerichts Berlin geändert:
Die einstweilige Verfügung vorn 5. Mai 2000 wird bestätigt.
Die Antragsgegnerin hat die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand:
Die Parteien sind Wettbewerber als Internet-Service-Provider. Die Antragsgegnerin verbreitete einen Prospekt mit dem Titel "Tun Sie was für Ihren guten Namen!". Die Seiten 9 bis 11 dieses Prospektes sind wie aus den folgenden Ablichtungen ersichtlich gestaltet:
Die Antragsgegnerin erwirkte unter Bezugnahme auf diesen Prospekt mit Antrag vom 26. April 2000 die einstweilige Verfügung vom 27. April 2000 der Kammer für Handelssachen 102 des Landgerichts Berlin - 102 O 87/00 -, mit der der Antragsgegnerin bei Vermeidung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt worden ist,
1. im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Hinblick auf ein Angebot von Leistungspaketen für Internet-Präsenzen mit eigener Domain unter Angabe eines monatlich zu entrichtenden Preises zu werben, ohne deutlich auf die anfallende einmalige Einrichtungsgebühr hinzuweisen;
2. im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Hinblick auf ein Angebot von Leistungspaketen für Internet-Präsenzen mit eigener Domain im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit dem angebotenen Leistungspaket Software-Produkte abzubilden unter Verwendung der Angabe "inklusiv", wenn die Software-Produkte nicht im Leistungspaket enthalten sind;
3. im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Hinblick auf ein Angebot von Leistungspaketen für Internet-Präsenzen mit eigener Domain wörtlich oder sinngemäß mit der Angabe zu werben, dass die Testsieger-Software auch noch enthalten sei, wenn nicht jede im Leistungspaket enthaltene Software tatsächlich in mindestens einem Warentest als Sieger abgeschnitten hat.
Am selben Tag mahnte die Antragstellerin die Antragsgegnerin wegen dieser Werbung unter Fristsetzung bis zum 5. Mai 2000 ab. Diese erklärte mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 28. April 2000, dass sie prinzipiell bereit sei, die geforderte Unterlassungserklärung abzugeben, und teilte mit, einige Punkte in dem Prospekt bereits geändert zu haben.
Auf den weiteren Antrag der Antragstellerin vom 4. Mai 2000 hat die Zivilkammer 15 des Landgerichts Berlin in dem vorliegenden Verfahren durch Beschluss vom 5. Mai 2000 der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt,
1. im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für ein Angebot von Internet-Präsenzen mit eigener Domain im Hinblick auf in den Leistungspaketen enthaltene Software wörtlich oder sinngemäß mit der Angabe zu werben, es sei Software im Wert von über DM 1.000,00 inklusive;
2. im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für ein Angebot von Internet-Präsenzen mit eigener Domain im Hinblick auf in den Leistungspaketen enthaltene Software mit Ergebnissen von Warentests und/oder Beurteilungen Dritter, die von periodisch erscheinenden Publikationen veröffentlicht werden, zu werben, ohne die Fundstelle mit Namen, Publikation, Erscheinungsjahr und Erscheinungsmonat zu bezeichnen.
In dem Beschluss vom 5. Mai 2000 ist als gesetzlicher Vertreter der Antragsgegnerin der "Geschäftsführer, Herrn A.......... R........", bezeichnet. In der Zustellungsurkunde heißt es "zur Zustellung an Firma L......... AG, vdd GFT.......... K............".
Gemäß dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht die einstweilige Verfügung aufgehoben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Unterlassungsanträge nach § 13 Abs. 5 UWG unzulässig seien, denn die Geltendmachung der Unterlassungsansprüche sei unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Antragstellerin. Sie beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die einstweilige Verfügung vom 5. Mai 2000 zu bestätigen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird von der Darstellung des Tatbestandes abgesehen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung erweist sich als begründet.
Die Antragstellerin hat die einstweilige Verfügung ordnungsgemäß vollzogen. Dem steht nicht entgegen, dass als gesetzlicher Vertreter der Antragsgegnerin unzutreffend ein Geschäftsführer benannt war, der mit dem Vorstand der Antragsgegnerin nicht identisch ist. Denn bei der Zustellung (der Beschlussverfügung) mit Wirkung gegen eine juristische Person ist die irrtümliche Benennung eines falschen gesetzlichen Vertreters als Zustellungsadressaten in der Zustellungsurkunde unschädlich, wenn die Zustellung sonst ordnungsgemäß ausgeführt worden ist (vgl. KG Rpfleger 1976, 222). Von einer ordnungsgemäßen Ersatzzustellung ist auszugehen, wenn sie im Geschäftslokal unter Angabe eines falschen gesetzlichen Vertreters einer juristischen Person erfolgt (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 21. Aufl., § 191 Rdn. 10). Diese Rechtsprechung und Literaturmeinung gilt nicht nur für die Zustellung einer Klageschrift oder eines Urteils, sondern genauso für die Vollziehung einer im Beschlusswege ergangenen einstweiligen Verfügung.
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin sind die hier interessierenden Ansprüche auf Unterlassung auch nicht anderweitig rechtshängig. In dem hiesigen Verfahren und in dem Verfahren zu dem Aktenzeichen 102 O 87/00 geht es nicht um identische Streitgegenstände. Streitgegenstand im Verfügungsverfahren ist grundsätzlich das Sicherungsinteresse. Eine Rechtshängigkeitssperre besteht, wenn identische Anträge gestellt werden (vgl. OLG Hamm WRP 1996, 583; Melullis, Handbuch des Wettbewerbsprozessrechts, 3. Aufl., Rdn. 553 a). Identische Anträge werden hier nicht verfolgt. Auch der Hinweis auf die Kerntheorie hilft der Antragsgegnerin nicht. Aus den Verboten zu 2. und 3. des Parallelverfahrens kann nicht mit Erfolg die Zwangsvollstreckung wegen der hier zu 1. bzw. 2. gerügten Werbeangaben betrieben werden.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts und der Antragsgegnerin ist der Anspruch auf Unterlassung auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Geltendmachung unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist (§ 13 Abs. 5 UWG). Allerdings gilt diese Vorschrift auch für unmittelbar Verletzte und nicht nur für Antragsteller im Sinne des § 13 Abs. 2 UWG. Die entsprechende Rechtsprechung des Senats (vgl. WRP 1998, 1189 f.) ist vom Bundesgerichtshof (WRP 2000, 1269/1271 - "Missbräuchliche Mehrfachverfolgung") ausdrücklich gebilligt worden. Grundsätzlich spricht jedoch eine Vermutung gegen ein missbräuchliches Vorgehen (vgl. Melullis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, 3. Aufl. Rdn. 393). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (a.a.O. "Missbräuchliche Mehrfachverfolgung") bietet § 13 Abs. 5 UWG eine Handhabe, wenn sachfremde Ziele - wie das Interesse, den Gegner durch möglichst hohe Prozesskosten zu belasten - als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen. Erforderlich ist eine sorgfältige Prüfung und Abwägung der maßgeblichen Einzelumstände. Diese führt hier zu dem Ergebnis, dass ein Rechtsmissbrauch der Antragstellerin nicht vorliegt. Entgegen dem Vorbringen der Antragsgegnerin kann eine "Häufung von Verfahren" nicht festgestellt werden, vielmehr geht es um zwei Verfügungsverfahren. Allerdings ist es misslich, dass die Antragstellerin einen einheitlichen Lebenssachverhalt in zwei Verfahren aufbereitet, indem sie dieses vorliegende Verfahren angestrengt hat, nachdem bereits wegen derselben Werbung eine einstweilige Verfügung ergangen war. Zudem setzt sie sich dem Verdacht aus, diesen Sachverhalt verschleiern zu wollen, indem sie zunächst die Kammer für Handelssachen und dann die ordentliche Zivilkammer angerufen hat. Diese fraglos unglückliche Vorgehensweise ist nach der Auffassung des Senats jedoch nicht auf sachfremde Schädigungserwägungen zurückzuführen. Jedenfalls ist es nicht überwiegend wahrscheinlich, dass sachfremde Erwägungen als beherrschendes Motiv anzusehen sind. Ein finanzieller Schaden kann der Antragsgegnerin ohnehin nur in Form einer höheren Kostenbelastung entstehen. Denn ihr kommt die Gebührendegression nunmehr nicht zugute. Diese Kostenbelastung ist aber als "erträglich" anzusehen (so auch OLG Hamburg GRUR 1989, 133 - "Protecton"). Die Aufspaltung als solche rechtfertigt das Verdikt der Rechtsmissbräuchlichkeit noch nicht. Der Antragstellerin ist auch letztlich nicht zu widerlegen, dass ihre Anwälte, als sie den umfänglichen Prospekt der Antragsgegnerin durchgearbeitet haben, die nicht sonderlich auffälligen Wettbewerbsverstöße, die hier zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden sind, übersehen haben. Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin auf Grund der unglücklichen Vorgehensweise der Antragstellerin ihre Werbung mehrfach umstellen musste (vgl. OLG Hamburg WRP 1996, 579/580 - "Konkrete Verletzungsform"). Diese Abwägung der Umstände des Einzelfalls führt dazu, dass die für die Antragsbefugnis sprechende Vermutung nicht erschüttert ist. Daher kann offen bleiben, ob der Auffassung des OLG Köln (GRUR 1993, 571) noch zu folgen ist, demzufolge dann, wenn die Vermutung erschüttert ist, der Antragsteller seinerseits die aufgekommenen ernsthaften Verdachtsgründe widerlegen muss. Der Bundesgerichtshof (a.a.O. - "Missbräuchliche Mehrfachverfolgung") hat sich auf diesen Aspekt jedenfalls nicht gestützt, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass er sich die Rechtsprechung des OLG Köln zu Eigen gemacht hat.
Der Antragstellerin stehen im Wege der einstweiligen Verfügung sicherbare Ansprüche auf Unterlassung der beanstandeten Werbeaussagen zu.
Hinsichtlich des Antrags zu 1. folgt dies daraus, dass die Angabe, es sei Software im Wert von über DM 1.000,00 inklusive, in keiner Weise nachvollziehbar ist. Denn die Antragsgegnerin stellt die in dem Paket enthaltenen Einzelbestandteile nicht vor, so dass unklar ist, wie sie auf den angegebenen Wert von 1.000,00 DM kommt. Die Werbung ist daher irreführend (§ 3 UWG).
Hinsichtlich des Antrages zu 2. folgt der Anspruch aus § 1 UWG. Die Angabe eines Testergebnisses für die beworbene Ware ohne Angabe der Fundstelle der Veröffentlichung ist wettbewerbswidrig im Sinne des § 1 UWG (vgl. BGH GRUR 1991, 679 - "Fundstellenangabe"). Diese Rechtsprechung gilt nicht nur für Testergebnisse der Stiftung Warentest, sondern generell für Tests, die in den unterschiedlichsten (Fach-)Zeitschriften veröffentlicht werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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