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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 08.05.2001
Aktenzeichen: 5 U 6904/00
Rechtsgebiete: UWG, ZugabeVO, RabattG


Vorschriften:

UWG § 1
UWG § 3
UWG § 13 Abs. 2 Nr. 3
ZugabeVO § 2 Abs. 1
RabattG § 12
Leitsatz:

1. Die Koppelung des Verkaufs eines Fernsehgerätes für 1,00 DM (statt 199,00 DM) mit dem Abschluss eines Stromlieferungsvertrages zu in der Werbung mitgeteilten Preiskonditionen verstößt nicht gegen § 1 UWG unter dem Aspekt des "übertriebenen Anlockens".

2. Es kann offen bleiben, ob durch derartige Angebote - ihren Verstoß gegen § 1 UWG unterstellt - wesentliche Belange der Verbraucher berührt werden.


KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 5 U 6904/00 102 O 91/00 LG Berlin

Verkündet am: 8. Mai 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Kammergerichts durch die Richter am Kammergericht Crass und Dr. Pahl und die Richterin am Kammergericht Prietzel-Funk auf die mündliche Verhandlung vom 8. Mai 2001 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 18. Juli 2000 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen 102 des Landgerichts Berlin wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Betrages zuzüglich 10 % abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Beschwer des Beklagten übersteigt 60.000,00 DM.

Tatbestand:

Der Beklagte ist ein rechtsfähiger Verband, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, die Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung wahrzunehmen und zu fördern. Dabei verfolgt er insbesondere das Ziel, solchen unlauteren Wettbewerb zu unterbinden, der sich zum Nachteil der Verbraucher auswirkt. Auf seinen Antrag ist er vom Bundesverwaltungsamt mit Wirkung zum 1. Januar 2001 in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 22 a des AGB-Gesetzes eingetragen worden.

Die Klägerin warb in der Tageszeitung "D T " vom 30. März 2000 mit einer Beilage im Format von etwa DIN A 3, die verkleinert wie folgt aussieht:

Die Klägerin hat ihre Werbung unter näherer Darlegung im Einzelnen als wettbewerbskonform verteidigt. Sie hatte zunächst negative Feststellungsklage gegen den Beklagten dahin geltend gemacht, dass diesem ein Unterlassungsanspruch gegen sie nach Maßgabe der vorprozessual von dem Beklagten vorformulierten Unterlassungserklärung nicht zustehe. Nachdem der Beklagte sein Begehren im vorliegenden Rechtsstreit widerklagend geltend gemacht hat, haben die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich der zunächst erhobenen Feststellungsklage übereinstimmend bei widerstreitenden Kostenanträgen für erledigt erklärt.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Werbung stelle ein übertriebenes Anlocken i. S. v. § 1 UWG dar. Das folge insbesondere aus der plakativen Darstellung des Preises für das Fernsehgerät in Verbindung mit der großflächigen Abbildung desselben sowie dem Hinweis "Wir feiern...". Dadurch, so hat er behauptet, werde der Interessent verlockt, das Angebot anzunehmen und einen Stromlieferungsvertrag zu schließen, um das Fernsehgerät, das ansonsten zum Normalpreis erworben werden müsste, für nur 1,00 DM kaufen zu können. Das Übermaß der versprochenen Vorteile erschwere einen Leistungsvergleich.

Die Werbung sei auch irreführend. Denn die Klägerin versuche zu suggerieren, dass lediglich ein Betrag von 1,00 DM für das Fernsehgerät zu zahlen sei. Dabei sei jedoch zu berücksichtigen, dass ein eventueller Stromlieferungsvertrag nicht per sofort zu kündigen sei, so dass der Interessent möglicherweise zwei Stromlieferungsverträge zu bedienen habe. Der Verbraucher werde auch übersehen, dass die Klägerin Provision für die Vermittlung eines Abnehmers von der Stromlieferantin a erhalte.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klägerin zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gegenüber privaten Endverbrauchern für einen portablen Fernseher (z. B. einen Fernseher der Marke S, Preis ohne Stromvertrag 199,00 DM) bei gleichzeitigem Abschluss eines Stromliefervertrages wie nachfolgend abgebildet zu werben oder werben zu lassen, mit dem - nur für diesen Fall geltenden - blickfangmäßig herausgestellten Angebot einen solchen transportablen Fernseher erhalten zu können:

Die Klägerin hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Das Landgericht hat gemäß dem angefochtenen Urteil, auf das Bezug genommen wird, die Widerklage abgewiesen.

Gegen dieses Urteil, das ihm am 2. August 2000 zugestellt worden ist, hat der Beklagte am 30. August 2000 Berufung eingelegt. Auf sein am Montag, dem 2. Oktober 2000, eingegangenen Antrag ist die Frist zur Begründung der Berufung um zwei Wochen verlängert worden. Seine Berufungsbegründung ist am 16. Oktober 2000 eingegangen.

Der Beklagte rügt:

Die streitgegenständliche Werbung verstoße unter dem Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens gegen § 1 UWG. Es gehe nicht um eine einheitliche Leistung, vielmehr werde das angebotene Fernsehgerät als Lockmittel verwendet, um dem Verbraucher den Stromlieferungsvertrag schmackhaft zu machen. Die Klägerin werbe nicht mit einem eigenen attraktiven Angebot, sondern versuche, durch die Koppelung den Abschluss des Stromliefervertrages zu fördern. Dieser habe mit dem Erwerb des Fernsehers nichts zu tun und sei überhaupt "überflüssig wie ein Kropf", da sämtliche Interessenten - etwa von der B - mit Strom beliefert würden. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei auch nicht klar, dass die Klägerin den Preis der Fernsehgeräte durch Provision für die Vermittlung von Stromlieferverträgen hereinhole. Denkbar sei auch, dass es sich um einen wettbewerbswidrigen Verkauf unter Selbstkostenpreis handele. Es könne sich um eine Verdrängungs- oder Vernichtungsunterbietung handeln.

Die Werbung verstoße auch gegen § 3 UWG, denn der Interessent werde über die Preisbemessung in der Weise irregeführt, dass er von einem preisgünstigen Gesamtangebot ausgehe. Der Verbraucher rechne zu Unrecht mit Preisvorteilen.

Die Werbung verstoße auch gegen § 1 ZugabeVO und das RabattG.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klägerin gemäß dem erstinstanzlich zur Widerklage gestellten Antrag zu verurteilen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Sie erwidert:

Liege aus der Sicht des Verkehrs ein einheitliches Angebot vor, so sei die Werbung mit dem günstigen Preis ein legitimer Hinweis auch auf die eigene Leistungsfähigkeit. Hier gehe es nicht um ein Koppeln mit einem Vorspannangebot, sondern um ein Koppeln gebrauchsnaher Waren, wobei die Einzelpreise leicht festzustellen seien. Die Hauptware (Stromlieferung) werde zu marktüblichen Bedingungen abgegeben. Die Einzelpreise würden benannt. Im Hinblick auf den am Strommarkt nach Aufhebung der Monopole entstandenen neuen Wettbewerb müsse eine derartige Werbung gestattet sein. § 1 UWG dürfe die Entwicklung auf dem liberalisierten Strommarkt nicht beeinträchtigen. Der Verkäufer werde im Hinblick auf die allgemein bekannte "Handy-Werbung", an die sich auch die hier angegriffene Werbung anlehne, nicht überrascht. Die Werbung enthalte keine täuschenden Elemente. Jeder wisse, wie viel ein Fernseher koste und dass er nicht verschenkt werde. Es liege auch kein Verstoß gegen die Zugabeverordnung vor, da es sich bei dem Fernseher nicht um eine Nebenware handele.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten kann keinen Erfolg haben. Denn ihm steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu.

An seiner Klagebefugnis gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG besteht jedoch kein Zweifel, da er in die Liste qualifizierter Einrichtungen i. S. des § 22 a AGB-Gesetz eingetragen ist.

Von vornherein kann sich der Beklagte weder auf die ZugabeVO noch auf das Rabatte stützen. Denn, soweit es um Verstöße gegen die Bestimmungen der ZugabeVO und des RabattG geht, ist er nicht klagebefugt. Dies folgt aus den §§ 2 Abs. 1 ZugabeVO, 12 RabattG (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., ZugabeVO § 2 Rdnr. 2). Es kann hier offen bleiben, welche Überlegungen dazu geführt haben, die Klagebefugnis von Verbraucherschutzverbänden bei Verstößen gegen diese Bestimmungen auszuschließen. Diese gesetzgeberische Entscheidung überrascht insoweit, als etwa die ZugabeVO dem Schutz des Kunden vor Irreführung, unsachlicher Beeinflussung und Preisverschleierung dienen soll (vgl. BGH WRP 1999, 424/428 - "Bonusmeilen", Köhler/Piper, UWG, 2. Aufl., vor § 1 ZugabeVO Rdnr. 2). Das ändert aber nichts an der in §§ 2 Abs. 1 ZugabeVO, 12 RabattG eindeutig getroffenen Entscheidung des Gesetzgebers.

Der Beklagte legt nicht dar, dass die Werbung der Klägerin irreführend ist und damit gegen § 3 UWG verstößt. Die Strompreise sind eindeutig benannt, auch auf die zeitliche Bindung für 24 Monate wird ausdrücklich hingewiesen (das unterscheidet den Fall von der Gestaltung in BGH NJWE-WettbR 2000, 232/233 f. - "Handy" "fast geschenkt" für 0,49 DM"). Dass die angegebenen Strompreise für den Verbraucher ungünstig sind, behauptet der Beklagte, wie in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich klargestellt worden ist, selbst nicht. Die von ihm herangezogene Fallgruppe "Vortäuschung preisgünstigen Gesamtangebotes" (vgl. Baumbach/Hefermehl a. a. O. UWG § 3 Rdnrn. 283 ff.) passt insgesamt nicht. Aus dem Angebot ergibt sich für den Leser gerade nicht, dass die Klägerin allgemein "sagenhaft günstige" Fernsehgeräte anbietet. Vielmehr ist die Konstellation, unter der man einen Fernseher für nur 1,00 DM erwerben kann, eindeutig benannt. Es wird auch klar darauf hingewiesen, dass das Gerät sonst 199,00 DM - also wesentlich mehr - kostet. Der Preisvergleich hinsichtlich der Strompreise wird für den Verbraucher auch dadurch erleichtert, dass die Klägerin dazu auffordert, die letzte Stromrechnung mitzubringen. Das legt es für den Verbraucher nahe, sie auch inhaltlich zu überprüfen.

Auch ein Verstoß gegen § 1 UWG ist nicht ersichtlich. Dass die Klägerin das Fernsehgerät in wettbewerbswidriger Weise unter Selbstkostenpreis anbietet, ist nicht ersichtlich. Der Beklagte legt auch nicht dar, dass ein Kaufpreis mit dem Ziel der Verdrängung der Konkurrenten vom Markt beworben wird. Ein Verstoß gegen § 1 UWG kommt ferner auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines übertriebenen Anlockens durch ein unzulässiges Vorspannangebot in Betracht. Ein wettbewerbswidriges übertriebenes Anlocken ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darin gesehen worden, dass ein Gewerbebetreibender durch ein Obermaß von meist geldwerten Vorteilen in der Weise auf die Entscheidungsfreiheit des Kunden einwirkt, dass diese seine Entscheidung nicht mehr nach Güte und Preiswürdigkeit, sondern nur noch danach trifft, wie er in den Genuss des Werbemittels gelangt (vgl. BGH WRP 1999, 517/518 - "ORBITEL-Handy" = "Am Telefon nicht süß sein?" m. w. N.). Dabei muss es sich jedoch immer um einen außerhalb des eigentlichen Angebots liegenden Vorteil handeln. Im Falle von Koppelungsangeboten kommt ein übertriebenes Anlocken aufgrund der besonderen Attraktivität des einen Teils der angebotenen Waren oder Leistungen grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn es sich nicht um ein einheitliches Angebot handelt. Liegt dagegen nach dem Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise ein Angebot mehrerer zueinander gehöriger Warenleistungen vor, kann in der Ankündigung des besonders günstigen Preises für einen Teil der zu erbringenden Gesamtleistung kein unsachliches Mittel der Kundenbeeinflussung erbracht werden. Denn die Werbung mit dem günstigen Preis der einfachen Leistung stellt sich in diesem Fall als ein legitimer Hinweis auf den günstigen, durch verschiedene Bestandteile geprägten Preis der angebotenen Gesamtleistung und damit als ein Hinweis auf die eigene Leistungsfähigkeit dar. Die Anlockwirkung, die von einem attraktiven Angebot ausgeht, ist niemals wettbewerbswidrig, sondern gewollte Folge des Leistungswettbewerbs (BGH NJWE-WettbR. 2000, 232; BGHZ 139, 368/374 f. - "Handy für 0,00 DM"). Danach kommt es also darauf an, ob der Kunde in der Verbindung eines Stromlieferungsvertrages mit einem Kauf eines Fernsehgerätes eine sinnvolle Zusammenstellung sieht. Eine solche sinnvolle Koppelung hat der Bundesgerichtshof in den genannten Entscheidungen angenommen zwischen dem Kauf eines Handys und dem Abschluss eines Netzkartenvertrages. Letztlich offen gelassen hat der BGH (GRUR 1996, 363 - "Saustarke Angebote") diese Frage für die Koppelung des Erwerbs einer Gefriertruhe und einer Schweinehälfte. Auch im vorliegenden Fall kann nach Auffassung des Senats, dessen Mitglieder zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören, offen bleiben, ob der Verkehr in der Verbindung eines Fernsehgerätes mit einem Stromlieferungsvertrag ein einheitliches Angebot sieht. Zwar kann von einer Funktionseinheit von Stromlieferungsvertrag und Fernsehgerät nicht in dem Sinne die Rede sein, dass die Interessenten auf den Stromlieferungsvertrag dringend angewiesen sind, um das Fernsehgerät betreiben zu können. Insoweit zutreffend weist die Klägerin darauf hin, dass im Grunde sämtliche Haushalte von den vormaligen Monopolisten mit Strom beliefert werden. Wer an diesen Verträgen festhält, kann ohne weiteres ein Fernsehgerät oder sonstige elektrische Geräte in Betrieb setzen. Das schließt aber keineswegs aus, dass auch in der Kombination von einem Stromlieferungsvertrag und einem (austauschbaren) Elektrogerät eine sinnvolle Einheit gesehen werden kann. Es bestehen ein Gebrauchszusammenhang und eine Gebrauchsnähe, da der gelieferte Strom sozusagen sinnvoll verwendet wird. Aus der Sicht des Senats erinnert die Werbeidee, die hinter der Koppelung von Stromlieferungsvertrag und Kauf eines Fernsehgerätes für nur 1,00 DM steckt, an das Aufkommen der Verbindung des nahezu "geschenkten Handys mit dem Netzkartenvertrag. Das Publikum kennt solche Verbindungen und weiß auch, dass der Kaufmann im Prinzip nichts verschenkt. So wie man beim Kauf eines Handys für nur 1,00 DM weiß, dass man den realen Kaufpreis letztlich mittels des Netzkartenvertrages in irgendeiner Weise finanziert, so weiß auch der Verbraucher, dem das hier streitgegenständliche Angebot unterbreitet wird, dass der Abschluss eines Stromlieferungsvertrages durch ihn für den Verkäufer so attraktiv ist, dass er den Fernseher so billig abgeben kann. Der Senat folgt insoweit der Auffassung des Oberlandesgerichts Celle - Urteil vom 28. Dezember 2000 13 U 235/00 das ausgeführt hat, dass der Verkehr unschwer in der Lage ist, im Kern (mit der Handywerbung) vergleichbare Werbungen zu verstehen und bei seiner Kaufentscheidung zu berücksichtigen. Mit dem Oberlandesgericht Celle ist auch der Senat der vom OLG Köln (MDR 2001, 750/754) abgelehnten Auffassung, dass für den durchschnittlich aufgeklärten Verbraucher, auf dessen Vorstellung es ankommt, angenommen werden muss, dass er erkennt, dass der Gerätepreis gleichsam aus dem Stromlieferungsvertrag "subventioniert" wird. Er wird sich nicht daran stören, dass er letztlich zwei Verträge mit unterschiedlichen Anbietern abschließt, da ihn solche rechtlichen Erwägungen nicht interessieren. Diese Überlegungen führen zu dem Ergebnis, dass der Verbraucher nicht übertrieben angelockt und von einer verständigen Bewertung des Angebots abgehalten wird, sondern dass er genau um den Inhalt der - vermeintlichen - Attraktivität des gekoppelt angebotenen Produktes weiß. Die Beklagte erschwert einen realistischen Preisvergleich in keiner Weise. Der "Normalpreis" für das Fernsehgerät ist genannt. Ebenso sind die Stromtarife aufgeführt, wobei ein Vergleich mit dem bestehenden Stromlieferungsvertrag schon dadurch erleichtert wird, dass die Klägerin den Interessenten auffordert, die letzte Stromrechnung mitzubringen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass auch sonstige Merkmale, die für eine Unlauterkeit des Vorgehens der Beklagten sprechen könnten, hier fehlen. Der Kunde wird nicht unter Zugzwang gesetzt. Er kann in aller Ruhe die Tarife prüfen und wird durch die Aufforderung, die letzte Stromrechnung mitzubringen, zu einem Vergleich sogar angeregt. Die nicht nur von der sondern auch von anderen Anbietern massiv vorgetragene Werbung für die Angebote der neuen Stromanbieter stellt sich auch deshalb als nicht unvernünftig dar, weil so der Verbraucher auf die Öffnung des Strommarktes aufmerksam gemacht wird, die nicht zuletzt seinem Vorteil dienen soll. In diesem Zusammenhang ist noch einmal darauf hinzuweisen, dass nichts dafür spricht, dass der für die Stromlieferung verlangte Preis überhöht sein könnte. Es ist nicht zu verkennen, dass das grundsätzlich erwünschte Vordringen neuer Anbieter auf dem Strommarkt für diese ein nicht unerhebliches Risiko birgt und daher erhebliche Aufwendungen, das neue Angebot bei Verbrauchern, die ja mit Strom beliefert werden, erst bekannt zu machen, nahe legt. Die zweijährige Bindung an den Stromlieferanten wird deutlich herausgestellt und kann von dem Interessenten in sein Kalkül einbezogen werden. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Kunde diesen Punkt übersieht.

Jedenfalls steht einem Verstoß gegen § 1 UWG entgegen, dass der im Gesetzgebungsverfahren befindliche Vorschlag, das RabattG und die ZugabeVO abzuschaffen, dazu zwingt, gerade Koppelungsangebote großzügiger zu beurteilen. Denn nach einem Wegfall von ZugabeVO und RabattG wird man im Grundsatz davon auszugehen haben, dass Zugaben und Rabatte lauterkeitsrechtlich neutral sind. Der Senat hat bereits im Urteil vom 21. November 2000 - 5 U 5502/00 - darauf hingewiesen, dass die Rechtsprechung zum "zulässigen Anlocken" hinsichtlich des Bereichs der Wertreklame im Umbruch begriffen ist (vgl. Speckmann, Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. Rdnr. 493). Auch der Bundesgerichtshof hat in Fällen, in denen ein Verbot nur auf "unzulässiges Anlocken" gestützt werden konnte, zuletzt davon abgesehen, eine Verurteilung auszusprechen (vgl. etwa WRP 2000, 724 -"Space Fidelity Peep-Show"). In der Literatur mehren sich Stimmen, die davor warnen, den Wegfall der ZugabeVO und des RabattG zum Anlass zu nehmen, die entsprechenden Vorgänge einfach unter dem Aspekt des "unzulässigen Anlockens" zu subsumieren (vgl. etwa Henning-Bodewig, Abschaffung von Rabatte und ZugabeVO? in WRP 2000, 886/889),Berlit (Auswirkungen der Aufhebung des Rabatte und der ZugabeVO auf die Auslegung von § 1 UWG und § 3 UWG in WRP 2001, 349/351) vertritt darüber hinausgehend die Auffassung, dass die Koppelungsangebote und Vorspannangebote nach Wegfall der ZugabeVO nahezu uneingeschränkt möglich sein werden. Die offensichtliche Fragwürdigkeit der dem RabattG und der ZugabeVO zugrunde liegenden gesetzgeberischen Wertung schließt es jedenfalls im Hinblick auf die Besonderheiten des vorliegenden Falles aus, in dem zugabeartigen Charakter des Koppelungsangebotes einen Sittenverstoß im Sinne des § 1 UWG zu sehen.

Es kann daher offen bleiben, ob der - abgelehnte - Verstoß gegen § 1 UWG ggf. eine Handlung betroffen hätte, durch die wesentliche Belange der Verbraucher berührt werden. Das allerdings ist Voraussetzung für die Aktivlegitimation des Beklagten. Das "unzulässige Anlocken" wird in den Aufstellungen der Fallgestaltungen, die wesentliche Belange des Verbrauchers berühren, nicht eigens erwähnt - im Gegensatz etwa zur belästigenden Werbung und zu Werbemethoden, die zur Beeinträchtigung der Entschlussfreiheit zu psychologischem oder rechtlichem Kaufzwang führen (vgl. Melullis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, 3. Aufl., Rdnr. 466; Köhler/Piper, UWG, 2. Aufl. § 13 Rdnr. 15 i. V. m. § 1 Rdnrn. 7 ff.). Es geht insoweit auch nicht um einen Verstoß gegen eine Regelung mit ausgesprochen verbraucherschützender Zielrichtung. Eine solche hat der Senat in § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngVO (bei der Werbung mit Flugpreisen) gesehen (Urteil vom 27. März 2001 - 5 U 10467/99 -; vgl. auch OLG München NJW-RR 1999, 485 f.).

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 und 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

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