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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 24.11.2000
Aktenzeichen: 5 U 7264/00
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 1
Leitsatz:

Das Angebot, eine kostenlose Registrierung einer "de"-Adresse durchzuführen; verstößt nicht gegen § 1 UWG.

Es geht insoweit nicht um eine wettbewerbswidrige Wertreklame, die den Interessenten unsachlich beeinflusst und unzulässig übertrieben anlockt. Das beanstandete Verhalten führt auch nicht zu einer allgemeinen Marktstörung.


KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 5 U 7264/00 97 O 41/00 LG Berlin

Verkündet am: 24. November 2000

Lohey Justizsekretärin

hat der 5. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Bornemann, den Richter am Kammergericht Crass und den Richter am Landgericht van Dieken auf die mündliche Verhandlung vom 24. November 2000 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Antragstellerin gegen das am 17. Juli 2000 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen 97 des Landgerichts Berlin wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand:

Die Parteien bieten als Internet-Service-Provider Dienste an, insbesondere Internet-Präsenzen mit eigener Domain, also eigener Internet-Adresse. Damit ein Kunde eine Internet-Präsenz erhalten kann, muss diese von dem Provider bei der DeNic registriert und konnektiert werden. Durch die Registrierung wird die Adresse belegt, also gesichert, ohne dass sie damit zugleich im Internet erreichbar ist. Um erreichbar zu sein, muss die Internet-Adresse noch konnektiert werden, es muss also eine Anbindung an das Internet durch Bereitstellung eines Speicherplatzes erfolgen. Die Antragsgegnerinnen bewarben im Internet das Angebot, dass Interessierte bei ihnen kostenlos eine "de"-Internet-Adresse für die geplante Internet-Präsenz registrieren lassen könnten. Normalerweise kostet eine Registrierung bei der DeNic einmalig 6,00 DM und monatliche Gebühren von 0,50 DM.

Die Antragstellerin hält das Angebot einer kostenlosen Registrierung für ein wettbewerbsrechtlich unzulässiges Anlocken i. S. d. § 1 UWG, weil es den Antragsgegnerinnen letztlich darum gehe, durch die kostenlose Registrierung Kunden anzulocken, die dann später die Domain über sie entgeltlich konnektieren lassen.

Antragsgemäß ist den Antragsgegnerinnen durch einstweilige Verfügung vom 31. März 2000 unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt worden,

1. im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs als Internet-Service-Provider eine kostenlose Registrierung einer Internet-Adresse, insbesondere einer de-Adresse, anzubieten, durchzuführen und/oder zu bewerben;

2. im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs als Internet-Service-Provider Internet-Adressen, die kostenlos bei ihnen ohne Nutzungsmöglichkeit für den Kunden registriert wurden, gegen Entgelt zu konnektieren, also eine Nutzung gegen Entgelt zu ermöglichen.

Nachdem die Antragsgegnerinnen gegen diese einstweilige Verfügung Widerspruch eingelegt hatten, hat das Landgericht gemäß dem angefochtenen Urteil die einstweilige Verfügung aufgehoben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückgewiesen.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der Berufung. Sie beantragt sinngemäß,

die einstweilige Verfügung (mit geringfügigen redaktionellen Änderungen) zu bestätigen.

Die Antragsgegnerinnen beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Übrigen wird von der Darstellung des Tatbestandes gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Antragstellerin erweist sich als unbegründet. Denn ihr steht kein im Wege der einstweiligen Verfügung sicherbarer Anspruch aus § 1 UWG zu.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin verstößt das Angebot der Antragsgegnerinnen, eine kostenlose Registrierung einer "de"-Internet-Adresse durchzuführen, nicht unter dem Aspekt des übertriebenen Anlockens gegen § 1 UWG. Dabei geht auch der Senat davon aus, dass die Antragsgegnerinnen beabsichtigen, mittels dieses Angebots Kunden dafür zu gewinnen, bei ihnen auch die Adresse entgeltlich konnektieren zu lassen.

Es liegt kein wettbewerbswidrigesübertriebenes Anlocken vor. Nach herkömmlicher Rechtsprechung wird der Kunde durch das Angebot übermäßiger Vorteile, auch wenn keine Zwangslage hinsichtlich des Kaufentschlusses herbeigeführt wird, in seiner Entschließungsfreiheit unsachlich beeinflusst und verschafft sich der mit diesen Mitteln Werbende auf diese Weise eine nicht gerechtfertigten Vorteil vor seinen Mitbewerbern. Ein übertriebenes Anlocken liegt vor, wenn ein so starker Anreiz auf weite Verkehrskreise ausgeübt wird, dass sich ein nicht unerheblicher Teil derselben davon maßgeblich beeinflussen lässt. Dies ist zu unterscheiden vom sogenannten psychologischen Kaufzwang, der bei unentgeltlichen Zuwendungen darin besteht, dass der Umworbene mit sachfremden Mitteln derart beeinflusst wird, dass er anstandshalber oder aus einem Gefühl der Verpflichtung glaubt, sich für den werbenden Wettbewerber entscheiden zu müssen (vgl. BGH GRUR 1972, 603/604 f. - "Kunden-Einzelbeförderung"). Auf den letzteren Aspekt beruft sich die Antragstellerin selbst nicht.

Ihr missfällt die unentgeltliche Leistung der Antragsgegnerin, in der sie eine wettbewerbswidrige Wertreklame sieht. Das Angebot der Antragsgegnerin betrifft eine Leistung, die normalerweise gegen Entgelt erbracht wird. Wenn derartige Leistungen unentgeltlich erbracht werden, kann dies vor allem dann wettbewerbswidrig sein, wenn der Anbieter auf die Erteilung eines sachlich damit zusammenhängenden Folgeauftrages abzielt (vgl. Speckmann, Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. Rdnr. 496). Die Rechtsprechung hat in diesem Zusammenhang die kostenlose Fahrzeugüberprüfung (vgl. BGH GRUR 1971, 162 - "Diagnosezentrum"), die kostenlose Kundeneinzelbeförderung (BGH GRUR 1972, 603 -"Kundeneinzelbeförderung"), die kostenlose Oberprüfung eines Öltanks (OLG Köln WRP 1984, 432) und ein kostenloser Öltank Schmutztest (OLG München GRUR 1988, 770) beschäftigt. Jeweils ging es den Anbietern darum, letztlich mit entgeltlichen Reparatur- oder Lieferungsaufträgen bedacht zu werden. Die Rechtsprechung hat diese Angebote als Verstöße gegen § 1 UWG bewertet.

Es kann dahinstehen, ob dieser Rechtsprechung noch gefolgt werden kann. Festzuhalten ist, dass die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Wertreklame im Umbruch begriffen ist (vgl. Speckmann a. a. O. Rdnr. 493). Ob eine Wettbewerbsmaßnahme, die in der Gewährung von geldweiten Vorteilen besteht und nicht von den Verboten der Zugabeverordnung und des Rabattgesetzes erfasst wird, gegen die guten Sitten im Wettbewerb verstößt, ist nach ihrem Gesamtcharakter zu beurteilen, der sich aus der Zusammenfassung von Inhalt, Zweck und Beweggrund des Handelns, ggf. auch der mitverfolgten öffentlichen Interessen ergibt. Unentgeltliche Zuwendungen sind im geschäftlichen Verkehr nicht schlechthin wettbewerbswidrig. Es müssen vielmehr im Einzelfall konkrete Umstände hinzutreten, welche das Unwerturteil des § 1 UWG tragen. Solche die Wettbewerbswidrigkeit begründenden Umstände können darin gesehen werden, dass die Art und der Umfang der unentgeltlichen Leistung den Empfänger unsachlicherweise zum Abschluss entgeltlicher Verträge veranlassen oder sein Verhalten derart bestimmen, dass er davon absieht, Leistungsangebote anderer Mitbewerber auf Güte und Wirtschaftlichkeit zu überprüfen. Unsachlichkeit liegt fern, wenn der Interessent von dem Angebot nur nach reiflicher Überlegung Gebrauch macht. Dies gilt etwa, wenn der Hauseigentümer, der sich mit der Umrüstung der technischen Anlage seines Hauses befasst, sich im Zweifel nicht allein oder wesentlich von der in Aussicht gestellten Geldzuwendung leiten lässt, sondern die allgemein bekannten Vor- und Nachteile der Energieträger berücksichtigt (vgl. BGH WRP 1998, 857/859 -"1.000,00 DM Umweltbonus"). Werbegeschenke sind grundsätzlich zulässig. Auch das Geschenk eines Schmuck-Sets im Wert von 70,00 bis 100,00 DM, das erkennbar nicht an eine Bestellung gebunden war, ist jedenfalls dann nicht wettbewerbswidrig, wenn kein psychischer Zwang zu einer Bestellung ausgeübt wird. Der Verbraucher erwartet, dass eine Gratisangabe nicht unattraktiv ist. Dies ist wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden, solange nicht auf einen derartig hohen Wert hingewiesen wird, dass bei dem Beschenkten ein besonderes Gefühl der Dankbarkeit ausgelöst würde und er sich deshalb zu einer gleichzeitigen Bestellung veranlasst sähe (vgl. BGH WRP 1998, 727/72.9 -"Schmuck-Set"). Vorliegend geht es um eine Zuwendung, die den Einmalbetrag für die Registrierung von 6,00 DM und einen monatlichen Aufwand von 0,50 DM erfasst. Bei einem derart geringen Wert spricht Alles gegen ein übertriebenes Anlocken (vgl. auch OLG Hamburg WRP 1985, 92). Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Kunde nur, weil eine kostenlose Registrierung vorliegt, von der Prüfung absieht, was die Konnektierung bei den einzelnen Wettbewerbern kostet. Unter diesen Umständen kann eine unsachliche Beeinflussung durch das Angebot der unentgeltlichen Registrierung nicht angenommen werden. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass nunmehr nicht mehr von dem flüchtigen Verbraucher auszugehen ist, sondern ein Kunde in Betracht zu ziehen ist, der in durchschnittlicher Weise informiert ist und auch in durchschnittlicher Weise bereit ist, sachgerechte Informationen in seine Überlegungen einzubeziehen.

Die Antragstellerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die beanstandete Verhaltensweise zu einer allgemeinen Marktstörung führe. Sie trägt insoweit vor, dass die Gefahr bestehe, dass sie selbst wie auch alle anderen Wettbewerber der Antragsgegnerinnen künftig unentgeltliche Registrierungen anbieten müssten. Eine allgemeine Marktstörung liegt jedoch erst vor, wenn ein zwar nicht von vornherein unlauteres, aber doch wettbewerblich bedenkliches Wettbewerbsverhalten für sich allein oder in Verbindung mit den zu erwartenden gleichartigen Maßnahmen von Mitbewerbern die ernstliche Gefahr begründet, dass der Leistungswettbewerb hinsichtlich der fraglichen Warenart in nicht unerheblichem Maße eingeschränkt wird. Kennzeichnend für die allgemeine Marktbehinderung ist also die Gefährdung des Wettbewerbsbestands (vgl. Köhler/Piper, UWG § 1 Rdnr. 183). Zu einer Marktbehinderung in diesem Sinne, also zu einer Gefährdung des Wettbewerbsbestandes, trägt die Antragstellerin substantiiert nichts vor. Es kann nicht darauf ankommen, dass es ihr unangenehm ist, ggf. diese Leistung unentgeltlich erbringen zu müssen. Entscheidend ist, ob es überwiegend wahrscheinlich ist, dass Wettbewerber aus dem Konnektierungsgeschäft ausscheiden, wenn Registrierungen in Zukunft von allen Providern kostenlos vorgenommen werden. Dazu ist nichts ersichtlich. Die Antragstellerin verkennt, dass es nicht die Aufgabe des Wettbewerbsrechts ist, wettbewerbliche Strukturen zu erhalten und wirtschaftlichen Entwicklungen allein deshalb entgegenzusteuern, weil sie bestehende Konzeptionen in Frage stellen. Eine wirksame Werbemaßnahme ist nicht schon deshalb als ein Verstoß gegen die Lauterkeit im Wettbewerb zu missbilligen, weil sie Mitbewerbern unangenehm sein kann (vgl. BGH GRUR 1990, 44/45 - "Annoncen-Avis"). Der spezielle Service, den die Antragsgegnerinnen bieten wollen, läuft fraglos den Geschäftsinteressen ihrer Mitbewerber entgegen. Er ist jedoch schon wegen des eher geringen geldwerten Vorteils, den er bietet, nicht geeignet, den Wettbewerb zu stören. Er stellt - wie dargelegt - weder ein übertriebenes Anlocken dar noch greift er in die Wettbewerbsstruktur auf dem Providermarkt in wettbewerbswidriger Weise ein. Dass sich die Antragstellerin gestört fühlt, vermag die Wettbewerbswidrigkeit des Vorgehens der Antragsgegnerinnen nicht zu begründen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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