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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 05.04.2005
Aktenzeichen: 5 W 168/04
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 92 | |
ZPO § 891 S. 2 |
Kammergericht Beschluss
Geschäftsnummer: 5 W 168/04
In dem Zwangsvollstreckungsverfahren
hat der 5. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Haase, die Richterin am Kammergericht Dr. Kasprik-Teperoglou und den Richter am Kammergericht Dr. Pahl am 5. April 2005 beschlossen:
Tenor:
1. Die sofortigen Beschwerden der Schuldnerin und der Gläubigerin gegen den Beschluss der Kammer für Handelssachen 97 des Landgerichts Berlin vom 25. August 2004 - 97 O 87/04 - werden zurückgewiesen.
2. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Schuldnerin 10/13 und die Gläubigerin 3/13 zu tragen.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt bis 13.000,00 EUR, wobei auf die Beschwerde der Schuldnerin 10.000,00 EUR und die der Gläubigerin 3.000,00 EUR entfallen.
4. Der Wert des erstinstanzlichen Verfahrens wird - in Änderung der Nr. 3 des angefochtenen Beschlusses - auf 30.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
A.
Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist zulässig (§§ 793, 567 ff. ZPO), aber nicht begründet, § 890 Abs. 1 ZPO. Das Landgericht hat gegen die Schuldnerin mit Recht wegen eines Verstoßes gegen die einstweilige Verfügung vom 29. Juni 2004 ein Ordnungsgeld in Höhe von 10.000,00 EUR festgesetzt
I.
Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht die Verletzungshandlung festgestellt. Den Verkauf eines von der oben genannten Unterlassungsverfügung erfassten Warndreiecks am 15. Juli 2004 durch die Filiale Lnnn der Firma Wn -Mnn Gnnn GmbH & Co. KG (nachfolgend Verkäuferin) hat die Schuldnerin nicht erheblich in Abrede gestellt. Angesichts der von der Gläubigerin vorgelegten Rechnung und Kassenquittung genügt ihr einfaches Bestreiten nicht. Denn sie hätte ohne weiteres die näheren Einzelheiten des Verkaufs über die Verkäuferin (die mir ihr geschäftlich verbunden ist) klären können.
II.
Die Schuldnerin trifft ein erhebliches Verschulden.
1.
Ein Schuldner hat auch auf Dritte (Geschäftspartner, Abnehmer) einzuwirken, wenn diese die wettbewerbsrechtlichen Handlungen des Schuldners fortsetzen wollen und deren Handeln im rechtlichen und tatsächlichen Einflussbereich des Schuldners liegt und ihm zugute kommt (vgl. Senat, WRP 1998, 627, 628; Fezer/Büscher, UWG, § 12 Rdn. 305 m.w.N.; Baumbach/Hefermehl/ Köhler, UWG, 23. Aufl., § 12 Rdn. 6.7). Dabei muss die Unterrichtung Dritter grundsätzlich schriftlich erfolgen. Das nunmehr gebotene Verhalten muss eindringlich dargestellt und in Betracht kommende angemessene Sanktionen (für den Fall eines Verstoßes) müssen angedroht werden (KG, a.a.O.; Baumbach/Hefermehl/Köhler, a.a.O., m.w.N.; Fezer/Büscher, a.a.O., m.w.N.).
2.
Vorliegend hat sich die Schuldnerin in ihrem Schreiben vom 8. Juli 2004 an die Verkäuferin mit einer bloßen Bitte um Herausnahme aus dem Verkauf und Rückversand begnügt. Diese Bitte ist zudem nur in einer von mehreren Anlagen des Schreibens - also eher beiläufig - erwähnt worden. Das Schreiben selbst rechtfertigt - eher verharmlosend - weitgehend das beanstandete Verhalten. Naheliegende Sanktionen (Regress, Abbruch der Geschäftsbeziehung) werden nicht angedroht.
III.
Das Ordnungsgeld ist mit 10.000,00 EUR nicht überhöht festgesetzt worden.
1.
Die Bemessung des Ordnungsgeldes hat sich am Zweck des Ordnungsmittels (strafähnliche Sanktion des Verstoßes und Vorbeugung weiterer Verstöße) zu orientieren (BGH, GRUR 2004, 235, 238 - EURO - Einführungsrabatt). Maßgeblich sind insbesondere Art, Umfang, Dauer des Verstoßes, der Verschuldensgrad, der Vorteil für den Verletzer und die Gefährdung des Verletzten (BGH, a.a.O.).
2.
Vorliegend geht es zwar um den Verkauf nur eines einzelnen, eher geringwertigen Artikels. Bei beiden Parteien handelt es sich aber um maßgebliche Konkurrenten auf dem Markt für Warndreiecke. Die Beanstandungen der Ware der Schuldnerin legen nahe, dass die Schuldnerin eine sehr kostengünstige Herstellung gewählt hat, mithin zukünftig bei einem weiteren Vertrieb größere Gewinne erwartet werden können. Die Gläubigerin ist auch zukünftig auf bloße stichprobenartige Testkäufe beschränkt, so dass bei der Schuldnerin eine nicht geringe Erwartung verbleiben kann, unter Umständen weitgehend unerkannt die untersagten Verkäufe fortzusetzen. Die Reaktion der Schuldnerin war zwar noch zeitnah, aber die bloße beiläufige Bitte um Rücksendung verfehlte die Anforderungen - wie erörtert - bei weitem. Dies rechtfertigt es hier, schon den Verstoß aus dem Verkauf eines einzelnen Artikels mit einem Ordnungsgeld in Höhe von 10.000,00 EUR zu belegen.
B.
Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen die Kostenentscheidung des landgerichtlichen Beschlusses ist - trotz § 99 Abs. 1 ZPO - als - umdeutbare (vgl. BGH, NJW 2000, 3215; NJW 1995, 2362; Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 25. Aufl., § 524 Rdn. 4) - Anschlussbeschwerde nach § 567 Abs. 3 ZPO zulässig (vgl. BGH, MDR 1981, 928; OLG Hamm, MDR 1969, 400; OLG Karlsruhe, OLGZ 1986, 134; Zöller/Gummer/Heßler, a.a.O, § 524 Rdn. 35 und Zöller/Gummer, a.a.O., § 567 Rdn. 61). Sie ist aber nicht begründet, § 92 ZPO. Zu Recht hat das Landgericht der Gläubigerin 2/3 der erstinstanzlichen Kosten auferlegt.
I.
Die Gläubigerin hatte beantragt, ein "empfindliches Ordnungsgeld" zu verhängen. Die Höhe ist in der Antragsbegründung zwar in das Ermessen des Gerichts gestellt, aber zugleich mit mindestens 30.000,00 EUR beziffert worden.
II.
Für die Kostenentscheidung einer Ordnungsgeldfestsetzung gilt § 92 ZPO entsprechend, § 891 Satz 2 ZPO.
1.
Der Gläubiger kann in seinem Ordnungsmittelantrag nach § 98 ZPO die Höhe des Ordnungsgeldes allein in das Ermessen des Gerichts stellen. Anders etwa als bei einem unbezifferten Schmerzensgeldantrag (vgl. BGH, VersR 1984, 538, 540) muss er zur Wahrung der Bestimmtheit des Antrages noch nicht einmal eine Größenordnung oder einen Mindestbetrag nennen.
Das Ermessen des Gerichts orientiert sich dann an den vom Gläubiger vorgetragenen Umständen des Falles. Bestätigen sich diese im wesentlichen (vgl. hierzu BGH, JurBüro 1965, 371, 372), ist der Gläubiger - unabhängig von der tatsächlich festgesetzten Höhe des Ordnungsgeldes - entsprechend § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO grundsätzlich nicht an den Kosten dieses Zwangsvollstreckungsverfahrens zu beteiligen (OLG Hamm, WRP 1980, 91; OLG Koblenz, WRP 1986, 50, 51).
2.
Vorliegend hat sich die Gläubigerin aber nicht mit einem vollständig in das Ermessen gestellten Ordnungsgeldantrag begnügt.
a.
Wenn das Verfahren ergibt, dass der Kläger tatsächlich einen bestimmten Betrag verlangt und wenn das Gericht ihm diesen Betrag nicht zusprechen kann, dann muss auch eine wirkliche Kostenteilung nach § 92 Abs. 1 ZPO erfolgen (Baumbach/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 92 Rdn. 53).
Vorliegend hat die Gläubigerin in den Antrag selbst schon eine - wenn auch noch unbezifferte - Mindestgröße ("empfindliches ...." und nicht nur "angemessenes ....") aufgenommen. Dies ist in der Begründung durch die Mindestsumme von 30.000,00 EUR zusätzlich noch konkretisiert worden. Aus den gesamten Umständen folgt dann, dass schon der Antrag so zu verstehen war, dass das Ordnungsgeld mindestens 30.000,00 EUR betragen solle. Die Gläubigerin ist mithin vorliegend teilweise unterlegen und die Kosten sind anteilig nach § 92 Abs. 1 ZPO zu verteilen (vgl. Senat, 5 W 148/02, Beschluss vom 4. April 2003).
Die Gläubigerin wollte erkennbar das Ermessen des Gerichts beschränken und auf die vorgestellte Größenordnung hinlenken. Die Gläubigerin eröffnete sich dadurch die Möglichkeit, bei einer Unterschreitung des von ihr genannten Mindestbetrages aus eigener Beschwer die gerichtliche Entscheidung selbständig anfechten zu können (vgl. BGH, VersR 1979, 472; NJW-RR 2004, 863 zum Schmerzensgeld). Auch dies kann nicht ohne eigenes Kostenrisiko bleiben.
b.
Ein Verfahrensantrag, der die Entscheidung in das Ermessen des Gerichts stellt, muss sich in seinen Angaben zur vorgestellten Größenordnung in vertretbaren Grenzen halten (OLG München, NJW 1986, 3090; OLG Düsseldorf, DNotZ 1978, 684; Baumbach/Hartmann, a.a.O., § 92 Rdn. 53 zum Schmerzensgeldantrag). Übersteigen die geäußerten Vorstellungen zur Größenordnung diese Grenzen erheblich, ist eine kostenrechtliche Privilegierung nach der Kann-Vorschrift des § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht mehr geboten (vgl. BGH, JurBüro 1965, 371, 372 zum Schmerzensgeld). Eine erhebliche Überschreitung kommt bei einer Größenordnung von 20 % in Betracht (vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 1995, 955; OLG Koblenz, AnwBl 1990, 398).
Vorliegend beträgt die Überschreitung sogar 200 %.
c.
Die Entscheidung des OLG Hamm (OLG R 1994, 23) steht dem nicht erheblich entgegen.
Zum Einen hatte sich dort der Gläubiger begnügt, ein "angemessenes" Ordnungsgeld (unter Angabe einer Mindestgröße) zu beantragen. Die vorliegende Formulierung "empfindliches" Ordnungsgeld schon im Antrag geht darüber hinaus. Deshalb kann hier offen bleiben, ob nicht schon die Angabe einer bezifferten Mindestgröße des Ordnungsgeldes eine Kostenbeteiligung rechtfertigen kann (bei einer wesentlichen Überhöhung).
Jedenfalls war die oben genannte Entscheidung des OLG Hamm noch auf § 788 ZPO als Kostengrundlage gestützt. Dies entspricht nicht mehr - wie angeführt - § 891 Satz 2 ZPO.
d.
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass das Ordnungsgeld nicht dem Gläubiger, sondern der Staatskasse zufließt (vgl. zu diesem Gesichtspunkt etwa OLG Hamm, a.a.O., Seite 24). Denn wenn deshalb das Interesse des Gläubigers hinsichtlich der Höhe des Ordnungsgeldes ein geringeres sein sollte, kann er dies - wie erörtert durch einen ungebundenen Ermessensantrag - in seiner Antragsfassung und -begründung zum Ausdruck bringen.
e.
Ebenso wenig erheblich ist, ob der Gläubiger durch seine Antragsfassung besondere (höhere) Kosten ausgelöst hat. Denn allein ein Fehlen derartiger Kosten priviligiert kostenrechtlich nicht. Gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist neben einer fehlenden (wesentlichen) Kostenerhöhung auch erforderlich, dass nur eine verhältnismäßig geringfügige Zuvielforderung gegeben ist (Baumbach/ Hartmann, a.a.O, § 92 Rdn. 50; Zöller/Herget, a.a.O., § 92 Rdn. 10). Schon allein eine wesentliche Zuvielforderung führt daher grundsätzlich zu einer Kostenteilung nach § 92 Abs. 1 ZPO. Vorliegend hat die Gläubigerin zudem mit ihrer erstinstanzlichen Antragsfassung und -begründung besondere Kosten veranlasst (vgl. C.).
C.
Die Nebentscheidung zu den Kosten des Berufungsverfahrens und zur Wertfestsetzung ergehen gemäß §§ 97 Abs. 1, 3 ZPO.
Die landgerichtliche Wertfestsetzung für das erstinstanzliche Verfahren (1/6 des Hauptsacheverfahrens) ist zwar grundsätzlich zutreffend. Ausnahmsweise muss aber - entsprechend den vorstehend unter B II genannten Gründen - die Höhe der beantragten Mindestgröße des Ordnungsgeldes maßgeblich sein, wenn diese den Regelwert übersteigt.
Ende der Entscheidung
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