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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 10.10.2002
Aktenzeichen: 5 W 287/02
Rechtsgebiete: UWG, RBerG


Vorschriften:

UWG § 1
RBerG Art. 1 § 1
RBerG Art. 1 § 5 Nr. 3
Das Leistungsangebot einer Hausverwaltung zum (unter anderem) "Mahn- und Klagewesen" an Hauseigentümer kann eine ihr grundsätzlich nach Art. 1 § 5 Nr. 3 RBerG erlaubte Tätigkeit betreffen.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 5 W 287/02

In dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung

hat der 5. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Haase und die Richter am Kammergericht Grass und Dr. Pahl am 10. Oktober 2002 beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der Zivilkammer 16 des Landgerichts Berlin vom 16. September 2002 -16 O 554/02 - wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Wert von 15.000,00 EUR zu tragen.

Gründe:

A

Der Antragsteller - ein Rechtsanwalt - begehrt, der Antragsgegnerin - eine Hausverwalterin - zu untersagen, in der werbenden Beschreibung ihres Leistungsangebots u.a. anzugeben: "... Mahn- und Klagewesen". Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung einen Verstoß gegen § 1 UWG i.V.m. Art. 1 § 1 RBerG im Hinblick auf die Freistellung nach Art. 1 § 5 Nr. 3 RBerG verneint.

B

Die gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und rechtzeitig eingelegte sofortige Beschwerde (§ 569 Abs. 1 ZPO) ist nicht begründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht einen Verfügungsanspruch verneint.

I. Die beanstandete Werbung verstößt nicht gegen § 1 UWG (unter dem Gesichtspunkt eines Vorsprungs durch Rechtsbruch) i.V.m. Art. 1 § 1 RBerG.

1. Zwar bietet die Antragsgegnerin insoweit geschäftsmäßig die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten i.S.d. Art. 1 § 1 RBerG (vgl. hierzu BGH, NJW 1988, 561; NJW 1993, 1924) an.

2. Ihr sind diese Tätigkeiten aber nach Art. 1 § 5 Nr. 3 RBerG erlaubt.

a) Die Antragsgegnerin ist ein "Hausverwalter" im Sinne dieser Vorschrift, d.h. eine Person die selbständig die gesamten das Haus betreffenden Angelegenheiten im Interesse des Eigentümers an dessen Stelle erledigt (Altenhoff/Busch/Chemnitz, RBerG, 10. Aufl., Art. 1 § 5 Rdnr. 611; Rennen/Caliebe, RBerG, 3. Aufl., Art. 1 § 5 Rdnr. 84 f., 89). Dies legt ihr Internet-Auftritt nahe und davon geht auch der Antragsteller aus. Ein auf die beanstandeten Werbeaussagen beschränktes Leistungsangebot der Antragsgegnerin ist nicht ersichtlich und wird vom Antragsteller auch nicht vorgetragen.

b) Die außergerichtliche und gerichtliche Durchsetzung von mietrechtlichen Forderungen betrifft "rechtliche Angelegenheiten" i.S.d. Art. 1 § 5 Nr. 3 RBerG, denn dieser Begriff ist weit zu verstehen (Altenhoff/Busch/Chemnitz, a.a.O., Art. 1 § 5 Rdnr. 536). Das Leistungsmerkmal "Mahn- und Klagewesen" einer Hausverwaltung im Zusammenhang mit "Mietenbuchhaltung" und "Mieterhöhungen" ist aus der Sicht der angesprochenen Hauseigentümer dahin zu verstehen, dass allein Forderungen aus Mietverhältnissen davon umfasst sein sollen. Davon geht ebenso der Antragsteller aus.

c) Die vorgenannten Rechtsangelegenheiten stehen hier auch mit der Hausverwaltung in einem "unmittelbaren Zusammenhang" i.S.d. Art. 1 § 5 Nr. 3 RBerG. Diese Voraussetzung ist im Hinblick auf den Schutzzweck des Rechtsberatungsgesetzes (Schutz der Rechtsuchenden vor fachlich ungeeigneten und nicht hinreichend zuverlässigen Rechtsberatern und Schutz der Behörden vor bei ihnen auftretenden derartigen Rechtsberatern, vgl. BGH, NJW 1988, 561, 562) eng auszulegen (BGH, a.a.O., S. 563).

aa) Notwendig ist zum einen, dass die rechtsbesorgende Tätigkeit nicht im Vordergrund steht, sie also nur eine Hilfs- oder Nebentätigkeit zur - nach dem Rechtsberatungsgesetz erlaubnisfreien - Verwaltungsdienstleistung ist (BGH, a.a.O., S. 563; Rennen/Caliebe, a.a.O., Art. 1 § 5 Rdnr. 5).

Davon ist vorliegend auszugehen. Im Wesentlichen befasst sich eine Hausverwaltung mit der buchhalterischen und technischen Betreuung der Objekte. Insbesondere die hier vom Antragsteller hinsichtlich mietrechtlicher Forderungen allein beanstandete gerichtliche Durchsetzung betrifft im Allgemeinen nur eher seltene Ausnahmefälle einer seriösen Hausverwaltung (dies lässt OLG Koblenz, NJW-RR 2000, 534, 535 außer Betracht).

bb) Darüber hinaus muss die rechtsberatende Tätigkeit in einem inneren sachlichen Zusammenhang zur Hausverwaltungstätigkeit im Übrigen stehen, also dieser dienen (Altenhoff/Busch/Chemnitz, a.a.O., Art. 1 § 5 Rdnr. 518).

Auch dies ist hier gegeben. An eine außergerichtliche Geltendmachung von mietrechtlichen Forderungen schließt die prozessuale Durchsetzung sachdienlich und zwanglos an.

cc) Es muss schließlich auch ein "unmittelbarer" Zusammenhang bestehen. Dazu ist allerdings nicht erforderlich, dass die Verwaltungstätigkeit ohne Rechtsberatung schlechthin unmöglich wäre. Es genügt, wenn der Hausverwalter ohne die rechtliche Bearbeitung seine eigentliche Verwaltungstätigkeit nicht sachgerecht erledigen könnt (BGH, NJW 1988, 561, 563). Maßgeblich ist dabei eine objektive Betrachtung, also das berechtigte, wohlverstandene Interesse der Beteiligten in Abwägung zu den Schutzzielen des Rechtsberatungsgesetzes (BGH, a.a.O., S. 562).

Einen sachgerechten Zusammenhang zwischen der Verwaltungstätigkeit und der außergerichtlichen Geltendmachung von mietrechtlichen Forderungen stellt auch der Antragsteller hier nicht in Abrede (vgl. OLG Frankfurt/Main, NJW-RR 1993, 335; Rennen/Caliebe, a.a.O., Art. 1 § 5 Rdnr. 91).

Dann steht auch die gerichtliche Durchsetzung dieser Forderungen in einem sachgerechten Zusammenhang zur Verwaltertätigkeit. Denn es ist - im Verhältnis zum Hauseigentümer - auch insoweit gerade der Hausverwalter, dem die wirtschaftliche Bemessung der Miethöhe obliegt, der die Mietforderung buchhalterisch verwaltet und außergerichtlich betreut sowie die Mietrechtsverhältnisse und die jeweiligen Mieter kennt und regelmäßig Erfahrungen in Auseinandersetzungen mit Mietern und deren gerichtlicher Beurteilung hat. Es würde dem berechtigten Interesse des vermietenden Eigentümers am Sachverstand und der Mühewaltung des von ihm beauftragten Hausverwalters grundlegend widersprechen, wenn der Hausverwalter nach vergeblichem Bemühen um eine außergerichtliche Durchsetzung von Forderungen deren weiteres Schicksal im Rahmen der nachfolgenden gerichtlichen Durchsetzung in jedem Einzelfall zwingend dem Hauseigentümer überantworten müsste. Häufig sind die Mieter nur schlicht zahlungsunwillig oder zahlungsunfähig, so dass auch die gerichtliche Verfolgung gegen sie gerichteter Ansprüche keine besonderen rechtlichen Probleme aufwirft (vgl. hierzu auch die Fallgestaltung in OLG Koblenz, NJW-RR 2000, 534: Öffentliche Klagezustellung mit Versäumnisurteil im Räumungsprozess). Insoweit bedürfen weder der vertretene Eigentümer noch die Gerichte eines besonderen Schutzes durch Einschaltung von Rechtsanwälten. Deren Einschaltung würde dann sogar unangemessene Kosten verursachen (vgl. BayObLG, NJW-RR 1992, 81, 82 zu einem WEG-Verwalter). Die Grenzen zieht insoweit nicht das Rechtsberatungsgesetz, sondern sie werden insbesondere gewährleistet von prozessualen Vorschriften (§§ 78, 157 ZPO) und der Verpflichtung des Hausverwalters aus dem Verwaltungsauftrag, sich im gebotenen Umfang (etwa bei rechtlich komplexeren Fällen) anwaltlicher Hilfe zu bedienen.

Gerade die prozessualen Vorschriften begrenzen den Handlungsspielraum der Hausverwalter in gerichtlichen Verfahren ganz erheblich. Das Anwaltsgebot des § 78 ZPO erfasst von vornherein schon alle wirtschaftlich bedeutsamen Gewerbemietprozesse und generell alle Berufungsverfahren. In Wohnraummietprozessen gebietet § 157 ZPO spätestens für die mündliche Verhandlung eine anwaltliche Vertretung. Es verbleiben daher für eine abschließend eigenständige gerichtliche Durchsetzung durch Hausverwalter im Wesentlichen nur das gerichtliche Mahnverfahren und Versäumnis- und Anerkenntnisentscheidungen im schriftlichen Vorverfahren. Enden die Verfahren in diesen Stadien, so spricht dies deutlich für eher rechtlich unproblematische Fälle. Die kostengünstigere Behandlung durch Hausverwalter läge insoweit auch im Interesse der - häufig finanzschwachen - Verfahrensgegner. Dem Schutz der Gerichte - insbesondere vor wirren und unverständlichen Klagen - kann hinreichend § 157 ZPO bewirken.

Wenn - unter Hinweis auf den Schutzzweck des Rechtsberatungsgesetzes - für die gerichtliche Durchsetzung von Mietforderungen generell die Einschaltung eines Rechtsanwalts gefordert wird (OLG Koblenz, NJW-RR 2000, 534, 535; OLG Karlsruhe, AnwBl. 1990, 105; auch KG, 24. ZS, NJW 1991, 1304, 1305 für einen WEG-Verwalter - insoweit überholt durch BGH, NJW 1993, 1924, 1925; vgl. dazu auch nunmehr KG, 24. ZS, NJW-RR 1996, 526, 527 -; weitergehend OLG Köln, VersR 1990, 431 für Mahn- und Vollstreckungsverfahren von Hausverwaltungen; Rennen/Caliebe, a.a.O., Art. 1 § 5 Rdnr. 92: auch Prozessführung; Altenhoff/Busch/Chemnitz, a.a.O., Art. 1 § 5 Rdnr. 26: auch Rechtsvertretung; unklar OLG Frankfurt/Main, NJW-RR 1993, 335: Durchsetzung von Mieterhöhungsverlangen, aber unklar, ob auch gerichtlich), so wird übersehen, dass der Hausverwalter auch dies - und die weitere Begleitung der Prozesse - "als Vertreter" des Eigentümers gar nicht durchführen dürfte, wenn die Verfahrensführung eine unerlaubte Rechtsberatung des Hausverwalters wäre. Denn wer fremde Rechtsangelegenheiten besorgt, muss dazu in eigener Person befugt sein. Eine unerlaubte Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten wird nicht dadurch zu einer erlaubten, dass der Verwalter sich dabei der Hilfe eines Rechtsanwalts bedient (BGH, NJW 1993, 1924, 1925). Bei der gerichtlichen Rechtsverfolgung müsste der Hausverwalter daher seine selbständige, eigenverantwortliche Stellung in jedem Einzelfall aufgeben und diese seinem auftraggebenden Hauseigentümer übertragen. Wenn es nicht ersichtlich ist, dass für einen WEG-Verwalter in jedem Fall ein zwingendes Bedürfnis zur Verfahrensdurchführung nur unter Einschaltung eines Rechtsanwaltes besteht, weil er seine Verwaltertätigkeit im Rahmen des ermächtigenden Eigentümerbeschlusses anders nicht sachgerecht erledigen könnte (BGH, NJW 1993, 1924, 1925), dann gilt dies ebenso für einen Verwalter von Miethäusern. Generelle Kompetenzunterschiede sind insoweit nicht ersichtlich und auch vom Antragsteller nicht dargetan.

Nicht selten beauftragen gerade Eigentümergemeinschaften, die oft verstreut und entfernt vom Mietobjekt wohnen, Hausverwaltungen gerade wegen der von diesen durchgeführten selbständigen Verwaltung. Wie bei einer Wohnungseigentümergemeinschaft besteht dann ein besonderes Interesse an einer problemlosen und schnellen Vertretung in Rechtsstreitigkeiten. Gerade im Mietrecht ist häufig eine kurzfristige Entscheidung über eine Klageerhebung geboten (vgl. etwa § 548 BGB; Räumung eines zahlungsunfähigen Mieters usw.).

dd) Es kommt nach dem vorstehend Erörterten für die Frage eines Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz auch - entgegen der Ansicht des Landgerichts - nicht darauf an, welche rechtliche Komplexität die jeweiligen miet- und schadensersatzrechtlichen Forderungen aufweisen können. Insoweit ist für das Rechtsberatungsgesetz ein generalisierender Maßstab anzulegen. Ein Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz kann nicht davon abhängen, welcher rechtliche Schwierigkeitsgrad im konkreten Einzelfall erreicht ist, zumal sich häufig erst im Verlauf des Rechtsstreits besondere Rechtsprobleme ergeben werden. Eine solche Abgrenzung ist dem Rechtsberatungsgesetz fremd und sie wäre auch nicht vereinbar mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der Rechtssicherheit.

Dies lässt die Auftraggeber der Hausverwalter nicht schutzlos. Sie haben es eigenverantwortlich in der Hand, im Hausverwaltervertrag die Vertretungsbefugnis im Einzelnen zu regeln. Dies eröffnet eine sachgerechte, dem jeweiligen Einzelfall der Auftragsvergabe angepasste Vereinbarung. Bei Hauseigentümern kann auch in der Regel eine hinreichende Geschäftserfahrung und -gewandtheit für eine interessengerechte Regelung dieses Bereiches angenommen werden; jedenfalls kann ihnen ggf. eine anwaltliche Beratung zugemutet werden. Eine intellektuelle oder wirtschaftliche Überlegenheit der Hausverwalter ist typischerweise insoweit nicht erkennbar.

ee) Die vorstehende Auslegung ist - in Abwägung mit den Schutzzielen des RBerG - auch nach dem grundgesetzlichen Schutz der Berufsfreiheit der Hausverwalter aus Art. 12 GG geboten.

II. Auch ein Verstoß gegen das Irreführungsgebot des § 3 UWG ist nicht glaubhaft gemacht. Selbst die vorprozessuale Antwort der Antragsgegnerin auf die Abmahnung lässt Konkretes hierzu nicht erkennen.

Zwar mag der verständige "Durchschnittshauseigentümer" nach dem hier in Rede stehenden "Leistungsprofil" annehmen, die Antragsgegnerin werde zur gerichtlichen Durchsetzung von Forderungen - im Rahmen des prozessual Zulässigen - im größeren Umfang eigene Anstrengungen unternehmen.

Das könnte irreführend sein, wenn die Antragsgegnerin letztlich insoweit doch jeweils sogleich Rechtsanwälte einschalten wollte. Diesbezüglich hat der Antragsteller aber nichts glaubhaft gemacht.

C

Die Nebenentscheidungen zu den Kosten und zur Wertfestsetzung beruhen auf §§ 97, 3 ZPO.

D

Die Rechtsbeschwerde gemäß § 574 ZPO n.F. ist vorliegend nicht eröffnet, auch wenn sie nach dem Wortlaut der §§ 574 ff. ZPO n.F. in Betracht kommen könnte (dahingehend Baumbach/ Hartmann, ZPO, 60. Aufl., § 122 Rdnr. 28). Denn wenn der Gesetzgeber in § 542 Abs. 2 ZPO n.F. nach wie vor eine Revision gegen Urteile im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ausschließt, weil dies mit der Eilbedürftigkeit des vorläufigen Rechtsschutzes nicht vereinbar ist und der vollständige Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren bleibt, dann hat dies entsprechend auch für beschlussförmige Berufungsentscheidungen in Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu gelten.

Ende der Entscheidung

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