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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 04.03.2005
Aktenzeichen: 5 W 31/05
Rechtsgebiete: ZPO, UWG, StGB, JMStVG


Vorschriften:

ZPO §§ 567 ff.
UWG § 2 Abs. 1 Nr. 2
UWG § 2 Abs. 2
UWG § 3
UWG § 4 Nr. 11
UWG § 8 Abs. 1
UWG § 8 Abs. 2 Nr. 2
StGB § 11 Abs. 3
StGB § 184
StGB § 184 Abs. 1 Nr. 1
StGB § 184 Abs. 1 Nr. 2
JMStVG § 4 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 5 W 31/05

In dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung

hat der 5. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Haase, die Richterin am Kammergericht Dr. Kasprik-Teperoglou und den Richter am Kammergericht Dr. Pahl am 4. März 2005 beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der Zivilkammer 16 des Landgerichts Berlin vom 10. Februar 2005 - 16 O 80/05 - geändert:

Den Antragsgegnern wird im Wege einstweiliger Verfügung unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese im Falle der Antragsgegnerin zu 1) zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, untersagt, im geschäftlichen Verkehr den Abruf pornographischer Darstellungen unter Nutzung des Altersverifikationssystems "ueber18.de" anzubieten und/oder zuzulassen.

2. Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge haben die Antragsgegner zu je 1/2 zu tragen.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 20.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 567 ff. ZPO zulässig und auch begründet.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts steht dem Antragsteller der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu. Er folgt aus § 8 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 UWG i.V.m. § 3 und § 4 Nr. 11 UWG.

Das Landgericht hat es offen gelassen, ob das beanstandete Verhalten gegen § 184 StGB und/oder § 4 Abs. 2 Jugendmedienschutzvertrag (JMStVG) verstößt. Beide Fragen sind indessen zu bejahen.

Nach § 184 Abs. 1 Nr. 1 StGB macht sich strafbar, wer einer Person unter achtzehn Jahren pornographische Schriften anbietet, überlässt oder zugänglich macht. Auch wenn diese Vorschrift nur anwendbar sein sollte, wenn pornographische Schriften einer bestimmten Person unter achtzehn Jahren angeboten, überlassen oder zugänglich gemacht werden (vgl. OLG Düsseldorf MMR 2004, 409 m.w.N.), so ist jedenfalls § 184 Abs. 1 Nr. 2 StGB einschlägig. Nach dieser Vorschrift macht sich u.a. strafbar, wer pornographische Schriften an einem Ort zugänglich macht, der Personen unter achtzehn Jahren zugänglich ist. Gemäß § 11 Abs. 3 StGB stehen den Schriften Ton- und Bildträger insoweit gleich. Ein Computer mit Internet-Anschluss im häuslichen Bereich von Kindern und Jugendlichen ist im Übrigen ein solcher Ort im Sinne des § 184 Abs. 1 Nr. 2 StGB (OLG Düsseldorf a.a.O.). Ein Zugänglichmachen liegt nur dann nicht vor, wenn Vorkehrungen getroffen sind, die den Zugang Minderjähriger zu den pornographischen Inhalten regelmäßig verhindern. Dazu ist erforderlich, dass zwischen der pornographischen Darstellung und dem Minderjährigen eine "effektive Barriere" besteht, die er überwinden muss, um die Darstellung wahrnehmen zu können (BVerwG NJW 2002, 2966; BGH NJW 2003, 2838; KG [5. StrafS.] MMR 2004, 478). Das folgt aus dem anerkannten Schutzzweck der Norm (KG a.a.O.).

Das von den Antragsgegnern praktizierte Alterskontrollsystem "ueber18.de" stellt sich nicht als eine solche effektive Barriere (vgl. zu denkbaren technischen Maßnahmen u.a. OLG Düsseldorf NJW 1984, 1977) dar. Ins Gewicht fällt insoweit, dass Jugendliche in aller Regel über die Möglichkeit verfügen, sich Personalausweise von Erwachsenen, insbesondere ihrer Eltern, zur Einsichtnahme zu verschaffen und sich alsdann mit einer dort entnommenen Personalausweiskennziffer Zugang zu den pornographischen Seiten des Internetangebotes der Antragsgegner zu verschaffen. Die Annahme, die Erwachsenen im Umfeld der Jugendlichen würden ihre Personalausweise so sicher verwahren, dass die mit ihnen lebenden Kinder keinen Zugang zu diesen Papieren hätten, ist für den Regelfall lebensfern.

Es handelt sich aber auch um einen Verstoß gegen § 4 Abs. 2 Nr. JMStVG. Danach sind Rundfunksendungen oder Inhalte von Telemedien (Angebote) mit pornographischen Inhalten unzulässig, es sei denn, von Seiten des Anbieters ist sicher gestellt, dass sie nur Erwachsenen zugänglich gemacht werden (§ 4 Abs. 2 Satz 1 JMStVG). Die Sicherstellung im Sinne der letztgenannten Vorschrift erfordert wiederum das Vorhandensein einer effektiven Barriere zwischen der pornographischen Darstellung und dem Minderjährigen (OLG Düsseldorf a.a.O.). Gerade daran fehlt es aber hier aus den vorgenannten Gründen.

Die wettbewerbsrechtliche Relevanz der dargestellten Gesetzesverstöße (auch bei den Vorschriften des JMStVG handelt es sich um solche mit Normqualität i. S. d. § 4 Nr. 11 UWG, vgl. Baumbach/Hefermehl/Köh-ler, UWG, 23. Aufl., § 4 Rdn. 11.180, aber auch den Regelungsgehalt, etwa des § 23 JMStVG) lässt sich - entgegen der Auffassung des Landgerichts - auch nicht mit der Erwägung in Abrede stellen, den Vorschriften fehle es jedenfalls an der von § 4 Nr. 11 UWG vorausgesetzten Marktrelevanz. Es ist vielmehr allgemein anerkannt, und zwar auch für den Rechtszustand nach Inkrafttreten der UWG-Novelle, dass es sich sowohl bei der Regelung des § 184 Abs. 1 Nr. 2 StGB als auch bei der des § 4 Abs. 2 JMStVG um - jedenfalls auch - wettbewerbsregelnde Vorschriften im Sinne jener Norm handelt. Vorschriften zum Schutz der Jugend stellen nämlich Marktverhaltensregelungen zum Schutze der Verbraucher dar, weil sie das Marktverhalten im Interesse der Minderjährigen, die als - potentielle - Verbraucher Marktteilnehmer im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 UWG sind, regeln (OLG Celle GRUR 2004, 963/965; Baumbach/Hefermehl/Köhler, a.a.O.).

Schließlich hat das Landgericht auch zu Unrecht die Auffassung vertreten, es fehle jedenfalls an einem Wettbewerbsverstoß, der im Sinne von § 3 UWG geeignet sei, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder der sonstigen Marktteilnehmer nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen. Voraussetzung für einen erheblichen Verstoß im Sinne der Vorschrift ist grundsätzlich nur, dass die Wettbewerbsmaßnahme von einem gewissen Gewicht für das Wettbewerbsgeschehen und die Interessen der geschützten Personenkreise ist (Amtliche Begründung, BT-Drucksache 15/1487, S. 17). Es soll die Verfolgung von Bagatellverstößen ausgeschlossen werden, weshalb die Verfolgungsschwelle nicht besonders hoch anzusetzen ist (Amtliche Begründung, a.a.O). Soweit die Antragsgegner mit anderen in Deutschland ansässigen Anbietern von Pornographie im Wettbewerb stehen, ist eine erhebliche Wettbewerbsbeeinträchtigung ohne weiteres zu bejahen. Durch die Verwendung ihres Altersverifikationssystems beeinträchtigen die Antragsgegner die Marktchancen von Mitbewerbern, die aufwändigere Systeme, etwa das Post-Ident-Verfahren, einsetzen, deutlich. Die Erwägung des Landgerichts, das Verhalten der Antragsgegner berühre deshalb den Wettbewerb auf dem relevanten Markt nur unerheblich, weil zu berücksichtigen sei, dass es über das Internet unschwer möglich sei, auf massenhafte konkurrierende pornographische Angebote ausländischer Anbieter zurück zu greifen, geht fehl. Die Argumentation verkennt, dass die Feststellung, ob eine Wettbewerbshandlung in ihren Auswirkungen nicht nur unerheblich ist, sich nicht quantitativ treffen lässt, sondern eine Wertung anhand der Schutzzwecke des UWG erfordert (BGH GRUR 2001, 258, 259 - Immobilienpreisangaben; GRUR 2002 360, 366 - H.I.V. Positive 2; Baumbach/Hefermehl/Köhler a.a.O., § 3 Rdn. 54). Zu berücksichtigen ist daher neben den jeweiligen Marktverhältnissen auch die Art des Wettbewerbsverstoßes. Stehen Rechtsgüter von hohem Rang auf dem Spiel, so ist regelmäßig von der Erheblichkeit der Wettbewerbsbeeinträchtigung auszugehen (Köhler, a.a.O, § 3 Rdn. 57). Insbesondere das Bundesverfassungsgericht nimmt insoweit in ständiger Rechtsprechung an, dass der Schutz der Jugend nach einer vom Grundgesetz selbst getroffenen Wertung ein Ziel von bedeutsamem Rang und ein wichtiges Gemeinschaftsanliegen ist (vgl. BVerfG NJW 1971, 1555; NJW 1988, 1833; NJW 1991, 1471/1472). Von einem "Bagatellverstoß" kann unter diesen Umständen keinesfalls die Rede sein.

Die Passivlegitimation der Antragsgegner folgt aus dem vom Antragsteller glaubhaft gemachten Umstand, dass beide Inhaber der Domain sind, die Zugang zu dem verfahrensgegenständlichen Wettbewerbsangebot schafft.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die Wertfestsetzung ergibt sich aus § 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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