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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 07.10.2008
Aktenzeichen: 5 W 318/07
Rechtsgebiete: RVG, RVG VV


Vorschriften:

RVG § 2 Abs. 2 S. 1 Anl. 1
RVG § 11 Abs. 5 S. 1
RVG VV Nr. 1000 Abs. 2
RVG VV Nr. 1003
Sind die Voraussetzungen einer Einigungsgebühr nach Nrn. 1000, 1003 RVG-VV streitig, so muss dies nicht als außergebührenrechtliche Anwendung ihrer Festsetzung im Vergütungsfestsetzungsverfahren entgegenstehen.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 5 W 318/07

In dem Vergütungsfestsetzungsverfahren

hat der 5. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Richter am Kammergericht Dr. Pahl als Einzelrichter am 07. Oktober 2008 beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 29. August 2007 - 2 O 281/06 - aufgehoben.

2. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 23. Juli 2007 - 2 O 281/06 - wird zurückgewiesen.

3. Die Antragsgegnerin hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe:

I.

Die gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 RVG, § 104 Abs. 3 Satz 1, § 567 Abs. 1 Nr. 1, § 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers im Vergütungsfestsetzungsverfahren gegen die Abhilfeentscheidung des Rechtspflegers (vgl. hierzu Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/ Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl., § 11 Rdn. 306) ist auch begründet, § 11 Abs. 1 RVG.

II. Die noch zwischen den Parteien - nur dem Grunde nach - streitige Einigungsgebühr nach Nrn. 1000 Abs. 2, 1003 RVG-VV ist im Beschluss des Landgerichts vom 23. Juli 2007 zutreffend festgesetzt worden. Deshalb ist die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hiergegen unbegründet und der zu Unrecht dieser Beschwerde abhelfende Beschluss des Landgerichts vom 29. August 2007 ist aufzuheben.

1.

Die von der Antragsgegnerin erhobenen Einwendungen gegen die Festsetzung einer Einigungsgebühr haben ihren Grund im Gebührenrecht. Sie stehen daher der Vergütungsfestsetzung nicht entgegen, § 11 Abs. 5 Satz 1 RVG.

Soweit die Festsetzung einer Vergleichsgebühr für eine außergerichtliche Einigung nicht in Betracht kommen soll, weil sich die für ihre Entstehung maßgeblichen Tatsachen nicht den Verfahrensakten entnehmen ließen (vgl. BGH, NJW 2002, 3713) und deshalb auch eine Festsetzung im Vergütungsfestsetzungsverfahren ausscheiden soll (KG, JurBüro 1980, 72; OLG Frankfurt, JurBüro 1987, 1799; vgl. auch Müller-Rabe, a.a.O., § 11 Rdn. 179 FN 208), ist dies für die Festsetzung einer Einigungsgebühr nach dem RVG nicht mehr maßgeblich. Denn insoweit kann eine Einigungsgebühr schon dann festgesetzt werden, wenn ihre Voraussetzungen glaubhaft gemacht, also überwiegend wahrscheinlich im Sinne des § 294 ZPO sind (BGH, NJW 2007, 2187, juris Rdnrn. 7 f.). Auch im Kostenfestsetzungsverfahren können schwierige Rechtsfragen entschieden und tatsächliche Fragen - durch Einholung von Glaubhaftmachungsmitteln - aufgeklärt werden (BGH, a.a.O., juris Rdn. 8). Dies gilt entsprechend für das gleichgelagerte Vergütungsfestsetzungsverfahren (vgl. Müller-Rabe, a.a.O., § 11 Rdn. 66).

2.

Die Voraussetzungen einer Einigungsgebühr nach Nrn. 1000 Abs. 2, 1003 RVG-VV liegen vor.

a)

Unstreitig hat der Antragsteller bei Vertragsverhandlungen mitgewirkt (vgl. Schreiben des Antragstellers vom 4. Dezember 2006 nebst Vergleichsentwurf als Anlage). Schon zu diesem Zeitpunkt war eine Einbeziehung des vorliegenden Rechtsstreits der Antragsgegnerin in den Vergleich und eine Beendigung des Rechtsstreits durch Klagerücknahme (ohne Kostenantrag der Beklagten) vorgesehen. Dieser Entwurf ist unstreitig Grundlage des späteren Vergleichsabschlusses zwischen der D Bank AG und Dr. K geworden.

b)

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits sind diesem Vergleich beigetreten.

aa)

Ein Vergleich kann auch stillschweigend geschlossen werden und er ist nicht formbedürftig, sofern dies materiell-rechtlich nicht besonders vorgeschrieben ist (BGH, NJW 2007, 2187, juris Rdn. 6).

bb)

Die Klägerin des vorliegenden Rechtsstreits hat - entsprechend den Vorgaben des Vergleichs - die Klage zurückgenommen und die Antragsgegnerin (Beklagte) hat - ebenso entsprechend den Vorgaben des Vergleichs - keinen Kostenantrag gestellt. Diese Verhalten belegt auch nach außen hin, dass die im Vergleich für den vorliegenden Rechtsstreit getroffene Vereinbarung ebenso zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits gelten soll. Eine Formbedürftigkeit ist nicht vorgetragen oder sonst erkennbar.

(1)

Die Annahme eines solchen Beitritts der Prozessparteien zum Vergleich der D Bank AG mit Dr. K ist auch interessengerecht. Denn die D Bank AG hatte die dem Rechtsstreit zu Grunde liegende Forderung von der Klägerin erworben und bereits im Rechtsstreit ihre Absicht bekundet, als Klägerin in das Prozessverhältnis einzutreten. Die (abtretende) Klägerin war nur noch formal Prozesspartei.

Das Interesse der Beklagten daran, in den Vergleich eingebunden zu werden, folgt schon daraus, dass die gegen sie erhobenen Forderungen nach Klägervortrag ihre "Wurzel" in den Verpflichtungen des Dr. K haben sollten. Die Antragsgegnerin (Beklagte) gesteht dies sogar ausdrücklich zu, wenn sie von einer Weisungsabhängigkeit ihrer Geschäftsführerin (Ehefrau des Dr. K ) von Dr. K und einer Übertragung des Vermögens des Dr. K auf die Antragsgegnerin ausgeht.

(2)

Dass die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits die vergleichsweise Einigung letztlich auf Grund von entsprechenden Anweisungen (der D Bank AG an die Klägerin und des Dr. K an die Antragsgegnerin) vollzogen haben, steht der Annahme eines rechtsgeschäfltichen Beitritts zum Vergleich nicht entgegen. Derartige bloße Motive sind für die Wirksamkeit von Willenserklärungen grundsätzlich unerheblich.

c)

Unter diesen Umständen kann auch - losgelöst von einem Beitritt der Prozessparteien zum Vergleich (der D Bank AG und Dr. K ) - eine konkludente Einigung (vgl. oben b), bb)) unmittelbar zwischen den Prozessparteien angenommen werden. Davon ist im Übrigen zwanglos auch die Antragsgegnerin selbst (vertreten durch ihren neuen Prozessbevollmächtigten) ausgegangen, als sie mit Schriftsatz vom 26. März 2007 mitgeteilt hat, "die Parteien sind überein gekommen, dass die Klägerin die Klage zurücknimmt und die Beklagte keinen Kostenantrag stellt".

Dem sind auch beide Prozessparteien dann nachgekommen. Der Vergleich zwischen der D Bank AG und Dr. K war dann nur Geschäftsgrundlage dieser Einigung. Eine Ursächlichkeit der Einigungsbemühungen des Antragstellers im Sinne der Nr. 1000 Abs. 2 RVG-VV ist damit aber zwanglos ebenfalls gegeben.

d)

Die Einigungsgebühr nach Nrn. 1000, 1003 RVG-VV setzt ein gegenseitiges Nachgeben nicht mehr vor. Sie soll jegliche vertragliche Beilegung eines Streits der Parteien honorieren und dadurch einen Anreiz schaffen, diesen Weg der Erledigung eines Rechtsstreits zu bestreiten. Die Einigungsgebühr entsteht demnach nur dann nicht, wenn der von den Beteiligten geschlossene Vertrag das Anerkenntnis der gesamten Forderung durch den Schuldner oder den Verzicht als Gläubiger auf den gesamten Anspruch ausschließlich zum Inhalt hat (BGH, NJW 2007, 2187, juris Rdn. 6 m.w.N.).

Vorliegend ist auch die Antragsgegnerin durch Verzicht auf ihren Kostenerstattungsanspruch der Klägerin entgegengekommen.

e)

Ob und in wieweit der Antragsteller auch gegenüber Dr. K eine Einigungsgebühr in Rechnung stellen kann, die die Beendigung des vorliegenden Rechtsstreits mit umfasst, ist hier nicht zu klären.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 11 Abs. 2 Satz 6 RVG, Nummer 1811 GKG-KV.

Ende der Entscheidung

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