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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 04.04.2008
Aktenzeichen: 5 W 51/08
Rechtsgebiete: UWG, ZPO
Vorschriften:
UWG § 12 Abs. 2 | |
ZPO § 935 | |
ZPO § 940 |
Kammergericht Beschluss
Geschäftsnummer: 5 W 51/08
In dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung
hat der 5. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Bulling sowie die Richter am Kammergericht Dr. Lehmbruck und Dr. Hess am 4. April 2008
beschlossen:
Tenor:
1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Zivilkammer 52 des Landgerichts Berlin vom 28. Januar 2008 - 52 O 27/08 - wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtsschutz wegen vermeintlicher (drohender) Markenverletzung durch die Antragsgegnerin. Das Landgericht hat den diesbezüglichen Untersagungsantrag mit der Begründung zurückgewiesen, es liege keine Verwechslungsgefahr vor. Gegen diese ihr am 31. Januar 2008 zugestellte Entscheidung hat die Antragstellerin die beim Landgericht am 8. Februar 2008 eingegangene sofortige Beschwerde eingelegt, ohne diese zu begründen oder eine Begründung anzukündigen. Beim Landgericht eingehend am 14. Februar 2008 hat die Antragstellerin mitgeteilt,
"dass die sofortige Beschwerde zunächst nicht begründet wird. Wir bitten um Entscheidung.
Sollte der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen werden, wird diese gegenüber dem Kammergericht begründet."
Das Landgericht hat darauf einen Nichtabhilfebeschluss "aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses" erlassen und die Sache dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2, § 569 ZPO zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Eine einstweilige Verfügung ist nicht zu erlassen. Es fehlt am Verfügungsgrund i.S. der §§ 935, 940 ZPO. Die Antragstellerin hat die diesbezüglich zu ihren Gunsten nach der Senatsrechtsprechung im markenrechtlichen Eilverfahren entsprechend § 12 Abs. 2 UWG streitende Vermutung durch ihre - eine sachlich begründete Abhilfeentscheidung des Landgerichts vereitelnde - Verfahrensbetreibung selbst widerlegt.
1.
Die aus dem Rechtsgedanken des § 12 Abs. 2 UWG folgende Dringlichkeitsvermutung kann nicht nur durch zögerliche Verfahrenseinleitung, sondern auch dann widerlegt sein, wenn der Antragsteller (nach zunächst hinreichend zeitnaher) Verfahrenseinleitung durch sein Verhalten zu erkennen gibt, dass die Sache für ihn nicht (mehr) eilig ist (vgl. Hess in: Ullmann, jurisPK-UWG, § 12 Rdn. 89 m.w.N.). So verhält es sich hier.
a)
Nach § 571 Abs. 1 ZPO "soll" die Beschwerde begründet werden und das erstinstanzliche Gericht ist gemäß § 572 Abs. 1 ZPO verpflichtet zu prüfen, ob es die Beschwerde für begründet erachtet (was in aller Regel eine Beschwerdebegründung voraussetzt) und ihr dementsprechend abhilft. Auf diese Weise kann im Eilverfahren der Beschwerdeführer (der selbst naturgemäß vom Durchgreifen seiner Beschwerde und deren Begründung ausgeht) auf raschem Wege zu seinem Ziel (Erlass der zunächst abgelehnten einstweiligen Verfügung) gelangen, ist doch das Erstgericht bereits in den Fall eingearbeitet, kennt die Akten und vermag schnell zu beurteilen, ob und ggf. dass die mit der Beschwerde vorgetragenen Gründe durchgreifen und die Verfügung nunmehr zu erlassen ist.
b)
Vorstehender Möglichkeit des schnellstmöglichen Erreichens des Rechtsschutzziels hat sich die Antragstellerin begeben, indem es dem Landgericht die vom Gesetz vorgesehene Möglichkeit zur Selbstkorrektur - die hier nach dem Inhalt der Beschwerdebegründung jedenfalls in Betracht kam - im Grunde erst gar nicht eröffnet hat, da sie ihm die Gründe ihrer Beschwerde vorenthalten hat. Auf diese Weise wurde diese Chance des raschen Erreichens des Rechtsschutzziels der Antragstellerin vereitelt, vielmehr die Sache - zeitraubend - dem Beschwerdegericht überantwortet, an das die Akten zunächst einmal gelangen und dort förmlich erfasst werden mussten und dessen Richter sich erst einmal in den Fall einarbeiten mussten.
Dies zeigt, dass es der Antragstellerin mit der Erreichung ihres Rechtsschutzziels nicht (oder jedenfalls nach Verfahrenseinleitung nicht mehr) eilig ist. Verstärkend kommt hinzu, dass aufgrund der zunächst ohne weiteren Kommentar oder Ankündigung begründungslos eingereichten Beschwerde das Landgericht diese erst einmal überhaupt nicht bescheiden konnte, sondern die Akten - in der Erwartung einer noch nachfolgenden Begründung - zunächst, ohne der Sache irgendeinen Fortgang zu geben, sechs Tage liegen lassen musste, bevor (mit Beschwerdefristablauf) die Antragstellerin - überraschend - mitteilte, ihre Beschwerdebegründung zunächst überhaupt nicht einreichen, sondern diese bis zur Weiterreichung der Akten an das Beschwerdegericht zurückhalten zu wollen.
Nach allem ist die entsprechend § 12 Abs. 2 UWG geltende Dringlichkeitsvermutung im Streitfall widerlegt.
2.
Der von den §§ 935, 940 ZPO vorausgesetzte Verfügungsgrund ist im Streitfall aber auch aus einem weiteren Grund zu verneinen.
a)
Der im Wettbewerbsrecht (und nach der Senatsrechtsprechung auch im Markenrecht) gemäß (bzw. entsprechend) § 12 Abs. 2 UWG zu vermutende Verfügungsgrund stellt der Sache nach eine besondere Form des Rechtsschutzbedürfnisses für ein Vorgehen gerade im summarischen Eilverfahren dar (vgl. OLG Frankfurt Magazindienst 2006, 1175, juris-Rdn. 5, sowie allgemein hierzu Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., Kap. 54, Rdn. 15). Die Vermutung des Verfügungsgrundes kann in der Regel nur dadurch widerlegt werden, dass der Antragsteller in Kenntnis der Verletzungshandlung mit der Geltendmachung seiner Ansprüche längere Zeit zugewartet und damit zu erkennen gegeben hat, dass ihm die Sache so eilig nicht ist. Auf diesen - in der Praxis bedeutsamsten - Aspekt ist die Widerlegung der Vermutung des § 12 Abs. 2 UWG jedoch nicht beschränkt. Das vom Gesetz grundsätzlich anerkannte Interesse des Gläubigers eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs an der sofortigen Unterbindung des beanstandeten Verhaltens muss vielmehr auch dann zurücktreten, wenn aus anderen Gründen, insbesondere wegen des prozessualen Verhaltens des Antragstellers und wegen der schutzwürdigen Belange des Antragsgegners, ein Bedürfnis für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ausnahmsweise nicht anerkannt werden kann (OLG Frankfurt a.a.O.; vgl. ferner OLG Celle OLG-Rep 2008, 168, juris-Rdn. 4; OLG Hamburg GRUR 2007, 614; Hess a.a.O. Rdn. 89.2). Diese Voraussetzungen sind hier auf Grund der besonderen Umstände des Einzelfalls erfüllt.
b)
Gesetzgeberische Absicht zum in § 572 ZPO geregelten Abhilfeverfahren ist es, die Fehlerbeseitigung durch Selbstkontrolle zu fördern (Gummer in: Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 572 Rdn. 1). Das Verfahren ist seiner Funktion nach ein aus Gründen der Prozessökonomie vorgeschriebenes Vorverfahren (Gummer a.a.O. Rdn. 4). Sein Zweck ist es die kostenverursachende Befassung des Beschwerdegerichts mit der Sache zu vermeiden, wenn gebotene Korrekturen der Erstentscheidung unschwer durch das Erstgericht selbst vorgenommen werden können (Gummer a.a.O. Rdn. 7).
Dies alles hat die Antragstellerin vereitelt, indem sie die sofortige Beschwerde zunächst begründungslos eingereicht und dem Erstgericht die Beschwerdebegründung vorenthalten hat. Ein solches Vorgehen ist rechtsmissbräuchlich, verursacht (ggf. unnötige) zusätzliche Kosten und verschwendet richterliche Ressourcen. Das für die Durchführung des Eilverfahrens gemäß §§ 935, 940 ZPO zu fordernde "besondere Rechtsschutzbedürfnis" ist sonach im Streitfall auch unter diesem Aspekt zu verneinen, bzw. die dafür streitende Vermutung als widerlegt zu erachten.
III.
Die Nebenentscheidungen zu den Kosten und zur Wertfestsetzung beruhen auf § 97 Abs. 1, § 3 ZPO.
Ende der Entscheidung
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