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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 26.02.2002
Aktenzeichen: 5 W 85/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 4 Satz 1
ZPO § 100 Abs. 1
BGB § 421
BGB § 422
1. Eine gesamtschuldnerische Kostenhaftung mehrerer Unterlassungsschuldner ist grundsätzlich mit dem Waren der Gesamtschuld unvereinbar.

2. Eine gesamtschuldnerische Kostenhaftung mehrerer Auskunftsschuldner kann nach den Umständen des Einzelfalles in Betracht kommen, wenn die Auskunft des einen zugleich die Verpflichtung des anderen vollständig erfüllt.


KAMMERGERICHT Beschluß

Geschäftsnummer: 5 W 85/01

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Haase, die Richterin am Kammergericht Prietzel-Funk und den Richter am Kammergericht Dr. Pahl am 26. Februar 2002 beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerinnen wird das Anerkenntnis-Teilurteil der Zivilkammer 16 des Landgerichts Berlin vom 5. Februar 2001 teilweise abgeändert und in Ziffer 3 des Tenors wie folgt neu gefasst:

3. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Beklagten zu tragen, wobei sie in Höhe von 4/25 dieser Kosten als Gesamtschuldner haften und in Höhe von je 21/50 allein.

2. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Klägerin 21/25 und die Beklagten als Gesamtschuldner 4/25 zu tragen.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt bis 1.800,-- DM.

Gründe:

I. Die sofortige Beschwerde der Klägerinnen ist gemäß § 99 Abs. 2 ZPO zulässig und teilweise begründet.

1. Soweit im landgerichtlichen Anerkenntnis-Schlussurteil eine gesamtschuldnerische Schadensersatzhaftung der Beklagten festgestellt worden ist (Ziffer 2 des Tenors), haften die Beklagten nach § 100 Abs. 4 Satz 1 ZPO auch für die anteiligen Prozesskosten als Gesamtschuldner. Insoweit ist die angegriffene Kostenentscheidung, die insgesamt ausdrücklich nur eine Kostenerstattung nach, Kopfteilen ausgesprochen hat, fehlerhaft und das Rechtsmittel der Klägerinnen begründet.

2. Anderes gilt aber zum einen für die Verurteilung der Beklagten, bestimmte urheberrechtliche Verletzungshandlungen zu unterlassen (Ziffer 1 des Tenors des Anerkenntnis-Schlussurteils).

a) Eine gesamtschuldnerische Haftung von Unterlassungsschuldnern kommt nicht in Betracht (OLG Koblenz, WRP 1985, 45 m.w.N.; Köhler in Köhler/Piper, UWG, 2. Aufl., vor § 13 Rdn. 82 m.w.N.; Teplitzky, wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Aufl., Kapitel 14 Rdn. 29 ff.). Eine solche Haftung ist - jedenfalls grundsätzlich - mit dem Wesen der Gesamtschuld im Sinne der §§ 421, 422 BGB unvereinbar: Der Unterlassungsschuldner, der sich an ein Verbot hält und damit seine Schuld erfüllt, befreit nicht andere Unterlassungsschuldner von ihrer eigenen Verpflichtung, sich an ein entsprechendes Verbot zu halten. Der Gläubiger eines Unterlassungsanspruchs gleichen Inhalts kann daher von jedem der Schuldner, unabhängig von dem Verhalten jedes anderen, Unterlassung verlangen (OLG Koblenz, a.a.O.).

b) Eine gesamtschuldnerische "Haftung" mehrerer Unterlassungsschuldner auf Unterlassung könnte allenfalls dann in Betracht kommen, wenn eine Mitverantwortungsgemeinschaft in dem Sinne besteht, dass jeder Unterlassungsschuldner derart für das Verhalten aller anderen mitverantwortlich ist, dass er für den Erfolg insgesamt einzustehen hat, also ebenso für ein Unterlassen auch aller anderen Unterlassungsschuldner (vgl. Baumbach/Hefermehl, UWG, 22. Aufl., Einl. UWG Rdn. 27 e; Tilmann, GRUR 1986, 691, 694 f.; MünchKomm-Belz, ZPO, 2. Aufl., § 100 Rdn. 14; die Entscheidung OLG Karlsruhe, NJW 1973, 1202 befasst sich nur allgemein mit der Möglichkeit einer gesamtschuldnerischen Haftung von KG und Komplementär). Solange ein solcher Unterlassungsschuldner dann den Erfolg (einen Verstoß auch eines anderen Unterlassungsschuldners gegen das Unterlassungsgebot) verhindert, könnte dies so verstanden werden, dass er damit auch die Unterlassungsverpflichtungen der übrigen Unterlassungsschuldner - denklogisch - miterfüllt. Bedenklich ist die Vorstellung einer Mitverantwortungsgemeinschaft als Gesamtschuldverhältnis von Unterlassungsschuldnern aber insbesondere dann, wenn es zu einem Verstoß gegen das Unterlassungsgebot kommt. Legt man nämlich eine gemeinschaftliche Verpflichtung zum Unterlassen einer Tat bzw. eines Taterfolges zugrunde (so Tilmann, a.a.O.), so kommt an sich bei einer vertragsstrafebewehrten Unterlassungserklärung der Unterlassungsschuldner nur die Verwirkung einer einzigen Vertragsstrafe in Betracht, für die die Unterlassungsschuldner gegebenenfalls gesamtschuldnerisch haften würden. Eine solche Privilegierung der Unterlassungsschuldner ist bei einer Vertragsstrafenvereinbarung - wenn die Parteien es so gewollt hatten - denkbar. Sie kann aber nicht die Regel sein. Denn wenn das bloße - nur handlungsbezogene - Einstehen für die eigene Unterlassungsverpflichtung (außerhalb einer Mitverantwortungsgemeinschaft) zwanglos zu einem mehrfachen Verstoß gegen die Unterlassungsverpflichtung mehrerer Unterlassungsschuldner führen kann, ist die Vereinbarung einer erfolgsbezogenen Verpflichtung mit einem Einstehen auch für die anderen Unterlassungsschuldner (im Sinne der "Mitverantwortungsgemeinschaft") von den Parteien an sich als eine Verschärfung der Haftung und eine Verstärkung der Unterlassungssanktion gedacht. Sie würde aber unter Annahme eines Gesamtschuldverhältnisses eher eine Privilegierung bedeuten.

Noch weniger verständlich erscheint im Falle eines Unterlassungsverstoßes bei einer "Mitverantwortungsgemeinschaft" die etwaige Festsetzung von Ordnungsmaßnahmen nach § 890 ZPO gegen mehrere Unterlassungsschuldner, wenn nur von einer Unterlassungsverpflichtung einer einzigen Tat auszugehen wäre. Eine gesamtschuldnerische Haftung der Unterlassungsschuldner für Ordnungsmittel nach § 890 ZPO scheidet im Übrigen schon wegen des strafähnlichen Charakters dieser staatlichen Sanktion aus (vgl. BVerfGE 84, 87; BGHZ 138, 69).

Mit der Vorstellung in der Regel gesonderter Unterlassungsverpflichtungen der Unterlassungsschuldner können hingegen im Wege der Auslegung sachrechte Ergebnisse im Falle einer Vertragsstrafenhaftung gefunden werden. Ebenso ist damit die Verhängung von Ordnungsmitteln gegen mehrere Unterlassungsschuldner bei einem Verstoß zwanglos vereinbar, soweit jeder von ihnen verantwortlich ist. Eine gerichtliche Verurteilung Mehrerer zur Unterlassung "als Gesamtschuldner" scheidet allerdings - wegen der Sanktionsfolgen des § 890 ZPO - aus. Im vorliegenden Fall geht es aber gerade um eine gerichtliche Verurteilung zur Unterlassung.

c) Darüber hinaus fehlt es hier auch an einer "Mitverantwortungsgemeinschaft".

Zwar haftet die Beklagte zu 1) als GmbH ohne Weiteres gemäß §§ 31, 89 BGB für einen schuldhaften Verstoß des Beklagten zu 2), ihres Geschäftsführers. Umgekehrt gilt dies aber nicht. Denn der Geschäftsführer kann nur in Anspruch genommen werden, wenn er entweder selbst die Rechtsverletzung begangen oder er die eines anderen Mitarbeiters gekannt und nicht verhindert hat (BGH, GRUR 1986, 248, 251 - Sporthosen; NJW 1996, 1535, 1536; Köhler, a.a.O., vor § 13 Rdn. 71). Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers ist insoweit also handlungs- und nicht erfolgsbezogen.

Deutlich wird die fehlende "Mitverantwortungsgemeinschaft" in den vorliegenden Fallgestaltungen auch dann, wenn der Geschäftsführer aus der GmbH ausscheidet. Dann soll die Mitverantwortungsgemeinschaft zwischen Geschäftsführer und GmbH "zerbrechen" (Tilmann, a.a.O., S. 696). Unerklärlich bleibt aber, warum dann aus einer ursprünglichen Unterlassungsverpflichtung für eine einzige Tat nunmehr eine solche für zwei Tathandlungen werden soll. Eine Verantwortlichkeit der GmbH nach §§ 31, 89 BGB für das Handeln ihres Geschäftsführers läge zudem fern, wenn der Geschäftsführer nur für eine andere (weitere) GmbH handeln wurde Gerade für diese Fallgestaltungen (Ausscheiden, Handeln für andere GmbH) aber soll die zusätzliche Verurteilung des Geschäftsführers neben der GmbH sicherstellen, dass wenigstens dieser mit Sanktionen belegt werden kann (vgl. Tilmann, a. a. O., S. 691). Dies spricht um so mehr für die Annahme mehrerer gesonderter Unterlassungsverpflichtungen.

3 Vorliegend fehlt es ebenso an einer gesamtschuldnerischen Verurteilung zur Auskunftserteilung (Ziffer 1 des Anerkenntnis-Teilurteils vom 8. Dezember 2000).

a) Allerdings sollen Verpflichtungen Mehrerer zur Auskunft oder Rechnungslegung in einem Gesamtschuldverhältnis stehen (Tilmann, a. a. O., S. 691). Das ist in dieser Allgemeinheit aber nicht überzeugend. Liegt das Wesen eines Gesamtschuldverhältnisses im nahezu identischen Leistungsinteresse des Gläubigers (BGHZ 43, 233, Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 421 Rdn. 5), wenn die Erfüllung einer Schuld auch die anderen erlöschen lässt, dann kann dies zwar bei einer Auskunftserteilung durch einen von mehreren Schuldnern denkbar sein. Dies gilt etwa für den Fall, dass der - auch persönlich verurteilte - Geschäftsführer die Auskunft gibt, denn sein Wissen ist dann auch das der GmbH. Die Erfüllungswirkung hängt aber jeweils vom Einzelfall ab. Denn die Auskunftserteilung ist in der Regel eine unvertretbare Handlung, die als Wissenserklärung nur persönlich vom jeweiligen Schuldner erbracht werden kann und deshalb nach § 888 ZPO zu vollstrecken ist (BGH, MDR 1980, 657, OLG Bremen, NJW 2000, 964, OLG Hamm, NJW 2001, 1871, OLG Köln, WuM 1998, 376, Baumbach/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., § 887 Rdn 20 "Auskunft"). Ausnahmen sind denkbar, wenn - wie im Beispiel zuvor - das Wissen nur formalrechtlich auf zwei Schuldner (GmbH und ihr Geschäftsführer) verteilt ist. Schlechthin gesichert ist die Erfüllungswirkung aber auch in diesem Bereich nicht. Dies gilt insbesondere für die Fälle, in denen der - zur Auskunft auch persönlich verurteilte - Geschäftsführer aus der GmbH ausscheidet. Das in den Geschäftsunterlagen gespeicherte Wissen wird dann häufig nur von den dem neuen Geschäftsführer für die Auskunftsschuldnerin "GmbH" mitgeteilt werden können, der alte Geschäftsführer kann aber zusätzlich bzw. ausschließlich das allein in seinem Gedächtnis vorhandene Wissen offenbaren. Gegenseitige Erkundigungs- und Auskunftspflichten könnten zwar als nachvertragliche Vertragspflichten im Innenverhältnis der GmbH zum alten Geschäftsführer rechtlich durchsetzbar sein. Sind aber letztlich doch zwei unterschiedliche Wissenserklärungen notwendig, dann liegt es im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes aller Beteiligten, den Gläubiger gegen jeden Wissensschuldner - jedenfalls auch - ein eigenes Durchsetzungsrecht bis hin zur Möglichkeit jeweils einer eigenen eidesstattlichen Versicherung zu geben und ihn nicht auf eine Auseinandersetzung im Innenverhältnis der Wissensschuldner und die nur von einem Schuldner (für das eigene Wissen und die erhaltene Auskunft des anderen) gegebene eidesstattliche Versicherung zu verweisen.

b) Vorliegend geht es gerade um ein solches Auskunftsverhältnis zu einer GmbH und ihrem Geschäftsführer. Da die Organstellung des Beklagten zu 1) bei der Beklagten zu 2) jederzeit beendet sein kann und damit eine Erfüllungswirkung der einen Auskunft auch für den anderen Auskunftsschuldner nicht sicher ist, kann nicht von einem Gesamtschuldverhältnis ausgegangen werden. Es liegen letztlich nur jeweils mehrere Auskunftsverpflichtungen vor, bei denen - je nach den Umständen des Einzelfalles - die eine Auskunft zur Erfüllung der anderen Auskunftsverpflichtung führen kann, aber nicht immer führen muss.

4. Die gesamtschuldnerische Verpflichtung der Beklagten ist mithin auf die ausgesprochene Feststellung der Schadensersatzverpflichtung beschränkt.

Im Übrigen ist - nach der von keiner Partei angegriffenen Kostenverurteilung der Beklagten zu jeweils mindestens 1/2 - von gleich hohen Streitwerten der Unterlassungs- und Auskunftsverurteilung für beide Beklagten auszugehen, mithin auch von sich entsprechenden Kostenquoten.

II. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die Wertfestsetzung beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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