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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 07.06.2004
Aktenzeichen: 5 Ws (B) 179/03
Rechtsgebiete: HundeVO, ASOG, VerfGHG, OWiG


Vorschriften:

HundeVO § 3 Abs. 1
HundeVO § 4 Abs. 1
HundeVO § 11
ASOG § 1 Abs. 1
ASOG § 55
VerfGHG § 31 Abs. 1
OWiG § 16
Zuwiderhandlung gegen die Berliner Hundeverordnung.
5 Ws (B) 179/03

In der Bußgeldsache

wegen Zuwiderhandlung gegen die Berliner Hundeverordnung

hat der 5. Senat für Bußgeldsachen des Kammergerichts in Berlin durch die Richterin am Kammergericht Hees als Einzelrichterin am 7. Juni 2004 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 8. November 2002 wird verworfen.

Der Betroffene hat die Kosten seiner als zurückgenommen geltenden Rechtsbeschwerde zu tragen.

Gründe:

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Zuwiderhandlung gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung über das Halten von Hunden in Berlin (HundeVO Berlin) zu einer Geldbuße von 125 Euro verurteilt, weil er seinen American Staffordshire Terrier Mischling, der der sogenannten Rasseliste gefährlicher Hunde des § 3 Abs. 1 HundeVO - Berlin unterfällt, unangeleint spazieren geführt hat. Mit seinem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

Der Senat hatte die Entscheidung über den Zulassungsantrag zunächst zurückgestellt, da gegen das Urteil des Verfassungsgerichtshofs Berlin vom 12. Juli 2001 (vgl. DVBl 2001, 1586), durch das die Verfassungsmäßigkeit der HundeVO Berlin festgestellt wurde, Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht eingelegt worden war. Nachdem das Bundesverfassungsgericht am 31. März 2004 hierüber und am 16. März 2004 in einem anderen Verfahren über das Gesetz zur Bekämpfung gefährlicher Hunde vom 12. April 2001 in Verbindung mit § 11 Tierschutz-Hundeverordnung vom 2. Mai 2001 entschieden hat, ist der Zulassungsantrag entscheidungsreif.

Der Senat verwirft ihn, weil es nicht mehr geboten ist, die Nachprüfung des angefochtenen Urteils zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG).

Verfassungsgerichtlich ist geklärt, daß der Senat von Berlin nach §§ 55, 1 Abs. 1 ASOG ermächtigt war, die HundeVO Berlin zu erlassen (vgl. VerfGH Berlin DVBl 2001, 1586 ff). Denn der Verordnungsgeber ist schon dann zum Erlaß der angegriffenen Regelung berechtigt, wenn er sachlich begründete Anhaltspunkte dafür hat, daß die gesteigerte Gefährlichkeit von Hunden rassebedingt sein kann (vgl. VerfGH aaO S. 1589). Diese Voraussetzungen liegen vor. Die gegen das Urteil des Verfassungsgerichtshofs eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde zwar nicht zur Entscheidung angenommen (vgl. BVerfG, Beschluß vom 31. März 2004 - 1 BvR 1363/01 -). Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, daß die angegriffene Entscheidung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist und der Berliner Verordnungsgeber lediglich gehalten ist, die weitere Entwicklung hinsichtlich des Beißverhaltens von Hunden zu beobachten und je nach dem Ergebnis seiner weiteren Prüfungen sein Regelungswerk neuen Erkenntnissen anzupassen. In einem weiteren Nichtannahmebeschluß hat das Bundesverfassungsgericht in Bezug auch auf § 4 Abs. 1 HundeVO Berlin ausgeführt, daß es sich bei diesen Regelungen um angemessene und den Betroffenen zumutbare Beschränkungen handelt, die der Verordnungsgeber zum Schütze der menschlichen Gesundheit und des menschlichen Lebens vor Hunden der vorliegenden Art anordnen durfte (so auch BVerfG, Beschluß vom 29. März 2004 - 1 BvR 1498/00 -).

Unabhängig von der Bindungswirkung nach § 31 Abs. 1 VerfGHG, wonach die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs die Gerichte des Landes Berlin binden, steht die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Juli 2002 (vgl. BVerwGE 116, 347 ff) der Rechtswirksamkeit der HundeVO Berlin nicht entgegen. In dem genannten Urteil wird zwar ausgeführt, daß nach dem gegenwärtigen fachwissenschaftlichen Erkenntnisstand aus der Zugehörigkeit eines Hundes zu einer bestimmten Rasse nicht auf dessen Gefährlichkeit geschlossen werden könne. Deshalb dürften die allein auf die Rassezugehörigkeit gestützten Eingriffe in die Freiheit der Halter entsprechender Hunde nicht auf der Grundlage der allgemeinen polizeilichen Ermächtigungsnormen im Rechtsverordnungswege ergehen, da sie nicht der Gefahrenabwehr, sondern der Gefahrenvorsorge dienten. Diesen Ausführungen stehen aber die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts entgegen. Im Urteil vom 16. März 2004 hat das Bundesverfassungsgericht (- 1 BvR 1778/01 -) ausgeführt, daß der Gesetzgeber zum Schütze des menschlichen Lebens und der menschlichen Gesundheit gesetzliche Vorkehrungen treffen darf, wenn genügend Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß Hunde bestimmter Rassen - und sei es auch erst im Zusammenwirken mit anderen Faktoren wie Erziehung, Ausbildung und situative Einflüsse - für diese Schutzgüter in besonderer Weise gefährlich werden können und der Gesetzgeber für die hier in Rede stehenden Rassen vom Vorhandensein derartiger Anhaltspunkte ausgehen konnte (BVerfG a.a.O. Abs. 74). Weiterhin wurde auch eine besondere Gefährlichkeit für American Staffordshire-Terrier bejaht. Diese Auffassung hat das Bundesverfassungsgericht in den genannten Beschlüssen vom 29. und 31. März 2004 auf den Verordnungsgeber übertragen und für die Hundeverordnung Berlin bestätigt.

Danach hatte das Amtsgericht keine Veranlassung, die Wirksamkeit der Verordnung in Frage zu stellen.

Auch die Frage, ob sich der Beschwerdeführer auf einen rechtsfertigenden Notstand gemäß § 16 OWiG berufen kann, rechtfertigt die Zulassung nicht, da sie verfassungsgerichtlich geklärt ist. Die Generalstaatsanwaltschaft hat insoweit zu dem Rechtsmittel wie folgt Stellung genommen:

"Auch wenn - wie vom Beschwerdeführer vorgetragen - eine Beeinträchtigung des Wohlbefindens seines Hundes mit dem Leinenzwang verbunden sein soll, wird dies durch Gründe der vorbeugenden Gefahrenabwehr gerechtfertigt. Insoweit liegt - entgegen der Meinung des Beschwerdeführers - weder ein Widerspruch zu Art. 31 Abs. 2 VvB noch zu der bundesrechtlichen Bestimmung des Tierschutzgesetzes (§ 2 Nr. 2 BTierschG) vor, die den Schutz von Tieren vor vermeidbaren Leiden vorsehen.

Der Beschwerdeführer hat im übrigen die Möglichkeit, seinen Hund in Hundeauslaufgebieten auch ohne Leine auszuführen (§ 4 Abs. 2 HundeVO Berlin) oder das angeleinte Tier bei eintretender Atemnot zu beruhigen bzw. es durch eine Hundeschule oder einen verhaltenstherapeutischen Sachverständigen betreuen zu lassen. Außerdem stellen das Leben und die gesundheitliche Unversehrtheit des Menschens höherrangige Rechtsgüter gegenüber dem Wohlergehen eines Hundes dar. Deshalb kann sich der Beschwerdeführer nicht auf einen rechtfertigenden Notstand gemäß § 16 OWiG berufen (vgl. VerfGH Berlin a.a.O. S. 1593)."

Diese Ausführungen treffen zu. Der Senat schließt sich ihnen an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 80 Abs. 4 Satz 4 OWiG.

Ende der Entscheidung

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