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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 19.04.2006
Aktenzeichen: 5 Ws 105/06
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 3
Hat ein Verurteilter zweifelsfrei die Einwilligung nach § 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StGB abgelehnt, so entfällt die Möglichkeit, die Vollstreckung des Rests einer Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen. Es genügt dann, die Weigerung in einem Aktenvermerk festzuhalten. Dieser Vermerk ist dem Verurteilten mit dem Hinweis auf die jederzeit mögliche Nachholung der Einwilligung mitzuteilen.
Beschluß

Geschäftsnummer: 5 Ws 105/06 (vormals: 5 ARs 4/06) 1 AR 229/06 -

L 12 / 70 Js 336/97 VRs - 543 StVK 284/05

In der Strafsache

gegen

wegen versuchter Vergewaltigung u.a.

hat der 5. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 19. April 2006 beschlossen:

Tenor:

1. Die Beschwerden des Verurteilten vom 31. Juli 2005 werden insoweit als unzulässig verworfen, als er

a) die Wiederherstellung der Zuständigkeit des Einzelrichters für das Verfahren nach § 57 Abs. 1 StGB,

b) den Ausschluß des Richters am Landgericht V... aus dem Verfahren wegen der Besorgnis der Befangenheit sowie

c) die Beiordnung des Rechtsanwalts W... W... als Pflichtverteidiger begehrt.

2. Auf die Untätigkeitsbeschwerde des Verurteilten wird angeordnet, daß das Verfahren über die Aussetzung der Reststrafe unverzüglich vor der großen Strafvollstreckungskammer fortzusetzen ist.

3. Die Landeskasse Berlin hat ein Viertel der Kosten des Beschwerdeverfahrens und der dem Beschwerdeführer in diesem Rechtszug entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Im übrigen werden die Kosten der Beschwerden dem Beschwerdeführer auferlegt.

Gründe:

Das Landgericht Berlin hat den Beschwerdeführer am 8. Mai 1998 wegen versuchter Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung und vorsätzlicher Körperverletzung, Beleidigung in fünf Fällen, davon in vier Fällen in Tateinheit mit Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt und die anschließende Sicherungsverwahrung angeordnet. Zwei Drittel dieser Strafe waren am 12. Juni 2003 vollstreckt. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Vollstreckung nach § 454b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO unterbrochen. Danach verbüßte der Beschwerdeführer drei Monate Gesamtfreiheitsstrafe aus einem Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 8. Mai 2001 und sodann eine Reststrafe von 488 Tagen aus ursprünglich vier Jahren Gesamtfreiheitsstrafe, zu der das Landgericht ihn am 24. September 1996 - im wesentlichen - wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung verurteilt hatte. Seit dem 13. Januar 2005 wird wieder die Strafe aus dem erstgenannten Urteil vollstreckt.

Am 7. Juli 2005 fand vor dem Einzelrichter der Strafvollstreckungskammer ein Anhörungstermin zur Prüfung nach § 57 Abs. 1 StGB statt, der zu keiner inhaltlichen Entscheidung geführt hat. Während der Anhörung kündigte der Einzelrichter u.a. an, die Sache solle wegen ihres Zusammenhanges mit dem nicht mehr fernen Beginn der Sicherungsverwahrung an die große Strafvollstreckungskammer abgegeben werden. Der Verurteilte lehnte den Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Diesen Antrag verwarf die Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer als Einzelrichterin am 18. Juli 2005. Am selben Tage verwies sie - ebenfalls als Einzelrichterin - die Sache an die große Strafvollstreckungskammer.

Mit seinem Schreiben vom 31. Juli 2005, das den Anlaß für das Tätigwerden des Senats bietet, beantragt der Beschwerdeführer,

1. "unter Aufrechterhaltung des Ablehnungsgesuchs den Antragsteller gegenüber dem Richter vom 7.7.2005 die Wiedereinsetzung des Rechtszustandes vom 7.7.2005 zu gewähren",

2. "dem Antragsteller für das Strafvollstreckungsverfahren über die eindeutig gesetzlich geregelte Frage der Durchführung des Verfahrens gem. der §§ 57 ff. resp. der §§ 67 ff. und der weiteren notwendigen verteidigungsrechtlichen Schritte für die entsprechenden bereits schon lange ausstehenden Entscheidungen der zuständigen StVK über die vorzeitige Entlassung des Antragstellers (Hervorhebung durch den Senat) seinen Rechtsanwalt W... W..., ... beizuordnen ...",

3. "bei nicht antragsgemäßer Entscheidung die vorliegende Sache umgehend dem Kammergericht vorzulegen und dazu die form- und fristgemäßen Voraussetzungen zu schaffen unter expliziter Beachtung des Beschleunigungsgebotes (Hervorhebung durch den Senat) ...".

Die Rechtsmittel haben nur in der Form der Untätigkeitsbeschwerde Erfolg. Im übrigen sind sie unzulässig.

I.

Um Inhalt und Ziel der Rechtsmittel verstehen zu können (§ 300 StPO), bedarf es der Darstellung des Verfahrensverlaufs seit 2003.

1. Der gemeinsame Zwei-Drittel-Zeitpunkt aller Strafen war am 12. August 2003 erreicht. Seither ist keine inhaltliche Entscheidung ergangen.

Die Justizvollzugsanstalt bereitete die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung nach § 57 Abs. 1 StGB schon am 20. März 2003 vor; der Verurteilte lehnte es an diesem Tage ab, das Formblatt JVollz 548 zu unterschreiben, das - wahlweise - die Erklärung zuläßt,

- der Verurteilte beantrage die Aussetzung zur Bewährung,

- er stelle keinen Antrag, sei aber mit einer vorzeitigen Entlassung einverstanden,

- willige in die Aussetzung nicht ein.

Am 21. August 2003 meldete sich Rechtsanwalt Z... als Verteidiger und bat, den Termin zur Anhörung aufzuschieben, bis (in anderer Sache) ein Gutachten des Sachverständigen Dr. P... vorliege. Am 4. September 2003 reichte der Verteidiger diesen - an ihn zurückgekehrten - Schriftsatz nochmals ein. Am 20. September 2003 lehnte der Beschwerdeführer erneut die Ausfüllung des Vordrucks JVollz 548 ab. Am 14. Oktober 2003 verfügte die Vorsitzende, es sei nichts zu veranlassen, da der Verurteilte weder einen Antrag gestellt noch sein Einverständnis mit der Entlassung erklärt habe. Daraufhin geschah etwa zehn Monate lang nichts.

Am 2. August 2004 beantragte der Verteidiger, den Anhörungstermin anzuberaumen, da nunmehr das Gutachten des Sachverständigen vorliege, das er beifügte. Am 20. August 2004 vermerkte der Einzelrichter, es liege weder ein Antrag auf Reststrafenaussetzung noch eine Zustimmungserklärung des Verurteilten vor. Der Antrag des Verteidigers auf Anhörung vermöge diesen Mangel nicht zu heilen. Die Staatsanwaltschaft möge den Verteidiger darüber unterrichten.

Die Sache wurde bei der Strafvollstreckungskammer wieder ausgetragen. Die Staatsanwaltschaft teilte dem Verteidiger diese Sachlage mit Schreiben vom 7. September 2004 mit. Dieser hatte inzwischen am 31. August 2004 angefragt, wann mit dem Termin zu rechnen sei. Mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2004 trat er der Mitteilung vom 7. September 2005 entgegen. Die Entscheidung nach § 57 Abs. 1 StGB stehe an. Die Prüfung sei unabhängig davon durchzuführen, ob der Gefangene die Zustimmung erklärt habe. Im übrigen ergebe sich aus seinem Schreiben "zwanglos", daß Herr H... eine solche Prüfung wünsche und der Entscheidung zustimme, ihn vorzeitig zu entlassen. Die Prüfung sei auch bei Anordnung von Sicherungsverwahrung erforderlich und mit der Frage verknüpft, ob heute noch deren Voraussetzungen gegeben seien.

Daraufhin förderte die Staatsanwaltschaft das Verfahren, indem sie die Justizvollzugsanstalt aufforderte, zur Frage der vorzeitigen Entlassung Stellung zu nehmen, was diese umgehend - ablehnend - tat: Der Beschwerdeführer habe das Gespräch mit dem Mitarbeiter, der ihn wegen des Antrages (bzw. der Erklärung) zu § 57 StGB aufgesucht habe, abgelehnt und versucht, ihn des Haftraums zu verweisen. Es sei daher davon auszugehen, daß der Verurteilte keinen Antrag nach § 57 StGB stelle. Danach beantragte die Staatsanwaltschaft am 18. November 2004, die Aussetzung (durch Entscheidung in der Sache) abzulehnen. Am 2. Dezember 2004 fertigte der Einzelrichter der Strafvollstreckungskammer folgende Verfügung:

1. Vermerk: Der Verurteilte willigt in eine Reststrafenaussetzung nicht ein, Bl. 130. Die Einwilligung des Verurteilten ist aber nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB Entscheidungsvoraussetzung (vgl. Dreher/Tröndle, StGB, 47. Aufl., Rdn. 7 zu § 57 < Hinzufügung des Senats: inzwischen: Tröndle/ Fischer, StGB 53. Aufl., § 57 Rdn. 19 >). Wenn der Verurteilte die erforderliche Einwilligung zu einer bedingten Reststrafaussetzung verweigert, ist eine Entscheidung der StVK in der Sache nicht mehr notwendig. Es ist ausreichend, wenn der zuständige Richter das Fehlen der Einwilligung in der Verfahrensakte in einem Vermerk niederlegt (vgl. OLG Düsseldorf NStZ 1994, 454 f., KG, Beschluss v. 03.04.2001, 5 WS 154/01). Da dem Verteidiger kein eigenes Antragsrecht zusteht, ersetzen dessen Erklärungen nicht den eigenen Antrag bzw. die Einverständniserklärung des Verurteilten, zumal dessen von der Anstalt geschildertes Verhalten einem entsprechenden mutmaßlichen Willen diametral entgegensteht.

2. Hier austragen

2a. Abschrift des Vermerks in Parallelakte

3. U. m. VH u. Akten der Staatsanwaltschaft Berlin unter Bezugnahme auf den obigen Vermerk zur weiteren Veranlassung zurückgesandt.

Am 17. Dezember 2004 fragte der Verteidiger, dem diese Entwicklung nicht mitgeteilt worden war, nach, ob die Justizvollzugsanstalt schon Stellung genommen habe. Daraufhin übersandte ihm die Staatsanwaltschaft Abschriften dieser Stellungnahme und der Verfügung der Strafvollstreckungskammer vom 2. Dezember 2004.

Der Verteidiger trat dieser Entwicklung mit Schriftsatz vom 21. Januar 2005 entgegen. Er beantragte, das Verfahren fortzusetzen und in der Sache zu entscheiden. Sollte die Strafvollstreckungskammer diesem Antrag nicht stattgeben, lege er gegen die Verfügung vom 2. Dezember 2004 Beschwerde ein. Mit Schriftsatz vom 25. Februar 2005 überreichte der Verteidiger die Erklärung des Beschwerdeführers vom 22. Januar 2005, daß er der vorzeitigen Entlassung zustimme. Nachdem erneut die Justizvollzugsanstalt ablehnend Stellung genommen hatte, fand - nach einer Verlegung aus dienstlichen Gründen - die Anhörung am 7. Juli 2005 statt.

2. Auf die Anträge des Verurteilten vom 31. Juli 2005 nahm das Verfahren folgenden Verlauf:

Die Ausführungen zur Besorgnis der Befangenheit wertete die Kammer als erneutes Ablehnungsgesuch, das sie durch die Vorsitzende als Einzelrichterin am 18. August 2005 zurückwies. Den Beiordnungsantrag für Rechtsanwalt W... wies die Vorsitzende am 24. August 2005 zurück, weil der Beschwerdeführer bereits durch Rechtsanwalt Z... verteidigt werde.

Am 29. September 2005 fand der Anhörungstermin vor der großen Strafvollstreckungskammer statt. Zu diesem ließ sich der Beschwerdeführer nicht vorführen. Am 30. September 2005 verfügte die Vorsitzende die Austragung der Sache, verbunden mit dem Vermerk: "Rücknahme durch Nichterscheinen".

II.

1. Die Anträge des Verurteilten sind als Beschwerden zu behandeln. Denn durch das Verlangen, die Sache dem Kammergericht vorzulegen, hat er seinen Anfechtungswillen kundgetan. Die von ihm eingefügte Einschränkung "bei nicht antragsgemäßer Entscheidung" steht dieser Bewertung nur in den Fällen entgegen, in denen das Landgericht auf seine Eingabe hin noch eine Entscheidung zu treffen hatte.

Über die drei konkret bezeichneten Punkte ("Wiedereinsetzung", Richterablehnung und Beiordnung) hinaus sind die Ausführungen des Beschwerdeführers als Untätigkeitsbeschwerde auszulegen. Der Beschwerdeführer ist trotz einiger juristischer Kenntnisse ein Laie. Er darf bei der Auslegung seiner Anträge nicht an der Wortwahl festgehalten werden; vielmehr ist nach dem inneren Sinn zu forschen (§ 300 StPO). Durch die vom Senat (oben vor I.) mittels Unterstreichung hervorgehobenen Antragspassagen hat der Beschwerdeführer seinen Willen ausreichend kundgetan, sich auch dagegen zu wenden, daß seit dem Zwei-Drittel-Zeitpunkt keine inhaltliche Entscheidung in der Sache ergangen ist.

Die Beschwerden sind nicht dadurch gegenstandslos geworden, daß der Verurteilte zur Anhörung am 29. September 2005 nicht erschienen ist. Wie die Generalstaatsanwaltschaft Berlin in ihrer Zuschrift zutreffend ausgeführt hat, liegt darin entgegen der Auffassung der Strafvollstreckungskammer keine Rücknahme des Antrages auf Aussetzung der Reststrafe. Daß die Ablehnung zur Anhörung zu erscheinen, als Rücknahme des Antrages fingiert werde, ist gesetzlich nicht vorgesehen; auch fehlt eine dem § 329 Abs. 1 StPO entsprechende Regelung im Vollstreckungsverfahren. Die gesetzliche Folge der Weigerung erschöpft sich darin, daß die Strafvollstreckungskammer von der ansonsten zwingend vorgeschriebenen Anhörung (§ 454 Abs. 1 Satz 3 StPO) entsprechend dem Rechtsgedanken des § 454 Abs. 1 Satz 4 StPO absehen darf (vgl. Fischer in KK-StPO 5. Aufl., § 454 Rdn. 27 mit Nachw.). Ob es in Betracht kommen kann, die Weigerung als Rücknahme der Zustimmung auszulegen, kann hier offen bleiben. Denn das setzte voraus, daß der Verurteilte auf diese Auslegungsmöglichkeit seines Verhaltens ausdrücklich hingewiesen worden wäre. Im Streitfall fehlt ein solcher Hinweis. Das Ladungsschreiben des Gerichts vom 1. September 2005 enthält ihn nicht. Die telefonisch übermittelte Ablehnung, sich vorführen zu lassen, enthält ebenfalls keine ausdrückliche Erklärung, daß der Beschwerdeführer mit einer vorzeitigen Entlassung nicht einverstanden sei.

2. Mit Ausnahme der Untätigkeitsbeschwerde sind die Rechtsmittel des Beschwerdeführers unzulässig.

a) Soweit der Beschwerdeführer "die Wiedereinsetzung des Rechtszustandes vor dem 7.7.2005" beantragt, ist sein Begehren dem Sinn des Rechtsschutzziels entsprechend (§ 300 StPO) dahin auszulegen, daß er sich gegen die Verweisung der Sache an die große Strafvollstreckungskammer wendet. In diese Richtung gehen auch seine Ausführungen zur Begründung dieses Rechtsmittels. Es ist unzulässig. Die Strafvollstreckungskammer ist im Verfahren nach § 57 Abs. 1 StGB ein erkennendes Gericht; denn sie hat die für die Entscheidung bedeutsamen Umstände in eigener Verantwortung zu ermitteln (vgl. OLG Düsseldorf StV 1998, 670; StV 1987, 30, 31; OLG Hamm NStZ 1987, 93; KG NStZ 2001, 448; Fischer in KK, § 454 StPO Rdn. 34; Meyer-Goßner, StPO 48. Aufl., § 454 Rdn. 43). Auch die gerichtsverfassungsrechtliche Entscheidung über die Besetzung der Richterbank bereitet die Sachentscheidung nur vor. Solche Vorentscheidungen entzieht § 305 StPO der Beschwerde. Sie sind nur zusammen mit dem endgültigen Beschluß anfechtbar (vgl. KG aaO).

Das Rechtsmittel wäre aber auch unbegründet. Da der Beschwerdeführer in demselben Verfahren neben der Gesamtfreiheitsstrafe zu Sicherungsverwahrung verurteilt worden ist, bestand von Anfang an eine untrennbare Verbindung mit der später möglicherweise erforderlichen Anordnung nach § 67c StGB. Das führt dazu, daß von vornherein gemäß § 78b Abs. 1 Nr. 1 GVG die große Strafvollstreckungskammer für jede Prognoseentscheidung nach § 57 StGB zuständig war und ist (vgl. eingehend OLG Hamburg, Beschluß vom 6. November 2002, OLGSt GVG § 78b Nr. 3), worauf die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme ebenfalls zutreffend hingewiesen hat.

b) Gegen die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer vom 18. Juli 2005, das Ablehnungsgesuch gegen den Richter am Landgericht V... zu verwerfen, ist die Beschwerde nach §§ 28 Abs. 2 Satz 2 StPO unzulässig, da sie einen erkennenden Richter betrifft. Sie kann nur gemeinsam mit der Endentscheidung angefochten werden (vgl. OLG Düsseldorf NStZ 1987, 290 mit abl. Anm. Chlosta NStZ 1987, 292; Senat, Beschlüsse vom 22. Januar 2003 - 5 Ws 39-40/03 - und 4. Dezember 2002 - 5 Ws 659-660/02 -; a.A. noch Senat, Beschluß vom 15. März 2002 - 5 Ws 124/02 -).

Gegen den auf sein Schreiben vom 31. Juli 2005 ergangenen Beschluß vom 18. August 2005, mit dem die Strafvollstreckungskammer sein neuerliches Ablehnungsbegehren zurückwies, hat der Verurteilte danach keine Beschwerde eingelegt. Da Rechtsmittel nur gegen bereits ergangene Entscheidungen statthaft sind (vgl. Meyer-Goßner, vor § 296 StPO Rdn. 4 mit Nachw.), ist eine im Voraus eingelegte Beschwerde unzulässig.

c) Die Beschwerde ist auch insoweit unzulässig, als der Verurteilte im Voraus verlangt hat, die Sache dem Kammergericht vorzulegen, falls Rechtsanwalt W... W... ihm nicht als Pflichtverteidiger beigeordnet werden sollte. Darüber hatte die Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer am 31. Juli 2005 noch gar nicht entschieden (vgl. Meyer-Goßner, aaO).

3. Der Verurteilte hat mit der Untätigkeitsbeschwerde Erfolg.

a) Das Rechtsmittel ist zulässig. Denn die Unterlassung einer rechtlich gebotenen Entscheidung kann ebenso angefochten werden, wie eine für den Beschwerdeführer ungünstige Entscheidung (vgl. Meyer-Goßner, § 304 StPO Rdn. 3). Da bei einer Beschwerde gegen eine Unterlassung eine nachprüfbare Entscheidung fehlt, findet das Beschwerdegericht allerdings nur dann einen Verfahrensgegenstand vor, über den es entscheiden könnte, wenn das Untätigbleiben einer beschwerdefähigen stillschweigenden (ablehnenden) Entscheidung gleichkommt (vgl. Meyer-Goßner, § 309 StPO Rdn. 5). So ist es hier. Denn die Strafvollstreckungskammer hat durch ihre Verfügungen vom 14. Oktober 2003, 20. August 2004 und 2. Dezember 2004 jeweils ein Tätigwerden in der Sache abgelehnt und damit bewirkt, daß über die Reststrafe nicht befunden wurde.

b) Die Beschwerde ist auch begründet. Die Strafvollstreckungskammer hat seit dem 20. August 2004 zu Unrecht über den Antrag des Verurteilten auf Aussetzung nicht sachlich befunden.

aa) Die Durchführung des Verfahrens nach § 57 Abs. 1 StGB oblag der Strafvollstreckungskammer von Amts wegen zum Zwei-Drittel-Zeitpunkt am 12. August 2003. Zu den sachlichen Voraussetzungen einer Aussetzung gehört es, daß der Verurteilte nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB darin einwilligt. Hat er diese Einwilligung abgelehnt, so entfällt die Aussetzungsmöglichkeit. Es genügt nach herrschender Meinung dann, die Weigerung in einem Aktenvermerk festzuhalten (vgl. Senat, Beschluß vom 3. April 2001 - 5 Ws 154/01 -; Fischer in KK, § 454 StPO Rdn. 26 mit weit. Nachw.; a.A. OLG Rostock NStZ 2001, 278 mit abl. Anm. Arnoldi NStZ 2001, 503). Dieser Vermerk ist dem Verurteilten mit dem Hinweis auf die jederzeit mögliche Nachholung der Einwilligung mitzuteilen (vgl. OLG Zweibrücken NStZ-RR 2001, 311; Fischer in KK, § 454 StPO Rdn. 9).

So vorzugehen, ist der Strafvollstreckungskammer freilich nur dann erlaubt, wenn sich das Fehlen der Einwilligung zweifelsfrei feststellen läßt (vgl. Fischer in KK, § 454 StPO Rdn. 7). Im Streitfall hatte der Verurteilte in dem Formblatt JVollz 548 die Erklärung, er willige in die Aussetzung nicht ein, gerade nicht abgegeben, sondern sich geweigert, das Formblatt überhaupt auszufüllen und zu unterschreiben. Sind sonst keine Erklärungen des Verurteilten vorhanden, mag es unbedenklich sein, dieses unzugängliche Verhalten als Ablehnung auszulegen. Im Streitfall hatte aber der Verteidiger am 21. August 2003 und 4. September 2003 sachliche Erklärungen zur Zwei-Drittel-Prüfung abgegeben. Diese hätten Anlaß geben können, den Gründen für die Weigerung nachzugehen, das Formblatt auszufüllen und die Einverständniserklärung unter Vermittlung der Anstalt abzugeben (vgl. für den Fall der Weigerung, sich zur Anhörung vorführen zu lassen: Fischer in KK, § 454 StPO Rdn. 27 mit Nachw.). Für die am 14. Oktober 2003 getroffene Verfügung, die Sache wegzulegen, kann diese Frage indes dahingestellt bleiben, weil das Verfahren dadurch nicht ursächlich verzögert worden ist. Der Verteidiger hatte selbst darum gebeten, auf ein Gutachten des Sachverständigen Dr. P... zu warten.

bb) Nachdem das Gutachten vorlag und der Verteidiger es dem Gericht mit Schriftsatz vom 2. August 2004 zugeleitet hatte, hätte die Strafvollstreckungskammer das Verfahren nicht erneut ohne Entscheidung abbrechen dürfen. Denn der Verteidiger hatte am 2. August 2004 ausdrücklich die Durchführung des Anhörungstermins beantragt. Damit oblag der Strafvollstreckungskammer nicht mehr von Amts wegen die Prüfung der vorzeitigen Entlassung, sondern auf Antrag des Verurteilten. Durch einen eigenen Antrag macht der Verurteilte seine bisherigen Nichteinverständniserklärungen (so man die Weigerung des Beschwerdeführers so auslegt) jedoch gegenstandslos (vgl. Fischer in KK, § 454 StPO Rdn. 26). Der Verteidiger gibt die Prozeßerklärungen für den Verurteilten ab. Beantragt er die vorzeitige Entlassung, so bedarf es einer zusätzlichen persönlichen Einverständniserklärung des Verurteilten nicht mehr. Die Strafvollstreckungskammer hat das verkannt.

Durch ihre erneute Ablehnung, in der Sache zu entscheiden, vom 2. Dezember 2004, die sie dem Verurteilten und dem Verteidiger noch nicht einmal mitgeteilt hat (vgl. OLG Zweibrücken NStZ-RR 2001, 311), hat sie den Rechtsverstoß noch vertieft, obwohl der Verteidiger zuvor im Schriftsatz vom 5. Oktober 2004 ausdrücklich und zutreffend auf die Rechtslage hingewiesen hatte. Der letzte Satz in dem Vermerk des Einzelrichters vom 2. Dezember 2004 behandelt den Verteidiger praktisch als ein Nullum. Daß diese Auffassung dessen gesetzlicher Aufgabe (vgl. Meyer-Goßner, vor § 137 StPO Rdnrn. 1, 2) widerstreitet, bedarf keiner weiteren Ausführungen.

c) Diese Versäumnisse sind nicht durch die Anhörung vom 7. Juli 2005 geheilt; denn sie fand vor einem unzuständigen Richter statt (siehe oben II. 2. a).

Auch der Versuch, den Beschwerdeführer am 29. September 2005 anzuhören, hat die Sache nicht erledigt (vgl. oben II. 1).

Das widersetzliche Verhalten des Beschwerdeführers, wodurch auch immer es verursacht ist, mag seine Aussichten auf eine ihm günstige Entscheidung über die Strafaussetzung mindern. Die Notwendigkeit, das Verfahrensrecht einzuhalten, beseitigt es nicht.

4. Die Kostenentscheidung zu Ungunsten des Beschwerdeführers beruht auf § 473 Abs. 1 StPO, diejenige zu seinen Gunsten auf §§ 467 Abs. 1, 473 Abs. 3 StPO. Der Beschwerdeführer war in drei Punkten seiner Rechtsmittel unterlegen und in einem erfolgreich.



Ende der Entscheidung

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