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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 12.10.2006
Aktenzeichen: 5 Ws 482/06
Rechtsgebiete: StGB, StVollzG


Vorschriften:

StGB § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
StVollzG § 18 Abs. 1 Satz 1
StVollzG § 201 Nr. 3
1. Vollzugslockerungen sind nicht notwendigerweise Voraussetzung für eine bedingte Entlassung (vgl. BVerfG StV 2003, 677). Vollzugslockerungen sind dann unbedingt erforderlich, wenn der Verurteilte dazu neigt, die Gesetze zu brechen oder zwar guten Willens, charakterlich möglicherweise zu schwach ist, um den außerhalb der Anstalt vorhandenen Versuchungen zu widerstehen. In einem solchen - häufigen - Fall ist es geboten, vor der Bewertung der Prognose als günstig zu probieren, ob und gegebenenfalls wie der Verurteilte seine Neigungen, Straftaten zu begehen, beherrschen kann.

2. Die mit dem Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 11. Oktober 2005 - 5 ARs (Vollz) 54/05 - (BGHSt 50, 234 = NJW 2006, 306 = StV 2006, 148) wiederhergestellte Rechtmäßigkeit der Doppelbelegung eines in einer vor 1977 gelegenen Anstalt nach 1977 errichteten Neubaus (a.A.: Senat NStZ-RR 1998, 191) darf wegen der resozialisierungsfeindlichen Auswirkungen der Doppelbelegung nicht dazu führen, daß die dadurch absehbar hervorgerufenen Probleme des Gefangenen ihm bei der Entscheidung über die Reststrafenaussetzung zur Last gelegt werden.


KAMMERGERICHT

Beschluß

Geschäftsnummer: 5 Ws 482/06

121 Js 11668/01- StA München I - 546 StVK 243/06

In der Strafsache gegen

wegen versuchten Totschlags

hat der 5. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 12. Oktober 2006 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft München I gegen den Beschluß des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 31. Juli 2006 wird mit der Maßgabe verworfen, daß die Restfreiheitsstrafe ab dem 20. Oktober 2006 zur Bewährung ausgesetzt wird.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten in diesem Rechtszug entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe:

Der Verurteilte verbüßt zur Zeit eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung aus dem Urteil des Landgerichts München I vom 26. April 2002. Zwei Drittel der Strafe waren am 23. April 2006 vollstreckt; das Strafende ist auf den 23. August 2008 notiert. Mit dem angefochtenen Beschluß hat die Strafvollstreckungskammer die Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe ab dem 11. August 2006 für die Dauer von vier Jahren zur Bewährung ausgesetzt. Sie hat den Verurteilten der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt sowie ihm mit seiner Zustimmung die Weisung erteilt, unmittelbar nach der Entlassung aus der Strafhaft eine ambulante Psychotherapie zu beginnen und deren Aufnahme und Fortführung dem Gericht nachzuweisen. Die gegen die Aussetzung der Vollstreckung gerichtete sofortige Beschwerde (§ 454 Abs. 3 Satz 1 StPO) der Staatsanwaltschaft München I hat keinen Erfolg. Der Senat teilt die Auffassung der Strafvollstreckungskammer, daß dem Verurteilten unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit die für eine vorzeitige Entlassung aus der Strafhaft erforderliche günstige Prognose (§ 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB) gestellt werden kann.

1. Allerdings ist bei Tätern, die - wie der Verurteilte - Gewalt- bzw. Aggressionsdelikte begangen haben, besonders kritisch zu prüfen, ob unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit die Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung verantwortet werden kann (vgl. Senat, Beschlüsse vom 21. September 2006 - 5 Ws 363/06 - und vom 6. Dezember 1999 - 5 Ws 651/99 -; std. Rspr.). Gerade Gewalttaten und die Tatgruppe der Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung haben den Gesetzgeber veranlaßt, mit der Einführung des Begriffs "Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit" in § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB in der Fassung dess Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (BGBl. I S. 160) den Gerichten aufzugeben, dem Aspekt besonderes Augenmerk zu widmen, daß der Täter sich durch solche Taten als besonders gefährlich erwiesen hat. Die Hervorhebung des Sicherheitsaspekts durch den Gesetzgeber führt zu einer Verstärkung der den Gerichten auferlegten Verantwortung gegenüber der Allgemeinheit (vgl. Senat, Beschluß vom 6. August 2001 - 5 Ws 741/00 -).

Danach kann die kritische Probe in Freiheit - auch dann, wenn der Verurteilte (wie hier) erstmals Freiheitsstrafe verbüßt - nur gewagt werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte es überwiegend wahrscheinlich machen, daß der Verurteilte sie besteht (vgl. Senat, Beschlüsse vom 6. August 2001 - 5 Ws 741/00 - und 28. Juni 2000 - 5 Ws 426/00 -). Das geforderte Maß der Wahrscheinlichkeit einer günstigen Prognose hängt maßgeblich von dem Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsgutes ab (vgl. BVerfG NStZ 2000, 109, 110; BGH NStZ-RR 2003, 200; OLG Saarbrücken NJW 1999, 439; OLG Koblenz NStZ 1998, 591; OLG Karlsruhe ZfStrVo 1999, 184, 185 - zu § 67 d Abs. 2 StGB). Die Wahrscheinlichkeit einer günstigen Prognose muß folglich bei gegen das Leben gerichteten Verbrechen besonders hoch sein, ohne allerdings ein vertretbares Restrisiko auszuschließen (vgl. BVerfG NStZ 1998, 373, 374; OLG Karlsruhe StV 2002, 322; Senat, Beschluß vom 6. August 2001 - 5 Ws 741/00 -).

Eine Reststrafenaussetzung kann danach nur dann verantwortet werden, wenn erprobt und durch Tatsachen, die sich nicht nur auf äußere Umstände beziehen dürfen, belegt ist, daß die charakterlichen Mängel und sonstigen Ursachen, die zu den Straftaten geführt haben, soweit behoben sind, daß die Rückfallgefahr nur noch sehr gering ist (vgl. KG NStZ-RR 2000, 170; Senat, Beschlüsse vom 12. Juli 2006 - 5 Ws 332/06 -, 18. Mai 2006 - 5 Ws 249-250/06 - und 15. März 2006 - 5 Ws 104/06 -; std. Rspr.). Allein der Wille, sich künftig straffrei zu führen, genügt nicht (vgl. KG, NStZ-RR 2000, 170; Senat, Beschlüsse vom 12. April 2006 - 5 Ws 183-184/06 - und 1. Juni 2004 - 5 Ws 267/04 -). Maßgeblich ist vielmehr eine günstige Entwicklung während des Vollzuges, die von besonderem Gewicht sein muß. Erforderlich ist insbesondere eine aktive Auseinandersetzung des Täters mit seinen Straftaten. Von einer solchen Aufarbeitung kann nur gesprochen werden, wenn der Verurteilte seine Straftaten als Fehlverhalten verinnerlicht und sie sich in ihrer konkreten Bedeutung, ihren Ursachen und Folgen so bewußt gemacht hat, daß eine Wiederholung dieses oder anderer Gesetzesverstöße wenig wahrscheinlich ist (vgl. Senat, Beschlüsse vom 12. Juli 2006 - 5 Ws 332/06 -, 29. Mai 2006 - 5 Ws 262/06 -, 12. April 2006 - 5 Ws 183-184/06 - und 11. Januar 2006 - 5 Ws 12-13/06 -; std. Rspr.). Im Einzelfall ist zu prüfen, ob im Haftverlauf Entwicklungsprozesse deutlich geworden sind, die ein Nachlassen oder Verschwinden der einstiegen Gefährlichkeit verdeutlichen und mithin zu einer deutlich anderen, positiven Beurteilung führen können (vgl. Kröber, NStZ 2000, 613, 614).

2. Auch unter Zugrundelegung dieses strengen Maßstabes ist die Aussetzung der weiteren Strafvollstreckung zur Bewährung hier vertretbar.

Die Strafvollstreckungskammer hat den Verurteilten am 10. April 2006 gemäß § 454 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO durch den Sachverständigen Dr. A... daraufhin begutachten lassen, ob keine Gefahr mehr besteht, daß die durch seine Tat zutage getretene Gefährlichkeit fortbesteht. Der Sachverständige bescheinigt dem Verurteilten eine überdurchschnittlich hohe Intelligenz. Persönlichkeitsbesonderheiten mit Krankheitswert diagnostizierte der Sachverständige nicht, sondern betonte, daß lediglich eine Neigung zur Verunsicherung und emotionalen Instabilität und zu damit verbundenem eigensüchtigen Verhalten besteht. Maßgebend für die Beurteilung, daß die Prognose günstig genug ist, um die kritische Probe in der Freiheit zu wagen, ist allerdings die erfreuliche Entwicklung des Verurteilten während der Haftzeit. Den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen zufolge neigte der zur Tatzeit 23-jährige Verurteilte zu einem unbekümmerten, jugendgemäßen Agieren, das mit einen mäßigen Cannabis- und Alkoholmißbrauch einherging. Die Verbüßung der Haft hat der Verurteilte genutzt, um an sich zu arbeiten. Er hat den qualifizierten Hauptschulabschluß erworben, Gespräche mit einer Psychologin und Pfarrern geführt, sowie sich einer Meditationsgruppe angeschlossen. Seit seiner Verlegung von der Justizvollzugsanstalt Landsberg nach Tegel am 13. September 2005 nimmt er an einer Schulungsmaßnahme zur Erlangung des Realschulabschlusses teil. Nach den Ausführungen des Sachverständigen hat es der Verurteilte während der fünfjährigen Strafvollstreckung gelernt, plötzlich aufwallende Gefühle, wie sie mitursächlich für die Tat waren, zu beherrschen und gelassener an provokante Situationen heranzugehen. Dadurch hat er gezeigt, daß er seine zur Tat hinführende Aggressivität und Impulsivität als Ursache für sein schwerwiegendes Fehlverhalten erkannt und bearbeitet hat. Insgesamt gesehen hat der Verurteilte während der Haftzeit eine deutliche Nachreifung erfahren und hat sich vom damaligen Umfeld gelöst. Zu seiner Familie, die ihn nach der Haftentlassung ebenso wie seine (Ex) Ehefrau, unterstützen will und insgesamt einen guten sozialen Empfangsraum bietet, hat er guten Kontakt.

3. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung. Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft München I sind seine Zukunftspläne, nämlich tagsüber zu arbeiten und in Abendkursen das Abitur nachzuholen, nicht unrealistisch. Richtig ist zwar, daß der Verurteilte im Alter von 17 Jahren die Schule abgebrochen hat, weil er "keinen Bock" und mehr Interesse an "Partys und Mädchen" hatte. Für diese Einstellung war aber seine damalige jugendliche Unbekümmertheit ursächlich, die jetzt aufgrund der erfolgten Nachreifung gewichen ist. Im übrigen hat der Beschwerdegegner bislang gezeigt, daß er sein Ziel, einen Schulabschluß zu erlangen, nachhaltig - und hinsichtlich des Hauptschulabschlusses erfolgreich - verfolgt.

Auch die Behauptung der Beschwerde, dem Verurteilten fehle nach wie vor die notwendige Opferempathie trifft in dieser Allgemeinheit nicht zu. Nach den Feststellungen des Urteils sowie nach seinen eigenen Angaben war der Beschwerdegegner im Jahre 1999 selbst einmal Opfer eines auf ihn mit einem Messer geführten lebensgefährlichen Angriffs. Das Versagen des seinerzeitigen Täters war dem des Beschwerdeführers bei seiner verfahrensgegenständlichen Tat sehr ähnlich. Auch jener griff aus Wut und verletztem Stolz nach einer bereits beendeten Auseinandersetzung zum Messer und verletzte seinen Gegner mit - allerdings nur - einem Messerstich. (Der Beschwerdeführer hat zweimal zugestochen). Dieses Ereignis war für die Bewaffnung des Beschwerdeführers mit einem Messer zumindest mitursächlich. Daß ihm der Zustand des Geschädigten nicht gleichgültig ist, folgt aus seinen Überlegungen, daß das Opfer auch dann psychische Probleme haben kann, wenn es keine bleibenden körperlichen Schäden davongetragen hat. Weiterhin hat der Verurteilte den Willen, dem Opfer Schadensersatz zu leisten. Soweit der Verurteilte gegenüber dem Sachverständigen zum Tathergang angab, er habe sich in seiner Ehre und seinem Stolz verletzt gefühlt, was er aus seiner Schulzeit kenne, ist damit keine Bagatellisierung verbunden. Seine damalige Motivation bekennt der Beschwerdeführer damit recht zutreffend. Sie läßt sich ebenfalls auf seinen damaligen, von noch jugendtümlicher Unreife und einem aufbrausenden und leichtsinnigen Temperament (UA S. 4) geprägten Lebensstil zurückzuführen und erlaubt angesichts der Entwicklung, die der Verurteilte in der Haft genommen hat, keinen negativen Schluß auf seine heutige Einstellung.

4. Nicht zu beanstanden ist, daß die Strafvollstreckungskammer die Restfreiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt hat, obwohl der Verurteilte noch nicht in Vollzugslockerungen erprobt wurde. Vollzugslockerungen sind nicht notwendigerweise Voraussetzung für eine bedingte Entlassung (vgl. BVerfG StV 2003, 677). Vollzugslockerungen sind dann unbedingt erforderlich, wenn der Verurteilte dazu neigt, die Gesetze zu brechen oder zwar guten Willens, charakterlich möglicherweise zu schwach ist, um den außerhalb der Anstalt vorhandenen Versuchungen zu widerstehen. In einem solchen - häufigen - Fall ist es geboten, vor der Bewertung der Prognose als günstig zu probieren, ob und gegebenenfalls wie der Verurteilte seine Neigungen, Straftaten zu begehen, beherrschen kann (vgl. Senat, Beschluß vom 4. Oktober 2006 - 5 Ws 362/06 -). So liegen die Dinge hier aber nicht. Denn bei der der Verurteilung zugrunde liegende Tat handelte es sich trotz der mehrfachen Verwicklung des Beschwerdeführers in tätliche Auseinandersetzungen (zwischen 1995 und 1999) in der lebensgefährlichen Ausprägung der Tathandlung um ein einmaliges, wenn auch sehr schweres Versagen des unreifen jungen Mannes, das auf verletzten Stolz zurückzuführen war, dem im Zusammenwirken mit übermäßigem Alkoholkonsum keine ausreichenden Hemmungen mehr entgegenstanden. Eine nachhaltige Neigung, Straftaten zu begehen, namentlich einen Lebensstil zu pflegen, der es voraussetzt, sich gewaltsam durchzusetzen, bestand bei dem Verurteilten hingegen nicht.

5. Der Senat teilt nicht die Auffassung der Justizvollzugsanstalt Tegel, wonach sich eine - anläßlich der aktuellen Fortschreibung des Vollzugsplans zur Versagung von Vollzugslockerungen führende - mangelnde Vereinbarungsfähigkeit des Verurteilten bereits daraus ergebe, daß er - nach gutem Beginn - vermehrte Fehlzeiten in der Schule hat und dadurch die Einschätzung der Staatsanwaltschaft München "der Verurteilte fange viel an, aber beende wenig" gestärkt werde. Richtig ist zwar, daß sich die schulischen Leistungen des Beschwerdegegners verschlechtert haben, seitdem er in der Teilanstalt VI - einem nach 1977 errichteten Gebäude - in einem doppelt belegten Haftraum untergebracht ist und er deshalb unter Konzentrations- und Schlafstörungen leidet. Allerdings gereicht es nicht ihm zum Verschulden, wenn sich die Unterbringung in einem doppelt belegten Haftraum ungünstig auf seine Leistungsfähigkeit auswirkt.

Denn die zwangsweise gemeinschaftliche Unterbringung von Gefangenen während der Ruhezeit widerspricht den Vollzugsgestaltungsgrundsätzen nach § 3 StVollzG und läßt sich mit dem Vollzugsziel der Resozialisierung nicht in Einklang bringen (vgl. Kellermann/Köhne in AK-StVollzG, 5. Aufl., § 18 Rdn. 3). Der in § 18 Abs. 1 Satz 1 StVollzG festgelegte Grundsatz der Einzelunterbringung bei Nacht dient dazu, den seit Jahrzehnten bekannten (vgl. Calliess/Müller-Dietz, StVollzG 10. Aufl., § 18 Rdn. 1 mit Nachw.) schädlichen Auswirkungen gemeinschaftlicher Unterbringung während der Ruhezeit gegenzusteuern. Da sich der verfahrensgegenständliche Haftraum in einem nach 1977 errichteten Neubau befindet, wäre die Unterbringung nach der Rechtsprechung des Senats rechtswidrig gewesen, weil die Übergangsbestimmung des § 201 Nr. 3 StVollzG auf Anstalten begrenzt ist, mit deren Errichtung vor Inkrafttreten des Strafvollzugsgesetzes begonnen worden ist (vgl. NStZ-RR 1998, 191). Sie wurde dementsprechend auch etwa sieben Jahre über in Berlin gegen den Willen des Gefangenen nicht praktiziert.

Die Rechtswidrigkeit ist mit dem Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 11. Oktober 2005 - 5 ARs (Vollz) 54/05 - (BGHSt 50, 234 = NJW 2006, 306 = StV 2006, 148) entfallen. Danach ist nicht auf das Baujahr des einzelnen Gebäudes, sondern auf den Gesamtzustand der Justizvollzugsanstalt abzustellen - der sich bei der Justizvollzugsanstalt Tegel dadurch auszeichnet, daß die Gebäude der Teilanstalten I, II und III sowie der Sozialtherapeutischen Anstalt vor 1977 errichtet worden sind und nur diejenigen der Teilanstalten V und VI danach.

Die so bewirkte Wiederherstellung der Rechtmäßigkeit des mißbilligenswerten und resozialisierungsfeindlichen Zustands der ständigen Überbelegung darf indes nicht dazu führen, daß die Vollzugsbehörde die durch die nunmehr wieder erlaubte Doppelbelegung eines in einer "alten Anstalt" gelegenen Neubaus absehbar hervorgerufenen Probleme des Gefangenen ausgerechnet ihm, der auf die derartige Gestaltung der Haftverhältnisse keinerlei Einfluß hat, als einen Mangel an Vereinbarungsfähigkeit oder als Fehlen von Zielstrebigkeit zur Last legt.

6. Die kaum jemals zu erlangende Gewißheit, daß der Verurteilte dauerhaft keine Straftaten mehr begehen wird, ist im übrigen selbst bei lebenslanger Freiheitsstrafe (vgl. BVerfG NStZ 1998, 373, 374; Senat, Beschluß vom 22. September 2004 - 5 Ws 476/04 -) keine Voraussetzung für die Reststrafenaussetzung. Ein geringes Restrisiko ist daher auch im vorliegenden Fall hinzunehmen, zumal dieses nach Auffassung der Sachverständigen, der sich der Senat anschließt, relativ gering ist.

7. Der Senat setzt daher den Strafrest ab dem 20. Oktober 2006 (Tagesende) zur Bewährung aus. Im übrigen verbleibt es bei den Begleitentscheidungen des angefochtenen Beschlusses.

Eine Anordnung nach § 43 Abs. 10 Nr. 3 StVollzG trifft der Senat nicht.

8. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO. Die Entscheidung über die notwendigen Auslagen beruht auf § 473 Abs. 2 Satz 1 StPO.



Ende der Entscheidung

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