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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 10.11.2006
Aktenzeichen: 5 Ws 597/06 Vollz
Rechtsgebiete: StVollzG


Vorschriften:

StVollzG § 53 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
5 Ws 597/06 Vollz

541 StVK 76/06 Vollz

In der Strafvollzugssache

des Strafgefangenen

wegen Einbringung von Räucherstäbchen

hat der 5. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 10. November 2006 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Gefangenen auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung von Prof. Dr. M... zur Durchführung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 18. September 2006 wird abgelehnt.

Die Rechtsbeschwerde des Gefangenen gegen den vorbezeichneten Beschluß wird als unzulässig verworfen.

Der Gefangene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Der Gefangene verbüßt zur Zeit zwei Freiheitsstrafen in der Teilanstalt III der Justizvollzugsanstalt Tegel. Er bekennt sich zum buddhistischen Glauben. Seit längerer Zeit benutzt er in seinem Haftraum Räucherstäbchen, die ihm von den Bedien-steten der Justizvollzugsanstalt ausgehändigt wurden. Seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 20. Januar 2006, ihm - erneut - Räucherstäbchen zur Abhaltung seiner buddhistischen Gebete auszuhändigen, hat die Strafvollstreckungskammer mit dem angefochtenen Beschluß abgelehnt. Mit seiner Rechtsbeschwerde rügt der Gefangene die Verletzung formellen und materiellen Rechts und beantragt die Gewährung von Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung von Prof. Dr. M....

I.

Prozeßkostenhilfe kann nicht bewilligt werden, weil das Rechtsmittel keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 120 Abs. 2 StVollzG, § 114 ZPO). Der Senat entscheidet darüber zugleich mit der Verwerfung der Rechtsbeschwerde, weil der Beschwerdeführer ihre Einlegung nicht von der vorherigen Bewilligung abhängig gemacht hat (vgl. OLG Koblenz NStZ-RR 1997, 187; KG FamRZ 1981, 484, 485; Senat, Beschlüsse vom 17. November 2003 - 5 Ws 537/03 Vollz - und 29. Mai 2001 - 5 Ws 271/01 Vollz -).

Ihre Gewährung ist auch nicht erforderlich, um dem verfassungsrechtlichen Gebot Rechnung zu tragen, an die Aussicht auf Erfolg keine gesteigerten Anforderungen zu stellen. Deren Prüfung darf, um Bemittelte und Unbemittelte so weit wie möglich gleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 78, 104, 117 = NJW 1988, 2231), nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung selbst in das summarische Prozeßkostenhilfeverfahren zu verlagern. Denn dieses Verfahren soll den grundgesetzlich garantierten Rechtsschutz nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen (vgl. BVerfGE 81, 347, 357 = NJW 1991, 413; BVerfG NJW 2000, 2098). Das Begehren des Antragstellers hat keine Aussicht auf Erfolg und wirft - anders als etwa die den Entscheidungen BVerfG NJW 2004, 1789; NJW 2003, 3190; StV 2002, 272; NJW 2000, 1936, zugrundeliegenden Fallgestaltungen - auch keine schwierigen, bisher nicht geklärten Rechtsfragen auf.

II.

Die Rechtsbeschwerde erfüllt nicht die besonderen Voraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG. Sie betrifft keine Rechtsfrage, die eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hätte und dadurch eines klärenden Wortes des Senats bedürfte. Die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer gefährdet auch nicht die Einheitlichkeit der Rechtsprechung.

1. Die Verfahrensrüge ist entgegen § 118 Abs. 2 Satz 2 StVollzG nicht ausreichend ausgeführt. Der Beschwerdeführer teilt in der Begründung seines Rechtsmittels nicht mit, welche Tatsachen das Landgericht seiner Ansicht nach dazu drängen müssen, den Sachverhalt weiter aufzuklären. Im übrigen ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung hinreichend geklärt, in welchem Umfang und nach welchen Rechtsgrundsätzen die Strafvollstreckungskammern in Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz den Sachverhalt zu erforschen haben (vgl. Senat, Beschlüsse vom 27. Januar 2004 - 5 Ws 24/04 Vollz - und vom 8. Juli 2003 - 5 Ws 335/03 Vollz - ; Calliess/Müller-Dietz, StVollzG 10. Aufl. § 115 Rdn. 3, 4 m.w.N.).

2. Das rechtliche Gehör des Gefangenen wurde nicht dadurch verletzt, daß ihm die in der Stellungnahme des Anstaltsleiters vom 7. Februar 2006 zitierte Entscheidung des Senats (Beschluß vom 7. März 2003 - 5 Ws 100/03 Vollz -) nicht zugänglich gemacht wurde. Denn das rechtliche Gehör bedeutet lediglich, daß dem Betroffenen Gelegenheit gegeben werden muß, Anträge zu stellen und Ausführungen dazu zu machen und daß das Gericht seine Ausführungen zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen muß. Es bedeutet hingegen nicht, daß dem Antragsteller - insbesondere ohne Aufforderung - alle gerichtlichen Entscheidungen, die zu den entsprechenden Rechtsfragen ergangen sind, zugänglich gemacht werden müssen. An diese Grundsätze hat sich die Strafvollstreckungskammer gehalten.

3. Obergerichtlich ist geklärt, daß weder Art. 4 Abs. 2 GG noch § 53 Abs. 3 StVollzG dem Gefangenen einen Anspruch auf Gegenstände verleihen, deren Benutzung seine geordnete Unterbringung in der Haftanstalt in Frage stellen können (vgl. Senat, Beschluß vom 7. März 2003 - 5 Ws 100/03 Vollz -).

Ein Recht des Gefangenen auf Überlassung von Räucherstäbchen folgt nicht aus § 53 Abs. 3 StVollzG. Ob Räucherstäbchen Gegenstände des religiösen Gebrauchs darstellen, ist bereits zweifelhaft. Einerseits ist der Begriff des religiösen Gebrauchs wie derjenige der Religionsausübung unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Grundrechts der Religionsfreiheit extensiv auszulegen (vgl. BVerfGE 24, 236, 246; Senat, Beschluß vom 20. Januar 2005 - 5 Ws 654/04 Vollz -). Andererseits fehlt in den meisten Fällen des Abbrennens von Räucherstäbchen offenkundig jegliche religiöse Verbindung. Denn diese finden im alltäglichen Leben verbreitet Anwendung, um eine angenehme Atmosphäre zu verbreiten, ohne daß eine religiöse Beziehung besteht. Die Frage bedarf aber keiner abschließenden Erörterung, da der Antrag des Gefangenen auch dann erfolglos bleiben muß, wenn man Räucherstäbchen - was eher fernliegend ist - als Gegenstand religiösen Gebrauchs ansehen würde. Denn die für das buddhistische Gebet erforderliche meditative Versenkung, bei der Räucherstäbchen im Buddhismus Verwendung finden, kann der Gefangene auch ohne Benutzung dieser Stäbchen erlernen.

Die Ausübung der Religionsfreiheit findet dort ihre Grenze, wo sie die für den Vollzug der Freiheitsstrafen notwendige Funktion der Anstalt, die sichere und geordnete Unterbringung der ihr anvertrauten Gefangenen, in Frage stellt und mit schwerwiegenden Gefahren für Dritte verbunden ist (vgl. Senat, Be-schluß vom 20. Januar 2005 - 5 Ws 654/04 Vollz -). Diese der Grundrechtsausübung immanente Schranke überschreitet den Besitz von Räucherstäbchen in den Hafträumen, da diese vor allem dazu geeignet sind, die Gerüche von Drogen, wie z. B. Haschisch, zu überdecken.

4. Der Gefangene kann auch kein Recht auf Aushändigung von Räucherstäbchen daraus herleiten, daß ihm diese in der Vergangenheit mehrmals ausgehändigt wurden. Denn es ist obergerichtlich geklärt, daß ein Widerruf begünstigender Maßnahmen in sinngemäßer Anwendung von § 14 Abs. 2 StVollzG zulässig ist, wenn nach der Anordnung Umstände eingetreten sind, die die Vollzugsbehörde, hätte sie die spätere Entwicklung vorausgesehen, berechtigt hätte, die Vergünstigung zu versagen. Dabei können sogar Umstände berücksichtigt werden, die außerhalb der Person des betroffenen Gefangenen und seiner Einflußmöglichkeiten liegen (vgl. Senat, Beschluß vom 21. März 2001 - 5 Ws 174/01 Vollz -).

So liegen die Dinge hier. Denn der Besitz von Räucherstäbchen kann untersagt werden, wenn sich herausstellt, daß deren starker Duft die Kontrollen in Bezug auf Drogen und Alkohol behindern. Dies hat für den Beschwerdeführer auch einen konkreten Grund, denn er mußte bereits wegen Cannabismißbrauchs auf der Abschirmstation für Dealer untergebracht werden. Mithin sind effektive, nicht durch andere Gerüche erschwerte, Drogenkontrollen gerade bei diesen Gefangenen unerläßlich.

Der Gefangene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen (§ 121 Abs. 4 StVollzG, § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO).



Ende der Entscheidung

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