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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 19.01.2005
Aktenzeichen: 5 Ws 653/04 Vollz
Rechtsgebiete: StVollzG, SGB IV


Vorschriften:

StVollzG § 43 Abs. 2 Satz 2
StVollzG § 46
StVollzG § 112 Abs. 1
StVollzG § 118 Abs. 2
StVollzG § 198 Abs. 3
StVollzG § 199 Abs. 1 Nr. 1
StVollzG § 200
SGB IV § 18
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
5 Ws 653/04 Vollz

In der Strafvollzugssache

wegen Taschengeldes

hat der 5. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 19. Januar 2005 beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde des Gefangenen gegen den Beschluß des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 24. März 2004 wird verworfen.

Der Antrag des Gefangenen auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe durch Beiordnung des Rechtsanwalts R. wird verworfen.

Der Gefangene hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Mit dem Antrag vom 21. September 2004 begehrte der Gefangene, der bis zum 14. Februar 2005 eine Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt Tegel verbüßt und unverschuldet ohne Arbeit ist, das nach § 46 StVollzG für den Monat Mai gewährte Taschengeld auf 32,12 EUR anstatt auf 27,74 EUR festzusetzen und ihm die Differenz von 4,38 EUR gutzuschreiben. Um diesen Betrag war das Taschengeld für den Monat Mai 2004 gegenüber demjenigen für andere gleich lange Monate zurückgeblieben, z. B. den August 2004, als es 32,12 EUR erreichte. Die Differenz zu jenem Monat ergab sich, weil beide Monate zwar mit 31 Tagen gleich lang sind, der Mai aber nur 19 Arbeitstage aufwies, der dem Gefangenen als Beispiel dienende August 2004 indes 22 Tage. Nachdem sich der Beschwerdeführer die (zwangsläufig) schon gegenüber früheren Monaten aufgetretene Differenz zunächst nicht erklären konnte, wandte er sich zunächst mündlich und sodann ab 22. Juli 2004 schriftlich erfolglos an die Zahlstelle, zuletzt am 18. August 2004 an das Lohnbüro, von dem er keine Antwort erhielt.

Die Strafvollstreckungskammer hat den Antrag mit dem angefochtenen Beschluß vom 8. November 2004 als unzulässig zurückgewiesen, weil er die Frist des § 112 Abs. 1 StVollzG nicht wahre. Hilfsweise hat sie ihn sachlich beschieden und die Berechnung der Anstalt für zutreffend erklärt, pro Arbeitstag 1,46 EUR Taschengeld zu gewähren. Mit der Rechtsbeschwerde rügt der Gefangene die Verletzung formellen und materiellen Rechts. In der Sache ist er der Auffassung, die Koppelung des Taschengeldes an die Zahl der Arbeitstage benachteilige ihn rechtswidrig in denjenigen Monaten, in denen - etwa wegen vieler gesetzlicher Feiertage - weniger gearbeitet werde. Die Lebenshaltungskosten in der Haft müßten aber nach der Zahl der Tage im Monat berechnet werden. Das Rechtsmittel hat ebenso wie sein Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe keinen Erfolg.

1. Allerdings hätte die Strafvollstreckungskammer den Antrag nicht als verspätet zurückweisen dürfen. Denn die Frist des § 112 Abs. 1 StVollzG begann nicht mit der Aushändigung des Lohnscheines am 11. Juni 2004, der ein Taschengeld von 27,74 EUR auswies. Der Gefangene hat danach mannigfaltige Anstrengungen unternommen, die Diskrepanz zu gleich langen Monaten aufzuklären, in denen der Taschengeldanspruch höher war. Einen Bescheid der Anstalt hat er nicht erhalten, so daß die Frist des § 112 Abs. 1 StVollzG nicht in Lauf gesetzt worden ist.

Da die Strafvollstreckungskammer den Antrag auf gerichtliche Entscheidung aber auch inhaltlich beschieden und so das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers gewahrt hat, hat sich dieser Fehler im Ergebnis nicht ausgewirkt.

2. Die formelle Rüge ist unzulässig. Soweit sie sich mit der Zurückweisung des Antrages als verspätet befaßt, beruht der angefochtene Beschluß nicht darauf. Die Ausführungen zur Besorgnis der Befangenheit der Richterin sind unzulässig, da der Beschwerdeführer entgegen § 118 Abs. 2 StVollzG nicht mitteilt, daß er in diesem Verfahren einen Ablehnungsantrag gestellt hat, welchen Inhalt dieser hatte und welche Entscheidung darauf ergangen ist. Eine nachträgliche Ablehnung der Vorsitzenden der Strafvollstreckungskammer noch im Rechtsbeschwerdeverfahren ist nicht möglich.

3. Die Sachrüge führt nicht zur Zulassung des Rechtsmittels. Denn es ist nicht erforderlich, daß der Senat zu einer Frage des Strafvollzugsrechts ein klärendes Wort spricht (§ 116 Abs. 1 StVollzG). Die von dem Beschwerdeführer aufgeworfenen Fragen sind bereits obergerichtlich entschieden.

Das Taschengeld wird in "angemessener" Höhe gewährt (vgl. OLG Koblenz NStZ 1983, 526 = ZfStrVO 1984, 186; Senat, Beschluß vom 16. Oktober 1987 - 5 Ws 280-284/87 Vollz - (damals noch in Höhe von 25% der Eckvergütung); KG NStZ-RR 2002, 254; Beschluß vom 14. März 2002 - 5 Ws 49/02 - (zur Höhe von 14% der Eckvergütung). Die Einzelberechnung des Taschengeldes auf der Grundlage der auf der Aufteilung des Jahres in 250 Arbeitstage beruhenden Tagessätze hat der Senat bereits in seinem Beschluß vom 16. Oktober 1987 - 5 Ws 280-284/87 Vollz - gebilligt. Daran hält er fest.

a) Der Anspruch des Gefangenen auf Taschengeld ist in § 46 StVollzG in der nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 StVollzG geltenden Fassung geregelt. Damit besteht entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers eine gültige gesetzliche Grundlage. Daß der ursprünglich in der Fassung vom 16. März 1976 vorgesehene Gesetzestext noch nicht in Kraft getreten ist, weil es an dem nach § 198 Abs. 3 StVollzG erforderlichen Bundesgesetz fehlt, ist mit dem Grundgesetz ohne weiteres vereinbar, was daraus erhellt, daß das Bundesverfassungsgericht die Vorschrift in ihrer gegenwärtigen Form ohne besondere Erörterungen anwendet (vgl. BVerfG NStZ 2003, 109). Zudem stellt sich die Frage, ob aus verfassungsrechtlichen Gründen nach nunmehr 27 Jahren nach dem Inkrafttreten des Strafvollzugsgesetzes der ursprünglichen Fassung der Vorschrift Gültigkeit verschafft werden müßte, für den Streitfall überhaupt nicht, weil jene Wortwahl kein anderes Ergebnis zeitigen würde als die geltende. Die Unterschiede betreffen nämlich nur die Folgewirkung daraus, daß die Ausfallentschädigung, von der in der nicht geltenden Fassung des § 46 StVollzG die Rede ist, in § 45 StVollzG geregelt wird, der seinerseits - verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. Senat, Beschluß vom 18. Januar 2005 - 5 Ws 681/04 Vollz - den Beschwerdeführer betreffend) - noch nicht in Kraft getreten ist (vgl. Arloth/Lückemann, § 46 StVollzG Rdn. 1).

b) Nach § 46 StVollzG hat der Gefangene Anspruch auf ein "angemessenes" Taschengeld. Was angemessen ist, bestimmt nicht das Gesetz selbst, sondern Nr. 2 Satz 1 der VV zu § 46 (in der Fassung des § 199 Abs. 1 Nr. 1 StVollzG). Er lautet: "Das Taschengeld beträgt 14 v.H. der Eckvergütung (§ 43 Abs. 2 StVollzG)." "Eckvergütung" ist nach der Definition in § 43 Abs. 2 Satz 2 StVollzG der in § 200 StVollzG bestimmte, derzeit 9% betragende Satz der Bezugsgröße nach § 18 SGB IV. Dies ist eine auf das Jahr bezogene Rechengröße, die im Jahr 2004 den Wert 2608,20 EUR erreichte (vgl. Arloth/Lückemann, StVollzG, § 43 Rdn. 8). 14% davon ergeben 365,15 EUR Taschengeldanspruch im Jahr. Auf 250 Arbeitstage des Jahres verteilt, beträgt der Tagessatz 1,46 EUR. Diesen hat die Justizvollzugsanstalt gewährt.

Die Richtigkeit dieser Berechnung ist geklärt (vgl. Senat, Beschluß vom 16. Oktober 1987 - 5 Ws 280-284/87 Vollz -).

aa) Die Grundsätze zur Bedeutung der Verwaltungsvorschriften waren bereits Gegenstand einer Vielzahl obergerichtlicher Entscheidungen. Die Verwaltungsvorschriften stellen eine Entscheidungshilfe für die Vollzugsbehörde dar, die der Gleichbehandlung aller Gefangenen dient (vgl. OLG Hamm ZfStrVO 1987, 369; NStZ 1984, 143; OLG Hamburg NStZ 1981, 237; OLG Frankfurt am Main NStZ 1978, 334; Senat, Beschlüsse vom 3. Juli 2002 - 5 Ws 311/02 Vollz - und 30. Mai 1984 - 5 Ws 82/84 Vollz - mit weit. Nachw.; KG, Beschluß vom 14. Oktober 2004 - 4 VAs 47/03 -).

bb) Die Vollzugspraxis bemißt das Taschengeld auf der Grundlage von Arbeitstagen, wenngleich die Angemessenheit von dessen Höhe als finanzieller Mindestausstattung eher von der Gesamtzahl der Tage im Monat abhängen dürfte (vgl. Matzke in Schwind/Böhm, StVollzG 3. Aufl., § 46 Rdn. 7), was auch der Beschwerdeführer meint. Die in der Praxis bevorzugte Aufteilung, die auch Gegenstand eines Gesetzentwurfs des Bundesrates war (§ 46 Abs. 3 StVollzG-E, BT-Drs. 11/3694, S. 5) folgt aus der Abhängigkeit des Taschengeldes von der Rechengröße "Eckvergütung", die sich ihrerseits aus dem Arbeitseinkommen errechnet. Sie ist rechtlich nicht zu beanstanden. Es kann nicht die Rede davon sein, daß gesetzliche Feiertage, Sonnabende und Sonntage von der Gewährung des Taschengeldes ausgenommen seien. Sie dienen lediglich nicht als Rechnungsgröße.

Mit dieser Berechnung entsteht dem Gefangenen nämlich kein Nachteil. Das zeigt sich aufgrund folgender Proberechnungen: Verteilt man den Jahresbetrag auf zwölf Monate und zahlt ihn in allen Monaten gleichmäßig aus, so beträgt er 30,43 EUR, also durchschnittlich weniger als der Gefangene für den Beispielsmonat Monat August 2004 erhalten hat. Bereits daran kann der Antragsteller ablesen, daß sich die begehrten 32,12 EUR mathematisch nicht für jeden Monat mit 31 Tagen erreichen lassen. Verteilte man den Jahresbetrag, wie es der Beschwerdeführer begehrt, auf 365 oder 366 Tage des Jahres, so betrüge der Tagessatz nur 1,004 EUR bzw. 0,9976 EUR, gerundet 1,00 EUR, was mit geringen Rundungsdifferenzen zu demselben Jahresergebnis führt (7 x 31 EUR = 217 EUR, plus 4 x 30 EUR = 120 EUR plus 1 x 28 bzw. 29 EUR = 28 bzw. 29 EUR, insgesamt 365 bzw. 366 EUR, im Vierjahresrhythmus also durchschnittlich 365,25 EUR).

In einem Bundesland wie Berlin, in dem die Zahl der gesetzlichen Feiertage gering gehalten worden ist (z. B. sind Fronleichnam, Reformationstag, Allerheiligen in Berlin Arbeitstage), kann dem Gefangenen diese Berechnung sogar zum Vorteil gereichen, weil im Jahr mehr als 250 Arbeitstage erreicht werden können (vgl. Senat, Beschluß vom 16. Oktober 1987 - 5 Ws 280-284/87 Vollz -).

4. Prozeßkostenhilfe konnte nicht gewährt werden, weil die Rechtsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg hatte (§ 120 Abs. 2 StVollzG, § 114 ZPO). Sie hatte entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers auch keine grundsätzliche Bedeutung. Angesichts dessen, daß über die von dem Beschwerdeführer aufgeworfenen Rechtsfragen bereits obergerichtlich entschieden war und der Anspruch überdies einen sehr kleinen Geldbetrag betraf, bei dem die Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung eher naheliegt als bei der Behauptung einer tiefgreifenden Rechtsverletzung namentlich persönlicher Grundrechte, mußte die Prozeßkostenhilfe auch nicht nach den Grundsätzen von BVerfGE 81, 347, 357 = NJW 1991, 413; BVerfG NJW 2000, 2098 gewährt werden (vgl. Senat, Beschlüsse vom 31. Januar 2003 - 5 Ws 52/03 Vollz -; 15. März 2002 - 5 Ws 138/02 Vollz - und 20. Dezember 1999 - 5 Ws 756/99 Vollz -).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 4 StVollzG, § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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