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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 21.12.2006
Aktenzeichen: 5 Ws 690/06
Rechtsgebiete: StGB
Vorschriften:
StGB § 68 f |
KAMMERGERICHT
Beschluß
Geschäftsnummer: 5 Ws 690/06
In der Strafsache gegen
wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
hat der 5. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 21. Dezember 2006 beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Verurteilten wird der Beschluß des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 6. November 2006 aufgehoben.
Mit der Entlassung der Verurteilten aus dem Strafvollzug ist keine Führungsaufsicht eingetreten; die ihr erteilten Weisungen entfallen.
Die Landeskasse Berlin hat die Kosten der sofortigen Beschwerde und die im Beschwerderechtszug entstandenen notwendigen Auslagen der Verurteilten zu tragen.
Gründe:
Die Beschwerdeführerin verbüßte bis zum 24. Oktober 2006 eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten, zu der das Landgericht Berlin sie am 9. Mai 2001 wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und zugleich zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Einsatzstrafe: zwei Jahre und zwei Monate Freiheitsstrafe) sowie wegen unerlaubten Erwerbes von Betäubungsmitteln verurteilt hat. Als voraussichtliches Strafende war der 19. November 2006 vorgesehen. Die Verurteilte wurde aufgrund des Gnadenerweises der Senatsverwaltung für Justiz zu Weihnachten 2006 - IIIC -4250 -III.2 - vom 25. Juli 2006 bereits am 24. Oktober 2006 aus der Haft entlassen.
Mit dem angefochtenen Beschluß hat die Strafvollstreckungskammer es abgelehnt, die Führungsaufsicht entfallen zu lassen oder ihre Dauer abzukürzen. Sie hat die Verurteilte der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt und ihr ergänzende Weisungen erteilt. Gegen diesen Beschluß richtet sich ihr als Beschwerde bezeichnetes Rechtsmittel, mit dem sie sich dem Wortlaut nach nur gegen die Dauer der Führungsaufsicht und gegen einzelne Weisungen wendet, das aber als sofortige Beschwerde (§§ 463 Abs. 3 Satz 1, 454 Abs. 3 Satz 1, 300 StPO) zu behandeln ist, weil das rechtliche Begehren der Beschwerdeführerin nur so in seiner gesamten Tragweite erfaßt und ihr substantieller Anspruch auf wirksame gerichtliche Kontrolle der angefochtenen Entscheidung (vgl. Meyer-Goßner, StPO 49. Aufl., § 300 Rdn. 1) zum Tragen gebracht werden kann. Die sofortige Beschwerde hat Erfolg.
Dem angefochtenen Beschluß fehlt die rechtliche Grundlage. Die Voraussetzungen des § 68 f Abs. 1 Satz 1 StGB für den Eintritt der Führungsaufsicht kraft Gesetzes liegen nicht vor. Die Verurteilte hat die Strafe nicht, wie in der genannten Vorschrift vorausgesetzt, "vollständig" verbüßt. Vollständig vollstreckt ist eine Strafe, wenn nach den gesetzlichen Vorschriften ihr Ende erreicht ist, wobei auch einzelne Tage, in denen sich der Verurteilte nicht in der Haftanstalt aufhält (Urlaub, Sonderurlaub etc.), als verbüßt gelten (vgl. BGH MDR 1982, 766, 767). Das Strafende ist nicht erreicht, wenn der Gefangene aufgrund eines Gnadenerweises oder einer Amnestie vorzeitig entlassen wird; denn eine solche Entlassung beruht nicht auf dem Gesetz, sondern auf einem politischen Gnadenakt (vgl. KG JR 1979, 293; Senat ZfStrVo 2004, 112-114 = NStZ 2004, 228-229).
Zwar ist die Weihnachtsamnestie der Verurteilten zu Unrecht gewährt worden. Der vorbezeichnete Gnadenerweis der Senatsverwaltung für Justiz bestimmt: "Von der vorzeitigen Entlassung sind Gefangene ausgeschlossen, gegen die ... b) nach § 68 f Abs. 1 Satz 1 StGB die Führungsaufsicht kraft Gesetzes eintritt." Unter diese Gruppe fiel die Verurteilte. Das ändert aber nichts. Denn die Rechtsfolgen des § 68f StGB setzen die tatsächlich erfolgte Vollverbüßung voraus. Darauf, ob die Strafe bei ordnungsgemäßem Vorgehen hätte vollständig vollstreckt werden müssen, kommt es nicht an. Zwar geböten die Zwecke der Vorschrift, die sowohl in der Fürsorge für den langzeitig Inhaftierten als auch in der Überwachung des noch Gefährdeten und möglicherweise noch gefährlichen Rechtsbrechers bestehen (vgl. Senat NStZ-RR 2005, 42, 43) die Anwendung auch auf diesen Fall. Die Gerichte sind aber nicht berechtigt, eine für den Verurteilten belastende Rechtsfolge über den Wortlaut der Vorschrift hinaus festzusetzen (vgl. BVerfG MedR 2006, 586-588).
Da mit der Entlassung der Beschwerdeführerin aus der Strafhaft keine Führungsaufsicht eintreten wird, haben auch die Weisungen zu entfallen.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.
Ende der Entscheidung
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