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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 10.01.2006
Aktenzeichen: 5 Ws 7/06
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 63
StPO § 454 Abs. 2
Auch in den Fällen der Unterbringung nach § 63 StGB besteht die Verpflichtung zur Einholung eines externen Sachverständigengutachtens nach § 454 Abs. 2 StPO nur dann, wenn das Vollstreckungsgericht die Aussetzung der Maßregel tatsächlich in Betracht zieht (a.A: OLG Hamm StV 2004, 273).
5 Ws 7/06 1 AR 1409/05

In der Unterbringungssache gegen

wegen Körperverletzung u. a.

hat der 5. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 10. Januar 2006 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Untergebrachten gegen den Beschluß des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 19. September 2005 wird aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen (§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO).

Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung.

1. Soweit der Beschwerdeführer beanstandet, seine Ehe sei nicht 1988 gescheitert, sondern bereits 1985 geschieden worden, er habe nicht mit seiner geschiedenen Frau, sondern mit einer anderen einen Sohn und einen Namen als Künstler habe er sich nicht 1992, sondern bereits vor August 1981 gemacht, so mag das alles zutreffen, ist aber für die Prognoseentscheidung ohne jede Bedeutung.

2. Die Einholung des Gutachtens eines externen Sachverständigen hat die Strafvollstreckungskammer zu Recht abgelehnt.

a) Der Senat teilt die Auffassung des von der Beschwerde zitierten OLG Hamm (StV 2004, 273) nicht, wonach in Fällen des §§ 63 StGB schon die Vorfrage, ob eine Aussetzung der Maßregel überhaupt in Betracht kommt, nur nach Einholung des Gutachtens eines (externen) Sachverständigen beantwortet werden kann. Diese Auffassung hätte die sachwidrige und abwegige Konsequenz, daß auch ohne jegliche positive Entwicklung des Untergebrachten im Vollzug automatisch bei der jährlichen Überprüfung (§ 67 e Abs. 2 StGB) ein Gutachten einzuholen wäre, was zudem angesichts der geringen Zahl kompetenter Sachverständiger für Prognosegutachten nicht sinnvoll leistbar wäre (vgl. KG NJW 1999, 1797, 1798 m.weit.Nachw.).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschlüsse vom 22. Juni 2004 - 5 Ws 316/04 -; 2. Oktober 2003 - 5 Ws 486/03 -; 2. März 2000 - 5 Ws 143/00 -; 15. Oktober 1999 - 5 Ws 611/99 -), die sowohl dem Sinn als auch dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung (§§ 463 Abs. 3 Satz 3, 454 Abs. 2 StPO) entspricht, ist auch in Fällen der Unterbringung nach § 63 StGB selbst für die Entscheidung über deren Fortdauer, um so mehr für die Vorfrage, ob die Aussetzung der Maßregel in Betracht zu ziehen ist, ein (externes) Sachverständigengutachten nur bei länger dauernder Unterbringung insbesondere dann einzuholen, wenn sich eine günstige Entwicklung in der Behandlung des Untergebrachten ergeben hat, aufgrund derer die Aussetzung in Betracht gezogen werden kann, die letzte (externe) Begutachtung länger zurückliegt und die der Gefahr der Routine ausgesetzte Stellungnahme der Ärzte des Maßregelvollzugskrankenhauses nicht mehr ausreicht, dem Gericht eine hinreichend gesicherte Tatsachengrundlage zu verschaffen (so auch: Thüring. OLG Jena NStZ 2000, 224 = StV 2001, 26 = ZfStrVo 2000, 53, das - wie der Senat - die in der genannten Entscheidung des OLG Hamm zitierte entgegenstehende Auffassung des OLG Celle (NStZ 1999, 159, 384) und OLG Koblenz (StV 1999, 496) ausdrücklich nicht teilt.

Die Auffassung des Senats steht im Einklang mit der des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschluß vom 14. Januar 2005 - 2 BvR 983/04 -; NStZ-RR 2003, 251, 252 mit zahlreichen Nachweisen auch zur abweichenden Auffassung; NJW 2002, 2773 bezüglich § 57 StGB; NJW 1995, 3047, 3049; NJW 1986, 767, 769) und den Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Drs. 13/9062 S. 15), wonach die Verpflichtung zur Einholung eines Sachverständigengutachtens nur für den Fall besteht, daß das Vollstreckungsgericht die Aussetzung der Maßregel in Betracht zieht. Es ist folglich in Fällen wie diesem Sache des Vollstreckungsgerichts, nach den Umständen des Falles und nach pflichtgemäßem Ermessen zu prüfen, welcher Mittel der Sachaufklärung es sich bedient und ob dazu ein (externes) Gutachten erforderlich ist. Die Gefährlichkeitsprognose des Tatgerichts bleibt solange maßgeblich, bis das Vollstreckungsgericht zu einem anderen Ergebnis kommt. Dazu kann es sich des in der Hauptverhandlung erstatteten Gutachtens bedienen und prüfen, ob die Entwicklung des Untergebrachten die Fortdauer des Maßregelvollzuges noch erfordert oder ob nach den genannten Kriterien zunächst die Einholung eines Gutachtens erforderlich ist (vgl. BVerfG NStZ-RR 2004, 251, 252).

b) Nach diesen Grundsätzen bedurfte es eines (externen) Gutachtens nicht. Der Beschwerdeführer, der nach wie vor an (chronifizierter) paranoid-halluzinatorischer Schizophrenie leidet, befindet sich (nach einstweiliger Unterbringung ab dem 4. September 2002) seit dem 15. Oktober und damit - gemessen an der Schwere der Erkrankung - noch nicht lange im Maßregelvollzug. Der Psychiater Dr. K... hatte erst in der Hauptverhandlung am 27. Mai 2003 sein Gutachten erstattet. Die Strafvollstreckungskammer hat auch aufgrund der differenzierten Stellungnahmen des Krankenhauses des Maßregelvollzuges (vom 16. August 2004 und 26. Juli 2005) nachvollziehbar dargelegt, daß keine Anhaltspunkte für eine maßgebliche und nachhaltige positive Persönlichkeitsentwicklung des Untergebrachten oder ein Behandlungserfolg in der seit dem verstrichenen Zeit erkennbar geworden sind und deshalb zu Recht die Fortdauer der Unterbringung angeordnet.

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