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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 16.03.2005
Aktenzeichen: 5 Ws 72/05 Vollz
Rechtsgebiete: StVollzG


Vorschriften:

StVollzG § 25 Nr. 1
StVollzG § 116 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
5 Ws 72/05 Vollz

In der Strafvollzugssache

wegen Besuchsverbots

hat der 5. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 16. März 2005 beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde des Leiters der Justizvollzugsanstalt Tegel wird der Beschluß des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 29. Dezember 2004 - mit Ausnahme der Festsetzung des Streitwerts - aufgehoben.

Der Antrag der Frau D., das von dem Leiter der Justizvollzugsanstalt Tegel mit Bescheid vom 13. Juli 2004 ausgesprochene Verbot, in der Justizvollzugsanstalt Tegel Inhaftierte zu besuchen, aufzuheben, wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdegegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe:

Die Beschwerdegegnerin ist eine Freundin des Gefangenen El., der zur Zeit eine mehrjährige Jugendstrafe in der Justizvollzugsanstalt Tegel verbüßt. Notiertes Strafende ist der 21. Februar 2007. Nachdem sie den Gefangenen am 1. Juli 2004 in der Anstalt besucht hatte, wurden bei einer Kontrolle unmittelbar nach der Sprechstunde etwa 100 Gramm Haschisch bei ihm gefunden. Bei seiner Anhörung am 2. Juli 2004 erklärte der Gefangene, daß die Beschwerdegegnerin ihm das sichergestellte Haschisch - ferner im Oktober 2003 ein bereits früher sichergestelltes mobiles Funktelefon - übergeben habe. Mit Bescheid vom 13. Juli 2004 untersagte der Anstaltsleiter der Beschwerdegegnerin unter Berufung auf § 25 Nr. 1 StVollzG auf unbefristete Zeit den Besuch von Inhaftierten in der Justizvollzugsanstalt Tegel.

Mit ihrem Antrag auf gerichtliche Entscheidung erstrebt sie die Aufhebung des Besuchsverbots. Die Strafvollstreckungskammer hat das Besuchsverbot mit dem angefochtenen Beschluß auf sechs Monate befristet und die Anstalt verpflichtet, der Antragstellerin anschließend zumindest alle zwei Monate einen Besuch des Gefangenen El. zu gestatten. Die dagegen gerichtete, mit der Sachrüge begründete Rechtsbeschwerde des Leiters der Justizvollzugsanstalt Tegel ist zulässig. Der Senat läßt sie gemäß § 116 Abs. 1 StVollzG zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu.

Das Rechtsmittel ist auch begründet. Das Besuchsverbot des Anstaltsleiters ist gemäß § 25 Nr. 1 StVollzG ohne Befristung gerechtfertigt. Nach dieser Vorschrift kann der Anstaltsleiter Besuche untersagen, wenn die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet würde. Das Tatbestandsmerkmal der Gefährdung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt in § 25 Nr. 1 StVollzG stellt einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, dessen Auslegung und Anwendung durch die Vollzugsbehörde entgegen der Auffassung der Strafvollstreckungskammer der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt (vgl. OLG Hamm ZfStrVo 1996, 119, 120; OLG Koblenz StV 1981, 184, 185; KG NStZ 1998, 479, 480 und Beschlüsse vom 8. Januar 2004 - 5 Ws 641/03 Vollz -, 27. April 2001 - 5 Ws 211/01 Vollz - und 19. Januar 1999 - 5 Ws 734/98 Vollz -; Calliess/Müller-Dietz, Strafvollzugsgesetz, 10. Aufl. § 25 Rdn. 1; Arloth/Lückemann, StVollzG, § 25 Rdn. 3; Schwind in Schwind/Böhm, Strafvollzugsgesetz, 3. Aufl. § 25 Rdn. 2; Joester/Wegner in AK-StVollzG, 4. Aufl., § 25 Rdn. 3). Daß die Einbringung von etwa 100 Gramm Haschisch die Aufrechterhaltung des Sicherheits- und Ordnungszustandes der Anstalt in schwerwiegender Weise gefährdet, ist offenkundig und bedarf daher keiner weiteren Erörterung durch den Senat, der bereits entschieden hat, unter welchen Voraussetzungen ein unbefristetes Besuchsverbot nach § 25 Nr. 1 StVollzG verhängt werden kann (vgl. Senat, Beschluß vom 2. Oktober 2002 - 5 Ws 532/02 Vollz -). Insbesondere war vorliegend das Rauschgift angesichts der erheblichen Menge geeignet - und fraglos auch dazu bestimmt -, Gegenstand des anstaltsinternen unerlaubten Betäubungsmittelhandels zu sein. Die Anstaltsordnung gebietet es auch zu verhindern, daß Gefangene während der Strafverbüßung Straftaten begehen. Dementsprechend ist es zur Aufrechterhaltung der Anstaltsordnung erforderlich, ein Besuchsverbot auszusprechen, um eine solche Gefährdung zu unterbinden (vgl. OLG Nürnberg NStZ 1999, 376).

Was die Beschwerdeführerin hierzu vorbringt, überzeugt nicht. Insbesondere kommt es für das angeordnete Besuchsverbot entgegen ihrer Ansicht nicht darauf an, daß ihr das verbotwidrige Verhalten mit einer für die Schuldfeststellung in einem strafgerichtlichen Erkenntnisverfahren erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden kann; vielmehr genügt für Maßnahmen der Anstalt, deren Zweck es ist, Gefahren für die Sicherheit und Ordnung abzuwenden, der konkrete Verdacht einer Handlung, die die Anstaltsordnung beeinträchtigt. Aus diesem Grunde kann von einem Verstoß gegen die Unschuldsvermutung, wie er von der Beschwerdegegnerin gerügt wird, keine Rede sein, da das Besuchsverbot keine Strafmaßnahme, sondern eine die Zukunft betreffende Sicherungsmaßnahme der Anstalt ist.

Das absolute, unbefristete Besuchsverbot ist vorliegend auch verhältnismäßig. Zu beachten ist insoweit zwar, daß es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt, vor dessen Anordnung stets zu prüfen ist, ob der mit der Maßnahme bezweckte Erfolg nicht durch mildere Mittel erzielt werden kann. Bei der insoweit vorzunehmenden Abwägung ist aber die besondere Gefährlichkeit der mit dem Besuchsverbot zu begegnenden Handlung für die Anstaltsordnung zu berücksichtigen. Gewicht kommt ferner dem Umstand zu, daß es für die über eine nur knappe personelle Ausstattung verfügende Vollzugsanstalt im allgemeinen nicht möglich sein wird, zusätzliche Kontrollaufgaben, namentlich die generelle Durchsuchung von Anstaltsbesuchern und die verstärkte Überwachung des Besuchsverkehrs, mit zumutbarem Aufwand zu leisten. Zudem ist zu bedenken, daß es sich bei der Beschwerdegegnerin nicht um eine Angehörige des Gefangenen handelt, so daß ihr keine aufgrund von Art. 6 Abs. 1 GG privilegierte Stellung zukommt; selbst als Angehörige des Gefangenen wäre indes die Anordnung eines Besuchsverbots nicht von vornherein ausgeschlossen (vgl. Schwind in Schwind/Böhm, StVollzG, 3. Aufl., § 25 Rdn. 4). Zudem erstreckt sich der Besuchsverkehr des Gefangenen auf eine Reihe weiterer Personen.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der voraussichtlich noch etwa zweijährigen restlichen Haftzeit des Gefangenen, zumal da der Anstaltsleiter entsprechend der ständigen Übung der Vollzugsbehörde in Fällen des unbefristet ausgesprochenen Besuchsverbots in seinem Bescheid hat erkennen lassen, daß das Besuchsverbot trotz der fehlenden Befristung nicht zwingend für die gesamte übrige Haftzeit des Gefangenen El-Ahmad gelten soll, sondern von Amts wegen regelmäßig überprüft werden wird. Daran wird sich die Vollzugsbehörde auch vorliegend nach Ablauf einer angemessenen Zeit zu halten haben.

Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin, das Besuchsverbot sei für die Erreichung des damit erstrebten Zweckes ungeeignet, weil der anstaltsinterne Drogenhandel auch während der Geltung des Besuchsverbots unverändert stattfinde, ist verfehlt. Die ihm zugrundeliegende Vorstellung, es lohne sich nicht, einem erkannten Mißstand wie dem anstaltsinternen Betäubungsmittelverkehr durch Sicherungsvorkehrungen entgegenzuwirken, wenn der Erfolg der Bemühungen unsicher sei, ist offenkundig abwegig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 StVollzG in Verbindung mit § 465 Abs. 1 Satz 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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