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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 13.01.2006
Aktenzeichen: 6 U 115/05
(1)
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 522 Abs. 2 |
Kammergericht Beschluss
Geschäftsnummer: 6 U 115/05
In dem Rechtsstreit
hat der 6. Zivilsenat des Kammergerichts durch die Vorsitzende Richterin am Kammergericht Reinhard und die Richter am Kammergericht Ninnemann und Fischer in der Sitzung vom 13. Januar 2006 beschlossen:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Zivilkammer 7 des Landgerichts Berlin vom 2. August 2005 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Gründe:
Die zulässige Berufung des Klägers hat aus den Gründen des Hinweisbeschlusses des Senats vom 18.11.2005 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO keinen Erfolg.
Auch das Vorbringen im Schriftsatz vom 9.12.2005 führt zu keinem anderen Ergebnis:
Der Senat weicht mit seiner Auffassung, der Kläger habe gegenüber der Beklagten eine arglistige Täuschung begangen, indem er der Beklagten die nach der Aufnahme des Versicherungsantrags diagnostizierte periphere Arterienverschlusskrankheit - paVK - nicht angezeigt habe, nicht von der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der Kommentarliteratur ab.
Wie im Hinweisbeschluss ausgeführt, besteht nach allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Literatur die Anzeigepflicht gefahrerheblicher Umstände nicht nur bei der Abgabe des Versicherungsantrages, sondern bis zur Schließung des Vertrages fort. Subjektiv kann ein Verstoß gegen die bis zur Vertragsannahme des Versicherers bestehende Anzeigepflicht allerdings entschuldigt sein, wenn dem Versicherungsnehmer die Nachmeldepflicht nicht bekannt war und sich eine solche auch nicht aufgrund der Umstände aufdrängte. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles zu beurteilen.
Nichts anderes ergibt sich aus den vom Kläger zitierten Entscheidungen der Oberlandesgerichte Hamm (RuS 1988,343; VersR 1996, 441) und Oldenburg (NVersZ 2001,409), in denen jeweils die Verletzung der sogen. Nachmeldepflicht verneint wurde, weil sie nicht allgemein bekannt sei, jedoch - so OLG Hamm aaO - offengelassen wurde, wie zu entscheiden gewesen wäre, wenn besonders gravierende bzw. alarmierende Verschlechterungen eingetreten wären bzw. - so OLG Oldenburg aaO - anzeigepflichtige besonders schwere Erkrankungen verneint wurden. Dass im Einzelfall auch ohne eine ausdrückliche Belehrung über die Nachmeldepflicht die Anzeigepflicht schuldhaft verletzt sein kann, und darüber hinausgehend auch die Voraussetzungen einer arglistigen Täuschung gegeben sein können, ergibt sich u. a. auch aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Anzeigepflicht bei Annahme des Versicherungsantrags nach Ablauf der Bindungsfrist (VersR 1991,1397) und bei Erhöhung der Prämiensumme (VersR 1993,213).
Der Senat hat in dem Hinweisbeschluss vom 18.11.2005 zu Ziffern 2. und 3. im Einzelnen ausgeführt, aus welchen tatsächlichen Gründen sich dem Kläger vorliegend unter Zugrundelegung seines eigenen Vorbringens eine Nachmeldepflicht förmlich aufdrängen musste und die Voraussetzungen einer arglistigen Täuschung gegeben sind. Denn hatte sich der Kläger bei der Aufnahme des Antrags durch den Versicherungsagenten am 8.5.2001 noch als einen Versicherungsnehmer dargestellt, der seit nahezu sechs Jahren (Juni 1995) keinen Arzt aufgesucht hatte, lediglich in letzter Zeit einen Muskelkater in den Waden verspürte und an Erkrankungen litt, die aus seiner Sicht in den vergangenen Jahren keiner Behandlung mehr bedurften (Schwerhörigkeit, bis 1994 behandeltes allergisches Asthma und im Januar 1995 operierte Achillesverse) - denn sonst hätte er ja einen Arzt aufgesucht - , hatte er nun nach der Antragstellung aufgrund der zwischenzeitlichen Untersuchungen durch verschiedene Fachärzte gesicherte Kenntnis von einer schwerwiegenden Erkrankung - zumindest der paVK - erhalten. Die Kenntnis, dass es der Beklagten für die Annahme des Antrags auf die Mitteilung von Vorerkrankungen und ärztlichen Konsultationen ankommt, hatte er aufgrund der mündlichen Fragen, die der Versicherungsvertreter bei der Ausfüllung des Antrags stellte. Die Tatsache, dass die Beklagte aufgrund seiner dortigen, überholten Angaben auf einer unzutreffenden Grundlage über die Annahme seines Antrags entscheiden wird, wurde ihm mit der erneuten Vorlage der Kopie der korrigierten ersten Seite des Versicherungsantrages in das Bewußtsein gerufen. Dem Kläger war bei der Unterzeichnung dieser Kopie klar, dass aufgrund der Vielzahl der Arztbesuche seit der Antragstellung nicht nur eine radikale Veränderung der Verhältnisse hinsichtlich der ärztlichen Konsultationen eingetreten war, sondern auch bereits bei Antragstellung eine schwerwiegende Erkrankung vorgelegen hatte, von der er damals lediglich noch keine Kenntnis gehabt hatte. Die Vorlage der Kopie zur erneuten Unterschrift zeigte ihm, dass die Beklagte über seinen Antrag erst noch befinden wird. Wenn er nun den Antrag unterzeichnete, ohne die geänderten Umstände mitzuteilen, geschah dies in der billigenden Erkenntnis, die Beklagte in ihrer Entscheidung über den Abschluss des Versicherungsvertrages zu beeinflussen.
Der Senat hat im Beschluss vom 18.11.2005 unter Ziffer 2. im Einzelnen dargestellt, woraus sich die gesicherte Erkenntnis des Klägers von der am 18.5.2001 diagnostizierten paVK auf der Grundlage des unstreitigen Sachverhaltes und seines eigenen Vorbringens ergibt. Dass der Kläger noch Monate nach der Diagnose seiner Erwerbstätigkeit nachging und in seiner Lebensweise in keiner Weise eingeschränkt war, steht der Kenntnis der Diagnose nicht entgegen.
Das gilt auch für den Inhalt der ärztlichen Stellungnahme der Frau Dr. Wnn . Wenn diese angegeben hat, der Kläger habe von der Diagnose seit Juli 2001 Kenntnis, so beruht dies erkennbar darauf, dass der Kläger ausweislich der ärztlichen Stellungnahme der Frau Dr. Wnn bei dieser erst seit Juli 2001 in Behandlung war. Über die Mitteilung der Diagnose durch Ärzte, die der Kläger seit Mai 2001 aufgesucht hatte, enthält der Bericht keine Angaben. Insoweit hat der Kläger aber selbst vorgetragen, von Frau Dr. Snnn in der Zeit zwischen Anfang und Mitte Juni über Ausmaß und Folgen der paVK aufgeklärt worden zu sein.
Der Senat hat in dem Hinweisbeschluss nicht die Auffassung vertreten, mit der Vorlage der korrigierten ersten Seite des Versicherungsantrages zur erneuten Unterschrift durch den Kläger in der Zeit zwischen dem 12. und 18.6.2001 sei ein neues Antragsverfahren eingeleitet worden. Dieser Vorgang führte dem Kläger aber - wie ausgeführt - klar vor Augen, dass die Beklagte über seinen Antrag noch nicht entschieden hatte. Im Gegensatz zu den vom Kläger zitierten obergerichtlichen Fällen zur Nachmeldepflicht bestand hier also ein konkreter Anlass, die nicht mehr zutreffenden Angaben zum Gesundheitszustand richtig zu stellen. Der Kläger konnte aufgrund der erneuten Unterzeichnung des Antrags nicht mehr annehmen, die Beklagte habe seinen Antrag möglicherweise bereits angenommen und der Versicherungsschein sei möglicherweise schon an ihn abgesandt.
Die Vorlage der ersten Seite des korrigierten Antrags zur erneuten Unterzeichnung stellt auch keinen Verzicht der Beklagten auf die Mitteilung veränderter Gesundheitsverhältnisse dar. Der Beklagten ging es dabei - wie der Kläger selbst vorträgt - lediglich um die Korrektur der Art der Bezeichnung der neben der Rentenversicherung beantragten Versicherung der Berufsunfähigkeit (Beantragung einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung statt einer Berufsunfähigkeitsversicherung). Für den Kläger bestand damit kein Anlass anzunehmen, der Beklagten komme es auf die Prüfung seiner gesundheitlichen Verhältnisse nicht mehr an.
Die Beklagte hat die Anfechtungsfrist nicht versäumt. Auch der jetzt vollständig vorgelegte Bescheid des Versorgungsamtes vom 17.12.2002 enthält keine Angaben dazu, seit wann die dort genannten Erkrankungen bestanden und dem Kläger bekannt waren.
Da die Beklagte mit Schreiben vom 21.6.2004 die Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung erklärt und - was für die Wirksamkeit nicht erforderlich ist - auch mit Gründen versehen hat, kommt es nicht darauf an, ob sie in dem Schreiben vom 2.12.2003 konkrete Rücktrittsgründe genannt hat und dies erforderlich gewesen wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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