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Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 27.06.2008
Aktenzeichen: 6 U 195/07
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 280 |
2. Zum Inhalt des Schadensersatzanspruchs im Falle einer Verletzung dieser Pflichten.
Kammergericht Im Namen des Volkes
Geschäftsnummer: 6 U 195/07
verkündet am: 27.06.2008
In dem Rechtsstreit
hat der 6. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg, Elßholzstr. 30-33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 20.06.2008 durch die Richterin am Kammergericht Düe als Einzelrichterin
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Zivilkammer 7 des Landgerichts Berlin vom 22.11.2007 teilweise abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Wert der Beschwer liegt unter 20.000,- EUR.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet.
I. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Zahlung der noch ausstehenden Versicherungsprämie für das vierte Quartal 2006 in Höhe von 2.375,39 EUR aus der von der Beklagten bei ihr abgeschlossenen Multirisk-Versicherung für Einzelhandel und Handwerk zu.
Die Beklagte hat für das Jahr 2006 Versicherungsprämien in Höhe von insgesamt 7.126,17 EUR (3 x 2.375,39 EUR) gezahlt. Darüber hinausgehende Forderungen der Klägerin bestehen nicht.
1. Allerdings war nach den ursprünglich geltenden Vereinbarungen der Parteien im Jahr 2006 eine Prämie in Höhe von insgesamt 9.501,56 EUR geschuldet, die auch nicht durch eine Vertragsänderung herabgesetzt worden war. Die Beklagte ist der Auffassung, die Änderung der Prämienhöhe sei Ende 2005 durch vertragliche Vereinbarung mit dem Versicherungsagenten P , handelnd als Bevollmächtigter der Klägerin, zustande gekommen. Seinerzeit habe sie eine Herabsetzung der Versicherungsprämie verlangt und sich mit dem vom Agenten P vorgeschlagenen Tarif 2003, der eine Entlastung von 2.938,60 EUR im Jahr mit sich brachte, einverstanden erklärt. Entgegen der Ansicht der Beklagten konnte der Versicherungsagent P mangels Vertretungsmacht eine solche Vereinbarung aber nicht mit Wirkung zu Lasten der Klägerin treffen. Soweit es darum geht, für den Versicherer vertragliche Vereinbarungen abzuschließen, hat der Versicherungsagent kraft Gesetzes lediglich Vollmacht, die auf Abschluss einer Vereinbarung gerichteten Anträge entgegen zu nehmen, § 43 VVG. Die Vertretungsmacht, Verträge abzuschließen, kann dagegen (auch bei einem Generalagenten) nur auf eine durch den Versicherer erteilte, rechtsgeschäftliche Vollmacht (sei es ausdrücklich oder kraft Duldung) oder auf eine aus Rechtsscheingrundsätzen abgeleitete Anscheinsvollmacht gegründet werden. Dafür, insbesondere für eine Kenntnis bzw. ein Kennenmüssen der Klägerin vom behaupteten Auftreten des Agenten P als zum Vertragsschluss berechtigter, bevollmächtigter Vertreter, trägt die Beklagte keine ausreichenden Umstände vor. Nicht geeignet, solches zu belegen, ist der (i.Ü. nur pauschale) Vortrag der Beklagten, die Klägerin hätte in der Vergangenheit ihren Anträgen auf Änderung bestehender Versicherungsverträge, die zuvor zwischen ihr und dem Agenten P abgesprochen und von diesem aufgenommen worden waren, stets entsprochen. Selbst wenn dieses zutreffen sollte, liegt in solchen Geschäftsvorgängen kein Hinweis für die Klägerin, dass der Agent P seine Vollmacht zur (bloßen) Entgegennahme von Anträgen überschritten hat. Diese Behauptung der Beklagten ist lediglich geeignet, zu belegen, dass die Beklagte in der Vergangenheit gestellte Änderungsanträge angenommen hat.
Einer abschließenden Klärung bedarf all dies aber nicht. Es ist nicht streitentscheidend, weil die Beklagte auch ohne vertraglich vereinbarte Herabsetzung der Versicherungsprämie keine weitere Prämienzahlung schuldet. Die Beklagte hat insoweit jedenfalls mit ihrem Schadensersatzbegehren Erfolg. Die Klägerin ist im Wege des Schadensersatzes verpflichtet, die Beklagte so zu stellen, als wenn die Versicherungsprämie entsprechend den Vorstellungen der Beklagten für das Jahr 2006 herabgesetzt worden wäre.
2. Dieser Schadensersatzanspruch folgt aus §§ 280, 278 BGB i.V.m. Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB, weil der Versicherungsagent P als Erfüllungsgehilfe der Klägerin vertragliche Nebenpflichten im Rahmen der angestrebten Vertragsumstellung verletzt hat. Einen Ausgleich ihrer finanziellen Nachteile aus der unzulänglichen Antragsbearbeitung macht die Beklagte neben dem vertraglichen Erfüllungsanspruch auch ausdrücklich geltend.
Werden vertragliche Nebenpflichten im Rahmen der Vertragsanbahnung oder - bei einem bestehenden Vertragsverhältnis- im Rahmen angestrebter Vertragsänderungen verletzt und hat diese Pflichtverletzung zur Folge, dass der Vertrag bzw. die Vertragsänderung scheitert, so kann der Geschädigte im Wege des Schadenersatzes die angestrebte vertragliche Leistung verlangen, so als wenn die vertragliche Regelung zustande gekommen wäre (BGH VersR 1987, 147, juris-rz. 16; BGH VersR 1989, 948, juris-rz. 17 m.w.N. der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung; OLG Hamm Versr 1991, 914).
Eine Nebenpflichtverletzung liegt hier vor. Schon das Landgericht hat festgestellt, dass der Antrag auf Änderung des Versicherungsvertrages durch den Versicherungsagenten P unzulänglich aufgenommen worden war, weil die einzelnen Versicherungsorte nicht angegeben waren.
Der Versicherer ist dem Versicherungsnehmer aufgrund des Vertrauensverhältnisses, das zwischen den Parteien eines Versicherungsvertrages begründet ist, zur Auskunft und Beratung verpflichtet. Er erfüllt diese Verpflichtung regelmäßig durch seinen Agenten, der insoweit sein Erfüllungsgehilfe ist. Umfang und Inhalt sind abhängig von den Umständen des Einzelfalles, insbesondere vom Beratungswunsch und -bedürfnis des Versicherungsnehmers (vgl. dazu ausführlich: Kollhosser in Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 43 Rn. 36, 37). Wendet sich der Versicherungsnehmer mit einem Änderungswunsch -wie hier der Verringerung der Versicherungsprämien- an den Versicherungsagenten, ist jener demzufolge zur Beratung über bestehende Tarifalternativen aus dem Angebot des Versicherers verpflichtet (vgl. zu einer ähnlichen Problematik BGH VersR 1981, 621 - dort hatte der BGH den Versicherer bzw. die für ihn handelnden Personen aufgrund des versicherungsrechtlichen Treueverhältnisses für verpflichtet erachtet, den Versicherungsnehmer darauf hinzuweisen, dass der Verzicht auf bestimmte gefahrerhöhende Handlungen eine ganz erhebliche Prämienreduzierung zur Folge hätte). Übernimmt der Versicherungsagent es im Weiteren, so wie hier, die Umstellung von dem bisherigen auf den neuen Tarif in die Wege zu leiten, hat er außerdem darauf hinwirken, dass dieser Antrag mit allen zur Bearbeitung notwendigen Informationen versehen ist.
Gerade dies ist im vorliegenden Fall in der Beklagten anzulastender Weise nicht geschehen. Die Beklagte, vertreten durch ihren Ehemann, hatte sich im Herbst 2005 an den Versicherungsagenten P gewendet und den Wunsch geäußert, die Prämienbelastung aus den bei der Klägerin gehaltenen Versicherungen zu reduzieren. Nachdem dieser Wunsch nach Beratung durch den Agenten P dahin ging, das Versicherungsverhältnis auf den Tarif 2003 umzustellen, und der Agent P die Umsetzung in die Hand genommen hatte, war er verpflichtet, diesen Antrag in Erfolg versprechender Weise unter Berücksichtung der Anforderungen, die entsprechende Anträge nach der Geschäftspraxis der Klägerin genügen müssen, aufzunehmen und an die Klägerin weiterzuleiten. Das ist im vorliegenden Fall nicht geschehen. Der Agent P hat (erst) am 20.März 2006 ein EDV-Dokument zur weiteren Bearbeitung des Umstellungsbegehrens aufgenommen und dieses zu einem späteren Zeitpunkt an die zuständige Hauptverwaltung der Klägerin weitergeleitet. Die Tarifänderung scheiterte, weil die zuständige Sachbearbeiterin der Klägerin diese Änderung von der Angabe der einzelnen Versicherungsorte nebst den zugehörigen Versicherungssummen abhängig machte und Bemühungen, diese fehlenden Informationen über den Agenten P bzw. dessen Nachfolger zu beschaffen, keinen Erfolg hatten.
Bei diesem, insoweit unstreitigen Sachverhalt liegt entweder ein Fehler des Agenten P darin, das Änderungsbegehren ohne die betreffenden Einzelangaben an die Klägerin weitergeleitet zu haben, oder ein Fehler der Sachbearbeiterin der Klägerin, die entsprechenden Angaben nicht aus der bei der Klägerin befindlichen Unterlagen des bestehenden Versicherungsvertrages entnommen zu haben.
In jedem Fall ist die Klägerin nach § 278 BGB haftbar zu machen - entweder für den Fehler des Agenten P oder den ihrer Sachbearbeiterin. Der Agent P war im Übrigen im maßgeblichen Zeitpunkt, d.h. bei Beratung und Antragsaufnahme, noch Erfüllungsgehilfe der Klägerin. Er war zu diesem Zeitpunkt noch nicht als Versicherungsvermittler, sondern noch als Versicherungsagent i.S.v. § 43 VVG für die Klägerin tätig, wie sein Schreiben vom 14.4.2006 (Anlage B 5) ausweist. Umstände, die gegen ein Verschulden der handelnden Personen sprechen könnten, sind nicht ersichtlich und werden von der Klägerin auch nicht vorgebracht.
Die fehlerhafte Behandlung des Änderungsantrags (sei es durch den Agenten P , sei es durch die Sachbearbeiterin der Klägerin) war ursächlich für das Scheitern der Tarifumstellung. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin zur Annahme des Änderungsantrages nicht verpflichtet war. Allein entscheidend ist, ob es seinerzeit -ohne die dargestellte, falsche Behandlung des Änderungsantrags- zur Annahme des Antrags gekommen wäre. Zwar wäre dieses bei bestehender Annahmepflicht ohne weiteres zu bejahen (so im Fall von BGH VersR 1989 a.a.O.), auch ohne Annahmepflicht können aber ebenso die Umstände des Einzelfalles, den sicheren Schluss rechtfertigen, dass der Vertrag ohne die vorwerfbare Pflichtverletzung zustande gekommen wäre (so z.B. im Fall von BGH VersR 1981, a.a.O., juris-rz. 16).
Im vorliegenden Fall belegt der gesamte Vortrag der Klägerin, den die Beklagte sich als ihr günstig stillschweigend zu eigen macht, dass die Klägerin den Änderungsantrag angenommen hätte, wenn im Antrag sämtliche Versicherungsorte und -summen angeführt worden wären. Die vorgetragenen Versuche einer telefonischen Kontaktaufnahme zum Agenten P , die Schreiben an den Agenten P , später den Agenten A und sodann an den Agenten G - alle darauf gerichtet, die fehlenden Informationen noch zu erlangen, um den Vertrag auf den gewünschten Tarif 2003 umzustellen- belegen, dass die Klägerin nicht nur zur Änderung bereit, sondern sogar bemüht war, dem Änderungswunsch der Beklagten zum Erfolg zu verhelfen. Die Klägerin wollte die Annahme des Antrags ersichtlich allein davon abhängig machen, dass über die Einzelangaben nachprüfbar bzw. gesichert war, dass die im Antrag nur pauschal für alle Versicherungsorte angegebene Versicherungssumme in Höhe von 430.000,- EUR zutreffend war. Dies hätte sich bei richtiger Sachbehandlung schon seinerzeit als zutreffend erwiesen. Die Änderung sollte unstreitig die -auch bisher- versicherten Geschäftslokale S 4 (200.000,- EUR), G b (180.000,- EUR) und G P (50.000,- EUR) betreffen. Für ein abweichendes Verständnis der damaligen Vorgänge hat die Klägerin im Übrigen auch auf die Verfügung des Senats vom 4.3.2008, in dem auf die Auslegung des eingereichten Schriftverkehrs hingewiesen worden ist, nichts vorgetragen.
Soweit die Parteien darum streiten, ob eine Tarifänderung rückwirkend möglich gewesen und auch durchgeführt worden wäre, bedarf dieser Streit keiner Klärung. Denn falls nach der Geschäftspraxis der Klägerin eine rückwirkende Tarifänderung ausgeschlossen oder auch nur fraglich gewesen wäre, läge ein weiterer Fehler des Agenten P vor. In diesem Fall hätte er die Beklagte schon im Herbst 2005 dahin gehend beraten müssen, den Antrag noch im Jahr 2005 zu stellen. Denn die Senkung der Prämien war der Beklagten unstreitig ein wichtiges Anliegen. Zudem war das Einsparpotenzial von 2.939,60 EUR (für das Jahr 2006 insgesamt), das der Tarif 2003 mit sich brachte, beträchtlich.
Für eine Vorteilsausgleichung sind nach dem Vortrag der insoweit darlegungspflichtigen Klägerin keine Anhaltspunkte gegeben. Für die Erwägung des Landgerichts, dass der Versicherungsschutz nach dem alten Tarif für die Beklagte werthaltiger gewesen sein könnte als der begehrte Tarif 2003, was die Beklagte sich anrechnen lassen müsste, findet sich im Vortrag der Parteien kein Anhalt.
Schließlich ist der Beklagten auch kein Mitverschulden, § 254 BGB, vorzuwerfen. Allerdings ist auch einem Versicherungsnehmer zuzumuten, zum Erfolg eines Änderungsantrags beizutragen und etwa beim Ausbleiben einer Reaktion des Versicherungsunternehmens auf einen gestellten Antrag nachzufragen und so den Fortgang zu fördern. Unstreitig ist dies im vorliegenden Fall aber gerade geschehen. Die Beklagte trägt vor, im ersten Halbjahr 2006 wiederholt nachgefragt zu haben. Da diese Bemühungen keinen Erfolg brachten, insbesondere kein Versicherungsschein mit dem geänderten Tarif ausgestellt wurde, hat sie den hier betroffenen Versicherungsvertrag (zusammen mit anderen Versicherungen) mit Telefax vom 30.6.2006 zum 1.1.2007 gekündigt. Auch die verwaltungsmäßige Erfassung der Kündigung durch die Klägerin war wiederum von Problemen begleitet (noch im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin erstinstanzlich die Versicherungsprämie für das Jahr 2007 mit eingeklagt). Vor diesem Hintergrund ist es der Beklagten nicht vorwerfbar, dass sie sich auf spätere Anfragen der Klägerin durch ihr nicht bekannte Versicherungsagenten nicht mehr mit der Angelegenheit befassen mochte.
3. Die Zinsforderung wie auch die geltend gemachten Mahnkosten, die allein auf Verzug gestützt werden können, sind mangels Hauptforderung unbegründet.
II. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO und § 9 1 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Rechtsfortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).
Ende der Entscheidung
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