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Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 12.12.2008
Aktenzeichen: 6 U 41/08
Rechtsgebiete: VVG, ALB, BGB
Vorschriften:
VVG § 166 | |
ALB § 12 | |
ALB § 14 | |
BGB § 328 Abs. 1 | |
BGB § 331 Abs. 1 |
2. Die an den Sicherungsnehmer ausgezahlte Versicherungssumme ist von ihm als Sicherungssurrogat zu behandeln.
3. Ergibt sich nach der Verwertungsreife ein Überschuss, ist dieser vom Sicherungsnehmer unmittelbar an den vormals bezugsberechtigten Dritten auszukehren. Dies gilt jedenfalls dann, wenn in den Bestimmungen der Abtretungserklärung eine entsprechende Verpflichtung des Sicherungsnehmers enthalten ist; hierin liegt ein Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall.
4. Die Vorlage des Versicherungsscheins durch den Sicherungsnehmer lässt die Pflicht des Versicherers, vor der Auszahlung der Versicherungssumme das Bestehen einer zu sichernden Forderung des Sicherungsnehmers zu prüfen, nicht entfallen.
Kammergericht Im Namen des Volkes
Geschäftsnummer: 6 U 41/08
verkündet am : 12. Dezember 2008
In dem Rechtsstreit
hat der 6. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin auf die mündliche Verhandlung vom 12. Dezember 2008 durch die Vorsitzende Richterin am Kammergericht Reinhard, den Richter am Kammergericht Ninnemann und die Richterin am Amtsgericht von Hollen
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 12. Februar 2008 - 7 O 1/06 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens und die Kosten der Streithelferin im Berufungsverfahren hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte oder die Streithelferin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Der Wert der Beschwer beträgt 383.468,91 Euro.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Auszahlung einer Lebensversicherungssumme.
Die Klägerin war die Lebensgefährtin des Herrn K H . Dieser hat am 23. März 1998 mit der Beklagten einen Lebensversicherungsvertrag auf den Todesfall zur Vertragsnummer 200006126 über eine Versicherungssumme von 383.468,91 EUR (750.000,00 DM) abgeschlossen, in dem die Klägerin für den Todesfall als widerruflich Bezugsberechtigte benannt worden ist. Mit Erklärung vom 31. März 1998 trat der Versicherungsnehmer die Forderung aus der streitigen Lebensversicherung zur Sicherung von Forderungen aus einem Kontokorrentkredit Nr. ... der K H C & C GmbH & Co. KG an die Streithelferin ab. In der Abtretungsvereinbarung heißt es u.a. zu Punkt 4.4: "Soweit ausschließlich Todesfallansprüche abgetreten sind, hat die Sparkasse das Recht, diese bei Fälligkeit der Versicherung durch Tod des Versicherten einzuziehen; ...". In Nr. 5 heißt es: "Der Versicherungsnehmer widerruft für die Dauer der Abtretung ein etwaiges Bezugsrecht, insoweit es den Rechten der Sparkasse entgegensteht. Übersteigt der vom Versicherungsunternehmen nach dem Ableben des Versicherungsnehmers an die Sparkasse ausgezahlte Geldbetrag die gesicherten Ansprüche der Sparkasse, so wird die Sparkasse die Differenz an den/die von dem Versicherungsunternehmen mitgeteilten Bezugsberechtigten auszahlen.". Die Abtretung ist der Beklagten mit Erklärung vom 31. März 1998 angezeigt worden. In der Erklärung des Versicherungsnehmers heißt es: "Den Versicherungsschein habe ich der Sparkasse übergeben. Ich widerrufe hiermit für die Dauer der Abtretung das bisherige Bezugsrecht insoweit, als es dieser entgegensteht.".
Der Versicherungsnehmer ist am 15. Oktober 1999 verstorben. Der Kontokorrentkredit wies an diesem Tag einen Sollstand von 3.422.431,37 DM aus. Mit Schreiben vom 5. Januar 2000 teilte die Streithelferin der Beklagten mit, dass ihrerseits Forderungen in voller Höhe bestehen und dass deshalb bezüglich der streitigen Lebensversicherung keine Freigabe erteilt wird. Die Streithelferin bat die Beklagte mit Schreiben vom 26. Januar 2000, die Versicherungssumme auf das Kontokorrentkonto Nr. ... der K H C & C GmbH & Co. KG auszuzahlen. Die Beklagte überwies die Versicherungssumme am 23. Juni 2000 weisungsgemäß auf das angegebene Kontokorrentkonto, das auch zu diesem Zeitpunkt einen höheren Sollstand als 3 Mio DM auswies.
Zur Absicherung eines der K H C & C GmbH & Co. KG gewährten Betriebsmittelkredits der Streithelferin in Höhe von 1,5 Mio DM mit einer Laufzeit bis zum 31. Dezember 2001 bestand eine Ausfallbürgschaft der Bürgschaftsbank Schleswig-Holstein vom 11. Februar 1998 in Höhe von 1,2 Mio DM, die von der Streithelferin nach der Kündigung des Kontokorrentkredits in Anspruch genommen wurde. Darüber hinaus hatte sich der Versicherungsnehmer persönlich für Verbindlichkeiten der K H C & C GmbH & Co. KG gegenüber der Streithelferin verbürgt. Über das Vermögen des verstorbenen Versicherungsnehmers wurde im Jahr 2002 das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Streithelferin meldete den verbleibenden Saldo aus dem Kontokorrentkredit in Höhe von 993.771,00 EUR nach Verwertung der Sicherheiten im Insolvenzverfahren an, nachdem sie diesen Ende des Jahres 2001 gekündigt hatte.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte aufgrund des angezeigten eingeschränkten Widerrufs des Bezugsrechts nicht berechtigt gewesen sei, die Versicherungssumme an die Streithelferin auszuzahlen. Der Sicherungsfall sei nicht eingetreten. Da eine Kündigung des Kontokorrentkredits weder zum Zeitpunkt des Todes des Versicherungsnehmers noch zum Zeitpunkt der Auszahlung der Versicherungssumme erfolgt sei, habe keine fällige Forderung der Streithelferin und demgemäß kein Verwertungsrecht bestanden. Jedenfalls sei nach Eintritt des Todesfalls eine Abwicklung des Kontokorrentkredits vorzunehmen gewesen, da es dem Bezugsberechtigten andernfalls nicht möglich sei, in absehbarer Zukunft über die Versicherungssumme zu verfügen. Der Streithelferin habe es freigestanden, durch eine fristlose Kündigung die Sicherheit nach dem Tod sofort fällig zu stellen. Die Beklagte sei darüber hinaus im Interesse der Klägerin verpflichtet gewesen, sich vor einer Auszahlung der Versicherungssumme die Kündigung des Kontokorrentkredits bescheinigen zu lassen und zu überprüfen, ob eine Forderung der Streithelferin gegen den Versicherungsnehmer besteht. Im Übrigen habe die Streithelferin die Versicherungsleistung nicht zur Erfüllung des Sicherungszwecks verwendet, sondern diese der Kreditnehmerin, der K H C & C GmbH & Co. KG, zur freien Verfügung überlassen.
Die Beklagte hat behauptet, dass ihr die Streithelferin vor der Auszahlung mit Schreiben vom 26. Januar 2000 den Originalversicherungsschein zur Legitimation vorgelegt habe. Dieser sei nach der Auszahlung nicht weiter verwahrt, sondern gescannt und dann vernichtet worden, wie es der grundsätzlichen Praxis entspreche. Ohne die Vorlage des Originalversicherungsscheins hätte sie eine Auszahlung an die Streithelferin nicht erbracht. Im Übrigen habe sie sich aufgrund der Auskunft der Streithelferin darauf verlassen dürfen, dass Forderungen gegen den Versicherungsnehmer in Höhe der Versicherungssumme bestanden hätten.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien und der Streithelferin wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die erstinstanzlich gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die bereits im Prozesskostenhilfeverfahren eingereichten Anlagen verwiesen.
Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 12. Februar 2008 abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, dass es keiner abschließenden Entscheidung darüber bedürfe, ob dem Bezugsrecht der Klägerin ein Recht der Streithelferin entgegenstehe, weil der mit der Abtretung gesicherte Kontokorrentkredit zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalls noch nicht fällig gestellt war. Die Beklagte sei nach der Vorlage des Versicherungsscheins gemäß §§ 4 Abs. 1 VVG, 808 Abs. 1 BGB i.V.m. § 12 ALB durch die Auszahlung an die Streithelferin von einer Leistungspflicht gegenüber der Klägerin befreit worden. Nach den Gesamtumständen könne davon ausgegangen werden, dass der Beklagten der Originalversicherungsschein vorgelegen habe. Eine Ausnahme von der Leistungsbefreiung liege nicht vor.
Die Klägerin hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag und vertritt die Auffassung, dass die Streithelferin nach dem Tod des Versicherungsnehmers jedenfalls verpflichtet gewesen sei, die Kontoinhaberin des Kontokorrentkredits innerhalb einer bestimmten Frist zum Ausgleich der bestehenden Forderung aus dem Kredit aufzufordern. Dieses Vorgehen hätte die Streithelferin nach ergebnislosem Fristablauf zur Kündigung und anschließend zur Einziehung der Versicherungssumme berechtigt, soweit der Kontokorrentkredit zum Zeitpunkt des Todes des Versicherungsnehmers mit einem höheren Betrag im Soll gewesen sei. Im Übrigen würden die AGB der Streithelferin in bestimmten Fällen ein außerordentliches Kündigungsrecht vorsehen. Sie macht weiter geltend, dass das Landgericht unter Verkennung der Beweisregeln vom Nachweis der Vorlage des Originalversicherungsscheins ausgegangen sei.
Die Klägerin beantragt,
das am 12. Februar 2008 verkündete und am 20. Februar 2008 zugestellte Urteil des Landgerichts Berlin, Geschäftsnummer: 7 O 1/06, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,
1. an sie 383.468,91 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszins seit 23. Juni 2000 zu zahlen,
2. an sie weitere 4.110,97 EUR zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszins seit Zustellung der Klage zu zahlen.
Die Beklagte und die Streithelferin beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt ergänzend vor, dass nunmehr aufgefallen sei, dass das Original des von der Streithelferin eingereichten Versicherungsscheins doch noch bei ihr vorhanden sei. Sie hat im Verhandlungstermin am 12. Dezember 2008 einen Versicherungsschein vom 23. März 1998 zur Versicherung Nr. 2 vorgelegt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zweitinstanzlich gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.
1. Die Berufung ist fristgerecht eingelegt und gemäß §§ 520 Abs. 2, 222 Abs. 2 ZPO rechtzeitig begründet worden. Maßgeblich für die Frage des rechtzeitigen Zugangs eines Faxes ist der Zeitpunkt der Übermittlung der abschließenden, die Unterschrift enthaltenden Seite (vgl. BGH NJW 1994, 2097). Eingegangen ist die Erklärung mit dem vollständigen Empfang der technischen Signale durch das Empfangsgerät des Gerichts (vgl. BGH NJW 2006, 2263; 2007, 2045). Die vollständige Übersendung der Berufungsbegründung einschließlich der Seite mit der abschließenden Unterschrift war zwar nach der Uhrzeit des Empfangsgeräts des Kammergerichts erst am 22. April 2008 um 0.00 Uhr beendet (Bd. III Bl. 102-114 d.A.). Die Berufungsbegründung ist dennoch rechtzeitig noch am 21. April 2008 eingegangen, da bereits zuvor die Seiten 7 bis 13 mit der Unterschrift des Prozessbevollmächtigten der Klägerin eingegangen waren (Bd. III Bl. 95 - 101 d.A.).
2. Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
a) Die Klägerin kann eine Auszahlung der Versicherungssumme aus dem zwischen der Beklagten und dem Versicherungsnehmer geschlossenen Lebensversicherungsvertrag nach § 166 Abs. 2 VVG nicht verlangen. Ihr stand zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls durch den Tod des Versicherungsnehmers ein Bezugsrecht nicht zu.
aa.) Der Versicherungsnehmer räumte der Klägerin mit Abschluss des streitigen Versicherungsvertrages ein widerrufliches Bezugsrecht ein. Dieses Bezugsrecht widerrief der Versicherungsnehmer anlässlich der Sicherungsabtretung der streitigen Lebensversicherung an die Streithelferin für die Dauer der Abtretung, soweit es deren Rechten entgegensteht. Der Widerruf des Bezugsrechts ist der Beklagten vom Versicherungsnehmer gemäß § 14 Abs. 1 und Abs. 4 ALB mit Erklärung vom 31. März 1998 angezeigt worden und damit in dem mitgeteilten Umfang wirksam.
Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. BGH VersR 1989, 1289 = BGHZ 109, 67; VersR 1993, 553; VersR 1996, 877; VersR 2001, 883; VersR 2002, 218) geht der Wille des Versicherungsnehmers bei entsprechenden Widerrufserklärungen im Rahmen einer Abtretung regelmäßig dahin, seine Rechtsposition und die des bisherigen Bezugsberechtigten nicht vollständig zu beseitigen, sondern nur so weit einzuschränken, wie dies zur Erreichung des Sicherungszwecks erforderlich ist. Das Bezugsrecht tritt hiernach nur in dem durch den Sicherungszweck bestimmten Umfang hinter die Rechte des Sicherungsnehmers zurück und bleibt im Übrigen voll wirksam. Dies hat zur Folge, dass der Bezugsberechtigte beim Tod des Versicherungsnehmers den Anspruch auf die Versicherungsleistung unmittelbar ohne eine weitere Rechtshandlung erwirbt, soweit er die gesicherte Forderung übersteigt. Die Versicherungssumme fällt insoweit nicht in den Nachlass. Dem Sicherungsnehmer steht als Inhaber des Anspruchs ein Recht nur in der jeweiligen Höhe seiner gesicherten Forderung zu. Das Bezugsrecht der Klägerin ist hiernach in dem durch den Sicherungszweck bestimmten Umfang hinter die Rechte der Streithelferin zurückgetreten. Es geht den Rechten der Streithelferin im Rang nur dann vor, wenn zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls durch den Tod des Versicherungsnehmers eine zu sichernde Forderung der Streithelferin aus dem mit der K H C & C GmbH & Co. KG vereinbarten Kontokorrentkredit in Höhe der Versicherungssumme nicht bestanden hat. Vorliegend bestand jedoch eine zu sichernde Forderung. Sie war lediglich noch nicht fällig.
Die Abtretung der Ansprüche aus dem streitigen Lebensversicherungsvertrag ist zur Sicherung von Forderungen der Streithelferin aus einem Kontokorrentkredit mit der K H C & C GmbH & Co. KG erfolgt und diente maßgeblich der Finanzierung der geschäftlichen Tätigkeit dieses Unternehmens. Nach § 355 Abs. 1 HGB erfolgt der Ausgleich der beiderseitigen Forderungen und Leistungen im Rahmen eines Kontokorrents in regelmäßigen Zeitabschnitten durch Verrechnung und Feststellung des sich für den einen oder anderen Teil ergebenden Überschusses. Ein fälliger Zahlungsanspruch auf den Überschuss oder die Rückführung eines Kontokorrentkredits entsteht nach § 355 Abs. 3 HGB erst bei Beendigung des Kontokorrents. Eine Kontokorrentabrede allein rechtfertigt eine Kreditrückführung nicht (vgl. BGH NJW 2003, 360). Unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessenlage, des verfolgten Sicherungszwecks und der vertraglichen Regelungen ergibt eine Auslegung der zwischen der Streithelferin und dem Versicherungsnehmer geschlossenen Sicherungsabrede jedoch, dass im vorliegenden Sachverhalt im Falle des Todes des Versicherungsnehmers nicht nur durch eine Kündigung fällig gestellte Ansprüche, sondern auch künftig entstehende und fällig werdende Forderungen aus dem Kontokorrent bis zur Beendigung des Kreditverhältnisses gesichert werden sollten.
(1) Es entspricht regelmäßig nicht dem Sicherungsinteresse einer Bank oder Sparkasse, eine Absicherung nur für einen bereits zum Zeitpunkt des Todes des Versicherungsnehmers gekündigten und damit fälligen Zahlungsanspruch aus einem Kontokorrentkredit zu erhalten, da die Voraussetzungen für eine Verwertung der zur Sicherheit abgetretenen Forderung im Zeitpunkt des Todes regelmäßig nicht vorliegen würden, während der Sicherungszweck weiterhin fortbesteht. Die Bank bliebe - sofern nur eine bereits fällig gestellte Rückzahlungsforderung als gesichert gelten sollte - entgegen der Intension des Sicherungsvertrages im Regelfall ungesichert, da sie den Todesfall nicht vorhersehen und deshalb ihre Forderung nicht vor diesem durch Kündigung fällig stellen kann. Da es für den Rang eines Bezugsrechts zwischen dem Sicherungsgeber und dem sonstigen Bezugsberechtigen auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalles ankommt, könnte das Rangverhältnis durch eine Kündigung des Kontokorrentkredits nach Kenntnisnahme des Versicherungsfalls auch nicht mehr verändert werden. Es besteht daher ein erhebliches Interesse einer Bank oder Sparkasse daran, zur Absicherung einer Forderung aus einem Kontokorrentkredit eine Sicherheit zu erhalten, die im Bedarfsfall nach Eintritt des Versicherungsfalls durch den Tod des Versicherungsnehmers auch zu einem späteren Zeitpunkt tatsächlich zur Befriedigung der gesicherten Forderung verwertet werden kann. Die Parteien haben dieser Interessenlage durch die Regelung in Ziffer 4.4 der Abtretungserklärung vom 31. März 1998 auch konkret Rechnung getragen. Hiernach hat die Streithelferin das Recht, Ansprüche aus der Versicherung bei Fälligkeit durch den Tod des Versicherungsnehmers einzuziehen, ohne dass dieses Recht - wie in den Regelungen zu 4.1 und 4.2 - vom Vorliegen eines wichtigen Grundes und einer vorherigen Androhung der Verwertung abhängig gemacht worden ist.
(2) Die Streithelferin war auch nicht verpflichtet, nach dem Tod des Versicherungsnehmers den mit der K H C & C GmbH & Co. KG vereinbarten Kontokorrentkredit zu kündigen, um auf diese Weise ihre Forderung fällig zu stellen. Nach dem maßgeblichen - das Bezugsrecht der Klägerin einschränkenden - Sicherungszweck bedurfte es auch zum Zeitpunkt der Auszahlung der Versicherungssumme einer Verwertungsreife der gesicherten Forderung als Voraussetzung für eine Einziehungsberechtigung der Streithelferin nicht.
Die zu sichernde Kontokorrentvereinbarung hat nicht zwischen dem Versicherungsnehmer und der Streithelferin, sondern zwischen dieser und der K H C & C GmbH & Co. KG bestanden. Das für die Sicherungsnehmerin bestehende Kreditrisiko ist durch die abgetretene Lebensversicherung nur zum Teil abgesichert worden. Hierneben bestanden die Ausfallbürgschaft der Bürgschaftsbank und vom Versicherungsnehmer für Verbindlichkeiten der K H C & C GmbH & Co. KG persönlich übernommene Bürgschaften in Höhe von insgesamt 8,5 Mio DM (Anlage K 17 zu Bd. I Bl. 84 ff. d.A.), die mit dessen Tod als Sicherheit entfallen und durch die streitige Lebensversicherungssumme lediglich zum Teil ersetzt worden sind. Eine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der K H C & C GmbH & Co. KG war zum Zeitpunkt des Todes des Versicherungsnehmers oder zum Zeitpunkt der Auszahlung der Versicherungssumme nicht ersichtlich. Die Klägerin hat selbst vorgetragen, dass das Unternehmen seinen vertraglichen Verpflichtungen aus der Kontokorrentverbindung in vollem Umfang nachgekommen ist, und dass nach dem Tod des Versicherungsnehmers bis zur Auszahlung der Versicherungssumme noch Einnahmen von mehr als 15 Mio DM auf dem Kontokorrentkonto eingegangen sind. Es ist vor diesem Hintergrund nicht ersichtlich, auf welcher Grundlage sich eine Verpflichtung der Streithelferin zur Kündigung des Kontokorrentkredits oder eine Berechtigung ergeben haben sollte, von der Kreditnehmerin nach dem Tod des Sicherungsgebers innerhalb einer bestimmten Frist die Rückführung des Kredits zu verlangen. Zwar macht die Klägerin geltend, dass der Streithelferin nach dem Tod des Versicherungsnehmers nach Nr. 26 (2) ihrer AGB ein außerordentliches Kündigungsrecht u.a. für den Fall zugestanden habe, dass sich die Vermögensverhältnisse eines Mitverpflichteten oder des persönlich haftenden Gesellschafters wesentlich verschlechtert haben oder erheblich gefährdet sind, sowie bei Tod oder Wechsel des persönlich haftenden Gesellschafters. Unabhängig vom Vorliegen dieser Voraussetzungen ergibt sich aus dieser Bestimmung jedoch lediglich ein Recht, aber keine Verpflichtung der Streithelferin zur Kündigung einer Geschäftsbeziehung. Im Übrigen hat gegenüber der Klägerin auch keine Verpflichtung der Streithelferin bestanden, nach Eintritt des Versicherungsfalls eine Abwicklung des Kontokorrentkredits durch eine Kündigung herbeizuführen, um der Klägerin nach dem Tod des Versicherungsnehmers eine zeitnahe Verfügung über die Versicherungssumme zu ermöglichen. Die Rechte und Pflichten der Streithelferin bestimmten sich hinsichtlich des Kontokorrentkredits allein nach dem diesem zugrunde liegenden vertraglichen Verhältnis mit der K H C & C GmbH & Co. KG. Gegenüber der Klägerin lässt sich eine Verpflichtung zur Kündigung oder das Recht auf Einziehung der Kontokorrentforderung innerhalb einer bestimmten Frist weder aus dieser vertraglichen Verbindung noch aus der zwischen dem Versicherungsnehmer und der Streithelferin getroffenen Sicherungsabrede herleiten.
(3) Der zwischen dem Versicherungsnehmer und der Streithelferin vereinbarte Sicherungszweck hat sowohl zum Zeitpunkt des Todes des Versicherungsnehmers als auch zum Zeitpunkt der Auszahlung der Versicherungssumme fortbestanden. Der Kontokorrentkredit hat zu beiden Zeitpunkten unstreitig einen erheblich höheren Sollstand als die Versicherungssumme von 750.000,00 DM ausgewiesen. Die Beklagte hat sich vor einer Auszahlung sowohl den Fortbestand des Kontokorrentkredits als auch einen die Versicherungssumme übersteigenden Sollstand bestätigen lassen. Da die Verwertungsreife der gesicherten Forderung aus dem Kontokorrentkredit nicht Voraussetzung für eine Berechtigung der Streithelferin zur Einziehung der Versicherungssumme war, war die Beklagte im Übrigen nicht verpflichtet, sich vor der Auszahlung an die Streithelferin neben dem Fortbestand des mit der Abtretung verfolgten Sicherungszwecks auch eine Kündigung des Kontokorrentkredits und damit eine Fälligkeit der Forderung nachweisen zu lassen. Weiter ist zu berücksichtigen, dass sich aus dem der Beklagten bekannten eingeschränkten Widerruf des Bezugsrechts vor der Auszahlung der Versicherungssumme zwar eine Prüfpflicht hinsichtlich einer Nachrangigkeit des Bezugsrechts der Klägerin ergeben hat. Eine Sicherungsabtretung ist jedoch grundsätzlich dadurch gekennzeichnet, dass der Sicherungsnehmer im Innenverhältnis zwar an den Sicherungszweck gebunden ist, im Außenverhältnis zum Schuldner aber alle Gläubigerrechte erlangt (vgl. Claussen, Bank- und Börsenrecht, 4. Aufl., § 5 Rn. 172). Ein Schuldner kann einem Sicherungsnehmer daher regelmäßig nicht entgegenhalten, der zu sichernde Kredit sei noch nicht fällig, so dass die zu sichernde Forderung nicht verwertet werden dürfe (vgl. Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, 18. Aufl., § 64 Rn. 767). Auch unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts hat keine Obliegenheit der Beklagten bestanden, vor der Auszahlung der Versicherungssumme über den mit der Abtretung verfolgten Sicherungszweck hinaus alle Voraussetzungen eines Verwertungsrechts gegenüber dem Kreditnehmer zu überprüfen.
bb.) Auch die unter Ziffer 5 Satz 2 der Abtretungserklärung getroffene Regelung begründet nach Eintritt des Versicherungsfalls keinen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Leistung der Versicherungssumme. Nach dieser Regelung ist die Streithelferin verpflichtet, die an sie nach dem Tod des Versicherungsnehmers geleistete Versicherungssumme an den Bezugsberechtigten auszuzahlen, soweit diese die gesicherten Ansprüche übersteigt. Hierdurch ergibt sich jedoch kein vorrangiges Bezugsrecht der Klägerin gegenüber den Rechten der Streithelferin. Nach der Intension der Vertragsparteien sollte vielmehr die aufgrund der Sicherungsabrede nachrangig bezugsberechtigte Klägerin im Falle eines Verwertungsüberschusses einen unmittelbaren Anspruch gegen die Streitverkündete auf Auszahlung der Versicherungssumme in Höhe des Überschusses erlangen. Es handelt sich insoweit um einen Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall nach §§ 328 Abs. 1, 331 Abs. 1 BGB (vgl. OLG Oldenburg, VersR 1990, 1378 zitiert nach juris Rn. 28 f.; BGH VersR 1996, 877 zitiert nach juris Rn. 13). Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte ergibt sich aus dieser Regelung nicht.
cc.) Schließlich begründet auch der Einwand der Klägerin, dass die an die Streithelferin ausgezahlte Versicherungssumme von dieser nicht zur Erfüllung des Sicherungszwecks verwendet worden ist, keinen Anspruch gegen die Beklagte. Die Versicherungssumme diente der Streithelferin nach dem Zweck der Sicherungsabrede auch nach der Auszahlung durch die Beklagte bis zum Eintritt des Sicherungsfalls durch eine Kündigung des Kontokorrentkredits als Sicherheit und war von ihr als Sicherungssurrogat zu behandeln. Sie durfte damit im Rahmen des bestehenden Treuhandverhältnisses auch weiterhin nur nach Maßgabe des mit dem Versicherungsnehmer vereinbarten Sicherungszwecks über die erlangte Versicherungssumme verfügen. Auch wenn die Streithelferin hiernach nicht berechtigt gewesen wäre, die Versicherungssumme dem Kontokorrentkonto der K H C & C GmbH & Co. KG gutzuschreiben, würde sich ein etwaiger Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen unzulässiger Verwendung der Versicherungssumme durch Auskehrung an die Darlehensnehmerin nicht gegen die Beklagte, sondern gegen die Streithelferin richten.
Eine Verpflichtung der Beklagten zur Auszahlung der Versicherungssumme an die Klägerin gemäß § 166 Abs. 2 VVG hat somit im Ergebnis mangels eines vorrangigen Bezugsrechts zum Zeitpunkt des Todes des Versicherungsnehmers nicht bestanden. Der Sicherungszweck der vom Versicherungsnehmer mit der Streitverkündeten getroffenen Abtretungsvereinbarung hat diesem in vollem Umfang entgegengestanden.
b.) Unter Berücksichtigung der bisherigen Darlegungen kann im Übrigen dahingestellt bleiben, ob die Klägerin die Zahlung der Versicherungssumme von der Beklagten - unabhängig vom Bestehen einer Bezugsberechtigung - bereits deshalb nicht verlangen kann, weil diese aufgrund der Vorlage des Originalversicherungsscheins durch eine Auszahlung an die Streithelferin gemäß §§ 12 Abs. 1 ALB, 362 BGB i.V.m. §§ 4 Abs. 1 VVG, 808 Abs. 1 BGB von der Leistungspflicht freigeworden ist. Die Legitimationswirkung des Versicherungsscheins dürfte im vorliegenden Fall jedoch auch nicht weiterreichen als die materiell befreiende Wirkung der Erfüllungsleistung der Beklagten an die Streithelferin.
Der Versicherungsschein ist ein qualifiziertes Legitimationspapier i.S.d. §§ 4 Abs. 1 VVG, 808 BGB, 12 Abs. 1 ALB (vgl. BGH VersR 1999, 700). Die Legitimationswirkung erstreckt sich auf alle Leistungen, zu denen der Aussteller nach den vertraglichen und gesetzlichen Bestimmungen verpflichtet ist, und auf die Berechtigung, über die Rechte aus dem Versicherungsvertrag zu verfügen. Hierzu zählt grundsätzlich auch die Befugnis zum Widerruf des Bezugsrechts gemäß § 12 Abs. 1 ALB. Nach dem Inhalt des Versicherungsscheins war - widerruflich - Bezugsberechtigte nicht die Streithelferin, sondern die Klägerin. In der Vorlage des Versicherungsscheins, verbunden mit dem Auszahlungsbegehren durch einen Dritten, könnte zwar zugleich ein konkludenter Widerruf der im Versicherungsschein ausgewiesenen Bezugsberechtigung liegen. Der Beklagten war jedoch durch die Übersendung der Abtretungserklärung bereits bekannt, dass ein Widerruf des Bezugsrechts erfolgt war, soweit dieses den Rechten der Streithelferin aus der Sicherungsabrede mit dem Versicherungsnehmer entgegen stand. Hieraus folgte gerade eine Verpflichtung der Beklagten zu überprüfen, ob nach dem ihr bekannten Sicherungszweck ein zu sicherndes Recht der Streitverkündeten aus einem laufenden Kontokorrentkredit oder ein Bezugsrecht der Klägerin bestand. Denn der Schuldner wird gemäß § 808 Abs. 1 BGB durch die Leistung an den Inhaber der Urkunde von seiner Leistungspflicht nur befreit, wenn die Leistung nach Maßgabe des verbrieften Versprechens erfolgt. Dieser Prüfpflicht wurde die Beklagte damit allein durch die Vorlage des Versicherungsscheins nicht enthoben.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, da die der Entscheidung zugrunde liegende Frage eine grundsätzliche Bedeutung hat. Ob die Todesfallleistung bei einem im Zeitpunkt des Versicherungsfalls ungekündigten und danach weitergeführten Kontokorrentkredit, der einem anderen als dem Versicherungsnehmer eingeräumt worden ist, dem Bezugsberechtigten, dem Sicherungsnehmer oder den Erben des Versicherungsnehmers zusteht, ist eine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage, die durch die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs noch nicht geklärt ist. Sie hat eine grundsätzliche Bedeutung für den Rechtsverkehr.
Ende der Entscheidung
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