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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 20.06.2006
Aktenzeichen: 6 U 46/06
Rechtsgebiete: BGB, VVG
Vorschriften:
BGB § 123 | |
VVG § 22 |
Kammergericht Beschluss
Geschäftsnummer: 6 U 46/06
20.06.2006
In Sachen
Tenor:
wird der Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die zweite Instanz zurückgewiesen.
Gründe:
Dem Kläger ist Prozesskostenhilfe nach §§ 114, 119 Abs.1 S.1 ZPO nicht zu gewähren, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg bietet.
Die Beklagte ist aus dem Versicherungsvertrag vom 25. Juni /10. Juli 1996 nicht zur Leistung der Klageforderung verpflichtet, denn sie hat den Versicherungsvertrag gemäß § 123 BGB, § 22 VVG wirksam angefochten. Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass der Kläger die Beklagte über Gefahrumstände arglistig getäuscht hat.
Der Kläger hat am 10. Juni 1996 die Antragsfrage, ob in den letzten drei Jahren ambulante Behandlungen, Beratungen oder Untersuchungen durch Heilbehandler stattgefunden haben, mit "nein" objektiv falsch beantwortet. Denn der Kläger war in den Zeiträumen 15. März 1996 bis 21. März 1996, 11. April 1996 bis 16. April 1996 und seit dem 22. April 1996 durchgehend bis über den Tag der Antragstellung hinaus arbeitsunfähig und in ärztlicher Behandlung.
Selbst wenn der Kläger, wie er behauptet, durch seine Ehefrau dem Vermittler Snnnnnn mitgeteilt haben sollte, dass er zur Zeit wegen eines Hexenschusses in Behandlung sei, änderte dies nichts an der schriftlich unzutreffenden Antwort auf die Fragen der Beklagten. Mündliche Auskünfte an den Vermittler - selbst wenn diese das Krankheitsbild zutreffend und umfassend wiedergegeben hätten - muss sich die Beklagte nicht als eigene Kenntnis zurechnen lassen. Denn Snnnnnn war nicht als Agent der Beklagten, sondern als Versicherungsmakler tätig, wie das Landgericht ausführlich begründet hat. Davon ist auch in zweiter Instanz auszugehen, nachdem der Kläger mit der Berufungsbegründung keine Umstände vorgetragen hat, die eine andere Bewertung rechtfertigten. Auf die Frage, ob der Kläger die Tätigkeit des Vermittlers rechtlich zutreffend als die eines Agenten oder eines Maklers einordnen konnte, kommt es dabei nicht an, denn aus dem Vortrag des Klägers sind auch keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass sich Snnnnnn ihm gegenüber wie ein Agent der Beklagten geriert hätte.
Der künftige Versicherungsnehmer hat die in einem Versicherungsformular gestellten Gesundheitsfragen grundsätzlich erschöpfend zu beantworten. Er darf sich daher bei seiner Antwort weder auf Krankheiten oder Schäden von erheblichem Gewicht beschränken, noch sonst eine wertende Auswahl treffen und vermeintlich weniger gewichtige Gesundheitsbeeinträchtigungen verschweigen (BGH, r+s 2003, 336), wenn nicht die Fragen selbst eine solche Einschränkung zulassen. Fragt der Versicherer neben Krankheiten auch nach Störungen und Beschwerden, so ist die Pflicht zur Offenbarung weit gefasst und findet ihre Grenze erst in Gesundheitsbeeinträchtigungen, die offenkundig belanglos sind oder alsbald vergehen (BGH, a.a.O.). Die von der Beklagten gestellte Frage Nr.3 zu den Gesundheitsverhältnissen war erst recht nicht einschränkend zu verstehen, da sie nicht an die Krankheit oder einen festgestellten Befund anknüpfte, sondern an jedwede Art von Behandlung, Beratung oder Untersuchung durch einen Heilbehandler, so dass z.B. auch Untersuchungen ohne Befund von dem objektiven Gehalt der Frage umfasst gewesen wären.
Der Kläger hat bei der falschen Beantwortung der Frage arglistig gehandelt. Arglistig handelt - ohne dass damit ein moralisches Unwerturteil verbunden ist - der Versicherungsnehmer, der mit wissentlich falschen Angaben von Tatsachen bzw. dem Verschweigen offenbarungspflichtiger Umstände auf die Entschließung des Versicherers, seinen Versicherungsantrag anzunehmen, Einfluss nehmen will und sich bewusst ist, dass der Versicherer möglicherweise seinen Antrag nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen werde, wenn er wahrheitsgemäße Angaben macht (BGH, VersR 1985, 156; NVersZ 1999, 472). Diese Umstände hat zwar, wie der Kläger zutreffend ausführt, der Versicherer zu beweisen, jedoch kann und muss sich der Versicherer dabei auf Indizien beschränken, da es sich bei dem Bewusstsein des Versicherungsnehmers um eine innere Tatsache handelt, die einem direkten Beweis nicht zugänglich ist.
Als erhebliches Indiz ist hier zu Lasten des Klägers vor allem die Dauer und Fortdauer der verschwiegenen Erkrankung zu berücksichtigen. Der Kläger war zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits seit sieben Wochen aufgrund derselben Beschwerden krankgeschrieben. Eine Besserung war bei Antragstellung offensichtlich nicht abzusehen, denn die Krankschreibung dauerte sodann noch für weitere sechs Wochen an. Hinzu kommt, dass der Kläger mit ähnlichen Beschwerden unmittelbar zuvor bereits vom 15. März bis 21. März 1996 und vom 11. April bis zum 16. April 1996 arbeitsunfähig war. Dass eine seit drei Monaten zunächst wiederholt und dann dauerhaft eintretende Arbeitsunfähigkeit ein für einen Berufsunfähigkeitsversicherer relevanter Gefahrumstand sein könnte, musste sich dem Kläger aufdrängen. Dies gilt umso mehr, als seine Beschwerden in engem Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit standen. Sie waren zum einen offenbar durch die berufliche Tätigkeit ausgelöst - jedenfalls trägt der Kläger nicht vor, sich den "Hexenschuss" bei Freizeitaktivitäten zugezogen zu haben. Zum anderen beeinträchtigten sie gerade die von dem Kläger ausgeübte körperliche Tätigkeit in besonderem Maße, bei der ausweislich des vom Kläger eingereichten berufskundlichen Berichts Lasten gehoben und Arbeiten in körperlichen Zwangshaltungen ausgeführt werden müssen.
Weiter ist bei einer Würdigung der Indizien zu berücksichtigen, dass der Versicherungsnehmer von vornherein die Nachprüfung seiner gesundheitlichen Verhältnisse erschwert, indem er die Namen behandelnder Ärzte verschweigt (BGH VersR 1994, 1457). Der Kläger ist nicht nur bei der Frage nach Untersuchungen in den letzten drei Jahren ausdrücklich nach den Namen und Anschriften der Ärzte gefragt worden, sondern er hat auch die Frage nach einem Hausarzt verneint, obgleich er Dr. Ann offenbar in einer solchen Funktion aufgesucht hat.
Der Kläger kann sich nicht damit entlasten, der Vermittler Snnnnnn habe die Rückenbeschwerden für nicht erheblich gehalten. Denn dem Kläger, der sich das Wissen seiner für ihn verhandelnden Ehefrau zurechnen lassen muss, musste klar sein, dass Snnnnnn aufgrund der ihm erteilten verharmlosenden Information nicht in der Lage sein konnte, den Umfang der Offenbarungspflichten des Klägers zutreffend zu beurteilen. So ist schon nicht vorgetragen, dass der Kläger den Vermittler über die erhebliche Dauer der Krankschreibung informiert hatte, die bereits hätte erkennen lassen, dass es sich nicht um unbedenkliche, alsbald wieder abklingende Beschwerden handelte. Ausweislich der Information der AOK war bei dem Kläger aber auch keineswegs nur ein Hexenschuss (Lumboischialgie) diagnostiziert worden, sondern auch periphere Enthesopathien (Erkrankung eines Sehnen- oder Muskelansatzes am Knochen), PHS (schmerzhafte Bewegungseinschränkung des Schultergelenks durch degenerative Prozesse an örtlichen Sehnen, Sehnenansätzen, Muskelübergängen, Knorpeln oder Knochen), Impingment-Syndrom (Funktionsbeeinrächtigung des Schultergelenks durch chronische Überlastung) und sonstige Affektionen des Rückens und im zervikalen Bereich. Dass Snnnnnn unzureichend über den Gesundheitszustand des Klägers informiert war, musste sich für den Kläger schon aus der behaupteten Einschätzung ergeben, es läge kein akutes Krankheitsbild vor. Davon konnte ausweislich der Diagnosen und der noch andauernden Behandlung erkennbar nicht die Rede sein.
Die Täuschung war ursächlich dafür, dass die Beklagte den Versicherungsantrag in der konkreten Ausgestaltung angenommen hat. Soweit der Kläger dies in der Berufungsbegründung erstmals bestreitet, ist dies gemäß §§ 529, 531 ZPO als neues Angriffsmittel nicht zuzulassen, nachdem er in erster Instanz mehrfach, so mit Schriftsätzen vom 18. April 2005 und vom 10. Januar 2006, die Möglichkeit eingeräumt hatte, dass die Beklagte einen Ausschluss bezüglich des Rückenleidens vereinbart hätte. Unabhängig davon wäre es aber auch Sache des Klägers, die Unerheblichkeit der erfragten Umstände darzulegen und zu beweisen, da nach § 16 Abs. 1 S.3 VVG jene Umständen, nach denen der Versicherer ausdrücklich fragt, im Zweifel als erheblich gelten. Erleichterungen der Darlegungslast kommen dem Kläger dabei nicht zugute. Der Versicherer muss nur dann substanziiert vortragen, von welchen Grundsätzen er sich bei der dem Vertragsschluss vorausgehenden Risikoprüfung leiten lässt, wenn die Gefahrerheblichkeit des verschwiegenen Umstandes nicht ohnehin auf der Hand liegt (BGH, VersR 2000, 1486). Dies ist nur dann der Fall, wenn die Gesundheitsstörung offenkundig als leicht einzuordnen ist, nicht wiederholt aufgetreten ist und deshalb von vornherein keinen Anhalt dafür bietet, dass sie für die Risikoeinschätzung des Versicherers hinsichtlich des auf Dauer angelegten Versicherungsvertrages von Bedeutung sein könnte (BGH a.a.O.). Für eine Berufungsunfähigkeitsversicherung lag hier aus den oben ausgeführten Gründen die Gefahrerheblichkeit auf der Hand, weil die Dauer der Beschwerden und die enge Verknüpfung mit der körperlichen Tätigkeit des Klägers die Gefahr offenkundig erscheinen ließen, dass bei dem Kläger hinsichtlich der Rückenbeschwerden ein erhöhtes Risiko für Berufungsunfähigkeit vorlag.
Entgegen der Ansicht des Klägers ist es nicht geboten, den ihn behandelnden Arzt als Zeugen dazu zu vernehmen, dass die Erkrankung als üblich und leicht einzustufen sei. Die Bewertung der vom Versicherungsnehmer anzuzeigenden Umstände ist allein Sache des Versicherers. Demgemäß sind bei der Frage, ob die Gefahrerheblichkeit auf der Hand liegt, die anzugebenden Umstände so zugrunde zu legen, wie sie dem Versicherer anzuzeigen waren, ohne dass es insoweit auf eine nachträgliche ärztliche Bewertung dieser Umstände ankommen könnte. Werden dem Versicherungsnehmer mit dem Vesicherungsantrag ausdrücklich Fragen nach Gesundheitsumständen gestellt, ist er nicht etwa aufgerufen, deren Gefahrerheblichkeit aus seiner Sicht zu beurteilen, sondern gehalten, die Fragen wahrheitsgemäß und vollständig zu beantworten und deren Prüfung und Bewertung dem Versicherer zu überlassen (BGH, VersR 2000, 1486).
Ende der Entscheidung
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